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Eingeladen zum Familienfest

von Matthias Welsch (Ev. Kirchengem. Ober-Roden)

Predigtdatum : 25.12.2001
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Christfest 1. Feiertag
Textstelle : Galater 4,4-7
ggf. Homepage, auf der die Predigt verzeichnet ist : http://home.arcor.de/kumwelsch/Predigtseite/html/familia_dei.html
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Predigt zum Christfest I
Datum: 25.12.2007
Reihe: 6 - Gal. 4,4-7

Gal. 4
4 Als aber [a]die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan,
5 damit er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste, damit wir die Kindschaft empfingen.
6 Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsre Herzen, der da ruft: [a]Abba, lieber Vater!
7 So bist du nun nicht mehr Knecht, sondern Kind; wenn aber Kind, dann auch [a]Erbe durch Gott.


Liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum eigentlichen Familientreffen. Weihnachten ist ein Familienfest. Aber erst jetzt hier, heute Morgen in dieser Kirche sind sie in Ihrer wahren Familie angekommen. Das Familienfest kann beginnen.

Vielleicht löst dieser Willkommensgruß, diese Begrüßung doch bei dem einen oder anderen Erstaunen aus. Nein, Moment mal so kann man doch den Begriff Familie nicht verstehen, Familie, das ist doch irgendwie was anderes, das sind doch die, die mir nahe stehen oder mit denen ich blutsverwandt bin.
Vielleicht geht es Ihnen so wie den Schülerinnen und Schülern in einer meiner Klassen, die es doch ganz und gar unverständlich finden, wenn der alte Mystiker Meister Eckhardt das Nächstenliebegebot auf alle Menschen ausdehnt. Lieben können wir doch nur, wen wir kennen und wer uns nahe steht.
Genauso würden wir es auch über die Familie sagen. Das ist ein kleiner intimer Kreis von Menschen, bei denen wir uns zu Hause fühlen und auch so benehmen dürfen. Wo wir einfach sein dürfen wie wir sind.
Hier, heute Morgen und zumal in einem traditionellen Weihnachtsgottesdienst - da ist das anders als beim Familienfest gestern Abend, wo es gemütliches Essen gab, wo man einander kannte, wo man wusste was man voneinander zu erwarten hatte.
Die einen mögen das so gedacht haben bei dieser Begrüßung. Anderen mag es ganz anders gegangen sein, sie sind vielleicht gerade heute Morgen hier her gekommen, weil sie gerade genug hatten von der Familie. Schließlich kann man sich die Familie ja nicht aussuchen in die man geboren wird und dann ist Weihnachten ganz besonders schrecklich, wenn es als Fest der Familie propagiert wird und die eitle Harmonie von Maria, Joseph und dem Jesuskind nun auf die eigene Familie übertragen werden soll, weil doch Weihnachten ist und man sich nicht streiten soll. Und dann ist man vielleicht am Ende der Ochs oder der Esel in dieser Aufstellung. Vielleicht ist es ihnen lieber nicht zu dieser Familie zu gehören. Und jetzt also ist schon wieder von der Familie die Rede.

