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Die Wahrheit wird euch frei machen

von Andreas Heidrich (65812 Bad Soden)

Predigtdatum : 31.12.2018
Lesereihe : I
Predigttag im Kirchenjahr : Silvester (Altjahrsabend)
Textstelle : Jesaja 51,4-6
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Wochenspruch: "Meine Zeit steht in deinen Händen." (Psalm 31,16a)

Psalm: 121

Predigtreihen

Reihe I: Jesaja 51,4-6
Reihe II: Hebräer 13,8-9b
Reihe III: 2. Mose 13,20-22
Reihe IV: Matthäus 13,24-30
Reihe V: Römer 8,31b-39
Reihe VI: Prediger 3,1-15

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 625,1-3 Wir strecken uns nach dir
Wochenlied: EG 58,1–8 Nun lasst uns gehen
Predigtlied: EG 64,1–3 +6  Der du die Zeit in Händen hast
Schlusslied: EG 65,1-5 Von guten Mächten

Predigttext Jesaja 51, 4 – 6

Gottes ewiges Heil für Israel

4 Merke auf mich, mein Volk, hört mich, meine Leute! Denn Weisung wird von mir ausgehen, und mein Recht will ich gar bald zum Licht der Völker machen.

5 Denn meine Gerechtigkeit ist nahe, mein Heil tritt hervor, und meine Arme werden die Völker richten. Die Inseln harren auf mich und warten auf meinen Arm.

6 Hebt eure Augen auf gen Himmel und schaut unten auf die Erde! Denn der Himmel wird wie ein Rauch vergehen und die Erde wie ein Kleid zerfallen, und die darauf wohnen, werden wie Mücken dahinsterben. Aber mein Heil bleibt ewiglich, und meine Gerechtigkeit wird nicht zerbrechen.

Liebe Gemeinde,

wie geht es Menschen, die sich in der Fremde haben einrichten müssen? Menschen, die nach vielen Jahren oder Jahrzehnten immer noch hoffen, endlich in das Land ihrer Mütter und Väter zurückkehren zu können? Menschen, deren Enttäuschung über ihr Schicksal  als Zwangsdeportierte sich in einem Satz wie dem folgenden widerspiegelt:

„Der HERR hat mich verlassen, der HERR hat meiner vergessen.“ (Jesaja 49, 14)

Dieser Satz findet sich bei dem Propheten, der Deuterojesaja genannt wird und der mit einer Gruppe von Anhängern in der Zeit des sogenannten babylonischen Exils den Menschen predigt, deren Wurzeln in Israel liegen. Diese Menschen und ihre Väter und Mütter waren nach dem Sieg der Babylonier aus Jerusalem nach Babylon deportiert worden und mussten sich nun in der Fremde zurechtfinden. Der Prophet weiß genau um ihre Nöte, er ist ja einer von ihnen. Wie sie sehnt er sich nach der Rückkehr in die voller Wehmut erinnerte Heimat. Wie sie betet er: „Im HERRN habe ich Gerechtigkeit und Stärke“ (Jesaja 45,24) und ist dabei erfüllt von einem Heimweh nach dem Berg Zion in Jerusalem.

Der heutige Predigttext führt mitten hinein in diese Situation. Hier ruft nun der Gott Israels nicht nur seinem Volk, sondern allen Völkern Trostworte zu:

Merkt auf mich, ihr Völker, und ihr Menschen, hört mir zu! Denn Weisung wird von mir ausgehen, und mein Recht will ich gar bald zum Licht der Völker machen. Denn meine Gerechtigkeit ist nahe, mein Heil tritt hervor, und meine Arme werden die Völker richten. Die Inseln harren auf mich und warten auf meinen Arm. Hebt eure Augen auf gen Himmel und schaut unten auf die Erde!

Denn der Himmel wird wie ein Rauch vergehen und die Erde wie ein Kleid zerfallen, und die darauf wohnen, werden wie Mücken dahinsterben.

