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Gesandt von oben

von Heinz-Günther Beutler-Lotz (55276 Dienheim)

Predigtdatum : 25.12.2009
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Christfest 1. Feiertag
Textstelle : Titus 3,4-7
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Wochenspruch:

„Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit.“ (Joh 1, 14 a)

Psalm: 96 (EG 738)

Lesungen

Altes Testament:
Micha 5, 1 – 4 a
Epistel:
Titus 3, 4 – 7
Evangelium:
Lukas 2, (1 – 14) 15 – 20

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 36
Fröhlich soll mein Herze springen
Wochenlied:
EG 39
Kommt und lasst uns Christum ehren
Predigtlied:
EG 420
Brich mit den Hungrigen dein Brot
Schlusslied:
EG 41
Jauchzet, ihr Himmel

Der Predigttext neu übersetzt

Als aber Gott, unser Erlöser,
so freundlich voll Menschenliebe zu uns kam,
da hat er nicht darauf gesehen,
ob wir viel Anständiges getan hätten,
sondern sein Erbarmen war der einzige Maßstab.
So hat er uns durch die Taufe gerettet, durch das Bad,
in dem wir noch einmal und ganz neu geboren werden,
und uns ganz neu seinen Heiligen Geist verliehen.
Den Heiligen Geist können wir empfangen,
weil Gott ihn durch die Vermittlung Jesu Christi,
unseres Retters und Befreiers,
sehr reichlich über uns ausgegossen hat.
Dank diesem durch Jesus vermittelten Geschenk
kann Gott uns als Gerechte behandeln,
dadurch sind wir zugleich Anwärter
auf ein Leben ohne Ende geworden.
Dies kann als fester Grundsatz gelten.

Klaus Berger, Christiane Nord, Das Neue Testament
und frühchristliche Schriften, Frankfurt 1999

Der Predigttext in einer Übertragung

Denn auch wir alle lebten einmal gedankenlos vor uns hin.
Auch wir wollten den Willen Gottes nicht erkennen.
Auch wir liefen planlos durch unser Leben,
gejagt von unserer Triebhaftigkeit
und von der Gier nach allem, was Vergnügungen versprach.
Bosheit und Neid beherrschten uns,
man hasste uns, und wir hassten einander.
Aber da ging uns Gottes lichte, warme Herzlichkeit
wie eine Sonne auf.
Wir fanden neues Leben,
nicht weil wir uns so sehr darum bemüht hätten,
sondern weil er sich unserer annahm.
Wir fanden das wirkliche Leben,
als wären wir neu geboren worden.
Mit heiligem Geist hat Gott und gewaschen,
gereinigt und erneuert.
Jesus Christus war es, der Gottes Geist in reicher Fülle
über uns ausgoss und uns das wahre Leben schenkte.
Seine Freundlichkeit machte Menschen aus uns,
die mit Gott eins sind.
Sie hilft uns, so zu leben, dass wir Gott gefallen.
Sie wird es sein, die uns
an seinem ewigen Reich Anteil gibt,
an dem seligen Leben in Gott.
Bewahrt ist das Wort, zuverlässig und wahr.

Jörg Zink, Das Neue Testament übertragen, Stuttgart 1965

Zum Predigttext

Titus 3 kommt in unserer Perikopenordnung vor und also auch in der entsprechenden homiletischen Literatur. Gepredigt habe ich in all meinen Amtsjahren noch nie über diesen Text, weil er mir zu sperrig vorkam und viele Predigtentwürfe zu schrecklich. Der Text ist offensichtlich eine Qual.

Auch die wissenschaftlichen Exegeten machen um die Pastoralbriefe einen Bogen. Kommentare sind selten, hat schon 1986 Gottfried Holtz beanstandet (Gottfried Holtz, Die Pastoralbriefe, Theologischer Handkommentar zum NT Band 13, Berlin 1986). Auch die 36-bändige Theologische Realenzyklopädie (Berlin 1993-2006), als eines der fundierten theologischen Standartlexika, würdigt Titus nicht eines eigenen Stichwortes. Der ganze Brief ist ein Stiefkind.

