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Die Ordnungen Gottes

von Christian Scholz (35516 Münzenberg)

Predigtdatum : 02.11.2003
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 19. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Markus 10,2-9.(10-16)
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Wochenspruch:

Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.
(Micha 6,8)

Psalm: 119,101-108 (EG 748)

Lesungen

Altes Testament:
1. Mose 8,18-22
Epistel:
1. Thessalonicher 4,1-8
Evangelium:
Markus 10,2-9 (10-16)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 453
Schon bricht des Tages Glanz hervor
Wochenlied:
EG 295
Wohl denen, die da wandeln
Predigtlied:
EG 240
Du hast uns, Herr, in dir verbunden
Schlusslied:
EG 157
Lass mich dein sein und bleiben

2 Pharisäer traten zu Jesus und fragten ihn, ob ein Mann sich scheiden dürfe von seiner Frau; und sie versuchten ihn damit. 3 Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Was hat euch Mose geboten? 4 Sie sprachen: Mose hat zugelassen, einen Scheidebrief zu schreiben und sich zu scheiden. 5 Jesus aber sprach zu ihnen: Um eures Herzens Härte willen hat er euch dieses Gebot geschrieben; 6 aber von Beginn der Schöpfung an hat Gott sie geschaffen als Mann und Frau. 7 Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird an seiner Frau hängen, 8 und die zwei werden ein Fleisch sein. So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. 9 Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.
[10 Und daheim fragten ihn abermals seine Jünger danach. 11 Und er sprach zu ihnen: Wer sich scheidet von seiner Frau und heiratet eine andere, der bricht ihr gegenüber die Ehe; 12 und wenn sich eine Frau scheidet von ihrem Mann und heiratet einen andern, bricht sie ihre Ehe.
13 Und sie brachten Kinder zu ihm, damit er sie anrühre. Die Jünger aber fuhren sie an. 14 Als es aber Jesus sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solchen gehört das Reich Gottes. 15 Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. 16 Und er herzte sie und legte die Hände auf sie und segnete sie.]