Aber mein Heil bleibt ewiglich und meine Gerechtigkeit wird nicht zerbrechen. (Jesaja 51, 4 - 6)

Wir, liebe Gemeinde, gehören zu jenen Völkern, zu denen sich der Blick des Propheten und seiner Anhänger in diesem Textabschnitt weitet. Es ist spannend, dass dieser Prophet damit über Israel hinausdenkt und die Völker der Welt in den Blick nimmt. Er ist damit einer der Wegbereiter einer jüdisch-christlichen Weggemeinschaft, wie sie nach 1945 mehr und mehr als Projekt der Verständigung von Juden und Christen möglich wurde. Trotzdem ist die Frage an unseren Predigttext berechtigt, der sich ja direkt und ohne Umschweife an die Völker und die Menschen wendet: Können uns diese Worte – von Gott vor über zweitausendfünfhundert Jahren einer jüdischen Minderheit im heutigen Irak mitgeteilt - zum Jahreswechsel ansprechen?

Zu allererst stößt mir das Negative im zweiten Teil des Predigttextes auf: Dass der Himmel wie Rauch vergeht, die Erde wie ein Kleid zerfällt und die darauf Wohnenden wie Mücken sterben – das sind keine erfreulichen Zukunftsvisionen. So schreibt jemand, der Schlimmes gesehen und erfahren hat. Jemand, der allerdings durch Naturkatastrophen hindurch bewahrt wurde, denn sonst könnte er kaum mit einem Satz enden, in dem Gott sein Versprechen für die geschundene Welt so ausspricht: „Aber mein Heil bleibt ewiglich und meine Gerechtigkeit wird nicht zerbrechen“ (Jesaja 51,6).

„Aber mein Heil bleibt ewiglich und meine Gerechtigkeit wird nicht zerbrechen.“

Entspricht das unseren Erfahrungen im heute ausklingenden Jahr 2018?

Wenn wir heute Abend Rückschau halten, werden wir uns an einen Jahrhundertsommer erinnern, dessen Gluthitze in Zeitungsartikeln, Internetmeldungen und Fernsehnachrichten sprichwörtlich und für uns alle durch wochenlange Trockenheit spürbar wurde.

Nicht der Himmel verging wie Rauch, aber es rauchte immer wieder wie aus heiterem Himmel, wenn sich wegen Unachtsamkeit ausgetrocknetes Gras unter einem heiß gelaufenen Auspuff entzündete. Es rauchte auch, weil ganze Waldgebiete in Flammen aufgingen. Dass die Erde zerfiel, das war in der zweiten Jahreshälfte zum Beispiel bei Erdrutschen nach schweren Regenfällen in Bayern oder beim Stürmen eines Taifuns in Japan zu sehen. Beide Erscheinungen zeigen: Auch heute erleben wir die Erde als einen von Zerfall und Katastrophen bedrohten Planeten. Wir haben zwar keine Unheilsvisionen wie Deuterojesaja weiter zu sagen, aber eine von Unwettern und Erdbeben geschüttelte Welt kennen wir doch.

Das wird auch im neuen Jahr so sein. Klimawandel und Umweltzerstörung in vielen Regionen der einen Welt bleiben Herausforderungen. Doch der heutige Predigttext lässt uns damit nicht allein. Er macht uns nämlich Hoffnung inmitten solcher Erfahrungen. Er zeigt auf, wo wir Menschen auch des 21.Jahrhunderts Orientierung und Zuversicht in solcher Lage empfangen können: In der Weisung Gottes. Von der heißt es zu Beginn unseres Predigttextes, dass sie ausgehen und mit dem Recht Gottes zum Licht der Völker werden kann.

Wie ist das gemeint? Die Weisung Gottes hat als Grundlage nach jüdischem und christlichem Verständnis die zehn Gebote. Hier lesen wir im 4. Gebot von der von Gott gebotenen Ruhe für Menschen und Geschöpfe. Ihre Schonung und Erhaltung sind also wesentliche Ziele der Weisung Gottes:  „Sechs Tage wirst du arbeiten, aber am siebten Tage wirst du ruhen … und mit dir alle deine Tiere“ (2.Mose 20, 10).

