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Einsetzung des Heiligen Abendmahls

von

Predigtdatum : 12.04.2001
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Palmsonntag
Textstelle : 2. Mose 12,1.3-4.6-7.11-14
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Wochenspruch:

Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder, der gnädige und barmherzige HERR. (Psalm 111,4)

Psalm: 111 (EG 744)

Lesungen

Altes Testament:
2. Mose 12,1.3-4.6-7.11-14
Epistel:
1. Korinther 11,23-26
Evangelium:
Johannes 13,1-15 (34-35)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 586
Herr, der du einst gekommen bist
Wochenlied:
EG 223
Das Wort geht von dem Vater aus
Predigtlied:
EG 221
Das sollt ihr, Jesu Jünger, nie vergessen
Schlusslied:
EG 222
Im Frieden dein, o Herre mein

Hinführung:
Der Text aus Ex 12 ist ein historisch interessanter Text, so wird er in den Kommentaren behandelt. Der historisch-kritische Zugang zur Perikope kann auch genutzt werden, wenn man die zentralen Elemente für die Verkündigung herausstellen will:
1. den mit der Einsetzung des Mahles verbundenen Ablöseprozess und den Aufbruch in die Freiheit.
2. Das Fest als Fest der Gemeinschaft und Stiftung der Hoffnung auf die endgültige Freiheit.
3. Der Bezug auch zum Gründonnerstag.
Literatur: Roland Gradwohl, Bibelauslegung aus jüdischen Quellen, 2. Auflage Stuttgart 1995
Kommentare, Theologien des AT, Rainer Albertz, Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit 2 [ ATD Ergänzungsreihe Bd 8/2 ], Göttingen 1992

