Menü

Die Ordnungen Gottes

von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)

Predigtdatum : 28.10.2001
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 19. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Markus 2,23-28
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Ihre E-Mail

Wochenspruch:



Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.

(Micha 6,8)



Psalm: 119,101-108 (EG 748)



Lesungen



Altes Testament:

1. Mose 8,18-22

Epistel:

1. Thessalonicher 4,1-8

Evangelium:

Markus 10,2-9 (10-16)



Liedvorschläge



Eingangslied:

EG 162

Gott Lob, der Sonntag kommt herbei

Wochenlied:

EG 295

Wohl denen, die da wandeln

Predigtlied:

EG 325

Sollt ich meinem Gott nicht singen

Schlusslied:

EG 170

Komm, Herr, segne uns



23 Es begab sich, dass Jesus am Sabbat durch ein Kornfeld ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen. 24 Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist? 25 Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er in Not war und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren: 26 wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit Abjatars, des Hohenpriesters, und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren? 27 Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. 28 So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat.



Liebe Schwestern und Brüder,

Jugendliche sind meistens sehr unbefangen im Umgang mit heiligen Schriften. So ist mir schon oft bei ihnen die Forderung begegnet: Eigentlich müsste man doch die Bibel in unsere Zeit hinein einmal neu schreiben, - so dass sie in unsere Zeit hineinpasst.

Was bliebe bei so einer neu geschriebenen Bibel für unsere Zeit wohl von dieser Geschichte übrig? Ich vermute, dass sie verschwinden würde – so wie es vor Jahren ein Theologie-Professor vorgeschlagen hat: Das ist kein Thema mehr für uns. Wir haben das Wochenende. Da kann jeder und jede tun und lassen, was er will. Wir sind auf dem Weg zu einer freien Gesellschaft, in der keiner mehr dem anderen in seine Freizeitgestaltung hineinredet was soll da noch dieser Konflikt? Darum wollte er diese Geschichte vom Sabbatstreit als Predigtwort abgetan wissen.

Das ist die eine Stimme. Die andere Stimme aber sagt: Diese Geschichte ist geradezu gefährlich. Wir kämpfen heute einen Kampf um den Sonntag. Wir stehen mit dem Rücken zur Wand: Sportvereine legen immer mehr Veranstaltungen auf den Sonntag. Politische Parteien, auch die mit dem „C“, halten am Sonntagmorgen ihren Frühschoppen. Wanderer sind jeden Sonntagmorgen unterwegs, aber gewiss nicht in die Kirche. Und von Zeit zu Zeit bekomme ich Einladungen zur Eröffnung von Ausstellungen - sonntags um 10.30. Niemand denkt sich mehr etwas dabei. Und wer ein Schild am Auto hat: ‚Ohne Sonntag sind alle Tage nur noch Werktage’, wird ein bisschen belächelt. Nein, diese Geschichte fällt uns in den Rücken bei unserem Kampf um den Sonntagvormittag als die Zeit für den Gottesdienst.

Also eine überflüssige Geschichte? Eine gefährliche Geschichte? Gewiss jedenfalls keine Geschichte, die es uns erlaubt, unsere kirchlichen Ansprüche auf den Sonntagvormittag als Machtansprüche vorzutragen. Aber lassen sie uns weiterfragen – vielleicht entdecken wir noch mehr.

Was ist das überhaupt, der Sabbat? Warum ist er den Pharisäern so wichtig? Der Sabbat hat für Israel eine ganz große Bedeutung er ist gute Gabe Gottes für sein Volk. Den Sabbat halten heißt sich daran erinnern lassen, dass das Ziel Gottes mit seinem Volk und seiner Welt der große Sabbat ist – an dem alles ausruhen darf von seiner Mühe, an dem alles Gott die Ehre gibt, wo alles, Mensch und Tiere, die ganze Schöpfung den Platz einnimmt, der ihr und ihm zukommt. Und den Sabbat halten heißt: sich daran erinnern lassen, dass vor Gott die Armen und die Fremden und die Tiere, der Boden und das Wasser geschützt sind vor dem erbarmungslosen, ausbeutenden Zugriff des Menschen. Der Sabbat als Feiertag erinnert daran: Der Mensch lebt nicht, um zu arbeiten. Der Mensch lebt nicht von dem, was er schafft, und er ist mehr als das, was er leistet.

Merken wir: So den Sabbat anschauen - das macht ihn anders. Es geht nicht um erzwungene Ruhe, nicht um ein Nichtstun, das alles erstickt. Es geht um das Ernstnehmen Gottes und zugleich um die Wohltat für Mensch und Schöpfung, die in solchem Ernstnehmen liegt.

Genau an dieser Stelle aber ist der Konflikt zwischen Jesus und den Pharisäern angesiedelt. Sie wollen den Sabbat ganz ernst nehmen, sie wollen den Sabbat schützen – und dazu zwingen sie die Menschen in ein Korsett von Vorschriften: Du darfst am Sabbat keine 2000m gehen. Du darfst am Sabbat kein frisches Essen kochen. Du darfst am Sabbat kein Feuer anzünden. Du darfst am Sabbat keine schwere Last tragen. Du darfst am Sabbat keine Erntearbeit machen. Du darfst nicht. Du darfst nicht...

Und vor lauter Vorschriften, die man zu beachten hat, wird der Sabbat selbst zur großen Vorschrift. Vor lauter Vorschriften ist die freundliche Anordnung Gottes nicht mehr als freundlich, sondern nur noch als Anordnung zu erkennen. Gott selbst ist nicht mehr zu erkennen er ist hinter den Vorschriften verschwunden, hinter den tausend Regelungen, die ihn ehren sollen. Die Regelungen sind zum Herrn des Sabbats geworden.

