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Geborgen bei Gott

von Michael Heymel (64291 Darmstadt)

Predigtdatum : 31.08.2008
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 13. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : 1. Mose 2,4b-9.(10-14).15
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Wochenspruch:

Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. (1. Petrus 5,7)

Psalm: 127,1-2

Lesungen

Altes Testament:
1. Mose 2,4b-9 [10-14] 15
Epistel:
1. Petrus 5,5c-11
Evangelium:
Matthäus 6,25-34

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 432
Gott gab uns Atem, damit wir leben
Wochenlied:
EG 369
Wer nur den lieben Gott lässt walten
Predigtlied:
EG 427
Solang es Menschen gibt auf Erden
Schlusslied:
EG 157
Lass mich dein sein und bleiben

Vorbemerkung:
Wochenspruch, Evangelium und Epistel dieses Sonntags, aber auch das Wochenlied „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ (EG 369) verweisen auf Gottes Fürsorge, die uns von der Sorge um uns selbst befreit. Wir werden ermutigt, im Gebet alle unsere Sorge auf Gott, den Vater, zu werfen. Es ist umsonst, sagt der Eingangspsalm (Ps 127,1-2), das Brot mit Sorgen zu essen. Was Gott zum Leben gibt, lässt sich nicht dadurch sichern, dass wir uns Sorgen machen. Aber die Sorge beeinträchtigt das Leben. Deswegen lehrt der Bergprediger Jesus: Sorgt nicht! Er wirbt darum, sich der Fürsorge Gottes anzuvertrauen: Euer himmlischer Vater weiß, was ihr zum Leben braucht (vgl. Mt 6,32).
Im Kontext dieses Anti-Sorgen-Sonntags ist der Predigttext auszulegen. Ich nehme dabei Anregungen des niederländischen Alttestamentlers Karel Deurloo auf, eines führenden Vertreters der Amsterdamer Theologenschule. Vgl. Martin Kessler & Karel Deurloo, A Commentary on Genesis: The Book of Beginnings, Paulist Press International, New York 2004, 256 Seiten. Um dem Wortlaut des hebräischen Originals möglichst nahe zu kommen, verwende ich die Übersetzung von Martin Buber und Franz Rosenzweig: Die fünf Bücher der Weisung, Heidelberg 1987. Als Lied nach der Predigt empfehle ich entweder „Solang es Menschen gibt auf Erden“ (EG 427) von Huub Oosterhuis oder das am Schluss zitierte Lied von Willem Barnard „Ein Mensch zu sein auf Erden“.

4 Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte. 5 Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn Gott der HERR hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute; 6 aber ein Nebel stieg auf von der Erde und feuchtete alles Land. 7 Da machte Gott der HERR den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.
8 Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. 9 Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. [10 Und es ging aus von Eden ein Strom, den Garten zu bewässern, und teilte sich von da in vier Hauptarme. 11 Der erste heißt Pischon, der fließt um das ganze Land Hawila, und dort findet man Gold; 12 und das Gold des Landes ist kostbar. Auch findet man da Bedolachharz und den Edelstein Schoham. 13 Der zweite Strom heißt Gihon, der fließt um das ganze Land Kusch. 14 Der dritte Strom heißt Tigris, der fließt östlich von Assyrien. Der vierte Strom ist der Euphrat.]
15 Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.