Liebe Gemeinde,
Franz Kafka, der berühmte Dichter, der zu Beginn des 20.Jahrhunderts gelebt und gewirkt hat, hat uns eine Menge kleiner Parabeln oder Gleichnisse hinterlassen. Eine davon trägt den Titel: Der Aufbruch und lautet:
„Ich befahl, mein Pferd aus dem Stall zu holen. Der Diener verstand mich nicht. Ich ging selbst in den Stall, sattelte mein Pferd und bestieg es. In der Ferne hörte ich eine Trompete blasen, ich fragte ihn, was das bedeute. Er wusste nichts und hatte nichts gehört. Beim Tore hielt er mich auf und fragte: „Wohin reitest du, Herr?“ „Ich weiß es nicht“, sagte ich, „nur weg von hier, nur weg von hier. Immerfort weg von hier, nur so kann ich mein Ziel erreichen.“ „Du kennst also dein Ziel?“ fragte er. „Ja“ antwortete ich, „ich sagte es doch: ‚Weg – von – hier’, das ist mein Ziel.“ „Du hast keinen Essvorrat mit“, sagte er. „Ich brauche keinen“, sagte ich, „die Reise ist so lang, dass ich verhungern muss, wenn ich auf dem Weg nichts bekomme. Kein Essvorrat kann mich retten. Es ist ja zum Glück eine wahrhaft ungeheuere Reise.“
Sagen Sie selbst: eine merkwürdige Geschichte. Der sie erzählt, ist sich offenbar nur einer Sache ganz sicher: er will weg! Der Aufbruch scheint überraschend. Nicht einmal der Diener versteht ihn. So beginnt die Parabel bereits mit einem für Kafka typischen Szenario. Die zum „Aufbruch“ führende Situation ist charakterisiert durch eine schwerwiegende Kommunikationsstörung, man versteht sich nicht. Der Aufbrechende bleibt auf sich selbst verwiesen, er muss satteln. Er empfängt Signale aus der Ferne, aber er versteht sie nicht, und der einzige Mensch den er fragt, kann ihm nicht helfen, sucht vielmehr die Hilfe des Aufbrechenden, hält ihn auf, ist neugierig, will wissen, wohin es geht.
Allein die Antworten bleiben unbefriedigend. Die einzig sichere Angabe über das Ziel der Reise bleibt „weg von hier“. Das Ziel bestimmt sich allein vom Ausgangspunkt her, es ist seine Zurückweisung, seine Ablehnung. „Ich will hier weg“, könnte der Erzähler auch salopp sagen. Warum? Man kann nur vermuten und spekulieren, Genaueres sagt der Text kaum. Es scheint ihm nicht zu gefallen, wo er ist. Und er vernimmt Signale aus der Ferne, aber er versteht sie nicht, sie scheinen ihn jedoch anzuziehen, doch bevor wir etwas Genaueres erfahren, verblasst dieses Bild wieder und mündet in die nahezu absurde, am Ausgangspunkt orientierte Zielbestimmung: „weg von hier!“
Alles weitere in dem Gleichnis verstärkt nur die Unsicherheit und Orientierungslosigkeit des erzählenden „Ich“. Die Bereitschaft, mit dem plötzlichen Aufbruch nicht nur eine große Sehnsucht zu erfüllen, sondern auch ein enormes Risiko einzugehen, wird deutlich. Die Reise ist so lang, ja so ungeheuer, wie der Text sagt, geradezu unheimlich, dass ihr Scheitern vorprogrammiert ist, wenn der Reisende nicht Hilfe bekommt. Er bleibt verwiesen auf andere, auf Menschen, die im Text nicht sichtbar werden, er hofft, ohne dass seine Hoffnung im Text eine andere Begründung findet, als dass er ohne sie kaum überleben kann.
So bleibt der Text insgesamt eher bedrückend. Franz Kafka zu verstehen ist nicht einfach, die meisten Interpreten lesen seine Texte von einem bestimmten Vorverständnis ausgehend. So lassen sich die Parabeln auch religiös verstehen als Verbildlichung einer großen Sehnsucht, die besonders in der modernen Zeit mit einem großen Verlust zu kämpfen hat, dem Verlust an Orientierung, Gemeinschaft, an Gottesgewissheit.
Das Bild des eiligen Aufbruchs ist dem Juden Kafka vertraut, ein Bezug zur Exodustradition des Alten Testaments ist leicht herstellbar. Der Wille zum Aufbruch in die Freiheit aus der Sklavenexistenz in Ägypten bleibt getragen von einer unbestimmten Sehnsucht, einer Hoffnung, die auch kaum in einer konkreten Zielangabe ihren Grund findet. „Das gelobte Land, wo Milch und Honig fließt“, wie das Ziel im Alten Testament 21 mal (unter Einschluss der Apokryphen) genannt wird, ist allenfalls ein schönes dem „weg von hier“ positiv entgegengesetztes Bild, kein Element der Sicherheit, keine sichere Ortsbestimmung.
Und so wissen wir ja, dass die ungeheure Reise mit mancherlei Unbill verbunden blieb: Der Essvorrat reichte nicht aus, die sehnsüchtige Erinnerung an die „Fleischtöpfe Ägyptens“ ist vorprogrammiert wie Führungskrisen und Zweifel an dem alles tragenden Grund der Verheißung dieses ungewissen Ortes, wo Milch und Honig fließt, Zweifel an, Abfall von Gott.
