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Die verheißene Erlösung

von Ulrich Bergner (61352 Bad Homburg)

Predigtdatum : 06.12.2015
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 2. Advent
Textstelle : Jakobus 5,7-8
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Wochenspruch:

"Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht!" (Lk 21, 28)



Psalm: 80, 2 - 7.15 - 20



Lesungen

Altes Testament: Jesaja 63, 15 - 16 (17 - 19 a) 19 b; 64, 1 - 3



Epistel: Jakobus 5, 7 - 8



Evangelium: Lukas 21, 25 - 33



Liedvorschläge

Eingangslied: EG 7, 1 - 4 O Heiland, reiß die Himmel auf

Wochenlied: EG 6, 1 - 3 Ihr Lieben Christen, freut euch nun

Predigtlied: EG 7, 5 - 7 O Heiland, reiß die Himmel auf

Schlusslied: EG 16, 4 Noch manche Nacht wird fallen



Predigttext Jakobus 5, 7 - 8

„So seid nun geduldig, liebe Brüder, bis zum Kommen des Herrn. Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen. Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen; denn das Kommen des Herrn ist nahe.“



Liebe Gemeinde,

kostbar ist uns unsere Zeit; sie ist unser kostbarstes Gut. Und deshalb gilt es, die Zeit zu nutzen und nicht zu vergeu-den. Kein Wunder, dass wir sehr darauf achten, wofür wir uns Zeit nehmen und wofür wir keine Zeit haben. Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit spüren wir das besonders. Da passen wir auf, dass uns die Zeit nicht davonläuft.



Es ist gar nicht so einfach sich die Zeit gut einzuteilen; kein Wunder, dass es sogar Fortbildungen für „Zeitmanagement“ gibt. Wir wissen schließlich auch: Zeit ist Geld. Wer zu lange wartet, der wird von der Zeit überholt. Und so stopfen wir unsere Tage voll und füllen die Terminkalender so lange, bis wir keine Zeit mehr haben: Tut mir leid, aber ich habe leider keine Zeit.



Wir wollen nicht lange warten bis wir uns einen Wunsch er-füllen. Wir wollen Probleme umgehend lösen. Wir beschleu-nigen Arbeitsvorgänge, denn wir wollen rasch Erfolge sehen. Wir wollen schnell viel Geld verdienen - lieber jetzt als gleich. In allen Bereichen herrscht Ungeduld.

Da können Kinder gar nicht früh genug in die bildungsnahe Krippe - Bildung ist keine Frage des allmählichen Wachstums und der Entwicklung von Begabungen, sondern Bildung wird machbar. Die Ungeduld ist hoffähig geworden. Schulzeiten werden verkürzt, die Studienzeit in Bachelor-Korsette gezwängt. Und die Politik macht Gesetze zur Wachstumsbeschleunigung.



„Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und den Spätregen“. Gemeint ist der Regen im kurzen Frühling in Palästina und der Regen im Herbst. Wachstumsbeschleu-nigung ausgeschlossen. Regen ist nicht machbar. Der Bauer kann nicht vorgreifen, er vertraut auf das, was ihm zu-wächst. Die Frucht will reifen.



Wir sehen das Bild und wissen zugleich, dass wir es längst auch in der Landwirtschaft mit raffinierten Wachstumsbe-schleunigern versuchen. Doch wir wissen auch um die Folgen für Mensch und Natur.



Wenn unsere Geduld am Ende ist, wenn uns der Geduldsfa-den reißt, dann wird es gefährlich, manchmal sogar lebens-gefährlich. Denn das Ende der Geduld schränkt nicht nur Lebensmöglichkeiten ein, es schneidet Entwicklungen ab. Das Ende der Geduld öffnet dem Machbarkeitswahn weit die Tür. Man lässt es dann nicht mehr zu, dass die Dinge - ja auch, dass Menschen sich entwickeln und erst allmählich sich entfalten. Nur, wer Geduld hat, hat auch die Zeit, Dinge reifen zu lassen und kann sogar Kindern die Zeit lassen her-anzureifen, auch Studenten Zeit für Bildung und nicht nur das Antrainieren von Fähigkeiten. Vorsicht ist geboten, wenn nicht nur ein einzelner Mensch die Geduld verliert, sondern gleich eine ganze Gesellschaft. Zur Geduld mahnen wir meist erst dann, wenn die Folgen der Ungeduld längst schmerzhaft spürbar werden.



Zur Geduld mahnt eindringlich gleich zweimal der Verfasser des Jakobusbriefes.



Der Brief ist ein frühchristliches Rundschreiben in einer Zeit, in der für die jungen christlichen Gemeinden der zweiten und dritten Generation die Spannungen zunehmen. Der äußere Druck wächst. Von Bedrängnissen und Anfechtungen ist in diesem Rundbrief immer wieder die Rede. Christ sein war nicht nur unbequem, es war in manchen Gegenden auch gefährlich. Das ist übrigens heute in Teilen des Vorderen Orients nicht anders; der christliche Glaube ist zum Sicherheitsrisiko geworden. Doch damit nicht genug; die junge Kirche lebte ja in der Hoffnung auf die baldige Wie-derkehr ihres Herrn. Sie war eine adventlich gestimmte Kir-che - sie feierte noch keine Adventszeit, sie lebte im Advent. Daraus bezog sie ihre Kraft: Gottes Kommen ist nahe. Gott ist im Kommen, das heißt ja Advent. Das heißt es bis heute.



