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Die verheißene Erlösung

von Uwe Handschuch (Dietzenbach-Steinberg)

Predigtdatum : 07.12.2014
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 2. Advent
Textstelle : Lukas 21,25-33
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Wochenspruch:
"Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht!" (Lk 21, 28)
Psalm: 80, 2 - 7.15 - 20

Lesungen
Altes Testament: Jesaja 63, 15 - 16 (17 - 19 a) 19 b; 64, 1 - 3
Epistel: Jakobus 5, 7 - 8
Evangelium: Lukas 21, 25 - 33

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 7, 1 - 6 O Heiland, reiß die Himmel auf
Wochenlied: EG 6, 1 - 5 Ihr lieben Christen, freut euch nun
Predigtlied: EG 96, 1 - 6 Du schöner Lebensbaum
Schlusslied: EG 152, 1 - 4 Wir warten dein, o Gottes Sohn

Predigt
„Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Mee-res, und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.

Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“

Und er sagte ihnen ein Gleichnis: „Seht den Feigenbaum und alle Bäume an: wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wisst ihr selber, dass jetzt der Sommer nahe ist. So auch ihr: wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, wisst, dass das Reich Gottes nahe ist. Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht. Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht.“


Liebe Gemeinde,

meine Nachbarin hat zwei grüne Daumen, und ich bin mir sicher, auch Sie kennen Menschen mit dieser beeindrucken-den Gabe. Pflanzen haben bei meiner Nachbarin jedenfalls gar keine andere Chance als zu wachsen und zu gedeihen. Ihr Vorgarten ist eine wahre Pracht; immer wieder bleiben Passanten stehen und bestaunen das, was da hinterm Zaune grünt und blüht. Der Garten hinter ihrem Haus gleicht einem kleinen Paradies, inklusive Apfelbaum in der Mitte. Und ihr Wohnzimmer braucht keinen Vergleich mit einem südamerikanischen Dschungel zu scheuen.

Was mit ihren beiden grünen Daumen in Berührung kommt, scheint sich immer zum Besten zu entwickeln. Und alles wäre tatsächlich bestens, wenn sich dieser Prozess nicht einmal im Jahr in sein Gegenteil verkehren würde: Drei Wochen im Jahr stellen nämlich ihre Pflanzen das Wachstum ein, lassen die Blüten ihrer Blumen die Köpfe hängen und bewegt sich das satte Grün in Richtung dürstendes Braun. Das sind genau die drei Wochen, in denen meine Nachbarin Urlaub macht und mir die Verantwortung für ihre heimische Flora überlässt.

Ich gebe mir zwar immer redlich Mühe, ihr auszureden, mich um diesen Gefallen zu bitten, und noch mehr Mühe mache ich mir dann, ihre Pflanzen richtig zu pflegen: Aber irgendwie tue ich entweder zu viel oder zu wenig des Guten, selbst wenn ich ihre zahlreichen Pflege- und Gieß-Anwei-sungen minutiös und millimeter-genau befolge.

Als sie dann neulich einmal wieder aus dem Urlaub zurück-kehrte, ich ihr mit Büßer-Miene schuldbewusst gegenübertrat (diesmal mussten drei ihrer schönsten Orchideen dran „glauben“) und wissen wollte, was ich denn nun wieder falsch gemacht hätte, fragte sie mich, ob ich denn auch mit ihren Pflanzen spräche.

Ich glaube, meine Antwort las sie schon an meinem Ge-sichtsausdruck ab. Zwar ist mir mein anderer Nachbar un-gleich suspekter als sie (der streichelt nämlich immer, wenn er sich unbeobachtet fühlt, zärtlich über die Motorhaube seines Sportwagens), aber der Gedanke, mit einer Topf-pflanze Konversation zu betreiben, schien mir bis dahin dann doch auch ein wenig abwegig zu sein. Schließlich lege ich beim Umgang mit Menschen großen Wert darauf, dass meine Kommunikation mit ihnen keine Einbahnstraße ist – und das unterstellte ich den Zimmerpflanzen meiner Nach-barin einfach mal.