Dieses Gebot verdeutlicht unsere Verantwortung als Menschen für den Fortbestand der Schöpfung. Genauso tut dies der folgende Satz gleich im zweiten Kapitel der Bibel: „Gott der HERR nahm den Menschen und setzt ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte“ (2.Mose 2, 15). 

Die Einsicht, dass Gottes Schöpfung sein Garten ist, den wir Menschen mit unseren besonderen Fähigkeiten zu nutzen und zu erhalten haben, ist Basis christlichen Einsatzes zum Wohle der Schöpfung. Viele Initiativen im Kleinen wie im Großen versuchen aus dieser Einsicht heraus einen Lebensstil zu fördern, der umweltbewusst und nachhaltig für den Erhalt der Schöpfung und der Mitgeschöpfe wirkt. Denn ohne sie würde es einsam um uns als Nachfahren von Adam und Eva. Ohne sie wäre unser Planet nur halb so schön. Ohne sie hätten unsere Urlaubsreisen im alten Jahr uns nicht so viele schöne Erinnerungen beschert, die wir auch ins neue Jahr mitnehmen. Bewusst wird uns dies immer dann, wenn ganze Landstriche – wie bei den Waldbränden in Portugal oder in den Vereinigten Staaten von Amerika – zu einer Einöde werden und die Lebewesen, die dort lebten, „wie Mücken dahinsterben“, wie das der Prophet beschreibt.

So bleibt es auch 2019 ein Ziel aller Christen, durch entsprechendes umweltschonendes Verhalten daran mitzuwirken, dass die eine Schöpfung erhalten bleibt.

Ein weiterer Aspekt ist die im Predigttext angesprochene Gerechtigkeit Gottes. Eine von der Weisung Gottes inspirierte Sicht auf die eine Welt, die für alle Völker und alle Lebewesen da ist, sucht das Versprechen von Gottes Gerechtigkeit für alle konkret werden zu lassen. Es hat christliche Hilfswerke und im guten Sinne tätige Missionare zu allen Zeiten angesprochen, dass es in unserem Predigttext heißt: „Mein Recht will ich gar bald zum Licht der Völker machen. Denn meine Gerechtigkeit ist nahe, mein Heil tritt hervor … Die Inseln harren auf mich und Warten auf meinen Arm“ (Jesaja 51, 5).

Durch Unterstützung von Schulen, Waisenhäusern und Projekten von Hilfe zur Selbsthilfe in der Landwirtschaft leisten auch der evangelische Entwicklungsdienst und Brot für die Welt nachhaltige Beiträge zum Erreichen von solcher Gerechtigkeit.

Wir können dies durch unseren Beitrag zu dementsprechenden Kollekten unterstützen – wie gerade erst zu Heilig Abend zugunsten von Brot für die Welt.

Damit hat sich die Horizonterweiterung innerhalb der Prophetengruppe um Deuterojesaja durchgesetzt: Recht und Weisung des Gottes Israels gilt auch für die Völker – und wir können jede und jeder in unserem Umfeld daran mitwirken, dass das Licht der Weisung Gottes aufleuchtet. Durch ein umweltbewusstes Leben, durch ein Engagement in unserer jeweiligen Kirchengemeinde für nachhaltiges Wirtschaften. Ob beim Einkauf des Kaffees, der Wahl des Stromanbieters oder der möglichen Spende von Lebensmitteln an eine der Tafeln für Bedürftige – es gibt hier vielfältige Möglichkeiten den Gedanken des Deuterojesaja und seiner Prophetengruppe in unseren heutigen Zusammenhängen umzusetzen.

Wenn wir dies tun, sind wir auch im neuen Jahr auf einem guten Weg mit Gottes Weisung. Das folgende Lied macht uns dazu Mut - inmitten aller Schwierigkeiten und Herausforderungen auch im neuen Jahr.

Amen

Verfasser: Pfarrer Andreas Heidrich, Zum Quellenpark 28, 65812 Bad Soden


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