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Gott kommt in diese Welt

von Johann Schneider (Halle (Saale))

Predigtdatum : 25.12.2013
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Christfest 1. Feiertag
Textstelle : Galater 4,4-7
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Wochenspruch:
Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. (Johannes 1, 14 a)

Psalm: Psalm 96

Lesungen
Altes Testament: Micha 5, 1 - 4 a

Epistel: Titus 3, 4 - 7

Evangelium: Lukas 2, (1 - 14) 15 - 20

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 36 Fröhlich soll mein Herze sprin-gen
Wochenlied: EG 23, 1 - 7 Gelobet seist du, Jesu Christ
Predigtlied: EG 43 oder
EG 34 Ihr Kinderlein, kommet
Freut euch, ihr Christen alle
Schlusslied: EG 44 oder
EG 54 O du fröhliche
Hört der Engel helle Lieder

Hinführung

Der Predigttext Galater 4, 4 - 7 ist elegant aus dem Gala-terbrief isoliert worden. Das Stichwort „Gott sandte seinen Sohn, geboren von einer Frau“ schlägt allein die Brücke zu Weihnachten.

Paulus hingegen wollte hier nicht über Weihnachten nach-denken oder tiefer auf die Geburt Jesu eingehen. Im nähe-ren Briefzusammenhang kommt es ihm auf die Gotteskind-schaft der Galater und überhaupt aller Christen an. Sein Grundgedanke lautet: Gott nimmt diejenigen als seine Kin-der an, die an Jesus Christus glauben, den Gott gesandt hat zur Erlösung der Menschen. Er stellt sich damit gegen eine Auffassung, die die Gotteskindschaft an das Befolgen religi-öser Vorschriften band. Die Galater waren kurzzeitig davon beeinflusst.

Die Predigt stellt den Gedanken der Gotteskindschaft in den Mittelpunkt. Sie beleuchtet ihn anhand des paulinischen Motivs der Adoption (Vers 5). Zum besseren, emotionalen Verständnis enthält die Predigt die Geschichte eines Adop-tivkindes. Sie ist bewusst nur lose in die Argumentation der Predigt eingebaut. So bleibt sie im Hintergrund und hilft einige Aspekte der Gotteskindschaft zu illustrieren.

Die Predigt will besonders das Empfinden von Zugehörig-keit, Anerkennung, innerer Sicherheit sowie Freiheit hervor-heben, das mit der Gotteskindschaft – dem Christsein – verbunden ist.

Weihnachten wird als Fest unserer unbeschwerten Kindheit als Gotteskinder gefüllt. In einem gewissen Kontrast dazu nimmt die Predigt zu Beginn die Fülle an Vorstellungen und Erwartungen auf, mit denen die Weihnachtstage voll sind.

Predigt
Die Verlesung des Predigttextes geschieht während der Predigt.

Liebe Gemeinde,

nun ist sie da, die hoch gelobte Weihnachtszeit. Viele haben sie ersehnt, andere erwarten, dass sie bald wieder endet. Ihnen wird es recht sein, dass Weihnachten schneller geht, als es sich im Advent ankündigt. Denn das Entscheidende konzentriert sich bei ihnen auf den Heiligen Abend und die beiden Feiertage. Weihnachten ist dicht gedrängt auf drei Tage, die erfüllt sind von zahlreichen Erwartungen.

Es soll schön und besinnlich sein im Kreis der Familie. Ruhig soll es zugehen, um zu entspannen. Die Traditionen sollen zelebriert werden und eine Fülle selbst bereiteter Leckereien soll das Fest versüßen. Die Realität entspricht diesen Wün-schen nicht immer. Manche Familien kommen oder bleiben nicht zusammen: Großeltern wohnen zu weit weg; junge Paare wechseln zwischen ihren Schwiegerfamilien hin und her. Oft verändert Nachwuchs die Gewohnheiten. Plötzlich besuchen die Großeltern die Kinder. Eine neue Weihnachts-routine muss eingeübt werden. Andere Menschen sind da-gegen einsam. Sie haben niemanden mehr oder sind nicht mehr erwünscht. Das dichte - oder leere - Festtagspro-gramm strapaziert die Nerven bisweilen mehr, als dass es Harmonie beschert. In diese Fülle von Sentimentalitäten, Bräuchen und Erwartungen spricht ein Wort aus dem Gala-terbrief hinein. Es wirft einen anderen Blick auf Weihnach-ten:

Verlesung des Predigttextes

Das ist Weihnachten, gedrängt in drei Sätze, die erfüllt sind von verschachtelten Glaubensaussagen. Kompliziert verpackt wie manches Geschenk. Paulus erzählt nicht von Hirten, En-geln und dem Jesuskind. Er bringt das Fest auf den Punkt: Gott sandte seinen Sohn, geboren wie jeder Mensch mitten ins Leben. Aber weil Jesus als Christus Gottes Sohn ist, leitet Paulus aus dieser Zuwendung Gottes Ziele ab: Die Adoption der Menschen als rechtmäßige Kinder Gottes, ihre enge innere Verbundenheit zu Gott als Vater, ihre Befreiung aus anderen Bindungen, und schließlich ihre Erbschaftsbe-rechtigung. Jesu Geburt zielt auf die vollwertige Zugehörig-keit der Menschen zu Gottes Familie – auf die Gotteskind-schaft. Das wird etwas anschaulicher in der folgenden Ge-schichte:

Sie hatten das Weihnachtsessen verspeist und gingen nun spazieren. Seit einigen Monaten waren sie erst ein Paar. Sie liefen auf einem leicht beschneiten Weg mit gefrorenen Pfützen. Renés Arm lag auf Emmas Schulter, er zog ihn aber plötzlich herunter und rang nach Fassung. Er spürte es in sich aufsteigen und immer wieder absacken. Es brodelte in ihm und es war an der Zeit, es ihr zu sagen, dass wusste er und er wollte es. Dann, ein neuer Anlauf: „Als ich noch kein Jahr alt war, wurde ich adoptiert“. Nun war es heraus: Die Wahrheit über seine erste Lebenszeit, seine Unsicherheit, die ihn auch heute manchmal befiel. Emma blieb stehen und drückte ihn an sich. Ihr Körper versicherte ihm Mitgefühl und Annahme. „Ich hatte großes Glück und habe tolle Eltern be-kommen“, sagte er. „Sie lieben mich und lassen mich das spüren. Trotzdem ist es merkwürdig, adoptiert zu sein. Manchmal will ich das leibliche Kind meiner Eltern sein, um mich richtig zugehörig zu fühlen. Ich weiß, dass das Unsinn ist, denn sie sehen mich als ihren vollwertigen Sohn an. Doch mein Gefühl weiß das nicht immer. – Als Jugendlicher hatte ich Angst verlassen zu werden und ich wollte alles tun, um das zu verhindern. Ich habe meine Bedürfnisse zurück-gestellt und mich um die Anerkennung meiner Eltern bemüht. So fühlte ich mich besser, weil es schien, als könnte ich meine Panik vertreiben und Liebe gewinnen. Doch ich war nicht ich selbst und presste mich in nicht verlangte Verhal-tensmuster. Ich bin froh, dass meine Eltern gut damit umgehen konnten. Sie haben mich ernst genommen und mir immer wieder klar gemacht, dass ich für ihre Zuneigung nichts tun brauche. Das hat mir langsam Sicherheit gegeben, aber mein Angstgefühl, nirgends dazu zugehören, nicht akzeptiert zu werden und ein niemand zu sein, kehrt bis heute manchmal wieder.“

Paulus beschreibt Christsein wie ein Adoptionsverhältnis. Juristisch ist eine Adoption die Annahme eines fremden Kin-des anstatt eines eigenen. Emotional aber ist sie die An-nahme eines anderen Kindes wie ein eigenes. Es soll genau-so lieb gehabt und unterstützt werden. In der Praxis gelingt das nicht immer. Adoptionen sind risikoreich. Paulus setzt hingegen den Idealfall voraus. Wie die Eltern von René, ist Gott als liebevoller Vater zu denken, der seine volle Zunei-gung schenkt. Ein bestimmtes Verhalten oder Entgegen-kommen verlangt er nicht. Vielmehr kommt er uns entge-gen. Vollständig ist er Menschenkind geworden: Geboren ins volle Leben. Gott selbst hat das Menschsein angenommen und damit gezeigt, dass er alle Menschen annimmt wie eigne Kinder.