Der Apostel Paulus, deshalb ist sein Text aus dem Galaterbrief wohl auch für den heutigen Tag ausgewählt, redet auch von der Familie: Von der familia dei, der Familie Gottes, der göttlichen Familie. Er nimmt dabei Bezug auf das Weihnachtsereignis, erinnert an die Familie im Stall von Betlehem, aber er geht doch noch weit darüber hinaus. Er zieht die Linie in dieser kleinen sprachlich dichten Passage seines Briefes nach Galatien bis zu uns. Nimmt uns hinein in diese Familie, klärt uns über die ganz Bedeutung dieser göttlichen Familie für uns auf.
Er setzt für viele vielleicht am heikelsten Punkt der eigenen Familiengeschichte- und Tradition an: Dem Erbrecht. Er fängt, wenn es um die Familie geht dem Erben an und zitiert einen Fachbegriff aus dem römischen Erbrecht.
Familie ist auch bei uns durchaus auch über das Erbrecht definiert, die neue Steuerreform zur Erbschaftssteuer macht das deutlich: Die engere Familie bekommt mehr Steuernachlass, je weiter man entfernt ist, desto mehr bekommt auch die Allgemeinheit ab vom Erbe.
Nicht wenige Familienstreitigkeiten entzünden sich seit eh und je an der Frage des Erbes. Wer erbt was? Wird jemand bevorzugt? Wem steht was zu? Wenn es ums Erbe geht versteht man keinen Spaß, da werden alle alten Geschichten wieder ausgegraben.
Wie schön war doch die Zeit, als der Vater oder die Mutter, die Oma oder der Opa noch lebten und aller Streit unter der Decke blieb und er oder sie es in die Hand nahm die Dinge selbst zu verteilen. Man wusste, dass man dazu gehört, aber man musste noch nichts entscheiden. Und jetzt, wo es ums Erben geht ist der Kampf entbrannt. Viele erleben das so bis heute.
Paulus kannte das auch.
Manchmal gab es den Streit auch in der christlichen Kirche. Wer waren die rechtmäßigen Erben der jüdischen Tradition, wer hielt sich am Besten ans Gesetz, waren das die Christen jüdischer Herkunft und die anderen nur zweitrangige Christen. Nach dem Tod Jesu stritt man sich über dieses Erbe in der Christenheit.
Also liegt es nahe auch heute Erben zu reden passend zum Fest der Familie, wenn es um die Familie Gottes geht.
Nun zu allererst geht es mal darum zu betonen, wer dazu gehört. Wer ist Kind in dieser Familie, wer ist also auch erbberechtigt? Wer darf das Erbe Jesu antreten?
Da ruft Paulus uns Christen, uns allen unterschiedslos zu: „Ihr seid nun Gottes Kinder“, so wie jenes Kind in der Krippe, so sind wir durch die Taufe genauso Gottes Kinder geworden. An Weihnachten sind wir Christen alle Christkinder, werden Mitglieder in der familia dei, unterschiedslos alle, egal ob Mann oder Frau, ob Jude oder Grieche, ob Ausländer oder Deutscher, schwarz oder weiß, alt oder jung, arm oder reich, obdachlos oder mit Dach über dem Kopf, arbeitslos oder mit Arbeit, krank oder gesund. Unterschiedslos alle sind wir Gottes Kinder. Wie Jesus, das Kind in der Krippe, den heiligen Geist im Herzen trägt, wie es die Weihnachtsgeschichte erzählt, so soll es auch für uns sein: „Gott hat den Geist seines Sohnes in unsere Herzen gesandt“. Und wir dürfen zu ihm rufen Abba, lieber Vater.
Eingeladen zum Fest des Glaubens in diese Kirche sind wir von unserem Vater, durch unseren Bruder Jesus Christus, dessen Geburtstag wir heute als Familienfest feiern. Hier im Gottesdienst hier in der Kirche, da kommt diese heilige Familie zusammen, die wir alle gemeinsam sind, unterschiedslos alle. Gottes Kinder durch die Taufe. So sagt uns das Paulus.
Kind Gottes sein, dass hat aber auch rechtliche Folgen. Wir sind nämlich dadurch auch erbberechtigt geworden. Nach dem Tod unseres Bruders Jesus haben wir nun die Aufgabe und das Recht sein Erbe anzutreten. Ja natürlich, bei den Christen gab und gibt es natürlich auch Streit über dieses Erbe, wie in fast jeder Familie so auch bei uns. Paulus aber spricht uns gerade heute auf unsere Mündigkeit an. Wir sind ja nicht mehr minderjährig, dass wir einen Vormund brauchten, der für uns das Erbe verwaltet, wir sind vielmehr mündig geworden, aufgerufen mit dem Erbe Christi verantwortlich um zu gehen.