Liebe Gemeinde!
Ein Pfarrer erzählt, dass er in den kirchlichen Trauungen, die er zu halten hat, bei der Einsegnung der Brautleute immer einen Satz weglässt, den eigentlich die Agende vorschreibt, und zwar die Worte: „Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.“ Er begründet das so: Dieser Satz muss für alle Geschiedenen wie eine Ohrfeige wirken, und es ist ja davon auszugehen, dass unter den meist recht zahlreichen Hochzeitsgästen in der Kirche auch einige Geschiedene sitzen.
Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden. Ist es falsche Rücksichtnahme, dieses Wort bei der Trauung zu streichen? Wird hier in zu weicher, nachgiebiger Haltung dem gegenwärtigen Trend und dem Zeitgeist ein Opfer gebracht, anstatt in aller Deutlichkeit die Einstellung Jesu zur Ehe geltend zu machen? Sollte die Kirche nicht viel klarer gegen die Aufweichung von Ehe und Familie zu Felde ziehen? Welche Grundsätze sollen unter Christen im Blick auf die Ehe gelten?
Angenommen, wir würden jetzt in einem ökumenischen Gesprächskreis zusammen mit Christinnen und Christen aus der katholischen Kirche über unsern Predigttext und über die Eheauffassung diskutieren, da kämen krasse Gegensätze zu Tage. Und was uns dabei sicherlich am meisten verwundern würde, wäre, dass wir Evangelischen uns dabei auf der Seite der Pharisäer und die Katholiken auf Seiten Jesu befinden würden. Wie das?
Nun schauen wir noch einmal in den Text hinein und überlegen gleichzeitig, wie die beiden großen Kirchen zur Stellung beziehen!
Wir hören aus dem Gespräch zwischen Jesus und den Pharisäern einen Gegensatz heraus. Da gibt es einen Kurs, der die Scheidung erlaubt. Im 5. Buch Mose gibt es dazu eine Anweisung mit dem Hinweis auf einen Scheidebrief, der die Trennung möglich macht. Und da gibt es die harte Linie, die Jesus vertritt, der sagt: Gott hat Mann und Frau füreinander geschaffen und was er zusammenbringt, soll der Mensch nicht trennen. Ja, und wir wissen sicher, dass in diesem Sinne die katholische Kirche von der Unauflöslichkeit der Ehe ausgeht; Geschiedene können nicht noch einmal kirchlich getraut werden; ja ihnen wird sogar der Zugang zur Kommunion, zum Abendmahl, verwehrt. Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden. Unsere katholischen Schwestern und Brüder scheinen hier Jesus ganz auf ihrer Seite zu haben mit seinem strengen Kurs in Ehesachen.
Und die Evangelische Kirche? Sie verfolgt eher die Linie von Mose her. Im Wissen um die Herzenshärte und Unvollkommenheit der Menschen, im Wissen darum, dass wir Sünder sind und dass es keine perfekten Ehen geben kann, nimmt man die Scheidung gleichsam als Notlösung in Kauf und legt auch Geschiedenen keine Steine in den Weg, wenn sie noch einmal heiraten und die kirchliche Trauung haben möchten. In unserer Evangelischen Kirche gehen wir von der Erfahrung aus, dass es einfach so tiefe und unerträgliche Beziehungsstörungen geben kann, so dass eine Scheidung geradezu wie eine Erlösung, wie eine neue Lebenschance die Situation zweier Menschen verändert. Aber wer hat nun Recht? Mose und die Pharisäer und in ihrem Gefolge die evangelische Kirche, oder die Hardliner des Vatikans, die sich auf Jesus berufen können? Nun müssen wir noch etwas genauer in den Text hineinhören.
Im Gespräch Jesu mit den Pharisäern ist gleichsam zwischen den Zeilen ein Gegensatz zu spüren, von dem wir bisher noch nicht gesprochen haben, nämlich der Gegensatz zwischen einer reinen Männergesellschaft und der Gleichstellung der Frau.
Mose und die Pharisäer verkörpern die patriarchalische Gesellschaft, in der die männliche Seite alles bestimmt, und wo man nicht nach der Möglichkeit fragt, ob sich vielleicht eine Frau von ihrem Mann trennen möchte, weil dieser irgendwelche unerträglichen Fehler hat. Nein, da ist nur dem Mann mit dem Recht ausgestattet, die missliebige Ehefrau durch einen Scheidebrief, den er ihr geben kann; loszuwerden.
Auf dieser Linie, die die Frauen diskriminiert, liegt auch die Art, wie einmal die Pharisäer eine Frau zu Jesus bringen, die beim Ehebruch ertappt wurde und nun gesteinigt werden soll. Wo, so fragt man sich, bleibt da eigentlich der dazugehörige Mann? Zum Ehebruch gehören doch mindestens zwei. Wir wissen, dass Jesus diese Frau vor ihren Anklägern in Schutz genommen hat; er sagte: „Wer von euch ohne Sünde ist der werfe den ersten Stein.“ Darauf hin ging einer nach dem andern still davon.
