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Gott heilt Leib und Seele

von Martin Henninger (Frankenthal)

Predigtdatum : 07.10.2018
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 19. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Jakobus 5,13-16
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Wochenspruch: „Heile du mich, Herr, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen.“  (Jeremia 17, 14)

Psalm: 32, 1 - 5.10 - 11 (EG 718)

Lesungen

Reihe I: Markus 2, 1 - 12
Reihe II: Epheser 4, 22 - 32
Reihe III: Markus 1, 32 - 39
Reihe IV: Jakobus 5, 13 - 16
Reihe V: Johannes 5, 1 - 16
Reihe VI: 2. Mose 34, 4 - 10

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 452 Er weckt mich alle Morgen
Wochenlied: EG 320 Nun laßt uns Gott dem Herren Dank sagen
Predigtlied: EG 369 Wer nur den lieben Gott läßt walten
Schlusslied: EG 610 Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer

Predigttext Jakobus 5, 13 – 16

Das Gebet für die Kranken

13 Leidet jemand unter euch, der bete; ist jemand guten Mutes, der singe Psalmen.

14 Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn.

15 Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden getan hat, wird ihm vergeben werden.

16 Bekennt also einander eure Sünden und betet füreinander, dass ihr gesund werdet. Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.

Was machen Sie, wenn Sie krank sind? Sie rufen den Arzt oder gehen gleich ins Krankenhaus. Jakobus schlägt eine andere Lösung vor. Er tut das nicht nur, weil vor 2000 Jahren Ärzte dünn gesät waren und Krankenhäuser nicht existierten. Er tut es auch, weil er es für eine wichtige Aufgabe der Gemeinde hält, sich um Leib und Seele eines Menschen zu kümmern.

Lesung des Predigttextes

Kennen Sie noch den Kinderreim, mit dem Eltern ihre Kinder getröstet haben, wenn der Ellenbogen aufgeschürft war oder das Knie blutete?

Heile, heile Segen,
Drei Tage Regen,
Drei Tage Schnee,
dann tut's dem Martin nimmer weh!

Die Mutter nimmt das weinende Kind auf den Schoß, sieht sich die blutende Wunde an, streichelt die Backe und trocknet dabei die Tränen ab, pustet noch einmal über die Schramme. Das Schluchzen lässt nach, das Kind beruhigt sich und die Mutter summt weiter „Heile, heile Segen ...“ Noch einmal pusten, vielleicht ein Pflaster auf die Wunde. Das Kind steht auf, spielt weiter und vergisst den Schmerz. Solche Wunden kann die Zeit noch heilen.

Doch im Laufe des Lebens bleibt es nicht bei blutenden Knien und aufgeschürften Ellenbogen. Und dann ist es auch nicht mehr mit einem Kinderreimsegen getan.

Da wird den jungen Eltern mitgeteilt, dass ihr Kind vorzeitig durch einen Kaiserschnitt geholt werden muss, weil die Blut-werte nicht in Ordnung sind. Was fehlt ihm? Wird es gesund sein? Die Angst um das Kind ist groß.

Immer weniger kann die Mutter den Alltag bewältigen. Zu oft vergisst sie wichtige Dinge. Immer häufiger wiederholt sie, was sie gerade gesagt hat. Zum Glück hat die Tochter etwas von Validation gehört. Sie hat gelernt, dass bei einer Demenz das Richtigstellen und Korrigieren nicht hilft, weil die Sätze, die die Mutter sagt, im Weltbild der Kranken durchaus einen Zusammenhang ergeben, aber sie als Tochter versteht diesen Zusammenhang nicht. Und es tut weh, zu sehen und zuzulassen, wie sich die Mutter immer mehr in ihre eigene Welt zurückzieht.

Dazu kommt schließlich die Angst vor dem eigenen Alt-werden. Wie wird das sein, wenn man selbst einmal ernsthaft krank wird? Wer entscheidet, was medizinisch getan werden muss oder was besser gelassen werden sollte. Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht sind hinterlegt, aber trotzdem bleiben Fragen und Ängste.

Fromme Lieder singen, viel beten, Kranke besuchen und Sün-den bekennen – ist das die christliche Antwort zu den Pro-blemen von Krankheit und Gesundheit, von Altwerden und Tod? Helfen die Ratschläge des Jakobus, wenn man jeden Tag ein Dutzend Tabletten einnehmen muss oder die Schmerzen chronisch geworden sind? Wenn man sich Sorgen macht um das ungeborene Kind und die älter werdende Mutter? Eine „stroherne Epistel“ hat Martin Luther den Jakobusbrief genannt und wir würden vielleicht hinzufügen: Na, der hat gut reden! Soll er doch erst mal in unsere Situation kommen!