Jesus sagt dem gegenüber: „Der Menschensohn ist ein Herr auch des Sabbats.“ Das ist sehr einfach: Ich bin der Herr der über diesen Tag verfügt. Ich bin der Herr, der über dieses Leben verfügt. Wer an mich gebunden ist, der ist an Gott gebunden, der geht mit Gott. Und wo ich bin, da ist das Reich Gottes schon da. Da dürft ihr leben im selbstverständlichen Vertrauen der Kindern Gottes.

Damit ist eines klar: Jesus richtet jetzt nicht ein paar neue Regeln auf, die etwas großzügiger sind als die der Pharisäer. Er ruft vielmehr seine Gesprächspartner hinein in das Vertrauen, in dem seine Jünger schon leben. Sie leben in dem Vertrauen, dass Gottes gute Schöpfung ihnen dient. Sie leben in dem Vertrauen, dass sie in der Nähe Jesu gut aufgehoben sind. Sie leben in dem Vertrauen, dass sie nicht tausend Vorschriften beachten müssen, um seine Leute zu sein.

Um dieses Vertrauen geht es: dass ich alle Tage meines Lebens aus der Hand Gottes empfange den Tag der Arbeit und den Tag der Ruhe, den Tag, um zu schaffen, und den Tag, um zu faulenzen. Das ist das Ziel des Sabbattages. Das ist das Ziel unseres Sonntages: dass wir Gottes Gabe erfahren als gute Gabe für uns, dass wir die Nähe Gottes erfahren als seine Wohltat für unser Leben.

Von daher können wir als Christen dann auch die Frage nach der Gestalt des Sonntags betrachten: wird in der Art, wie wir den Sonntag leben, etwas deutlich davon, dass wir Gottes Nähe suchen? Wird an der Gestalt, die wir dem Sonntag geben, etwas erfahren davon, dass er ein Tag ist, den ich Gott verdanke? Wird an der Art, wie wir den Sonntag leben, etwas davon deutlich, dass ich mich vor Gott freuen kann und dass er der Herr aller meiner Tage ist?

Für mich ist eines klar: ich brauche dazu die Ruhe des Sonntages. Ich brauche dazu die Begegnung mit anderen Christen im Gottesdienst. Ich brauche das Hören auf das Wort Gottes, das mir immer neu seine Freundlichkeit und seine Liebe zusagt. Ich brauche dazu diesen Tag, an dem ich einmal nicht unter dem Druck stehe, irgendwelche Leistungen zu erbringen. Ich brauche dazu das Gespräch mit Freunden, die freie Zeit mit den Kindern. Ich brauche dazu, dass ich einmal heraustreten kann aus dem ständigen Jagen von Terminen, Pflichten und einfach Zeit haben kann.

Darum wehre ich mich auch dagegen, wenn Sitzungen auf den Sonntag gelegt werden sollen. Darum wehre ich mich auch dagegen, wenn gar zu viele Veranstaltungen, auch kirchlicher Art, am Sonntag stattfinden sollen. Darum ist es mir auch nicht so sehr recht, wenn ein Sonntag nach dem anderen mit Sport gefüllt ist. Darum macht es mir Kummer, dass Vereine am Sonntagmorgen Abteilungssitzungen veranstalten, dass sie den Zeitpunkt des Gottesdienstes so wenig respektieren. Darum sehe ich es mit großer Sorge, wie Menschen sich den Sonntag abkaufen lassen durch Zuschläge oder wie Industriezweige auch den Sonntag dem Gesetz der Rentabilität unterwerfen wollen und auf einmal gefragt wird: „Können wir uns diesen Luxus des Sonntages überhaupt noch leisten?“ Wenn wir es nicht können, bleibt uns keine Erinnerung daran, dass uns das Leben geschenkt ist, dass wir aus der Gnade und nicht aus dem Verdienst leben.

Ich sage das alles nicht, um nun doch neue Gesetze aufzurichten, nun christlich gefärbt statt pharisäisch. Es geht mir auch nicht darum, irgendwie den Sonntag nun doch zu reklamieren als den Tag, an dem nichts stattfinden darf außer Gottesdienst. Aber ich möchte uns viel Mut machen, danach zu fragen, als Einzelne und vor allem auch als Gemeinde, wie wir diesen Tag, der Gottes Tag ist, so leben können, dass er uns gut tut, dass wir in ihm die Güte Gottes erfahren, dass er wirklich von daher bestimmt ist, dass wir Leute Jesu sein wollen, die seinem Wort trauen und seine Freiheit in ihrem Leben erfahren, sie nicht vertun.

Und ich möchte uns Mut machen, immer wieder am Sonntag den Weg zur Ruhe vor Gott zu suchen, den Weg zum Gottesdienst in der Gemeinde zu gehen, weil wir hier etwas davon erfahren, dass dieser Tag für uns gemacht ist und nicht wir für diesen Tag gemacht sind. In dieser Ruhe aber werden wir entdecken, dass wir alle dafür gemacht sind, zur großen Ruhe Gottes zu gelangen. Amen.



Verfasser: Pfr. Paul-Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 61169 Friedberg

Herausgegeben vom

Logo Zentrum Verkündigung

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de

in Kooperation mit dem

Logo Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland

Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97

Logo MÖD – Missionarisch Ökumenischer Dienst
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de