Verantwortlicher Umgang als mündiger Christ mit unserer Gotteskindschaft das ist zuallererst natürlich ein Geschenk, ein echtes Weihnachtsgeschenk. Es ist das Geschenk der Freiheit, das wir auspacken dürfen, und das Geschenk der Barmherzigkeit und Gnade, die Gott uns in Jesus Christus schenken will.
Und es ist ein Erbe, das uns verpflichtet. Verpflichtet dazu weiterzugeben, was wir von ihm bekommen. Jede und jeder Christ darf sich und soll sich anderen Menschen gegenüber mit seinem Familiennamen vorstellen, darf anzeigen, dass er dazu gehört, darf und soll sagen: ich bin Christ. Ich bin ein Kind Gottes mit allen dazu gehörenden Rechten. Ich darf Vater zu Gott sagen, mir steht ein Erbteil zu.
Selbstbewusst dürfen wir damit in die Welt gehen, dürfen anderen von unserem Glauben erzählen, die erfahrene Barmherzigkeit weitersagen und andere einladen in unsere Familie.
So wie Familien sich manchmal im Streit um das Erbe verzehren und das Erbe zerstückeln oder durch endlose Gerichtsprozesse zunichte machen, so gehen wir manchmal vielleicht auch mit unserem christlichen Erbe um, weil wir uns darüber streiten was wahr ist, weil wir es nur für uns alleine haben wollen oder weil es uns gleichgültig ist.
Dabei ist dieses Erbe, das uns da an Weihnachten in die Wiege gelegt ist eines, das seine Kraft erst entfaltet, wenn wir das alles nicht tun. Wenn wir es vielmehr in unserem Herzen wirken lassen, seinen Geist erspüren und mitnehmen in unseren Alltag nach Weihnachten.
Es ist ein Erbe, dass Leben bekommt, wenn wir es weiterreichen, es wird größer, wenn wir es teilen und es will uns gerade erst zu einer richtigen Familie machen. Es kann so jederzeit aufgefüllt werden.
Für Paulus spielt die Gemeinschaft im Mahl da eine besondere Rolle. Da werden wir miteinander zu einer großen Familie, indem wir miteinander essen. Es ist das Mahl der Geschwister, dass wir feiern im Abendmahl. Es ist ein Familienfest zu dem alle mit Nachnamen „Christ“ eingeladen sind und die, die es noch werden wollen.
Familie ist da wo man dazu gehört, da wo Geschichten erzählt werden die man kennt. Zum Abendmahl sind in unseren Gottesdiensten alle eingeladen, deshalb wollen wir in unserer Gemeinde im kommenden Jahr das Abendmahl mit unserem Jahresthema „Essen, um zu leben“ neu entdecken, als ein Mahl der Familie Christi und an Weihnachten hören wir die alte Geschichte von der Geburt des Jesuskindes als unsere Geschichte, die Geschichte unserer Kindheit, unsere Familiengeschichte.
Insofern ist auch das Abendmahl ein „Raum für Familie“ und unser Gemeindeprojekt mit diesem Titel eigentlich viel umfassender zu verstehen.
Damals in Betlehem, in der Krippe ist kein anderer als unser aller Bruder geboren. Wir erinnern uns, wir sind seine Erben. In dieser Familie gibt es keine Kinder die zu kurz kommen, keine adoptierten Kinder, keine Stief- oder Findelkinder. Da gehören wir alle dazu.
Also noch einmal herzlich willkommen, liebe Familie heute morgen in unserem Gottesdienst. Schauen Sie sich einmal um, wer alles gekommen ist heute morgen zum Familienfest und wer dazu gehört, haben Sie ihre Nachbarin oder Ihren Nachbarn schon einmal mit den Augen eines Bruders oder einer Schwester gesehen oder haben Sie ihn gar schon einmal so angesprochen?
Weihnachten ist ein Familienfest, da ist es schön, die eigenen Geschwister zu treffen und anzusprechen oder einfach nur gemeinsam zu singen und zu beten und sich dazu gehörig zu fühlen mit den alten Worten, die wir schon so lange kennen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.