Menü

Die Ordnungen Gottes

von Sabine Leonhard (60433 Frankfurt)

Predigtdatum : 05.11.2000
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 19. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : 1. Korinther 7,29-31
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Ihre E-Mail

Wochenspruch:

Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.
(Micha 6,8)

Psalm: 119,101-108 (EG 748)

Lesungen

Altes Testament:
1. Mose 8,18-22
Epistel:
1. Thessalonicher 4,1-8
Evangelium:
Markus 10,2-9 (10-16)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 453
Schon bricht des Tages Glanz hervor
Wochenlied:
EG 295
Wohl denen, die da wandeln
Predigtlied:
EG 427
Solang es Menschen gibt auf Erden
Schlusslied:
EG 157
Lass mich dein sein und bleiben

Hinführung
* Vorbehalte gegen Text
* Versuch einer persönlichen Bezugnahme
* Eschatologische Elemente - Leben in dieser Welt in Erwartung der Wiederkunft Christi
Ich habe bewusst darauf verzichtet, das Thema “Ehe” in den Mittelpunkt zu stellen, auch wenn dies aus dem Zusammenhang des ganzen Kapitels geboten zu sein schien. Es würde viele Predigthörer/-innen (z. B. die sogenannten Singles) ausschließen.
29 Die Zeit ist kurz. Fortan sollen auch die, die Frauen haben, sein, als hätten sie keine; und die weinen, als weinten sie nicht; 30 und die sich freuen, als freuten sie sich nicht; und die kaufen, als behielten sie es nicht; 31 und die diese Welt gebrauchen, als brauchten sie sie nicht. Denn das Wesen dieser Welt vergeht.