Der Brief an Titus ist kein Paulusbrief, sondern gehört zu den pseudopaulinischen mit dem 1. und 2. Timotheusbrief zu Pastoralbriefen. Sein Schreiber ist vermutlich ein Heidenchrist der dritten Generation, der paulinische Lehrtradition für die Bewältigung des Gemeindealltages neu zu deuten sucht, obwohl er zentrale paulinische Begriffe wie Gerechtigkeit Gottes oder Leib Christi nicht aufgreift. (vgl. Jürgen Roloff, Pastoralbriefe, in: TRE Band XXVI, Berlin 1996, 50-68)

Die christliche Gemeinde hat sich von der Synagoge getrennt, erscheint in zwei verschiedenen Gruppen: den Juden- und den Heidenchristen und etabliert sich jeweils in ihrem sozialen und gesellschaftlichen Umfeld.

Die Pastoralbriefe betreiben „gesunde Lehre“ für heidenchristliche Gemeinden. Der Brief an Titus auf Kreta lehnt das Judenchristentum als „Irrlehre“ ab (1, 10 - 16; 3, 9 - 11) und betreibt Gemeindeaufbau. Äußerlich errichtet er nach dem Modell des antiken Haushaltes ein männliches Ältestenamt (1, 5 - 9), innerlich regelt er die Zurüstung für das Herrenmahl (2,1 - 8). Die Gemeinde versteht er als neues Bundesvolk (2, 11 - 15) und klärt ihr Verhältnis zu Staat und Volk (3, 1 - 2). Um Schaden von der Gemeinde abzuwenden, sollen sich die Gemeindemitglieder – auch die freien Frauen und Sklaven/innen – gehorsam der römischen Staatsmacht unterordnen und am Leben in der Stadt teilnehmen. Und er schließt mit der Betrachtung des Segens der Taufe für den Gast am Tisch des Herrn (3, 3 - 11).

Die wenigen liedhaften Verse von Titus 3, 4 - 7 (nebst Vers 3 und Vers 8 a) versuche ich im Griechischen zu lesen, dann im Lateinischen und dann in verschiedenen Übersetzungen. Das ist nicht leicht, weil es sich um einen sehr langen und verschachtelten Satz handelt. Aus den Substantiven wieder Verben zu machen, die Hauptwörter in Eigenschaften zerfließen zu lassen und so die zentralen Aussagen zum Leben zu erwecken, ist eine Kunst. Für mich ist das Klaus Berger und Christiane Nord gelungen (Klaus Berger, Christiane Nord, Das Neue Testament und frühchristliche Schriften, Frankfurt 1999) aber auch die freie Nachgestaltung von Jörg Zink hat ihren Reiz (Jörg Zink, Das Neue Testament, Stuttgart).

Zur Predigt

Martin Luther nannte den Brief an Titus „eine stroherne Epistel“, aber auch mit Stroh lässt sich Feuer machen. Drei Beispiele:

Gottfried Voigt kommt in seiner Betrachtung zu einer zweiteiligen Predigtgestaltung: Gott hat in seiner Liebe zu uns Menschen den neuen Anfang gemacht (1) in Jesu Geburt und (2) in unserer Wiedergeburt (Gottfried Voigt, Das heilige Volk, Homiletische Auslegung der Predigttexte der Reihe II, Berlin 1979, 45 - 52).

Thomas Hartmann schlägt vor zur Predigt ein Geschenkpaket mitzu-nehmen, aus dem dann (1) eine Krippe, (2) ein Kreuz und (3) ein Taufschein (als Begnadigungsbrief) hervorgeholt werden (Hans-Martin Lübking (Hg.), Gottesdienst für Jugendliche, Perikopenreihe 2, Düsseldorf 1997, 23 - 25).

Sylvia Winterberg buchstabiert den Text wie eine Lehrpredigt mit einem Sammelpaket aus vielen kleinen Päckchen mit Kerzen und dazwischen dem Kanon „Mache dich auf“ als Raumteiler. Ihre 7 Päckchen tragen die Überschriften: die Freundlichkeit und Menschliebe Gottes, unsere Rettung; Gerechte Werke, die wir vollbracht haben; Rettung durch göttliche Barmherzigkeit, Bad der Wiedergeburt und Erneuerung, Heilige Geisteskraft; Jesus Christus, unsere Rettung; Hoffnung auf das ewige Leben (GottesdienstPraxis, II. Perikopenreihe Band 1, Gütersloh 2003,48-57).