Jesus stellt die gleiche Würde von Mann und Frau heraus. Als die Pharisäer ihn um eine Stellungnahme zur Ehescheidung bitten, ist ihm dies ganz wichtig: Gott hat sie gleichberechtigt zur Partnerschaft, zum Miteinander und Füreinander erschaffen, damit sie eine Einheit bilden sollen. Und es kann nicht im Sinne Gottes sein, dass jetzt der Mann gleichsam eine Schere in die Hand bekommt, mit der er die Bindung an seine Frau durchschneiden kann, während seine Frau nur von seiner Gnade oder Ungnade abhängig ist.
Merken wir: Jesus verfolgt seine strenge Position deshalb, weil er den schwächeren Teil nämlich die Frauen, in Schutz nehmen will vor der Willkür männlicher Übermacht.
Wir leben heute in anderen Rahmenbedingungen. Besonders seit dem neuen Scheidungsrecht, das inzwischen auch schon ca. 25 Jahre alt ist und das den Schuldfaktor aus einem Scheidungsverfahren ganz herausgenommen hat, jetzt sind nicht unbedingt die Frauen der schwächere Teil, wenn eine Krise kommt. Viele Ehen scheitern, und viele Menschen leben in Partnerschaften ohne Trauschein. Ist die Ehe ein Auslaufmodell?
Wenn man sich mit Eheberatern und Psychotherapeuten unterhält, kann man erfahren, dass keineswegs nur unter Ehepartnern Beziehungsstörungen auftreten. Im Gegenteil, die nicht verheirateten Partner haben oft viel größere Probleme, weil ihnen der Schutzrahmen der Ehe und die Verbindlichkeit einer Treuezusage fehlt.
Und so kommen Jahr für Jahr Brautpaare zum Standesamt und vor den Traualtar, immer mit der Hoffnung im Herzen: Unsere Liebe wird halten, bis der Tod uns scheidet.
Es wäre verfehlt, die Ehe als einzige Lebensform hinzustellen; Jesus selbst war z. B. unverheiratet. Aber die Keimzelle einer Gesellschaft ist nun einmal die Familie und die Ehe. Das folgt aus Gottes Schöpfung. Und was wäre das speziell christliche Element in einer Ehe? Wo liegt der Unterschied zwischen dem, was auf dem Standesamt bei einer Trauung verhandelt wird, und dem, was in der Kirche geschieht? In der Kirche geht es um den Segen Gottes, der für zwei Eheleuten erbeten wird; er soll ihre Unvollkommenheiten überbrücken und ihnen die Kraft zur Treue schenken. Und es geht um den Geist der Vergebung, der in eine Ehe einziehen soll. Scheidungen wären überflüssig, wenn die Bereitschaft zum Verzeihen und Versöhnen unter Ehepartnern vorhanden wäre. Hier liegt das Markenzeichen christlicher Ehen.
Wo dieser Geist fehlt, da hat dann Martin Walser mit seiner Definition der Ehe Recht: „Ehe, das ist, wie wenn zwei Chirurgen ständig aneinander herumoperieren an den Stellen, wo es am wehesten tut.“ Solch eine Beziehung kann die Hölle sein, weil das Entscheidende nicht da ist: die Liebe, die immer wieder zur Vergebung bereit ist.
Und so hat der Dichter Manfred Hausmann die christliche Art der Partnerschaft mit einem kurzen Satz auf den Punkt gebracht: „Liebende leben von der Vergebung.“
Hier ist Jesus Christus ganz nahe und hält das zusammen, was so zerbrechlich und gefährdet ist: die Gemeinschaft von Mann und Frau.
Welche Kraft die Vergebung für eine gefährdete Ehe haben kann, mag durch folgende Begebenheit illustriert werden. In einem italienischen Fischerdorf, auf einer Felseninsel gelegen, gab es das ungeschriebene Gesetz: eine Frau, die sich des Ehebruchs schuldig gemacht hatte, vom hohen Felsen ins Meer zu Tode zu stürzen. Wieder einmal wird ein armes Opfer an die Hinrichtungsstätte geführt. Das ganze Dorf war zur Vollstreckung des Urteils erschienen, und man schaut zu, wie die Frau erbarmungslos in den Abgrund geworfen wird. Aber am andern Tag sehen die Richter eben jene Frau unversehrt am Herd ihres Hauses hantieren. Die Dorfbewohner können es nicht fassen. Was war geschehen? Das Rätsel löst sich, als der Mann der Geretteten erzählt: Ich habe gewusst, dass meine Frau ein Verhältnis zu einem Matrosen hatte. Aber ich liebe sie! Ich wollte sie zurückgewinnen. Sie musste am Leben bleiben. Die halbe Nacht habe ich gearbeitet und dann auf sie gewartet. Tief unten über dem Meer habe ich mein Fischernetz ausgespannt. Das hat meine Frau aufgefangen.
Liebe fängt Schuld auf. Vergebung gibt neue Chancen.
Jene Frau stürzte vom Felsen hinab, aber sie fiel in das Netz der Liebe ihres Mannes. Was Gott zusammengefügt hatte, das konnte keine Schuld und kein Todesurteil scheiden.
Möchte dies auch für die Beziehungen gelten, in denen wir leben, dass wir erfüllt sind vom Geist der Liebe Christi, jeden Tag neu. Amen.

Verfasser: Pfr. Christian Scholz (1997)

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