Für die Galater war dieser Gedanke nicht selbstverständlich. Sie wurden beeinflusst von Christen, die die Gebote Israels zur Voraussetzung der Gotteskindschaft machten. Die Gala-ter sollten sich beschneiden lassen und bestimmte Riten einhalten. Erst dann wären sie Gottes Kinder. Diese Position entspricht dem Drang von René, für die Anerkennung und Liebe seiner Adoptiveltern etwas tun zu müssen. Hier domi-niert die Angst, verstoßen oder benachteiligt zu werden, wenn das Verhalten nicht stimmt. Diese Auffassung ist fatal. Sie macht unfrei und lässt den Menschen nicht so sein, wie er ist. Sie bindet ihn – sklavisch - an Verhaltensregeln. Deswegen schreibt Paulus seinen Brief. Die Galater sollen ihr Christsein richtig verstehen lernen. Der befreiende Glaube steht im Mittelpunkt und nicht bestimmte Vorschriften. Christus gilt es im Blick zu haben, nicht gesetzliche Bestim-mungen und Vorschriften. Jesus Christus wurde gesandt, damit alle von Gott adoptiert würden und ihn von Herzen „Vater“ nennen, damit alle zu Gottes Familie gehören kön-nen.
Uns erscheint es selbstverständlich, dass wir Gottes Kinder sind ohne Zutun. Besonders Martin Luther hat das betont. Er sprach von Gottes Annahme allein aus Gnade. Dieser Gedanke ist so normal geworden, dass er oft wie eine Platti-tüde klingt: „Gott liebt dich so wie du bist.“ Das ist richtig, aber die Sprengkraft, die darin enthalten ist, kommt - auf einen so kurzen Nenner gebracht - kaum zum Ausdruck. Das liegt auch daran, weil heute niemand fragt, ob etwas oder was getan werden muss, um von Gott angenommen zu wer-den.

Vielmehr wird gefragt: Was habe ich davon, mich taufen zu lassen und zu Gott zu gehören? Auf so eine Ich-bezogene Frage einzugehen ist schwer. Es kommt auf unser Glau-benszeugnis an, auf unseren kindlichen Ruf von Herzen: „Abba, lieber Vater!“ An der persönlichen, gelebten Verbun-denheit mit Gott kann auch für andere die Kraft erlebbar werden, die zum Christsein gehört. Kind Gottes zu sein, heißt: In einem letzten Grund Sicherheit und Halt spüren; nicht nach Ansehen zu jagen, um Anerkennung zu finden; mich nicht zu verbiegen, sondern ich selbst zu sein; meine Ängste im Gebet abzugeben. So leben zu können, zeigt: Christ sein lohnt sich. Der christliche Glaube führt immer wieder zu kindlicher Leichtigkeit und Unverkrampftheit. Er versichert Geborgenheit und schenkt eine Familie von Ge-schwistern im Glauben. Wie wichtig es ist, eine Zugehörigkeit zu haben, ein Fundament der Anerkennung, das zeigen Adoptivgeschichten wie die von René. Das Bedürfnis nach Annahme und Sicherheit gehört zum Menschsein dazu. Der christliche Glaube kommt unserem Bedürfnis danach entge-gen. Gott kommt in einem Kind zu uns Menschen, dieser Inhalt des Weihnachtsfestes führt uns dieses kindliche Grundbedürfnis im Lichterglanz vor Augen. Weihnachten erinnert uns daran, dass wir Kinder Gottes sind und kindlich sein dürfen – mit Leichtigkeit und innerer Freiheit leben dür-fen. Weihnachten ist das Fest unserer unbeschwerten Kind-heit als Kinder Gottes.
Für wen ist Weihnachten am schönsten? – Für die Kinder. Also lasst uns kindlich sein, ihr Kinder Gottes. Christus sei Dank! Frohe Weihnachten!

Verfasser: Regionalbischof Dr. Johann Schneider
Kleine Märkerstraße 1, 06108 Halle (Saale)

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