Ich gestalte im Folgenden zwei in ihrer Form unterschiedliche Predigten, weil wir Prediger/innen und unsere Gemeinden verschiedenen sind:

A. anstelle einer Predigt ist mir ein (natürlich erfundenes) Gespräch zwischen einem Sohn und seinem Vater in den Sinn gekommen, das Fragen um den Text und das Weihnachtsfest nachgeht. Es lässt sich leicht mit einem Kirchenvorsteher/einer Kirchenvorsteherin zusammen vortragen. Zu Beginn und am Ende wird jeweils der Predigttext verlesen.

B. eine klassische Predigt als Rede mit der Kernfrage: (1) Warum feiern wir Weihnachten? Weil Gott Mensch wurde. Aus Liebe. (2) Die Taufe bringt uns ins Fahrwasser dieser Liebe und jedes Weihnachten erinnert uns daran, dass wir zum Leben berufen sind und zur Liebe.


Predigt 1: Gespräch zwischen Tochter/Sohn und Vater

Gesprächszene 1

Warum feiern wir Weihnachten?
Weil alle Weihnachten feiern.
Ösra feiert aber kein Weihnachten.
Stimmt, Muslime und andere Religionen
feiern kein Weihnachten, sondern eben nur wir Christen.
Aha, und warum sind wir Christen.
Weil wir getauft wurden.
Wurde ich auch getauft?
Ja, kurz nach deiner Geburt.
Wie geht das?
Mit Wasser in der Kirche.
Aha, und warum wurde ich getauft.
Weil man das so macht.
Und warum macht man das so?
Weil man das früher auch schon so gemacht macht.
Frag deine Mutter.
Die zieht sich um für die Kirche.
Warum gehst du eigentlich an Weihnachten
nicht mit uns in die Kirche?
Du stellst aber auch Fragen.
Weil das nichts für mich ist.
Aber ich soll da hingehen?
Ja, das gehört sich so.
Wieso gilt das dann nicht auch für dich und nur für mich und Mama?
Weil ich hier noch etwas vorbereiten muss.
Mama hat doch den Backofen schon angemacht.
Jetzt mach dich aber ab.

Gesprächsszene 2

Warum feiern wir denn nun Weihnachten?
Weil da Jesus geboren wurde.
Wegen mir stellt ihr aber keinen Baum auf?
Das ist auch etwas anderes?
Wieso?
Du kriegst Kuchen und Geschenke
und kannst deine Freunde einladen.
Stimmt. Und der Jesus mag Bäume und Lichterketten?
Das weiß ich nicht. Wenn ich es mir recht überlege, …
keine Ahnung. Außerdem ist er schon tot.
Dann kann er doch gar nicht mehr feiern!
Nein, wir feiern und erinnern uns an ihn!
Wie Opa an den Sieg von Bern?
Mhm, so ähnlich.
Und bitte warum? Was ist an ihm so wichtig?
Na, weil er ein guter Mann war,
vielen Menschen geholfen hat.
Blinde hat er sehend gemacht
und Lahme wieder auf die Beine gebracht.
Klingt gut, aber wenn wir für jeden guten Mann oder eine gute Frau ein Fest feiern wollten, dann hätte ich keine Schule mehr.
Das fehlte gerade noch.
Hast du denn in Religion nicht von Jesus Christus gehört?
Doch, schon, wie er im Stall geboren wurde,
etwas Aktion aus seinem Leben,
und wie er dann am Kreuz gestorben ist.
Na siehst du!
Und das seine Freunde ihn dann wieder gesehen haben.
Glaubst du das?
Ich weiß nicht.
Ich auch nicht. Klingt doch ziemlich verrückt.
Aber es hat Geschichte gemacht.
Wie meist du das?
Seit 2000 gibt es die Christen. Und wir gehören dazu.
Warum?
Weil wir getauft wurden und manchmal in die Kirche gehen.
Das ist nicht viel.
Nein, aber ein Anfang. Weißt du …
Ich bin es einfach nicht gewohnt
über so religiöse Fragen zu reden.
Was ist also für dich an dem Jesus dran?
Gute Frage.
Ich glaube, der wollte, dass wir mit Herz und Kopf leben.
Ohne Beine und Arme?
Quatsch, mit Liebe und Verstand,
ohne Angst und hilfreich für die anderen.
Und deshalb feiern wir Weihnachten?
Ja, das ist das Geschenk, das er uns macht.
Klingt aber eher wie Hausaufgaben in der Schule.
Ist ja auch so etwas ähnliches,
eine Lebensaufgabe, jeden Tag.