Ich glaube, wir tun Jakobus Unrecht, wenn wir das, was er hier schreibt, im Sinne des „Heile, heile Segen“ verstehen würden. Jakobus schreibt hier keine grundlegende theologische Abhandlung über Heilung. Anders als Paulus geht es ihm nicht um theologische Grundsatzfragen, sondern um praktische Lösungen für den Alltag. Jakobus will erklären, wie Christen in Leid und Krankheit erfahren können, dass Gott tröstet und Mut macht.

Drei Parteien sind an dem Prozess des Heilwerdens beteiligt: Der Kranke selbst, die Ältesten als Vertreter der Gemeinde, und Gott. Jeder der drei hat eine spezifische Aufgabe, und doch sind all drei im Prozess des Heil-Werdens aufeinander bezogen.

1.

Da ist einmal der Kranke selbst. Er soll beten, rät Jakobus. Wir denken sofort: Natürlich soll er beten, dass er wieder gesund wird. Was denn sonst? Gott soll ein Wunder tun, dafür ist er doch da. Genau das sagt Jakobus aber hier nicht. Er steht viel zu fest mit beiden Füßen auf der Erde als dass er sagen würde: Betet, und alles wird gut. Als erfahrener Seelsorger weiß er, dass das einfach nicht stimmt. 

„Das Gebet ist das Gespräch des Herzens mit Gott“, sagt unser Pfälzer Katechismus. Natürlich hat Jakobus unseren Pfälzer Katechismus noch nicht gekannt, aber ich glaube, er würde dieser Definition zustimmen. Ein Gespräch, würde er sagen, das ist gut. Denn um ein Gespräch zu führen, brauchst du einen Gesprächspartner. D.h. du weißt: Ob es dir gut geht oder nicht, du bist nicht allein. Du hast einen Gott, mit dem du reden kannst. Und wenn du mal eine Pause machst und Gott zu Wort kommen lässt, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass du auch hören kannst, was er dir antwortet.

Das wird noch einmal unterstrichen durch einen anderen Satz, der auf den ersten Blick deplatziert wirkt: „Ist jemand guten Mutes, der singe Psalmen.“ Krank sein und guten Mu-tes sein sind zwei Dinge, die nicht zusammenpassen. Oder doch? Jakobus geht davon aus, dass sich im Gespräch mit Gott der Horizont weitet. Dass im Gespräch die Last der Krankheit mit all ihren Schmerzen und Ängsten benannt werden darf, dass dann aber auch die guten und schönen Seiten des Lebens wieder in den Blick kommen. So wie auch im Psalm vom guten Hirten beides nahe beieinander liegt: „Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser; er erquicket meine Seele ...“ und dann geht es ja weiter: „und ob ich schon wanderte im finsteren Tal ...“ Im Gebet ist beides eng miteinander verknüpft: Bitte und Dank, Sorge und Vertrauen; und beides wird mit Gott be-sprochen. Allein schon, dass da jemand ist, mit dem ich alles besprochen kann, tut gut.

2.

In einem zweiten Schritt werden die Ältesten gerufen. Ein Ältester oder eine Älteste haben nicht nur für die Kirchen-finanzen oder die Unterhaltung der Gebäude zu sorgen, sie sind in erster Linie Seelsorger. Wir haben diese Aufgabe in der Pfalz leider ein wenig aus den Augen verloren.

Jakobus weiß noch davon, wie wichtig es ist, dass ein Kranker mit seinen Sorgen und mit seinem Gebet nicht allein gelassen wird. Dass er nicht allein bleibt, dafür ist die Gemeinde zuständig. Und weil sich nicht die ganze Gemeinde am Krankenbett versammeln kann, wird das an die Ältesten delegiert.

Der Besuch der Ältesten umfasst zwei Aufgaben. Die erste Aufgabe: Sie sollen mit dem Kranken beten. Wer selbst betet, weiß, dass beten mühsam werden kann. Manchmal findet man aus seinen Sorgen und aus seiner Angst nicht mehr heraus. Manchmal fällt es schwer, Gott als Gegenüber zu spüren. Manchmal fehlen die Worte. Darum besteht die Aufgabe der Ältesten darin, das Gebet des Kranken aufnehmen, damit dieser spürt: Ich bin nicht allein in meinem Ringen mit Gott. Andere beten mit mir und für mich. Wenn so ein Gebet wirklich ein Gespräch ist, dann werden die Ältesten nicht nur die Bitte aufnehmen, sondern auch zu hören versuchen, was Gott in dieser Situation dem Kranken sagen möchte.

Die zweite Aufgabe der Ältesten: Sie sollen den Kranken mit Öl salben. „Du salbst mein Haupt mit Öl,“ heißt es schon im Psalm 23.

