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Gott kommt in diese Welt

von Christoph Hackbeil (Stendal)

Predigtdatum : 25.12.2011
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Christfest 1. Feiertag
Textstelle : 1. Johannesbrief 3,1-6
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Spruch:

Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. (Johannes 1, 14)

Psalm: Psalm 69

Lesungen

Altes Testament: Micha 5, 1 - 4a

Epistel: Titus 3, 4 - 7

Evangelium: Lukas 2 (1 - 14). 15 - 20

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 41 Jauchzet ihr Himmel

Wochenlied: EG 23 Gelobet seist du, Jesu Christ

Predigtlied: EG 36 Fröhlich soll mein Herze springen

Schlusslied: EG 44 O du fröhliche

Liebe Gemeinde,

Heiligabend. Es geht auf Acht zu. Aus den Fenstern leuchten die Weihnachtsbäume. Die Bescherung drin hat schon lange begonnen. Auf der Straße vor seinem Elternhaus geht C. auf und ab. Er hat sich ganz in seinen Anorak verkrochen. Das nasskalte Wetter ist sehr unangenehm. Seit zwei Stunden ist er schon hier. Tritt von einem Bein aufs andere. Schaut hinüber, wo die anderen beieinander sind. Seine Eltern, die Großmutter und die beiden Brüder. Das ganze Jahr über hat er sich hier nicht sehen lassen. Doch Weihnachten hat es ihn nach Hause gezogen. Als er von der Straßenbahnhaltestelle die lange dunkle Straße hinabgeht, gesellt sich zu ihm das Gefühl der Scham. Es wird immer stärker. Als er fast zu Hause ist, sagt die Scham ganz deutlich: Geh nicht hinein. Sie wissen genau, was bei Dir schief gelaufen ist, dieses Jahr. Du musst ihnen in die Augen sehen. Ihre Blicke werden sagen: was Du uns angetan hast!

Ja, was hat er eigentlich getan? Im Studium ist er in eine dumme Geschichte hineingeraten. Er hatte über das Internet neue Leute kennengelernt. Sie hatten ihn für ein Multi-Media-Projekt begeistert, für das er einen Kredit aufnehmen und verschiedene Verträge mit ihnen abschließen sollte. Das Projekt erwies sich als Luftnummer und er musste als einziger zahlen. Weil er als Student das nicht leisten konnte, schickten sie ihm einen Inkassodienst auf den Hals und drohten mit der Veröffentlichung seines Namens im Internet. Völlig überschuldet schrieb er Bettelbriefe nach Hause. Zur Antwort überhäuften sie ihn mit Vorwürfen. Vater reagierte sehr aufgebracht: „Der muss seine Suppe selbst auslöffeln!“ Seit der Zeit herrschte Funkstille. Schließlich fand C. den Weg zu einer Schuldnerberatung, aber den nach Hause nicht mehr.

Es ist Heiligabend - schon nach Acht. Über ihrem Weihnachten liegt in diesem Jahr ein Schatten. C. ist diesmal nicht dabei. Das Zerwürfnis belastet sie alle. Oft haben sie mit Sorgen daran gedacht, wie es ihm wohl geht. Aber er hat ja den Kontakt abgebrochen. „Was wäre denn, wenn C. Heiligabend hier auf-taucht?“ fragte einer der Brüder zu Beginn der Adventszeit. Darauf sagte Mutter ganz leise: „Ich

denke, dass er kommt. Ich hab das so im Gefühl.“ Am Ende des Gespräches hatten sie eine Idee. „Wir geben ihm ein Zeichen, dass er es schaffen wird.“ Und so bereiteten sie Weihnachten vor. Es sollte so schön sein wie immer. Nur lagen diesmal auf dem Gabentisch bloß ganz kleine Päckchen. In der Mitte jedoch lag ein Umschlag. Jeder hatte bei den Geschenken gespart und etwas für C. beigesteuert. „Wo er nur bleibt?“ fragt nun jeder.

Liebe Gemeinde,

die Scham hält C. davon ab, zu Hause zu klingeln, wo sie ihn doch erwarten. Seine Schulden erzeugen in ihm die Hemmung zurückzukehren. Er hält sich nicht mehr wert, dazu zu gehören. Doch genau das ist seine Sehnsucht.