Liebe Gemeinde!
“Die Zeit ist kurz.” “Das Wesen dieser Welt vergeht.” Wie eine Klammer umschließen diese beiden Sätze einen Text, der merkwürdig fremd in unseren Ohren klingt. Und wenn wir dann bedenken, dass er rund 1950 Jahre alt ist, dann können wir nicht umhin, einige Fragezeichen anzubringen. Hat uns dieser Text überhaupt noch etwas zu sagen? Die angeblich so kurze Zeit dauert mittlerweile fast 2000 Jahre; das “Wesen dieser Welt” ist noch längst nicht vergangen. Und wenn das Ende wirklich bevorstünde, wäre dies ein Grund, so im Negativen zu leben, so im Verzicht auf der ganzen Linie – auf Ehe verzichten, auf Freude verzichten, auf die Güter dieser Welt verzichten? Ich möchte es da eigentlich lieber mit Luther halten, von dem es ja heißt, er würde auch im Wissen um den bevorstehenden Weltuntergang noch ein Apfelbäumchen pflanzen. Was also tun mit diesem Text, der uns gegen Ende des Kirchenjahres anbefohlen ist?
“Die Zeit ist kurz.” Diese Feststellung mahnt uns zunächst einmal an unsere eigene Vergänglichkeit, an unsere ganz persönliche Endlichkeit. Keiner von uns weiß, wann seine Zeit um ist, wann für ihn das Wesen dieser Welt vergeht. Wenn wir in zwei Wochen der Toten des vergangenen Jahres gedenken, mag mancher Name dabei sein, von dem wir nie und nimmer gedacht hätten, dass er zu den Toten diese Jahres gehören könnte.
“Die Zeit ist kurz.” Umso mehr gilt es, die uns verbleibende Zeit zu nutzen, “auszukaufen”, wie Paulus es an anderer Stelle einmal sagt. Es gilt herauszufinden, was wichtig und was unwichtig ist. Paulus erinnert uns daran, - und ich glaube, wir haben solche Erinnerung bitter nötig! - dass christliche Existenz immer eschatologische Existenz ist, das heißt, christliches Leben wird im Vorläufigen gelebt, aber auf dem Hintergrund von etwas Endgültigem - der Wiederkunft Christi. Die Empfänger des Paulusbriefes bedurften solcher Erinnerung im Grunde nicht. Sie lebten in der Erwartung der unmittelbar bevorstehenden Wiederkunft. Wir haben diese Erwartung heute weitgehend an Sekten abgegeben. Darum ist es gut, dass die Kirche wenigstens gegen Ende eines Kirchen-Jahres uns mit den Texten der Sonntage daran erinnert.
Was Paulus in unserem Text als Vorläufiges anführt und damit letzlich als etwas, was im Grunde außer Acht gelassen werden kann, sind Beispiele, die im Hinblick auf die Gemeinde in Korinth für ihn wichtig waren, die wir uns aber nicht unbedingt zu eigen machen müssen. Seine Bemerkungen über die Ehe, zum Beispiel, sind zweifellos Antworten auf Anfragen aus Korinth. Auf dem Hintergrund des erwarteten Weltendes ist ja tatsächlich jegliche menschliche Bindung von untergeordneter Bedeutung. Für uns ist diese Einstellung nicht mehr nachvollziehbar.
Im Übrigen - natürlich dürfen wir weinen, aber wir sollen uns von unserer Trauer nicht gefangen nehmen lassen. Natürlich dürfen wir uns freuen - aber worüber freuen wir uns? Natürlich dürfen wir von den Angeboten unserer Wirtschaft Gebrauch machen - aber gegen unseren Konsumrausch, dem selbst die Feiertage mehr und mehr geopfert werden, sollten wir sehr deutlich auf die Mahnung des Paulus hören “kaufen, als behielten sie es nicht.”
Paulus geht es um eine innere Freiheit von den Dingen dieser Welt. Denn christliches Leben ist Leben in dieser Welt. Hier müssen wir uns bewähren. Wir können uns als Christen nicht auf eine Insel der Seligen zurückziehen. “Wir leben im Vorletzten und glauben das Letzte”. So hat der Theologe Dietrich Bonhoeffer diese Spannung einmal umschrieben, und weiter: “Nur wenn man das Leben und die Erde so liebt, dass mit ihr alles verloren und zu Ende zu sein scheint, darf man an die Auferstehung der Toten und eine neue Welt glauben.”
Diese Erde lieb haben! Das weist uns an unsere Verantwortung. Wir dürfen diese Welt nicht sich selbst überlassen. Es wäre ein Missverständnis, wollten wir die Worte des Paulus so auslegen.
Unser Glaube an das Letzte, unsere Hoffnung auf die Wiederkunft Christi will spürbar werden in unserem Leben im Vorletzten.
“Nachfolge Jesu muss mitten in der Welt gelebt werden” mahnt uns Bonhoeffer. Mag das Wesen dieser Welt vergehen - bis es soweit ist, sind wir zum Dienst an der Welt berufen. Dieser Dienst mag dann auch einmal bewussten Verzicht von uns fordern, den wir gleichsam stellvertretend der Welt vorleben; es müssen nicht unbedingt die von Paulus angeführten Verhaltensweisen sein. Unsere heutigen Lebensumstände sind nicht mehr die der Gemeinde von Korinth. Ja, selbst die Glieder unserer Gemeinde leben in ganz unterschiedlichen Verhältnissen. Dass wir den uns zugewiesenen Lebensbereich – Beruf, Haushalt, Ehe oder “Single”-Dasein – als das “Vorletzte” begreifen, in dem wir uns bewähren müssen, darauf kommt es an; dazu will uns der zunächst so fremdartig anmutende Text aufrufen.
“Die Zeit ist kurz.” Nutzen wir sie! Amen.

Verfasserin: Prädikantin Sabine Leonhardt, Friedlebenstr. 6, 60433 Frankfurt

Herausgegeben vom

Logo Zentrum Verkündigung

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de

in Kooperation mit dem

Logo Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland

Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97

Logo MÖD – Missionarisch Ökumenischer Dienst
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de