Nun ist uns der Ausgang der biblischen Erzählung vertraut, wir wissen dass Gott mit Wolkensäule und Feuerschein die Führung übernimmt, sein Volk auch nicht verhungern lässt, Wachteln und Manna gibt, sich auch nach dem Abfall nicht von ihm abwendet. Das Festhalten an der Sehnsucht, trotz allen Zweifels an der Hoffnung, findet in der biblischen Geschichte nach langer Reise seinen Lohn. Die Unterschiede zu Franz Kafkas Situationsschilderung werden schon in dem für heute vorgesehenen Text aus dem 2. Buch Mose deutlich. Es ist die Erzählung von der Einsetzung oder Stiftung des Passamahles, die dem Auszug unmittelbar vorausgeht:
1 Der HERR sprach zu Mose und Aaron in Ägyptenland: 3 „Sagt der ganzen Gemeinde Israel: Am zehnten Tage dieses Monats nehme jeder Hausvater ein Lamm, je ein Lamm für ein Haus. 4 Wenn aber in einem Hause für ein Lamm zu wenige sind, so nehme er's mit seinem Nachbarn, der seinem Hause am nächsten wohnt, bis es so viele sind, dass sie das Lamm aufessen können. 6 Ihr sollt es verwahren bis zum vierzehnten Tag des Monats. Da soll es die ganze Gemeinde Israel schlachten gegen Abend. 7 Und sie sollen von seinem Blut nehmen und beide Pfosten an der Tür und die obere Schwelle damit bestreichen an den Häusern, in denen sie's essen. 11 So sollt ihr's aber essen: Um eure Lenden sollt ihr gegürtet sein und eure Schuhe an euren Füßen haben und den Stab in der Hand und sollt es essen als die, die hinwegeilen; es ist des HERRN Passa. 12 Denn ich will in derselben Nacht durch Ägyptenland gehen und alle Erstgeburt schlagen in Ägyptenland unter Mensch und Vieh und will Strafgericht halten über alle Götter der Ägypter, ich, der HERR. 13 Dann aber soll das Blut euer Zeichen sein an den Häusern, in denen ihr seid: Wo ich das Blut sehe, will ich an euch vorübergehen, und die Plage soll euch nicht widerfahren, die das Verderben bringt, wenn ich Ägyptenland schlage. 14 Ihr sollt diesen Tag als Gedenktag haben und sollt ihn feiern als ein Fest für den HERRN, ihr und alle eure Nachkommen, als ewige Ordnung.“
Auch hier wird ein „Aufbruch“ vorbereitet, der Aufbruch in die Freiheit. Das Mahl, das ihn vorbereitet, soll ein Mahl der Hinwegeilenden sein, derer, die zum Aufbruch unmittelbar bereit sind, gegürtet und mit Schuhen an den Füßen. Zeichen für den Beginn einer Mahlzeit war zu der Zeit, als die Geschichte aufgeschrieben wurde, das Lockern des Gürtels, das hier gerade nicht erfolgt, hält doch der Gürtel das Gewand beim Gehen so, dass man nicht stolpert. Teile des Textes, die in unserem Abschnitt ausgelassen sind, unterstreichen das noch:
So soll das Lamm unzerteilt am Feuer gebraten werden, mit Schenkeln, Kopf und inneren Teilen (V.9), zum Kochen müsste es ja zuvor zerteilt werden, und es soll alles aufgegessen werden bis zum Morgen, wenn aber etwas übrigbleibt, „sollt ihr’s mit Feuer verbrennen“, heißt es weiter (V.10). Auch dies ein Bild radikalen Aufbruchs, der das Übrige weder den Feinden überlässt noch selbst als Wegzehrung mitnimmt. Für die Wanderung stärkt man sich, aber für das Aushalten aller Strapazen bedarf es des Vertrauen in den, der einen rechtzeitig versorgt.
Aber der Ablöseprozess, das „weg von hier“ ist noch radikaler.
Die Lämmer sind den Ägyptern als Opfertiere ein Gräuel, sie zu schlachten bedeutet sich von dem religiösen Brauchtum der Ägypter zu lösen.
Gott kündigt als 10. Plage die Tötung aller Erstgeburt der Ägypter an. Mit der Erstgeburt sollen die Götter Ägyptens vernichtet werden. Die Radikalität solcher Befreiung findet ihren Ausdruck in Bildern, die uns heute nur noch schwer verständlich sind.
Die letzte Mahlzeit in dem Land der Knechtschaft trägt den Charakter einer Opfermahlzeit, deren Symbolik uns heute dunkel ist, auch wenn wir sie gerade heute am Gründonnerstag und am Karfreitag verwenden. Ich meine die Symbolik des Opferblutes, das die Schuld des Opfernden tilgt. Das Bestreichen der Türschwelle und der Türpfosten mit Blut hält den Todesengel von denen fern, die in solchem Hause wohnen.
Ursprünglich, in der Nomadenzeit und der frühen Zeit des Sesshaftwerdens Israels war das Passafest ein Familienfest, das sich früh mit dem Fest der ungesäuerten (nicht durchgebackenen) Brote, die an die Zeit der Wüstenwanderung erinnern, verbindet. Nach der Errichtung des Tempels wurde es früh zu einem Wallfahrtsfest ausgestaltet, das Opfer wurde im Tempel dargebracht, mit dem sühnenden Opferblut wurde der Altar besprengt.