Gesprächszene 3

Meine Reli-Lehrerin hat gesagt,
Gott hat sich an Weihnachten in die Krippe gelegt.
Blöd! Es lag doch Jesus drin.
Ja, aber Jesus ist … ist wie Gott, ist Gottes Sohn.
Aha, er hat also was von seinem Alten,
so wie ich deine Sturheit geerbt habe, wie Mama immer sagt?
So ähnlich. Sagt sie das wirklich?
Ja, manchmal.
Ich bin doch nicht stur!
Nein, nie. Und ich auch nicht!
Immer diese Weisheit der Weiber!
Könnte was dran sein!
Ja, leider. So wie an Jesus was dran war.
Der erzählte von Gott wie von einem liebenden Vater
und er war selbst liebevoll zu den Menschen.
Das machte ihn also aus?
Ja, ich glaube schon, es war die Liebe,
die ihn zu etwas besonderen macht.
Gut, aber doch nicht zu Gott.
Doch, irgendwie schon.
Er war ja nicht sein Pressesprecher, sondern mehr.
Wie mehr?
Mehr wie Gott selbst. Nicht nur sein Ableger.
Wie soll ich das erklären?
Jesu war in Personalunion Gott.
Aha, wie deine Firma, die selbständig ist und doch zu diesem amerikanischen Laden gehört.
So irgendwie. Oder so eine Art Generalvertreter.
Oder Generalkonsul?
Ja, genau, du hast es erfasst.

Gesprächszene 4

Und was hat das jetzt alles mit uns zu tun?
Nun wir sind Christen und gehören zu diesem Jesus.
Durch die Taufe, die mal halt so macht,
wie ich manchmal Blödsinn in der Schule mache,
aus Gewohnheit.
Ach, es ist nicht nur Gewohnheit,
sondern hat seinen tiefen Sinn.
Und der wäre?
Dass Gott einen annimmt, so wie man ist,
wie wir das als Eltern ja bei dir auch machen.
Pah, wenn ich Käse mache, gibt es immer Zoff.
Dann dreht ihr voll auf und ab.
Na klar, schließlich wollen wir dich erziehen.
Du sollst doch kein Mistkerl werden,
sondern ein Mensch.
Das bin ich aber schön längst.
Stimmt, seit deiner Geburt, aber entwicklungsfähig.
Und seit deiner Taufe bist du auch Gottes geliebtes Kind.
Cool, da habe ich also jetzt zwei Daddys.
Krieg ich da auch doppeltes Weihnachtsgeld?
Mach dich bloß fort. Da bemühe ich mich
und du denkst nur ans …
Geld! Na und! Und ans Essen und Trinken!
Die Gans braucht aber noch Stunden!
Es geht doch um etwas ganz anderes?
Um was?
Die Taufe hat was Bewegendes.
Davon habe ich bei meiner nichts gemerkt.
Im übertragenen Sinn, meine ich.
Du gerätst in ein neues Fahrwasser oder ein neues Flussbett.


Und wo geht die Reise hin?
Eben genau, das ist die Frage.
Dein Leben kann ganz unterschiedlich aussehen.
Ich will Millionär werden.
Meinetwegen. Aber selbst wenn du eine arme Sau wirst,
was Gott verhüten möge, ist das Ziel klar.
Ja, ein Grabstein.
Nein, eben nicht. Kein Stein. Kein Vergessen.
Sondern neues Leben bei Gott.
Aha, wer sagt das?
Na, die Bibel, die ersten Christen.
Die müssen es ja wissen.
Es ist mehr eine Frage des Glaubens.
Wenn wir zu Jesus gehören durch die Taufe,
dann geschieht mit uns das, was mit ihm geschehen ist.
Verstehe, wir sind Mini-Jesusse wie Mamas-Bonsai.
Ja, und er so eine Art Prototyp.
Während er schon völlig ausgereift ist,
basteln wir noch an unserer Geschichte.
Und feiern Weihnachten?
Ja.
Und gehen in die Kirche?
Ja.
Du also auch?
Warum nicht. Ich gehöre doch auch dazu.
Eben. Und reden miteinander?
Ja, machen uns Gedanken zusammen
Über Gott und die Welt. Und kümmern uns.
Auch um die anderen!
Ja, aus Interesse.
Nee!
Weshalb dann?
Aus Liebe!
Das ist natürlich noch besser!
Das ist Weihnachten live.

