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Die wartende Gemeinde

von Martin Bender (55128 Mainz-Bretzenheim)

Predigtdatum : 27.05.2001
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Christi Himmelfahrt
Textstelle : Johannes 14,15-19
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Wochenspruch:

Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen. (Johannes 12,32)

Psalm: 27,1.7-14 (EG 714)

Lesungen

Altes Testament:
Jeremia 31,31-34
Epistel:
Epheser 3,14-21
Evangelium:
Johannes 15,26-16,4

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 119
Jesus Christus herrscht als König
Wochenlied:
EG 128
Heilger Geist, du Tröster mein
Predigtlied:
EG 136
O komm, du Geist der Wahrheit
Schlusslied:
EG 120
Christ fuhr gen Himmel

Jesus sprach zu seinen Jüngern: 15 Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten. 16 Und ich will den Vater bitten, und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit: 17 den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein. 18 Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch. 19 Es ist noch eine kleine Zeit, dann wird mich die Welt nicht mehr sehen. Ihr aber sollt mich sehen, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.

Liebe Gemeinde!
„Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig und erhöre mich!“, – so haben wir es vorhin im Eingangspsalm gebetet oder im Eingangswort gehört. Es ist ein Psalm des Vertrauens zu Gott, dem Helfer, dem Tröster in Nöten des Lebens.
In unserem Textabschnitt gibt Jesus seinen Jüngern die Zusage, dass er ihnen den Tröster schicken will. Sehen wir uns zunächst einmal den Zusammenhang an, in dem unser Text steht, aus dem er herausgenommen ist. Nun steht er da als eine Aussage, zunächst ohne Zusammenhang. Und bei genauerem Hinsehen müssen wir feststellen, dass er an zentraler Stelle im Passionsbericht des Johannes steht. Was aber soll uns ein Passionsbericht jetzt in dieser Zeit noch sagen - in der nachösterlichen Zeit?
Inzwischen hat sich im Leben Jesu und seiner Jünger Entscheidendes ereignet: Karfreitag, der Tag des Sterbens - Ostern, der Tag der Auferstehung - Himmelfahrt, der Tag des Abschieds Jesu aus seiner unmittelbaren Anwesenheit bei den Jüngern. Und genau dies ist der Punkt, an dem sich der Text mit der zeitlichen Situation wieder trifft.
Wir erleben und erkennen es ja immer wieder, dass das Kirchenjahr nicht nur eine Folge von Ereignissen und Erinnerungen daran ist, sondern die einzelnen Markpunkte stehen in einem unlösbaren Zusammenhang miteinander, sie gehören zusammen. Keines der großen Feste hätte seinen Inhalt und seine Bedeutung ohne die anderen.
So wiederholt sich auch hier wieder die Abschieds-Situation. Wie wissen es alle, was es heißt, Abschied zu nehmen:
Da geht ein Familien-Angehöriger auf eine Reise und wird einige Zeit weg bleiben. Und wir wissen nicht, ob er oder sie heil wieder heimkehren wird. Oder wir selbst gehen für eine Zeit weg von zu Hause, ins Ungewisse, in eine neue Zukunft. Da gehen Kinder aus dem Haus in eine Ausbildung oder um sich eine neue Existenz zu gründen. Da gehen alte Menschen in ein Pflegeheim, wobei man weiß, dass das die letzte Station ihres Lebens sein wird. Immer bleiben Angehörige und Freunde zurück. Da geht ein Stück von uns selbst mit. Und mitunter ist es dann so, dass ein Stück Ratlosigkeit zurück bleibt. Wenn junge Menschen ihre Eltern oder ältere Freunde und Ratgeber verlieren, entsteht Hilflosigkeit. Wer berät mich denn jetzt, wenn ich nicht mehr weiter weiß?
Jesus hat es seinen Jüngern schon rechtzeitig gesagt, dass er sie eines Tages allein lassen wird. Er hat seine Abschiedsreden gehalten.
Vermutlich ist ja das, was wir bei Johannes in den Kapiteln 13 – 16 lesen, nicht so in einem Stück von Jesus gesagt worden. Anzunehmen ist eher, dass später alles, was Jesus in seinen Abschiedsreden gesagt hat, zu einer großen, durchgehenden Rede zusammengefasst wurde. Es ist so, wie wenn ein Vater im Bewusstsein des nahen Todes seinen Kindern noch einmal in konzentrierter Form all das mit auf ihren weiteren Lebensweg gibt, was für sie wichtig sein wird. Wenn wir nun heute zwischen Himmelfahrt und Pfingsten stehen, dann ist ein solcher Text gerade richtig.
Erinnern wir uns noch einmal: An Karfreitag war Jesus gestorben, und die meisten Jünger waren wieder auseinander gelaufen. Nur ein paar von ihnen waren in Jerusalem geblieben. Dort war ihnen der auferstandene Christus erschienen. Irgendwie haben dann auch die anderen davon erfahren und sind wieder zurückgekehrt.
