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Die Wahrheit wird euch frei machen

von Pierre Bouvain (Schlitz / Queck)

Predigtdatum : 31.12.2007
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Silvester (Altjahrsabend)
Textstelle : Hebräer 13,8-9b
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Wochenspruch:

Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte (Psalm 103, 8)

Psalm: 121 (EG 749)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 30, ( 8 – 14 ) 15 – 17
Epistel:
Römer 8, 31b – 39
Evangelium:
Lukas 12, 35 - 40

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 329
Bis hierher hat mich Gott gebracht
Wochenlied:
EG 64
Der du die Zeit in Händen hast
Predigtlied:
EG 391
Jesu, geh voran
Schlusslied:
EG 65
Von guten Mächten

8 Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. 9 Lasst euch nicht durch mancherlei und fremde Lehren umtreiben, denn es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade.

Liebe Gemeinde,
der Altjahrsabend ist innerhalb des Jahres ein besonderer Abend. An keinem anderen Abend empfinden wir so intensiv und einschneidend, wie die Zeit vergeht. Um Mitternacht zählen wir die Sekunden bis 0.00 Uhr herunter. Wenn die Uhr dann schlägt, ist aus heute gestern geworden und das, was gerade noch morgen war ist zum Heute geworden.
Das Fortschreiten der Zeit von Tag zu Tag, Monat zu Monat, von Jahr zu Jahr, macht uns unsicher. Fragen bedrängen uns besonders an der Jahreswende. Was bleibt? Was hat Wert? Was kommt im neuen Jahr auf mich zu?
In dieses Fragen an der Jahreswende spricht der Predigttext des heutigen Altjahresabends. Uns wird Hilfe zuteil. Unser Fragen wird aufgenommen und wir erhalten Antworten.

1. Christus war in der Zeit
Die Zeit in der wir leben, hat eine besondere Qualität, denn Christus ist in unsere menschliche Zeit eingegangen. Vor einer Woche, am Heiligen Abend haben wir die Weihnachtsgeschichte gehört, die mit einer konkreten Zeitangabe beginnt: „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging.“ Es ist die Zeit des Kaisers Augustus, als Christus in unsere Zeit eingegangen ist. Vom zwölf-jährigen Jesus im Tempel berichtet das Lukasevangelium. Und wir bekennen im Glaubensbekenntnis, dass Jesus Christus „unter Pontius Pilatus“ gelitten hat. Menschen begegnen Jesus und erinnern sich später noch an Tag und Stunde der Begegnung: die Jünger, die Jesus von ihren Fischernetzen wegholte (Joh 1,39), der Zöllner Zachäus (Lk 19,1-10), Nikodemus (Joh 3). Das sind konkrete Menschen, die zu bestimmten Zeiten Christus begegneten, als er in unserer Zeit war.
Auch der Apostel Paulus spricht davon, dass Christus in unsere Zeit eingetreten ist. Im Galaterbrief formuliert er: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan, damit er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste, damit wir die Kindschaft empfingen.“ (Gal 4,4)
Christus ist in unsere Zeit eingetreten und hat ihr damit eine neue Qualität gegeben.
Als Menschen sind wir unterwegs in dieser Zeit. Wir erleben den stetigen Wechsel von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr. Wir erleben dabei, dass sich alles immer schneller wandelt und verändert. Wenn wir alte Fotos ansehen, wenn wir in den Spiegel schauen, dann erkennen wir die Auswirkung der Zeit an uns selbst. Die Haare färben sich grau. Hier und da bilden sich mit den Jahren Falten.
„Eins zwei drei! Im Sauseschritt läuft die Zeit, wir laufen mit“ (Wilhelm Busch). Ständig begegnet uns Neues. In der Wirtschaft wird auf Konsum gesetzt. Immer neue Produkte werden erfunden, damit die Kasse klingelt. Man muss „mit der Zeit gehen“, denn „Zeit ist Geld“. Man muss auf der „Höhe der Zeit“ bleiben, um mitreden zu können. „Was sich nicht verändert, ist tot!“ So wird gesagt.
Wir leiden unter der Schnelllebigkeit der Zeit. Wir spüren den Druck, der uns zwingt, uns immer wieder neu zu orientieren. Mancher spricht im ständigen Wandel von der guten alten Zeit. Er schaut dabei Jahre, Jahrzehnte zurück. Im Rückblick werden Verhältnisse vergoldet, obwohl gar nicht alles gut war in der „guten alten Zeit“. Aber wir sehnen uns nach dem, was beständig ist, was im Wandel der Zeiten bleibt und nicht vergeht.
Es kann für uns wichtig sein, an diesem Altjahrsabend die Zeit des zu Ende gehenden Jahres still und ruhig zu bedenken. Wir können in der Erinnerung Zeiten der Begegnung und Erfahrungen sammeln. Welchen Menschen sind wir im vergangenen Jahr begegnet? Was haben diese Begegnungen gebracht an bleibender Erinnerung? Welche Ereignisse, welche Worte haben bleibenden Charakter? Welche Erfahrungen habe ich gemacht in diesem Jahr und wie kann ich das, was ich erfahren habe für das neue Jahr nutzen?
Christus ist in unsere Zeit eingegangen und ist doch zugleich Herr der Zeit. Er ist uns begegnet im vergangenen Jahr und in den Jahren zuvor. Unerkannt, aber doch gegenwärtig. Vielleicht sind da Worte Jesu, die aus scheinbar längst vergangener Zeit in unsere Gegenwart wirken. Worte, die wir im Konfirmandenunterricht auswendig gelernt haben und die erst jetzt wirken und in die Gegenwart sprechen. Worte, die trösten und helfen.
In der Musik spielen Vorzeichen eine wichtige Rolle. Sie erhöhen oder erniedrigen Noten und geben dadurch der Melodie einen besonderen Klang. Vorzeichen geben der Musik den Charakter von Moll oder Dur, von traurig oder fröhlich. Weil Christus in unsere Zeit eingegangen ist, deshalb ist das vergangene Jahr nicht verlorene Zeit. Auch das vergangene Jahr stand unter dem Vorzeichen des Kreuzes Jesu Christi. Das Kreuz gab und gibt unserer Zeit den besonderen Charakter. Wir leben in geschenkter Zeit, in der Zeit der Gnade.

