Menü

Die wartende Gemeinde

von Hans-Ulrich Deußen (55270 Schwabenheim)

Predigtdatum : 01.06.2003
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Christi Himmelfahrt
Textstelle : Johannes 15,26-16,4
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Ihre E-Mail

Die wartende Gemeinde

Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen. (Johannes 12,32)

Psalm: 27,1.7-14 (EG 714)

Lesungen

Altes Testament:
Jeremia 31,31-34
Epistel:
Epheser 3,14-21
Evangelium:
Johannes 15,26-16,4

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 243
Lob Gott getrost mit Singen
Wochenlied:
EG 128
Heilger Geist, du Tröster mein
Predigtlied:
EG 351
Ist Gott für mich, so trete
Schlusslied:
EG 351,13
Mein Herze geht in Sprüngen

Liebe Gemeinde,
Vor Kurzem stand ich auf einem Bahnhof. Unwillkürlich fiel mein Blick auf ein Paar, das offensichtlich Abschied voneinander nahm. Sie redeten miteinander und anscheinend bekam er noch viele gute Ratschläge mit auf den Weg. Zwischendurch umarmten sie sich ungeachtet der Leute und küssten sich. Dann kam der Zug und er stieg ein. Der Zug war schon eine ganze Weile aus unserem Sichtfeld entschwunden, aber sie stand immer noch da und die Tränen liefen ihr über das Gesicht.
Abschied nehmen von einander nahestehenden Menschen ist eine herzzerreißende Sache.
Ich kann mir vorstellen, dass es den Jüngern nicht anders ergangen ist, als Jesus am Vorabend des Pessachfestes mit ihnen sprach. Was er sagte, galt den Jüngern damals und gilt auch uns heute. Hören wir den uns heute als Predigttext gegebenen Abschnitt aus der Abschiedsrede Jesu:
26 Jesus sprach zu seinen Jüngern: Wenn der Tröster kommen wird, den ich euch senden werde vom Vater, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird Zeugnis geben von mir. 27 Und auch ihr seid meine Zeugen, denn ihr seid von Anfang an bei mir gewesen. 16,1 Das habe ich zu euch geredet, damit ihr nicht abfallt. 2 Sie werden euch aus der Synagoge ausstoßen. Es kommt aber die Zeit, dass, wer euch tötet, meinen wird, er tue Gott einen Dienst damit. 3 Und das werden sie darum tun, weil sie weder meinen Vater noch mich erkennen. 4 Aber dies habe ich zu euch geredet, damit, wenn ihre Stunde kommen wird, ihr daran denkt, dass ich's euch gesagt habe. Zu Anfang aber habe ich es euch nicht gesagt, denn ich war bei euch.
Noch einmal: Ich kann mir vorstellen, dass da in Getsemane eine gedrückte Stimmung geherrscht hat. „Was wird jetzt auf uns zukommen?“, werden sich die Jünger gefragt haben. Darum wandte sich Jesus tröstend an seine Jünger. Er stellte ihnen nicht die auf sie zukommende Not vor Augen, sondern den Beistand Gottes: den Heiligen Geist. Was Martin Luther in unserem Text mit „Tröster“ übersetzt, bedeutet eigentlich „Beistand“ oder „Anwalt“.
So, wie uns in rechtlichen Fragen ein Anwalt vertritt, wird der Heilige Geist uns begleiten. Das ist nicht das Schreckgespenst, mit dem wir vielleicht einmal in Freizeiten die Nacht zum Tag gemacht haben. Nein, wir haben ihn als Beistand, der die aufrichtet, die niedergeschlagen sind und sich um die kümmert, die nicht mehr aus noch ein wissen. Der Heilige Geist ist die Gabe, die Jesus uns von Gott erbeten hat.
Und er vertritt die Sache Jesu bei uns. In der Apostelgeschichte wird uns zugesagt: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen und werdet meine Zeugen sein.“ Wenn es auf unser Können ankäme, wäre es um die Sache Jesu schlecht bestellt. Oft genug gehen wir Prediger mit noch mehr zitternden Knien von der Kanzel als wir hinaufgestiegen sind.. Wir können’s ja nicht machen, dass unser Zeugnis gehört wird. Aber der Heilige Geist kann das. Er steht für unser Zeugnis und auch für dessen Wirkung. Wenn durch unser Zeugnis jemand glaubt, so ist das allein dem Heiligen Geist zu verdanken.
Für mich bleibt es immer ein Geheimnis, dass je und dann mein Wort für andere zum Gotteswort werden kann; dass Menschen merken: „Hier bin ich gemeint.“
Und doch: obwohl wir den Heiligen Geist als Beistand und Tröster haben, erleben wir doch oft, wie kläglich unser Glaube ist. Wenn’s drauf ankommt, fehlt uns der Mut, uns zu Gott zu bekennen oder im Glauben einen Schritt zu wagen. Wir stehen in Gefahr, Anstoß an Jesus zu nehmen: „Dies habe ich euch gesagt, damit ihr nicht Anstoß an mir nehmt!“
„Anstoß nehmen“ ist noch sehr harmlos formuliert für das, was Jesus gemeint hat. Es besteht immer die Gefahr, dass wir vom Glauben abfallen. Ich höre Petrus lauthals tönen: „Wenn auch alle von dir abfallen – ich nicht!“
Wie ist es dann gekommen? Petrus wollte Jesus nicht verleugnen. Er nahm allen Mut zusammen und wagte sich in die Höhle des Löwen. Das wollte er unbedingt wahrmachen: „Ich nicht!“ Und dann tappt er doch in die Falle mit einem Satz, den man so „auf die Schnelle“ sagt, ohne sich viel dabei zu denken. Und dann kräht der Hahn.
Ja, ist denn unser Glaube wirklich so schwach, dass wir uns nicht darauf verlassen können? „Ja!“ denn nicht auf unseren Glauben sollen wir uns verlassen, sondern auf ihn. Aber er lässt uns in unseren Glaubenskrisen nicht im Stich.
Und noch ein Letztes: Wo immer Christen auftreten, werden sie Widerspruch und Widerstand erfahren. „Es kommt die Zeit, dass wer euch tötet, meinen wird, er tue Gott einen Dienst damit.“
Bis zum Tod muss es ja nicht kommen. Aber werden wir nicht oftmals verlacht und verspottet, wenn wir uns als Christen bekennen? „Selber schuld“, sagen wir uns, „wir hätten ja nur mit den Wölfen heulen müssen.“
„Und auch ihr seid meine Zeugen!“ hat Jesus gesagt. Wie können wir bessere Zeugen sein, als auch im Leid auf ihn hinzuweisen. Wir sind zwar von außen bedrängt und von innen gefährdet, aber wir können das, weil wir von oben gestärkt sind. Gott sei’s gedankt. Amen.

Verfasser: Prädikant Hans-Ulrich Deußen, Raiffeisenstr. 5, 55270 Schwabenheim

Herausgegeben vom

Logo Zentrum Verkündigung

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de

in Kooperation mit dem

Logo Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland

Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97

Logo MÖD – Missionarisch Ökumenischer Dienst
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de