Menü

Die wartende Gemeinde

von Martin Bender (55128 Mainz-Bretzenheim)

Predigtdatum : 04.06.2000
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Christi Himmelfahrt
Textstelle : Jeremia 31,31-34
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Ihre E-Mail

Wochenspruch:

Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen. (Johannes 12,32)

Psalm: 27,1.7-14 (EG 714)

Lesungen

Altes Testament:
Jeremia 31,31-34
Epistel:
Epheser 3,14-21
Evangelium:
Johannes 15,26-16,4

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 123
Jesus Christus herrscht als König
Wochenlied:
EG 128
Heilger Geist, du Tröster mein
Predigtlied:
EG 129
Freut euch, ihr Christen alle
Schlusslied:
EG 562
Segne und behüte uns durch deine Güte

31 Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, 32 nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, ein Bund, den sie nicht gehalten haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR; 33 sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. 34 Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den HERRN«, sondern sie sollen mich alle erkennen, beide, klein und groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.

Liebe Gemeinde!
In unserem Text ist von einem Bund zwischen Gott und seinem Volk die Rede, genauer: von einem alten Bund und einem neuen. Gott verspricht einen neuen Bund anstelle des alten.
Wir alle kennen die Geschichte, wie Gott mit seinem Volk einen Bund schließt und ihm die 10 Gebote übergibt. Es war ein seltsamer Bund, denn Gott als der Stärkere hatte es nicht nötig, Verträge zu schließen. Aber das Volk hatte es nötig, dass Gott mit ihm einen Vertrag schloss.
Nun sind Verträge normalerweise auf Gegenseitigkeit angelegt. D.h. es werden Abmachungen auf Gegenseitigkeit getroffen. Zwei Partner verpflichten sich zu Leistungen, die einander entsprechen. Aber Gott und ein Volk von Menschen - sind das Partner? - Und die Leistungen, die sie sich gegenseitig erbringen, sind die etwa gleichwertig, dass sie einander entsprechen?
Mit Sicherheit nicht in dem Sinne, wie wir Partnerschaft verstehen. Aber Gott hatte sich schon In der Schöpfung den Menschen zu seinem Partner gemacht, indem er ihn mit Namen anredete, mit ihm redete. Diese Partnerschaft, die von Gott ausgeht, wurde besonders deutlich, als Gott mit Mose als dem Sprecher des Volkes zu reden begann.
Nicht Partner im üblichen Sinne sind wir für Gott, sondern er hat uns dazu gemacht, er hat sein Volk auserwählt - wie es die Bibel berichtet. Er hat seinen Segen auf die Erwählten gelegt. Er hat die Väter beauftragt, die Söhne zu segnen, ihnen den Segen Gottes zuzusprechen. Das Volk Israel steht unter dem Segen Gottes.
Woher wissen wir es eigentlich, wenn wir unter seinem Segen stehen? Man hat es allzu oft dem Judentum und dem Christentum, das ja in der Tradition des Judentums steht, vorgeworfen, sich die göttliche Berufung zum auserwählten Volk einzubilden und sich hier eine Sonderrolle anzumaßen. Aber die Erfahrung hat es uns gelehrt: es ist schon etwas dran an dem Wissen um göttlichen Segen, an dem Bewusstsein, unter dem Schutz des Allmächtigen zu stehen, zu denen zu gehören, auf die er sein Augenmerk richtet.
Nun brauchen wir nicht so vermessen zu sein, zu glauben, nur wir seien auserwählt, nur wir stünden unter seinem Schutz, nur wir seien seine auserwählten Kinder. Schließlich sind ja alle Menschen seine Geschöpfe und somit auch seine Kinder. Aber wir gehören zu denen, die seine Stimme in der Weise vernommen haben. Wir - Juden und Christen - sind die einzigen, die in dieser Weise zu seinen Partnern geworden sind. Oder steht etwa auch im Koran oder anderen “heiligen Schriften” etwas von einem derartigen partnerschaftlichen Bund zwischen Gott und den Menschen? Für uns jedenfalls besteht dieser Bund. Was Ist nun der Inhalt dieses Vertrages?