2. ... dass das Herz fest werde
Der Verfasser des Hebräerbriefes schreibt seinen Hauptsatz „Jesus Christus, gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit“ auf, damit die Leser seiner Worte „mit festem Herzen“ ihren Weg weitergehen.
Die Gemeinde, an die der Hebräerbrief gerichtet ist, war gar nicht anders als unsere Gemeinden. Müdigkeit und Glaubensschwäche machte die Hände der Gemeindeglieder lahm und die Knie weich. Die Zuversicht und Überzeugungskraft des anfänglichen Glaubens war zerbrochen. Resignation und Enttäuschung bestimmte die Menschen. In der Gegenwart war nichts zu sehen von dem, was das Kreuz Jesu als Veränderung gebracht hat. Nur wenige kamen noch zum Gottesdienst (10,24-25). Der Glaube an Christus und die christliche Gemeinde waren gefährdet.
Der Schreiber des Hebräerbriefes will der Gemeinde dazu verhelfen, dass sie mit „festem Herzen“ ihren Weg durch die Zeit weitergeht. Das Herz ist nach biblischer Vorstellung das Zentrum des Menschen. Denken, Fühlen und Wollen haben im Herzen ihren zentralen Platz. Wenn das Herz nicht fest, nicht verankert ist, kann alles, was wir wollen und tun nicht gelingen. Nur mit einem festen Herzen sind wir fähig voranzugehen.
An der Jahreswende, wenn wir den Wandel der Zeit bedrängend spüren, ist unser Herz nicht fest. Mit unruhigem Herzen schauen wir auf das, was im vergangenen Jahr geschehen ist. Und wir werden noch unruhiger, wenn wir das bedenken, was auf uns im kommenden Jahr zukommen kann.
Unser Herz ist unruhig, wenn wir auf die weltweiten globalen Probleme schauen: Klimawandel, Veränderung der Arbeitswelt durch Globalisierung, die weltweit ungerechte Verteilung von Lebensmitteln. Wir schauen nicht getrost in die Zukunft.
Unser Herz ist unruhig, wenn wir auf die bedrängenden Probleme in unserem näheren Umfeld schauen. Probleme wirken bis in unsere Familien hinein: die Sorge um den Arbeitsplatz, die Versorgung der Alten und Kranken, die Sorge um die Jugendlichen, die sich in einer immer komplizierter werdenden Welt orientieren müssen. Wir schauen nicht getrost in die Zukunft.
Unser Herz ist unruhig, wenn wir Bilanz ziehen, wenn wir einen Strich ziehen unter das vergangene Jahr. Wir haben manches versäumt, was wir im kommenden Jahr nicht wieder gut machen können. Chancen sind vertan und wirken sich aus auf unseren Weg durch die Zeit. Wir haben geredet, wo wir hätten schweigen sollen und tragen die Folgen. Wir haben geschwiegen, wo wir hätten reden sollen – und wir tragen an dem, was dadurch in die Welt gekommen ist. Wir haben Menschen Unrecht zugefügt. Wir waren ungeduldig und sind lieblos gewesen. Wir haben unser Herz denen verschlossen, die darauf gewartet haben, dass wir uns ihnen zuwenden. Nicht alles ist gelungen im vergangenen Jahr. Wie wird es werden auf dem Weg durch das neue Jahr?
Die Zusage unseres Predigttextes will aus unserem verzagten, unruhigen Herzen ein festes, fest verankertes Herz machen. In unser Fragen und Sorgen hinein wird uns zugesagt: Christus ist da! Er wird mitgehen in das vor uns liegende Jahr. Er will unser Halt und unsere Stütze sein.
In den Evangelien finden wir die Geschichte vom sinkenden Petrus. Die Jünger sind mit einem Schiff auf dem See Genezareth. Das Schiff gerät durch einen Sturm in Not. Da sehen die Jünger Jesus auf dem Wasser zu ihnen kommen. Erst fürchten sie sich und denken, es kommt ein Gespenst auf sie zu. Dann aber erkennen sie ihn und werden froh. Petrus wird sogar sehr mutig. Er verlässt das Boot, um Jesus entgegen zu gehen. Aber als er nach den ersten Schritten den starken Wind und die Wellen sieht, ergreift die Angst sein Herz und der anfängliche Mut verlässt ihn. Petrus sinkt und schreit in seiner Not zu Jesus: „Herr, hilf mir!“ Jesus tritt zu ihm, reicht ihm die Hand und zieht ihn aus dem Wasser. „Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“ fragt Jesus seinen Jünger Petrus.
Das, was diese Erzählung aus den Evangelien mitteilt, das will auch der Predigttext aus dem Hebräerbrief uns mitgeben in das neue Jahr: Dein Herz ist unruhig in dir. Sorge, Angst und Not lassen dein Herz schneller schlagen. Aber du wirst nicht versinken. Jesus Christus ist da und hält dich an seiner Hand. An ihm kannst du dein Herz festmachen. Inmitten aller Veränderung, inmitten aller Sorge ist Christus derselbe. Er ist dein Halt und deine Stütze, heute und an jedem Tag des neuen Jahres.