Gesprächszene 4

Warum feiern wir nun Weihnachten?
Weil Gott Mensch wurde.
Und warum wurde Gott Mensch.
Aus Liebe.
Und woran sehe ich das?
An Jesus.
An dem Kind in der Krippe?
Ja, und an seinem ganzen Leben.
An alle den Geschichten, die es über ihn gibt?
Ja, im Neuen Testament.
Und den Worten von ihm.
Redet der nur von der Liebe?
Nein, von einem Leben in Liebe,
wo alles beim Namen genannt wird
und doch niemand der Kopf abgeschlagen wird.
Sondern?
Sondern Kranke nicht allein bleiben,
Außenseiter nicht abgeschoben werden
und Böse nicht Böse bleiben müssen.
Klingt paradiesisch!
Nein, einfach menschlich.
Gott wurde Mensch, damit wir Menschen werden.
Also das Beste aus uns machen?
So könnte man es auch sagen.

Predigt 2 – Eine Ansprache zum Text

Gestern war der Heilige Abend, heiß ersehnt oder mit einem unangenehmen Gefühl im Bauch erwartet. Und ich weiß nicht, wie Sie diesen Nachmittag und Abend verbracht haben und mit wem. Vielleicht wurden Ihre Erwartungen erfüllt, vielleicht auch nicht und ein schaler Geschmack blieb zurück.

Weihnachten ist immer schön und schwierig und trifft und jedes Jahr neu. Das Fest der Ruhe macht uns unter Umständen unruhig und das Fest des Frieden kann ziemlich friedlos sein.
Es wurzelt in jedem ersten Weihnachten in Bethlehem, aber es erinnert und auch an viele andere Weihnachten, an unsere Wünsche und Träume und an unsere Enttäuschungen und unseren Schmerz. Und es trifft uns mitten in dem Leben, das wird gerade führen. Manchmal scheint Weihnachten zu gelingen und manchmal nicht.

Ist Weihnachten zu feiern, eine Kunst?

Es scheint so. Zumindest geben wir uns viel Mühe. Bereiten uns vor. Schmücken unsere Häuser und Wohnungen. Zünden Kerzen an und machen Geschenke. Besuchen die Kirche und singen Lieder. Kochen toll und laden einander ein. Wir versuchen den Bilder, die uns die Werbung vormacht, und jene, die wir in uns tragen, zu entsprechen.
Aber manchmal ist das alles etwas künstlich, oder wie gekünzelt, und macht uns nicht echt glücklich.

Was ist an Weihnachten wichtig?

Mir fallen drei Dinge ein:

1. Dass wir eine Türe in unserem Leben offen halten: Uns also nicht verschließen vor dem Leben, weder vor dem Schönen noch vor dem Schweren, weder vor dem Vergangenen noch vor dem Zukünftigen, sondern Gott, uns selbst und den anderen eine Chance geben. Unser Leben kann gelingen und heil werden.

2. Dass wir den anderen begegnen, uns in der Begegnung üben. Es gibt so viele Möglichkeiten, wie ich mir selbst, den anderen und Gott gegenübertreten kann, ängstlich und mutig, erfreut und neugierig, ablehnend und interessiert, behutsam oder mit Gewalt: Wir brauchen einander. Jedes Ich ein Du. Und wir können Du sagen, zu den anderen und auch zu Gott. Wir sind zum Gespräch und für das Miteinander geboren.

3. Dass wir warten. Also nicht alles überstürzen, von jetzt auf gleich angehen oder wollen, sondern uns Zeit lassen und den anderen auch Zeit schenken, zum Wachsen und Werden, zum Entwickeln und Reifen. Die Freude auf etwas kann doch so gut sein wie das Ereignis selbst. Etwas zu ersehen und zu planen und dann kommen zu sehen, kann doch ein spannendes Ereignis sein und einen vorweg schon erfüllen.

Warum feiern wir Weihnachten?