Gott als der Stärkere hatte die Macht, seinen Willen uns aufzuzwingen. - Das tut er nicht. Aber es geht hier auch nicht um ein Abkommen zwischen zwei gleichberechtigten Partnern, sondern um ein vertragliches Verhältnis zwischen einem Mächtigen und einem Schwachen.
Ohne den Bund bleibt der Schwache der Willkür des Mächtigen ausgeliefert. Mit dem Bundesschluss verzichtet hier der Mächtige auf die Möglichkeiten seiner Überlegenheit. Er geht sogar noch einen Schritt weiter. Er verpflichtet sich dazu, den Schwächeren zu schützen.
Dafür werden dem schwächeren Bundespartner bestimmte Verpflichtungen gegenüber dem Stärkeren auferlegt. Er muss sich vertragsgerecht verhalten.
Dabei ist es uns Menschen oft gar nicht bewusst, dass auch dieses uns als Vertrags-Pflicht auferlegte Verhalten nur zu unserem eigenen Vorteil ist. In einer genaueren Übersetzung des alten hebräischen Wortes müssten wir nicht von den 10 Geboten sprechen, sondern von den 10 Aussagen. Es sind eigentlich mehr Festlegungen - Feststellungen dessen, was die Menschen als Gottes Vertragspartner tun werden. Genau übersetzt heißt es auch nicht: “Du sollst keine anderen Götter neben mir haben,... nicht morden, nicht ehebrechen, nicht stehlen...” , sondern “... du wirst keine anderen Götter neben mir haben, du wirst nicht morden, nicht ehebrechen, nicht stehlen...” Wem eigentlich nützt solches Verhalten, Gott oder den Menschen ? - Es Ist doch unser ureigener Nutzen, den wir aus diesen Verhaltensformen ziehen. Inwiefern sind es dann Gottes Interessen, die da festgelegt sind? Es ist Gottes Wille, sein fundamentales Interesse, dass es seiner Schöpfung wohl ergehe.
Sein Interesse gilt uns als seinen Kindern, dass wir uns nicht gegenseitig das Leben zur Hölle machen, nachdem wir schon nicht mehr im Paradies leben können. Mit dem Essen der verbotenen Frucht vom Baum der Erkenntnis haben die Menschen, haben wir alle die Fähigkeit erlangt, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Aber die Menschen haben diese Fähigkeit nicht genutzt.
Sie sind immer wieder von dem rechten Weg abgewichen und haben einander Unrecht und Leid zugefügt. Gott schließt mit den Menschen einen Vertrag zum Schutz des Menschen vor dem Menschen, zur Erhaltung dessen, was wir als seine Schöpfung betrachten. Und darin steht an erster Stelle, dass er nicht nur unsere oberste Richtschnur, sondern die alleinige Autorität sein werde. Aber diesen Vertrag haben die Menschen nicht eingehalten, sie haben ihn immer wieder gebrochen. Zur Strafe haben sie mancherlei Beschwerden auszuhalten gehabt. Man kann auch sagen, dass alle diese Beschwerden die logische Konsequenz aus ihrem unklugen Verhalten waren.
Das ist nun der Punkt, an dem unser heutiger Text einsetzt:
31 Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, 32 nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, ein Bund, den sie nicht gehalten haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR; 33 sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR...
Einen neuen Bund will er schließen.
Was gibt Gott die Veranlassung, das zu tun?
Was gibt ihm das Vertrauen, dass der neue Bund eingehalten werden wird? Es ist die neue Vertrags-Form:
Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein.