3. Das Herz wird fest durch Gnade
Unser Herz kann nur fest werden durch Gnade. So sagt der Predigttext am Schluss. Aus Sorge weist der Text deshalb darauf hin, dass wir uns nicht irre machen lassen sollen durch „fremde Lehren“. Was zur Zeit des Hebräerbriefes mit den „fremden Lehren“ gemeint ist, wissen wir nicht zu sagen. Aber es muss sich um Gedanken, Ideologien oder Anschauungen gehandelt haben, die Menschen dazu brachten, sich von der Gemeinde, vom Glauben und damit von Christus zu trennen.
Schillernden und fremden Lehren sind auch wir ständig ausgesetzt. Gerade jetzt an der Jahreswende finden wir ein reichliches Angebot. Die Zeitschriften bringen nun wie jedes Jahr die Horoskope. An den Sternen sollen wir ablesen können, was das neue Jahr uns bringen wird. Am heutigen Altjahrsabend wird es in manchen Familien allerlei Hokuspokus geben, vom Zinngießen bis hin zum mystischen Tischerücken. Wahrsager haben in diesen Tagen Hochkonjunktur.
Auch die vielen Religionen und Religionsgemeinschaften werden Menschen Auskunft geben wollen darüber, was sie zu tun und zu lassen haben, damit das neue Jahr ein gutes Jahr werden kann. Tue dies und lasse das, dann wirst du Erfolg haben, so wird dort gesagt.
Der Schreiber des Hebräerbriefes warnt davor, solchen fremden Lehren zu folgen. Wir sind einer Vielzahl von Heilslehren ausgesetzt. Sie alle beanspruchen die Wahrheit. Mancher mag meinen, dass ihm diese Heilslehren helfen können bei der Bewältigung seiner Probleme. Wir sollen aber nicht auf diese Lehren hereinfallen. Sie alle rechnen nur mit dem, was Menschen tun können. Der Mensch aber hat sein Schicksal nicht selbst in der Hand. Wir sollen uns deshalb an Christus halten.
Die Hoheitstitel, mit denen Christus im Hebräerbrief bezeichnet wird, wollen aussagen, dass er über allen anderen Mächten dieser Welt steht. Christus ist der Anfänger und Vollender des Glaubens (Hebr 12,2). Er ist höher als alle Engel (Hebr 1,4). Er ist der Herzog unsrer Seligkeit (Hebr 2,10) und der wahre Hohe Priester (Hebr. 4,14). Christus ist der Mittler des neuen Bundes (Hebr 12,24). In Jesus Christus ist uns die Gnade Gottes verbürgt. In Christus hat sich Gott uns freundlich zugewendet und seine Barmherzigkeit gezeigt. Deshalb sollen wir an Christus festhalten. Er geht mit uns, so wie er bei uns war und heute ist.
Wenn heute Nacht die Glocken unserer Kirchen um 0.00 Uhr läuten, dann werden sie niemanden wecken müssen. Aber das Geläut der Glocken soll uns rufen und mahnen, im Glauben an Christus festzuhalten, „der da ist und der da war und der da kommt“ (Offb 1,4).
Amen.

Verfasser: Pfarrer Pierre Bouvain, Evangelische Pfarrei Queck, Hinter der Pfarr 2, 36110 Schlitz

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