Vierzig Tage lang war Jesus als der Auferstandene bei ihnen. Und dann kam der große Abschied. Der aber war kein Sterben mehr. Es war der Tag des Missionsbefehls. Nun wussten sie - im Gegensatz zum Karfreitag -, wie es weiter gehen sollte. Zwar hatte Jesus schon vor dem Karfreitag seine Abschiedsreden gehalten. Aber irgendwie waren sie sich dessen nicht bewusst, was das alles zu bedeuten haben würde. Vor allem das Scheitern als Verbrecher am Kreuz hatte sie völlig aus dem Konzept gebracht.
Erst durch die Auferstehung, durch den Sieg über den Tod, haben sie Jesu Vollmacht als Gottessohn erkannt. Und in den vierzig Tagen bis zur Himmelfahrt konnte Jesus sie in anderer Weise vorbereiten auf die Zukunft, die vor ihnen lag mit all den Verpflichtungen, die sich aus ihrer Jüngerschaft ergeben hatten. In diesem Zusammenhang erscheint auch der Text dieser Abschiedsrede - ganz buchstäblich - in einem neuen Licht:
Zwar beginnt Jesus mit einer Ermahnung. Aber die ist nicht so hart, wie sie sich zunächst anhören mag:
„Wenn ihr mich liebt, dann werdet ihr meine Gebote halten,“ Das heißt nicht nur: Wenn ihr mich liebt, dann zeigt sich das daran, dass ihr meine Gebote haltet“, sondern: dann werdet ihr die Kraft dazu haben, dann wird es euch selbstverständlich und leicht werden, meine Gebote zu halten. Die Liebe zu Jesus also ist es, die uns die Kraft gibt, das Rechte und das Richtige zu tun. „Ich will den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit.“
Von einem anderen Tröster ist hier die Rede. Ein Tröster, das ist nicht einer, der mit schön klingenden Worten Schwierigkeiten und Unangenehmes herunter zu spielen versucht, sondern einer, der hilft. Wahrer Trost besteht in Hilfe - in der Hilfe, mit den Widrigkeiten der jeweiligen Situation zurecht zu kommen.
Wenn ein Kind hingefallen ist und sich weh getan hat, dann kann man den Schmerz - vor allem den seelischen Schmerz - mildern oder ganz weg nehmen, indem man über die betreffende Stelle streichelt. Doch das kann eben nicht jeder. Das ist in der Regel die Mutter oder der Vater - Menschen, zu denen das Kind Vertrauen hat, an deren Hand es sich sicher und geborgen weiß, sicher, dass so etwas nicht so leicht wieder passieren wird.
Trost ist die Hilfe, mit einer widrigen Lebenslage zurecht zu kommen.
Jesus will seine Jünger nicht als Waisen zurück lassen. Hier identifiziert er sich schon andeutungsweise mit dem Vater.
Nun kennen wir den Begriff der Waisen ja nicht nur für elternlose Kinder, neuerdings spricht man ja auch schon von „verwaisten Eltern“, wenn Eltern ihre Kinder verloren haben. Und wir kennen den Begriff ja auch für den Fall, dass eine Gemeinde oder ein Verein „verwaist“ ist, wenn kein Pfarrer oder Vereinsvorsitzender mehr da ist.
So wird es auch der Jüngerschar, der kleinen Gemeinde aus Jüngern und Freunden gehen. Sie werden ihn nicht mehr bei sich haben... „dann wird mich die Welt nicht mehr sehen. Ihr aber sollt mich sehen, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.“
Darin unterscheiden wir uns als Jünger Jesu in unserer Zeit, als die, die an ihn glauben, dass wir ihn sehen, auch wenn ihn die Welt nicht sieht. Es ist ja erstaunlich: in allen Berichten von den Erscheinungen des Auferstandenen ist immer nur davon die Rede, dass er seinen Jüngern erschienen ist, niemals jedoch irgendwelchen anderen Menschen, die nicht zu ihm gehörten. Für die Welt war er nicht mehr zu sehen, nur noch für die, die an ihn glaubten.
Von der Welt hat er sich am Karfreitag verabschiedet. An Ostern ist er zu denen zurück gekehrt, die ihn erkennen wollten. An Himmelfahrt - in seinem großen Abschied hat er den Missionsbefehl gegeben und zugleich die Zusage, dass er den schon früher versprochenen Tröster senden wird. Das ist dann an Pfingsten geschehen. Darauf brauchen wir heute nicht mehr zu warten, denn diese Zusage ist bereits erfüllt.
Heute gedenken wir der Zeit, in der die Jünger voller Erwartung waren auf das, was da kommen sollte. Bei uns ist er anwesend durch seinen Geist, den er uns zu geben versprochen hat. Aber diesen Geist spürt und erkennt eben nur der, der an ihn glaubt, nur wer sich öffnet für die Ausstrahlung dieses Geistes, für die Wirksamkeit dessen, was Gottes Geist uns mitteilt:
Wenn wir nun heute mit offenen Ohren und Herzen auf diesen Text hören, dann dürfen wir dabei wissen, dass sein Versprechen wahr ist, dass er immer bei uns sein wird, um uns zu trösten, d. h. um uns in allen Lebenslagen zur Seite zu stehen.
So dürfen wir getrost - getröstet, d. h. gestärkt - in die vor uns liegende Woche gehen in dem Bewusstsein, dass er uns seinen Geist gibt, wenn wir ihn darum bitten, wenn wir offen dafür sind. Das geschieht nicht erst am Pfingstfest, heute in einer Woche, auch nicht nur einmal, sondern alle Tage neu, wenn wir ihn darum bitten. Amen.

Verfasser: Prädikant Martin Bender, Südring 98, 55128 Mainz-Bretzenheim

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