Nun wird es nicht mehr eine rationale Vertrags-Sache sein, sondern Herzenssache. - Wie kann das zugehen ? Im Alten Testament wird uns von so mancher Begegnung zwischen Gott und Mensch berichtet.
Mose traf Gott, als der aus dem brennenden Busch zu Ihm sprach. Aber zu sehen war Gott nicht, nur seine Stimme war zu vernehmen. Es wird uns auch nichts darüber berichtet, welcher Art diese Stimme war. Auch zu den Propheten sprach Gott in mancherlei Weise.
Aber zu sehen bekommen hat ihn keiner. Gott war unnahbar. Auch sein Name durfte nicht ausgesprochen werden. Das ist auch heute noch so im strenggläubigen Judentum. Das alles hat sich mit dem neuen Bund grundlegend geändert. Gott hat selbst menschliche Gestalt angenommen und ist so zu uns gekommen. Er hat sich auf unser menschliches Niveau begeben. Er ist zu uns heruntergestiegen. Er ist uns durch seinen Sohn, den Menschen Jesus, als Mensch begegnet. Jesus ist unser Bruder geworden und hat uns gelehrt, Gott unmittelbar anzureden als unseren Vater. Damit hat er den alten Abstand, die alte Unnahbarkeit aufgehoben. In Jesus hat sich Gott für uns nicht nur neu erfahrbar gemacht, sondern begreifbar. Erfahren kann man etwas ganz abstrakt, Indem man es hört oder sieht, aber eben immer auf eine gewisse Distanz, ohne persönliche Berührung. Wir kennen ja die Formulierung “Das berührt mich nicht”. - In Jesus hat sich Gott selbst begreifbar gemacht. Er ist uns nahegekommen zum Anfassen.
Wir kennen auch die Formulierung “Ich hab’s begriffen”. Es Ist ganz hautnah. Wenn wir etwas berühren können, wenn wir von etwas berührt werden, angerührt werden, dann geht uns das zu Herzen, es geht uns ins Herz.
Durch Jesus hat Gott uns sein Gesetz ins Herz gegeben.
Aber da ist noch etwas: Jesus hat dem Gesetz eine neue Form gegeben. Er hat ihm den alten Zwangs-Charakter genommen, der in den Köpfen der Menschen entstanden war. Jesus hat das Gesetz des alten Bundes wieder zu dem gemacht, was Gott wollte. Er hat uns die Freiheit gegeben, Gottes Willen zu tun. Er hat uns durch sein Leben den Weg freigemacht, uns von allen Zwängen der menschlichen Verhaltensnormen zu lösen. Das ist mehr als nur ein Vorbild. Jesus hat bei seiner Himmelfahrt seinen Jüngern – und damit uns allen - versprochen, uns seinen Geist zu geben, seinen Geist in unsere Herzen einzupflanzen.
Mit seiner Himmelfahrt hat er sich der Sichtbarkeit, der persönlichen Begreifbarkeit entzogen. Aber er hat sich damit noch nicht von uns zurückgezogen.
Vor drei Tagen gedachten wir des Abschieds Jesu von der Sichtbarkeit dieser Welt. In einer Woche werden wir dessen gedenken, dass er uns seinen Geist geschickt, der uns erfüllen soll.
Es ist die Einlösung dessen, was Gott seinem Volk damals durch den Mund des Propheten Jeremia versprochen hat
Dieses Geschenk dürfen wir annehmen und in unserem Leben wirksam werden lassen. - Dass wir in eben dieser Freiheit das Richtige tun, den Willen Gottes erfüllen - übrigens zu unser aller Nutzen! - dazu befähigt uns Gott durch den neuen Bund, indem er uns seinen Willen in unsere Herzen gibt, unsere Herzen mit seinem Geist erfüllt.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.

Verfasser: Prädikant Martin Bender, Südring 98, 55128 Mainz

Herausgegeben vom

Logo Zentrum Verkündigung

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de

in Kooperation mit dem

Logo Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland

Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97

Logo MÖD – Missionarisch Ökumenischer Dienst
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de