Aufgeschrieben wurde unsere Geschichte wahrscheinlich in der Zeit des babylonischen Exils, notgedrungen wurde hier aus dem Wallfahrtsfest wieder ein Familienfest. Aber, und darauf legt der Text großen Wert, ein Fest aller Familien in Israel. „Sagt der ganzen Gemeinde in Israel“, heißt es zu Beginn.
Einige Exegeten legen Wert auf die Feststellung, dass Israel hier zum ersten Mal als Gemeinde angesprochen wird. Das Teilen der Mahlzeit mit dem Nachbarn ist dort gefordert, wo Überfluss ist. Die guten nachbarlichen Beziehungen werden durch die Opferhandlung und die Opfermahlzeit gefestigt, und auf solche Beziehungen kommt es im Leben an, so schreibt es Rabbi Eleasar aus Worms (1160-1230) im Mittelalter.
Das gemeinsame Feiern mag in der mittelalterlichen deutschen Stadt die Gemeinschaft gestärkt haben wie bei den Vorfahren in Babylon. Aus dem Familienopfer ist ein Gemeinschaftsopfer geworden. Wie im babylonischen Exil ist aus dem Wallfahrtsfest nach der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 wieder ein Familienfest geworden, aber eines, das alle Familien verbindet. Längst ist aus dem Pessach Ägyptens auch ein Pessach der Generationen geworden. Der Text legt großen Wert auf den Festtermin und seine zyklische Wiederkehr, alle Nachkommen sollen das Fest feiern als „ewige Ordnung“.
So feiern die Juden Pessach noch heute als Fest in der Familie, aber sie kommen auch zusammen in der Synagoge. Das ganze Fest ist gestaltet als Fest der Erinnerung und Vergegenwärtigung, Erinnerung an den Auszug aus Ägypten, an die Wüstenwanderung, aber auch an den Tempel und seine Zerstörung, Erinnerung an den Verlust. Das ganze Festbrauchtum ist gespickt mit symbolträchtigen Elementen. Nichts Gesäuertes darf im Hause sein.
Besonders der Eingangsabend des siebentägigen Festes, der Sederabend, was übersetzt so viel bedeutet wie „Nacht der Ordnung“ zeigt eine tiefe Symbolik. Auf dem Familientisch steht eine Platte mit diversen Speisen. Ein gebratener Knochen erinnert an das gebratene Pessachopfer. Da nach der Zerstörung des Tempels das Opfer in der für das Wallfahrtsfest überlieferten Form nicht mehr möglich ist, darf es kein Lammknochen sein.
Bitterkraut erinnert an die bittere Sklavenzeit in Ägypten, Mazzen, ungesäuerte Brote, an die Nahrung während der Wüstenwanderung. Ein bräunliches Mus aus Früchten, Zimt und Wein weist auf die „Lehmarbeiten“ hin, die die Israeliten in Ägypten verrichten mussten. Ein Ei ist Symbol der Fruchtbarkeit. Vier Becher Wein sind während des Sederabends zu trinken. Sie erinnern an Gottes vierfaches Wirken für Israel: Das Herausführen aus Ägypten, die Errettung, die Erlösung, die Erwählung.
Ein fünfter Becher wird bereitgestellt, er wird jedoch nicht ausgetrunken, er weist auf die erhoffte fünfte Gottestat hin, er steht bereit für Elia, der bei seiner Wiederkehr die Ankunft des Messias verkündet, die endgültige Erlösung. Vorstellungen wie die Rückführung in das verlorene gelobte Land und die Wiedererrichtung des Tempels haben sich damit immer verbunden. So ist auch der Wunsch „nächstes Jahr in Jerusalem“ als Abschiedswunsch Erinnerung und Hoffnung zugleich, Rückbindung an die Generationen, die Pessach im Tempel gefeiert haben und Hoffnung, dass der Tag kommt, an dem dies wieder möglich ist.
Der Sederabend bleibt ein Zeichen des Neubeginns, der neue Tag beginnt nach jüdischer Tradition am Abend, wie wir es ja auch aus der Schöpfungsgeschichte kennen. Der Wein ist auch Zeichen der Freude und Freiheit, Sklaven bekommen in der Antike selten Wein. Das „weg von hier“, wie wir es bei Franz Kafka gesehen haben, wird erinnert, aber die Hoffnung im Vertrauen auf Gott verheißt ein Ziel, das mehr ist als „weg von hier“.
So hat auch Jesus mit seinen Jüngern Pessach gefeiert, das letzte Mahl war ein Sedermahl. Daraus ist unser Abendmahl entstanden, und aus Pessach wurde unser Osterfest, das Fest der Auferstehung, des Neubeginns, der Befreiung aus dem Tode. Aus dem Pessachlamm wurde in unserer Tradition das Lamm Gottes. Auch unser Abendmahl ist ein Zeichen unserer Gemeinschaft untereinander und unserer Gemeinschaft mit Christus. So wollen auch wir in der heutigen Mahlfeier die Erinnerung an das Leiden verbinden mit der Freude auf den Neubeginn. Amen.

Verfasser: Prädikant Ulrich Oelschläger, Schöfferstr. 20, 67547 Worms

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