„Aha, so einer bist du!“ sagte sie zu mir: „Du hältst mich wohl für verrückt, wenn ich mit meinen Pflanzen spreche? Aber fass dir mal an die eigene Nase: Du selbst singst doch Jahr für Jahr einen Baum an!“ Auf meinem verständnislosen wie fragenden Blick und noch bevor ich gegen ihre Bemer-kung protestieren konnte, fing sie an zu singen: „O Tannen-baum, o Tannenbaum, wie treu sind deine Blätter...“

In der Tat, sie hatte recht: Da singe ich seit Jahrzehnten, gedankenlos wie andachtsvoll, alle Jahre wieder einen ge-fällten Baum in meinem Wohnzimmer an und will mich nun über meine Nachbarin mokieren, die mit ihren Blumen spricht! Und zeigt mir nicht sogar die dritte Strophe dieses fast 200 Jahre alten deutschen Weihnachts-Volkslied-Klassikers, dass diese Form der Kommunikation gar nicht den von mir befürchteten Einbahnstraßen-Charakter haben muss. Nein, der Baum im Zimmer hat mir wohl in der Tat etwas zu sagen: „O Tannenbaum, o Tannenbaum, dein Kleid will mich was lehren!“

Hatte Jesus nicht ebenso ein meiner Rationalität widerspre-chendes Verhältnis zu Pflanzen? Hat er nicht sogar einmal einen Feigenbaum verflucht, der keine Früchte trug, mit denen er seinen Hunger hätte stillen wollen? Und stellte er dann nicht ein andermal im Tempel von Jerusalem seinen Zuhörern den ausschlagenden Feigenbaum als Botschafter für den nahenden Sommer gleichnishaft vor Augen?

Für Jesus offenbar hat die Schöpfung Gottes, in der wir le-ben, uns etwas zu sagen. Und in unserem heutigen Predigt-text ist die Botschaft der kosmischen und irdischen Phäno-mene genauso ein Zeichen für die Wiederkunft des Men-schensohnes, wie der neue Äste treibende Feigenbaum auf den nahenden Sommer hinweist.

Und damit könnte für uns schon alles in Ordnung sein („Macht einfach die Augen auf: Gottes Reich kommt!“), wenn denn nicht die von Jesus angekündigten Phänomene eine deutliche Nähe zu schrecklichen Katastrophen hätten, die auch in unsren Tagen durchaus präsent sind und uns beschäftigen. Wer wird nicht bei den von Jesus angespro-chenen Kräften des Himmels, die ins Wanken kommen sol-len, an die prognostizierte (und wohl auch diagnostizierte) Klimakatastrophe denken? Wer wird nicht beim Verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres noch deutlich die verheerenden Bilder eines Tsunamis vor Augen haben? Und wer reagiert nicht empfindlich darauf, wenn Naturkatastro-phen oder schreckliche Unglücksfälle die so mühsam auf Harmonie programmierten Festtags-Aussichten stören und in Frage stellen, auch wenn er nicht unmittelbar davon be-troffen ist?

Bei einem realistischen Blick auf die gegenwärtige Situation unserer Welt kann uns ja in der Tat angst und bange wer-den, und das Verzagen liegt uns oft näher als die Zuversicht. Darum ist es gut, und darum ist es wichtig, wenn wir gerade solchen Angstszenarien und Schreckensvisionen etwas entgegenzusetzen haben: Hoffnung gegen die Angst, Zuversicht gegen den Schrecken. Gerade in diesen Tagen manifestiert sich das ja in unserer ganz besondere Art der Freude auf die Geburt eines Kindes, in unserem Feiern des Erscheinens des „Menschensohnes“ im Stall von Bethlehem.

Diese Freude über den Besuch Gottes auf Erden, diese Freude auf ein Fest spiegelt ja so wie kaum etwas anderes den tief in uns sitzenden Wunsch nach Harmonie, nach Liebe und Frieden wider. Angst- und Bange-Machen darf einfach nicht gelten, und paradoxerweise scheint gegen diese Übermacht einer chaotischen Welt nur die Ohnmacht eines kleinen Kindes zu wirken.

Das zum Mann gewordene Kind in der Krippe will uns dann noch weiter helfen, auch nach dem so vergänglichen Zauber von Weihnachten Einspruch zu erheben gegen die Trostlo-sigkeit, Aussichtslosigkeit und Hoffnungslosigkeit, in die uns große wie kleine Katastrophen immer wieder führen wollen. „Wenn eure Welt ins Wanken gerät“, so lehrt uns Jesus, „dann dürft ihr eure Häupter erheben - ohne Furcht, und ohne Angst. Es kommt einer auf euch zu, der mit seiner Güte alles Böse übersteigt, der mit seiner Ewigkeit alle Ver-gänglichkeit überwindet!“

Es kommt also jemand, es naht sich uns einer, der das Le-ben jedes und jeder einzelnen unter uns aus eigener Erfah-rung kennt, alle Höhen und Abgründe. Es kommt also je-mand, es naht sich uns einer, der uns berechtigte Hoffnung auf einen Neuanfang nach jedem Ende machen will. Es kommt also jemand, es naht sich uns einer, der am eigenen Leib erfahren hat, dass Gott die Geschichte der Menschheit nicht in einer Katastrophe enden lassen will, sondern noch über das so offensichtliche Ende hinaus zu einem Neubeginn führt.