Liebe Gemeinde!
Wer ist der Mensch? Was für Wesen sind wir Menschen? –
Die Bibel antwortet darauf mit einer Erzählung. Das Besondere an dieser Erzählung ist, dass sie aus dem Blickwinkel des Gottes Israels erzählt wird, dessen heiliger Name mit Adonaj umschrieben wird. Luther gibt diese Umschreibung mit „HERR“ wieder. Erzählt wird also nicht ausgehend von einer allgemein-menschlichen Gottesbeziehung, sondern vom Standpunkt Israels aus. Wir hören mit Israel auf Worte der Schrift, auf eine Erzählung vom Anfang. Erst wenn wir übersetzen, was da erzählt wird, können wir die Erzählung miteinander teilen und finden unseren Ort in ihr.
Als Hörerinnen und Hörer werden wir in eine Geschichte verwickelt, die über den Menschen in der Sprache der Schöpfung redet: „Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte“. Himmel – das ist der Bereich des Verborgenen, der Bereich Gottes. Erde – das ist der Bereich des für den Menschen Erreichbaren. Auch wenn wir heute mit Flugzeugen über den Atlantik fliegen und Satelliten um die Erde schicken oder zu fernen Planeten, so bleibt das aus biblischer Sicht immer noch Erde.
Was noch nicht ist und sich erst noch ereignen wird, ist hier das pflanzliche Wachstum. Wie der Mensch zur Welt kommt, ist etwas anderes. Ohne den Menschen, der das Land bebaut, wächst da nichts. Wörtlich heißt es: „und Mensch, Adam, war keiner, den Acker, Adama, zu bedienen“. Der Acker ist bebautes Land um die Städte herum. Adama bedeutet eigentlich: das rötlich Braune. Adam, der Mensch, erscheint in dieser Geschichte als der rötlich Braune. In seiner Haut- und Gesichtsfarbe sieht er dem Ackerland ähnlich.
Wo Acker ist, muss es auch einen Menschen geben. Aber wo ist der Mensch?
Der Acker braucht Regen, sonst ist nur Erde da und kein Acker.
Es wird erzählt: Die Erde wird feucht von Dunst. Damit es einen lebendigen Menschen geben kann, müssen diese drei zusammentreffen: der Dunst oder Nebel, der Mensch und die Erde. Das schafft Gott, der HERR.
Gott formt den Menschen wie ein Töpfer sein Kunstwerk aus Ton formt. Dazu benutzt er Staub vom Acker, woraus man nichts machen kann. Wer schon einmal in den Orient reiste, weiß, dass dort überall Staub ist.
Das ist also das Erste, das uns vom Menschen erzählt wird: Staub ist der Mensch, und Staub muss er werden. So sagen es auch das Buch Hiob, die Psalmen und der Prediger Salomo. Der Mensch ist vergänglich und sterblich. Er gehört zum Acker wie Staub zum Acker gehört.
Das hören wir nicht gern, daran möchten wir nicht gern erinnert werden. Aber gerade darin ist die Erzählung realistisch.
Der Mensch ist wie Staub, aus einem feinen, vergänglichen Stoff. Aber wer er ist, das wissen wir damit noch nicht. Solange wir nur den Stoff betrachten, aus dem wir gemacht sind, wissen wir nicht, was Menschsein heißt.
Es geschieht etwas Wunderbares, eine schöpferische Tat. Lebensatem bläst Gott in den Menschen. Durch ruhiges, stetiges Ein- und Ausatmen wird ein Mensch lebendig und wach.
Ist es nicht eigenartig, dass wir schreiend auf die Welt kommen? Zuerst muss ein neugeborenes Menschenkind ein- und ausatmen. Und darin zeigt sich, dass es ein lebendiges Wesen ist. Wir können nur leben, wenn wir Luft zum Atmen haben und uns der Atem nicht ausgeht. Singen und Sprechen setzen voraus, dass wir ein- und ausatmen. Ohne Atem könnte unsere Stimme keine Töne erzeugen.
Am Atemhauch nehmen wir wahr, ob ein Mensch lebt. Durch den Atem wird er beseelt. In der Sprache der Bibel meint „Seele“ den ganzen Menschen in seiner Lebendigkeit. Uns wird erzählt vom Geheimnis des lebendigen Menschen: nämlich dass Gott, der HERR, in ihm atmet und ihm wieder und wieder seinen Lebensatem gibt.
Und darauf beruht die Würde menschlichen Lebens, das macht jedes menschliche Leben einzigartig. In jedem Menschen ist Gott mit seinem Lebensatem gegenwärtig. Schon durch unser Ein- und Ausatmen sind wir mit ihm verbunden. Er lässt uns an seinem ureigenen Wesen teilhaben, macht uns mit ihm verwandt, indem er uns seine Lebendigkeit mitteilt. Denn dafür steht sein Name: ICH BIN DA. LEBENSATEM, DER WEHT. In jedem lebendigen Menschen begegnet uns der Lebendige, der Schöpfer des Lebens. „Die Ehre Gottes“, sagt der Kirchenvater Irenäus von Lyon, „ist der lebendige Mensch“ (in seiner Schrift Adversus Haereticos IV, 20, 7).
Wir ehren also Gott, den Schöpfer, indem wir jeden Menschen in seiner Lebendigkeit als einzigartiges Wesen respektieren. Wenn irgendjemand Menschen in den Dreck zieht oder wie Dreck behandelt, wird die Ehre Gottes mit Füßen getreten. Wer einem Menschen das Recht auf Leben abspricht oder ihm die Luft zum Atmen raubt, der vergreift sich an Gott. Mit seinem Lebensatem haucht Er dir’s ein und flüstert dir’s zu, Er singt und sagt dir’s ganz tief in dein Herz hinein und lässt es dich durch alle Sinne spüren:
Du bist ein lebendiger Mensch! Du – eine lebendige, beziehungsfähige Seele!
ER will, dass du da bist und das Leben mitteilst, das er dir gegeben hat! Durch deine Lebendigkeit will ER gelobt sein, geehrt und gepriesen!
Es wird weiter erzählt, dass Gott ostwärts einen Garten pflanzt, in Eden, dem üppigen Land. Das heißt: der HERR ist in einem Garten. Gott ist gegenwärtig, wo müheloses Leben möglich ist und alles da ist, was das Herz erfreut.
In den antiken Religionen, in Griechenland und im alten Orient, aber auch in den fernöstlichen Religionen spricht man bis heute vom „Garten der Götter“. Nach der biblischen Erzählung ist es aber der Mensch, dem Adonaj, der Gott Israels, diesen Garten überlässt.
Im Garten wächst der Baum des Lebens. Im Garten blüht Leben in Fülle. Da wächst überreich, was der Mensch zum Leben braucht. Nicht nur, was gut ist, sondern auch das, was verlockend schön ist, was die Sinne erfreut.
Wieso gehen Liebespaare so gern in einem Garten oder Park spazieren? Doch wohl deshalb, weil hier ein Raum ist für müheloses Leben! Alles, was da blüht, spricht die Sinne an und lässt spüren, dass es eine Lust ist, zu leben. Hier kann man das Leben von seinen schönsten Seiten genießen.
Außer dem Baum des Lebens wird noch ein Baum der Erkenntnis erwähnt. Was ist das für ein Baum? In der außerbiblischen Literatur gibt es diesen Baum der Erkenntnis nicht.
In den folgenden Versen wird eingehend beschrieben, wo das üppige Land Eden liegt. Die vier Hauptarme des Stroms, der den Garten bewässert, verweisen auf die ganze Welt mit den vier Himmelsrichtungen. Dann werden die vier Flussarme mit Namen genannt und die Länder, wo sie fließen. „Kusch“ steht für Äthiopien, „Chawila“ für ein märchenhaftes Land in Afrika. Wer die Erzählung genau verfolgt, dem fällt auf, dass der vierte und letzte Fluss nicht erklärt wird: „Der erste heißt Pischon, der fließt um das ganze Land Hawila, und dort findet man Gold; und das Gold des Landes ist kostbar. Auch findet man da Bedolachharz und den Edelstein Schoham. Der zweite Strom heißt Gihon, der fließt um das ganze Land Kusch. Der dritte Strom heißt Tigris, der fließt östlich von Assyrien. Der vierte Strom ist der Euphrat“.
Warum wird der Euphrat nicht erklärt? Jeder Jude weiß: das ist der Ort des Exils. Von der leidvollen Erfahrung des Exils muss jetzt nicht gesprochen werden. Es genügt, den Ort zu nennen, und jeder weiß sofort: in der Fremde kann einen die Fülle des Lebens umgeben, aber man findet keinen Geschmack daran, wenn man unfreiwillig dort lebt.
Liebe Gemeinde, was haben wir von dieser Beschreibung? Wir sind ja, geographisch betrachtet, nicht in Eden. Aber hier geht’s auch nicht um Erdkunde, sondern es geht um die Urkunde von dem Ort, den Gott, der HERR, uns Menschen auf der Erde zugedacht hat. Eden ist dort, wo Himmel und Erde im lebendigen Menschen einander begegnen, wo alles in überreichem Maße da ist, was das Leben gut und schön macht. Der Garten Eden – wir nennen ihn, mit einem Namen, der in der Erzählung nicht vorkommt, das Paradies – dieser paradiesische Garten ist eigentlich die ganze Welt. Die Erde ist eigentlich ein Garten, in dem Gott uns das Leben einhaucht.
„Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte“. Dazu sind wir da, dazu leben wir auf der Erde, um diesen schönen Garten zu bebauen und zu bewahren. Was doch wohl heißt: nach dem Willen des Eigentümers dafür zu sorgen, dass auch künftige Generationen, Kinder und Enkelkinder, auf der Erde leben können.
Wir jenseits von Eden sollen wissen, wer wir sind, welchen Ort Gott uns zugedacht hat. Wir sollen wissen, dass er unser Vater ist, der uns das Leben schenkt. Unserem ichbezogenen Sorgen, das unser Leben immer wieder beeinträchtigt, macht er ein Ende. Er weiß ja doch, was wir zum Leben brauchen.
Wir jenseits von Eden suchen unseren Ort. Und jeder bemüht sich auf seine Weise herauszufinden, was das heißt, ein Mensch zu sein auf Erden. Wie gut, dass wir einen Herrn und Meister haben, der es uns vormacht! „Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis ...“ Dazu ist er auf die Erde gekommen, damit du, lieber Mensch, die Schönheit und Fülle des Lebens hier entdeckst und die Erde an dem Ort, wo du lebst, bebaust und bewahrst.

„Ein Mensch zu sein auf Erden
in dieser Welt und Zeit
heißt ganz auf Gnade leben,
weitab von Ewigkeit,
heißt auf die Stimme hoffen,
die einst vom Himmel fuhr,
und so wie Jesus werden,
tasten in seiner Spur“.

(Der vollständige Text diese Liedes vom Willem Barnard ist abgedruckt in: Stimme, die Stein zerbricht. Geistliche Lieder aus benachbarten Sprachen, ausgewählt und übertragen von Jürgen Henkys, Strube Edition 6202, München 2003, 10)

Verfasser: Pfarrer Dr. Michael Heymel, Schulzengasse 9, 64291 Darmstadt-Arheilgen

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