Ein Unbekannter schreibt dem Titus nach Kreta seine Gedanken
und diese sind in unser Neues Testament gewandert:

(Titus 3, 4 - 8 in der Übersetzung von: Klaus Berger, Christiane Nord, Das Neue Testament und frühchristliche Schriften, Frankfurt 1999)

Schwere Kost anstelle schöner Bilder.
Bei der Weihnachtsgeschichte des Lukas da haben wir alle wie in einem Film Bilder vor Augen. Die auftretenden Personen wecken unsere Vorstellungskräfte und wir können uns vielleicht sogar mit ihnen identifizieren, in der Geschichte unseren Platz finden.

Die Worte des Briefes an Titus klingen dagegen etwas verstaubt,
nach der Rede eines Theologen, der sich an die Verhältnisse angepasst und seine Dogmatik gut gelernt hat, aber dem irgendwie das Leben abhanden gekommen ist. Sie lösen keine Gefühle, keine Betroffenheit aus, sondern eher nur befremden. Und doch ist hier die Rede über die Grundlage von Weihnachten.

Warum feiern wir Weihnachten?

Weil Gott Mensch wurde. Aus Liebe.
Damit auch wir zu Menschen werden. Voller Liebe.
Oder wie Hildegard von Bingen (um 1100-1179) vor fast 1000 Jahren sagte:
„Gottes Sohn wird Mensch, damit der Mensch Heimat habe in Gott.“

Verloren fühle ich mich, wenn ich nicht weiß, wohin ich gehöre.
Einsam fühle ich mich, wenn mich niemand in seine Arme schließt.
Tot fühle ich mich, wenn ich nicht mehr empfinde.
Diese Teufelskreise durchbricht Gott.
Er wird Mensch, damit ich weiß, wo ich hingehöre, damit ich mich selbst und die Welt verstehen und lieben kann, damit meinem Weg finde und glücklich werde.

Das Kind in der Krippe wird als erwachsener Mann zu einem Wegweiser. Jesus ist wie ein Wegweiser oder wie in modernes Navigationsgerät. Mit ihm kann ich meinen Standpunkt ordnen und den richtigen Weg einschlagen. Selbst wenn ich Umwege nehme, erreiche ich mit ihm mein Ziel. Das Bild hat allerdings auch einen Haken.
Die Maschine arbeitet aus Berechnung, Jesus aus Liebe.

Im Laufe unseres Lebens können wir durch unsere Leistung und mit Hilfe anderer so manchen Beruf ergreifen. Ob wir nun Busfahrer
oder Bürgermeister sind, Beamter oder Hilfsarbeiter, ob wir nun reich werden oder arm sind, ist dabei gar nicht das Entscheidende,
sondern ob wir auch Mensch sind. Wenn wir nicht zur Menschlichkeit fähig sind, zur Liebe, dann haben wir keinen Beruf und verfehlen unser Aufgabe und das Ziel unseres Lebens. Allein die Liebe zählt, zu der wir berufen und befähig sind. Sie ist so kraftvoll, dass sie auf Konventionen pfeift, Gewohnheiten hinter sich lässt, Vorurteile aufsprängt, Wahrheit ans Licht bringt, aber aufbaut statt zu zerstören, auch Nein sagt, Grenzen steckt, und sich nicht im Uferlosen verliert, sondern gutes Leben für alle im Blick hat.

Wer etwas über die Liebe Jesu, oder die Liebe Gottes wissen will,
braucht nur das Hohe Lied der Liebe des Apostel Paulus zu lesen im Korintherbrief oder die Geschichten der Evangelien, wie Jesus mit den Menschen umgegangen ist, wie er ihnen begegnete und neues Leben ermöglichte.

„Die Liebe ist ein Bild Gottes
und nicht ein totes Bild noch auf Papier gemalet,
sondern ein lebendiges Wesen in göttlicher Natur,
die da brennet voll alles Guten.
hat Martin Luther einmal gesagt (WA 36, 426, 27-29) und die Liebe als einen „Backofen Gottes“ bezeichnet, da wird das Brot des Lebens gebacken und alles, was wir zum Leben brauchen, ist das daraus gestrickt: aus der Liebe, von der Liebe, durch die Liebe, mit Liebe, nur aus Liebe, von Gottes Liebe auf den Weg gebracht.

Unsere Taufe bringt uns ins Fahrwasser dieser Liebe und jedes Weihnachten erinnert uns daran, dass wir zum Leben berufen sind und zur Liebe, dass wir Neu anfangen können und eine Chance haben, dass wir trotz aller Blessuren heil werden und selber für andere heilsam sein können.