Eine Kirche, eine Gemeinde, die diese Hoffnung aufgibt oder auch nur hintenanstellt, die ist nicht nur mit ihrer Geduld am Ende. Die ist in der Gefahr, sich selbst zu verlieren.



Wenn hier zu Geduld so eindringlich gemahnt wird, dann nicht nur, um zu einem gelassenen Umgang mit anstehenden Problemen aufzurufen, sondern um Gottes Advent nicht aus den Augen zu verlieren. Wenn wir mit Gott die Geduld verlieren, wird unser Glaube brüchig und kraftlos. Und so erinnert uns dieser Brief daran: Wir leben als Christen in einem ganz besonderen Zeithorizont. Wir leben im Anbruch des neuen Tages, im anbrechenden Tag Jesu Christi. Wir leben in der kühnen Erwartung, dass mitten im Vergehen unserer Zeit Gott selbst etwas Neues anfängt, ja, dass Got-tes Zukunft schon im Anbruch ist. Die Ankunft des erneu-ernden Neuen - das ist Advent. Wir leben nicht in eine Zu-kunft hinein, die nichts anderes ist als das Ergebnis unserer Leistungen oder unseres Versagens, die also so oder so von unserer Vergangenheit abhängt oder nichts anderes ist als das Ergebnis der Hochrechnung unserer Gegenwart, sondern wir leben der Zukunft Gottes entgegen. Das ist unser Lebenshorizont. Darauf zu warten, leidenschaftlich zu war-ten, voller lebendiger Hoffnung, das zeichnet unsere Geduld aus.



Und das ist etwas völlig anderes, als Dinge hinzunehmen, die wir nicht ändern können, auch etwas völlig anderes als eine lässige oder coole Lebenshaltung, die die Dinge so auf sich zukommen lässt. Diese Geduld hat mit Beschwichtigung ebenso wenig zu tun, wie mit Ruhigstellung. Nein, die Geduld der adventlichen Gemeinde ist nichts anderes als der lange Atem der Leidenschaft. Darum können wir auch so leidenschaftlich singen und bitten, wie wir es im ersten Lied getan haben:



„O, Heiland reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf. Reiß ab vom Himmel Tor und Tür ... wo bleibst du Trost der ganzen Welt? O komm, ach komm!“



So können wir nur singen, wenn wir die Geduld mit Gott eben noch nicht verloren haben, sondern uns leidenschaftlich auf ihn verlassen. Geduld ist eben nicht mit cooler Lässigkeit zu verwechseln, sondern heißt leidenschaftlich dranbleiben. „So seid nun geduldig bis zum Kommen des Herrn, denn das Kommen des Herrn ist nahe!“



Es ist der auf uns zukommende Herr Jesus Christus, der uns selbst die Kraft zur Geduld gibt.



Die Bitte um Geduld wäre nicht vollständig, wenn wir dabei nicht dabei an die Geduld dessen dächten, der da auf uns zukommt. Nicht auszudenken, was geschähe, wenn Gott die Geduld mit uns verlieren würde, wenn ihm der Geduldsfaden risse. Aber da ist es, - Gott sei dank -, mit Gott wie mit Eltern, die gegen allen Augenschein, geduldig mit dem langen Atem der Leidenschaft an einem Kind festhalten, das sich verrannt hat; sie geben es nicht auf, auch wenn alle Welt sagt, das ist doch ein hoffnungsloser Fall.



Es ist die Liebe, die diesen langen Atem der Leidenschaft überhaupt erst möglich macht. Erst Gottes Liebe lässt uns in seine Geduld einstimmen. Und die Liebe verträgt keine Un-geduld. Ungeduldige Liebe verzehrt nicht nur sich selbst, sondern auch das geliebte Du, denn sie gewährt ihm keinen Raum und keine Zeit.



Die Zeit des Advents ist die Zeit, die Gottes liebevolle Geduld uns gewährt; er gewährt uns die Zeit und er macht den Raum unseres Lebens weit. Er lädt uns ein in seinen Advent. Er bittet uns in seine Zeit, in seinen Raum der Liebe einzu-treten, ins Licht des anbrechenden Tages. Und da, schon ganz in seiner Nähe, da können wir geduldig auf ihn warten und selber den Mut haben, anderen Menschen geduldig Raum und Zeit zu schenken – gerade im Advent. Da könnte dann, während wir ebenso geduldig wie leidenschaftlich auf sein Erscheinen warten, uns so mancher Reichtum im Zu-sammenleben überraschend zuwachsen, von dem die Unge-duld unserer Herzen keine blasse Ahnung hat.

Amen





Verfasser: Pfarrer Ulrich Bergner

Kirchgasse 3 a, 61352 Bad Homburg


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