Die Worte aus dem 1. Johannesbrief, die wir gehört haben, beschreiben, wie wunderbar es ist, wieder dazu zu gehören. Das ist die reinste Weihnachtsfreude, als Gottes Kinder wieder ganz zu ihm zu gehören. Das, was uns von ihm trennt, hat er aus seiner Liebe überwunden. In der Geburt Jesu sehen wir den Neubeginn unserer Geschichte mit Gott vor uns. Wir haben uns verheddert in Schuld. Aber Gott nimmt den zerrissenen Faden wieder auf und verknüpft seine Geschichte mit unserer. Der Schein dringt aus dem Stall mit der Krippe. Wir dürfen ohne Scham zu ihm kommen. Wir stehen neben den Hirten und etwas von der Unbefangenheit und Einfachheit von Kindern überkommt uns. Wir sind froh, zu Gott zu gehören.

In ihm ist keine Sünde – schreibt der Autor des Johannesbriefes. Das, was uns von Gott trennt, vergeht vor seiner Liebe. In Gott ist die Freiheit von Schuld. Er zeigt in Christus, dass der Abgrund zwischen uns und Gott schon überwunden ist. In ihm ist keine Sünde – dieser Satz spricht aber auch in unser Zusammenleben hinein. Er sagt, dass von Gott kein System der gegenseitigen Abhängigkeit ausgeht. Ja seine Liebe wirkt dem entgegen. In vielen Gruppen, auch in der Familie entwickelt sich oft ein feines Netz von Abhängigkeiten, dem manchmal auch Weihnachtsgeschenke dienen. Doch unser Miteinan-

der soll davon befreit werden, dass Menschen sich in der Schuld anderer fühlen – materiell oder auch moralisch.

Gott will, dass wir uns in der Freiheit seiner Liebe begegnen. Er will nicht, dass Einzelne, Gruppen oder auch Völker gebeugt werden von Scham. Für manche Menschen ist das Wort von der Sünde anstößig und unzeitgemäß. Aber viele fühlen sich verletzt, wenn sie von anderen beschämt, bloßgestellt werden. Viele kennen die Unsicherheit denen gegenüber, die viel erfolgreicher sind und selbstsicher auftreten. Scham, der Verlust des eigenen Selbstwertgefühls, breitet sich dann aus. Diese Scham zu überwinden, ist vielleicht ein Verstehens-schlüssel für das Wort von der Sündenvergebung. Du bist nicht mehr ausgeschlossen. Du bist unendlich geliebt. Du wirst von Gott nicht beschämt, sondern mit Würde bekleidet.

Darum sollen alle Menschen guten Willens ein frohes, friedliches Weihnachtsfest feiern z.B. auch in Griechenland. Denn wenn zu Weihnachten das Ende der Beschämung gepredigt wird, ist 2011 der Gedanke an die Schuldenkrise nicht weit. Viele Länder, allen voran Griechenland, haben sich immer tiefer in Schulden verstrickt. Aber auch die Verschuldung unseres Staates, der Länder und Kommunen sind bedrohlich. Und hinter diesen Schulden stehen weltweite Abhängigkeiten. Volkswirtschaften sind von Banken, diese von Börsen, und diese von bloßen Ge-rüchten abhängig. Da verbietet sich eine moralische Beschämung ganzer Völker. Denn jede Form von Demütigung erschwert eine Lösung. Ein Weg aus den Schulden in Würde ist ein Thema für die Politik wie auch für viele Familien.

Heiligabend. Es ist spät geworden. Die Glocken haben zur Mitternachtsandacht geläutet. Auf der letzten Bank der Kirche in seiner Heimatstadt sitzt C. Er weiß, dass seine Familie immer zu dieser stillen Andacht geht. Nach all dem Trubel des Heiligabends ist das Miteinander hier ganz intensiv. Es passiert nicht viel – es gibt Lesungen, Orgelmusik und Lieder. C. mag die Stille. Schon eine halbe Stunde sitzt er und denkt dem vergan-genen Jahr nach. Da durchfährt es ihn – im Mittelgang der Kirche geht seine Familie nach vorn. Sie setzen sich in die vierte Reihe. Soll er zu ihnen gehen? Als die Orgel zu

spielen beginnt, ist die Scham verschwunden. C. setzt sich still neben seinen jüngsten Bruder und drückt ihm die Hand. Jetzt ist Weihnachten geworden.


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