Nun predigten wir die Liebe von unseren Kanzeln, aber wir lieben oft unsere vertrauten Gewohnheiten mehr als das, was wirklich Not wendend wäre. Auch wenn wir oft selbstsüchtig erscheinen, lieben wir uns doch nicht wirklich, und deshalb auch die anderen nicht.

Wir werfen etwas in den Opferstock, aber wir werfen keinen Blick auf die, die Hilfe nötig haben. Wir wollen nicht zu viel sehen und hören von jenen, die in den Entwicklungsländern leiden, oder bei uns in Europa, oder um die Ecke.

„Während wir flüchten,
vor Schmerz – mit Tabletten,
vor Leid – mit Zerstreuung,
vor Schweiß – mit Sprays,
vor Falten – mit Creme,
vor dem Tod – mit Krankenhäusern,
bis es heißt:
da merkt keiner Ihnen mehr etwas an;
während wir also dem Menschenleben flüchten,
wurde Gott Mensch.
Er wurde ein Mensch mit menschlichen Gebärden,
dem man es anmerkt, dass er ein Mensch war.
Tränen kannte er und Angst.
Den Geruch von Schweiß und Blut und Dreck
hielt er sich nicht vom Leibe.
Dieser Mensch, ohne Creme und Spray und Wohlgerüche,
geht ganz in die Tiefe und hat den höchsten Namen.
Er heißt: der Gesalbte Christus.
Der voll Blut und Schweiß und Dreck
ist der mit den Wohlgerüchen Gottes Gesalbte: Christus“
(Dorothee Eggert, Vater unser. Ein biblisches Brevier. Berlin 1995)

Uns modernen Flüchtlingen öffnet er die Augen und schenkt uns sein Herz, damit wir unser Herz entdecken und unsere Sinne auch sinnvoll einsetzen. Nicht unsere Taufe macht uns zu Christen, nicht der Gottesdienstbesuch an Weihnachten, sondern wenn wir seinem Beispiel folgen, seinem Wort vertrauen schenken und uns in der Liebe üben.

„Unser Glaube muss in der Liebe fest verwurzelt sein,
sonst bleibt unser Christsein bloße Äußerlichkeit.
Die von Gott aus gehende Liebe ist sein Fundament.
Sie ist tragende und treibende Kraft der Nächstenliebe.
Jesus selbst hat uns mit seinem Leben gezeigt,
was Liebe ist. Wir müssen ihm auf der Spur bleiben.
Wir müssen in seine Fußstapfen treten,
auch wenn wir wissen, das sie uns hoffnungslos zu groß sind.“
(Margit Fleckenstein, Mit der Bibel durch das Jahr 2008, Stuttgart 2007, 39)

Hören wir den Text an den Titus auf Kreta zum Schluss noch einmal
aber in einer Übertragung von Jörg Zink als Brief an uns:

(Jörg Zink, Das Neue Testament übertragen, Stuttgart 1965)

Fürbitte mit dem Ruf: O lass dein Licht auf Erden siegen!

Gott, du kommst uns ganz nah,
du bist unser Leben und machst uns heil.
Dir vertrauen wir uns an
und bitten für die Menschen,
denen Unheil widerfährt.

Für jene, die in Kriegen und Verfolgung leben:
Gib ihnen Menschen, die ihren Schmerz lindern.


Für jene, die belastet sind von schweren Sorgen:
Gib ihnen Menschen, die zuhören und raten.

Für jene, die in Streit und Unfrieden leben:
Gib ihren Menschen, die Frieden bringen.

Für jene, die sich einsam und verlassen fühlen:
Gib ihnen Menschen, die ihr Leben heller machen.

Für jene, die mit dem Tod ringen:
Gib ihnen Menschen, die dein Licht ausstrahlen.

Für uns, die wir uns nach Liebe sehnen:
Gib uns Menschen und lass uns Menschen sein.

Gott, du kommst uns ganz nah,
du bist uns Leben und machst uns heil.
Nimm uns an deine Hand
und führe uns durch unser Leben,
damit wir heil werden
und selbst heilsam sein können.

Verfasser: Pfr. Heinz-Günther Beutler-Lotz, Tulpenstraße 19, 55276 Dienheim

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