Zum Vertrauen auf Ihn, den Nahenden, werden wir ermu-tigt: Ergebt euch nicht in ein vermeintlich unvermeidliches Schicksal, sondern Erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlö-sung naht. Es hat keinen Sinn, den Zustand der Welt zu verharmlosen und schön zu reden. Gerade diejenigen, die gehört haben, dass Er und Seine Worte bleiben werden, dürften keinen Augenblick Lust haben, etwas abzustreichen von der Tatsache, dass Himmel und Erde eines Tages ver-gehen werden und vergehen sollen.

Als Christenmenschen sind wir aber nicht berufen zu einer „Nach-mir-die-Sintflut“-Einstellung oder „Rette-sich-wer-kann“-Haltung. Jesus macht uns nicht Angst, sondern Mut. Er ruft uns zu einem aufrechten, getrosten, nüchternen, ganz rationalen Kampf gegen alles, was uns Angst macht. Jesus ruft uns dazu, gegen die ratlos machende Planlosigkeit, die wir manchmal am eigenen Leibe und so häufig in dieser Welt wahrnehmen müssen, alle unsere Kräfte zu mobilisieren für eine Zukunft, in der wir weiter und besser, in der wir gerettet leben können. Sein Wort fordert uns auf, jetzt schon, mitten in der Angst, mitten in den Bange-machenden Entwicklungen unserer Tage, Seine Nähe, Seine Rettung, Seine Erlösung wirksam werden zu lassen.

Deshalb glaube ich: Wenn wir uns von Ihm auf diese Art und Weise ansprechen und uns vom Ihm Lebenslust und Lebensfreude zusprechen lassen, werden uns die Zeichen der Zeit eben nicht nur Angst machen; sie werden uns auch ohne Illusionen zum Gebet führen und ans Werk rufen. Wenn wir zum Himmel schauen und fragen „Warum?“ und „Wie lange?“ dann kann uns das Kleid des Baumes etwas lehren.

Dann kann auch ein Feigenbaum zu uns sprechen: Er kann uns nämlich darauf hinweisen, dass mit dem auf uns wieder zukommenden Lebendigen das Leben schon jetzt beginnt. Schon jetzt lassen sich ja neben dem alten Laub des Herbs-tes die Knospen für die Blätter des Sommers an den Bäu-men sehen. Im Frühling werden uns dann die frisch aus-schlagenden Bäume sagen, was die Stunde geschlagen hat: „Wir sind ein untrügliches Zeichen dafür, dass die dunkle Zeit endgültig vorbei ist!“

Eine Garantie dafür gibt es nicht, aber einen Garanten. Und mit ihm kommt dann ein anderer Baum mit ins Spiel: Der Kreuzesstamm, der zum Lebensbaum wurde. Dieser „Baum des Todes und des Lebens“ sagt uns: Wer selbst in einem Stall geboren wurde und wer am Kreuz den Tod gefunden hat, der wird nicht wiederkommen, um Angst und Schrecken zu verbreiten, sondern der wird antreten, der wird an-kommen, der wird uns nahe sein, um die Furcht zu vertrei-ben, ein für alle Mal: aus den Kriegs- und Katastrophenge-bieten dieser Welt und nicht zuletzt auch aus den Herzen der Menschen. Der wird die Furcht vertreiben aus den Herzen all der Frauen, Männer und Kinder, die jetzt ihr Haupt nur niedergeschlagen senken können, doch die wir zu Recht ermutigen dürfen, ihre Häupter zu heben.

Dann wird es heißen: Daumen hoch (egal wie grün er ist). Daumen hoch für alle die sich nach dem Wachsen und Ge-deihen des Reiches Gottes unter uns sehnen. Daumen hoch, denn Gott lässt uns nicht im Unklaren; wir dürfen gewiss sein: Eines Tages werden sie, eines Tages werden auch wir erhobenen Hauptes durch das Leben gehen können - durch das neue Leben, das Gott ihnen und uns schenken wird. Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. Amen.



Verfasser: Pfarrer Uwe Handschuch
Waldstraße 12, 63128 Dietzenbach

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