„Wie finden wir zurück in diesen Raum der Kraft Gottes, in das Leben aus und in seinem Segen, wenn wir uns tatsächlich bedroht und beschädigt fühlen?“, fragt Katharina Schridde in ihrem Buch „Du bist gesegnet“. Manchmal reichen Worte nicht. Der bloße Zuspruch dringt nicht durch. Daher greift Jakobus auf den uralten Ritus des Salbens zurück. Wie der Psalm vom guten Hirten zeigt, gab es dies lange vor Christus. In christlicher Tradition wird dem Kranken mit Öl ein Kreuz auf die Stirn und in die beiden Hände gezeichnet. Durch diesem kleinen Ritus und den Segen, der dazu gesprochen wird, darf der Kranke hören und spüren, dass er nicht allein ist, sondern eingehüllt ist in Gottes Barmherzigkeit und Liebe. Nebenbei: Salbung und Segen sind natürlich nicht allein für Kranke reserviert!

3.

Nach dem Kranken und den Ältesten kommt als dritter Be-teiligter Gott in den Blick. „Der Herr wird ihn aufrichten,“ sagt Jakobus. Was für eine schöne und zutreffende Beschreibung dessen, was Gott tut: Aufrichten. Die Krankheit ist eine Last, die getragen werden will und muss. Wie groß die Last ist, sieht man Menschen oft an. Die Art, wie Kranke gehen, wenn sie überhaupt noch aufstehen können, zeigt ihre Kraftlosig-keit. Angehörige sprechen häufig davon, wie niedergeschla-gen und bedrückt der Kranke sei. Und die Krankheit färbt auf die Pflegenden ab, die oft auch mit gebeugten Schultern ums Bett stehen.

Wenn Gottes Barmherzigkeit und Liebe aber mit im Raum sind, geschieht etwas: Friede breitet sich aus. Man muss nicht mehr kämpfen gegen das, was sich nicht ändern lässt. Man muss die Last der Krankheit und Angst nicht mehr alleine tragen, Gott trägt sie mit. Das entlastet in einem ganz wört-lichen Sinne. Und wenn man entlastet wird, wenn die Last von einem genommen wird, kann man sich wieder aufrichten in dem Vertrauen, dass die Zukunft in Gottes Hand liegt.

Das klingt so leicht, so billig, ist es aber nicht. Erwachsene haben nicht mehr das Zutrauen des Kindes: Heile, heile Se-gen ... und alles wird wieder gut. An dieser Stelle wird noch etwas wichtig, was zunächst befremdlich klang: Jakobus re-det von der Sünde, die vergeben wird und Heilung bringt. Leicht könnte man das missverstehen, als würde Jakobus hier sagen: Es ist seine Schuld, dass er so krank wird und leidet. Doch nichts liegt Jakobus ferner als solch eine Schuldzu-weisung. Aber Jakobus weiß, wie schnell uns Leid und Krank-heit von Gott entfernen, weil wir fragen: Warum lässt Gott das zu? Warum tut er nichts? Womit habe ich das verdient? Solche Fragen schaffen einen Graben zwischen Gott und uns. Diesen Graben, der Menschen von Gott trennt, bezeichnet Jakobus als Sünde. Es ist verständlich, dass Menschen im Leid diese Fragen stellen, aber mit diesen Fragen entsteht eine Distanz zu Gott, die es schwer macht, Gottes heilsame Liebe und Barmherzigkeit zu spüren. Wo man einander sagen kann, was die Krankheit mit einem macht, da kommt etwas in Ordnung und wird geheilt. Da entsteht neues Vertrauen zu Gott und ein neues Bewusstsein seiner Gegenwart und seines Segens.

„Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.“ So übersetzt Martin Luther den Schluss unseres Predigttextes. Das klingt nach einer Bedingung. Welchen Kriterien muss ein „ernstliches“ Gebet genügen? Kann ich das? Da scheint sie wieder durch, die Gesetzlichkeit des Jakobus, die Luther nicht mochte. In der Genfer neuen Übersetzung liest es sich an-ders: „Das Gebet eines Menschen, der sich nach Gottes Willen richtet ...“

Und was ist Gottes Wille? Durch die ganze Bibel hindurch will Gott dem Menschen gut: Gott hat den Menschen nach seinem eigenen Bild geschaffen. Er hat dem Menschen Orientierung gegeben durch seine Gebote. Er hat ihn in der Taufe zu seinem Kind angenommen. Er hat Jesus in die Welt geschickt, damit er uns vorausgeht durch Leid und Tod zu einem ewigen Leben. Kurz: Gott meint es durch und durch gut mit uns. Wer in diesem Vertrauen betet, wird Gottes heilende Hand spü-ren.

Es ist ein langer und nicht ganz einfacher Prozess, den Jakobus hier beschreibt. Ein Prozess, an dem die Kranken, ihre Angehörigen, die Ältesten der Gemeinde und Gott selbst beteiligt sind. Ein Prozess der vom Hadern mit Gott zu einem neuen Vertrauen zu Gott führt.

So kann Heilung gelingen. Vielleicht nicht immer eine Heilung des Körpers, aber eine Heilung des Menschen.

Amen

Verfasser: Pfarrer Martin Henninger, Philipp-Rauch-Straße 9, 67227 Frankenthal


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