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Gott kommt in diese Welt

von Elke Dangelmaier-Vincon (Ludwigsburg)

Predigtdatum : 25.12.2014
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Christfest 1. Feiertag
Textstelle : Lukas 2,(1-14).15-20
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Wochenspruch:
"Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit." (Johannes 1, 14 a)

Psalm: 96 (EG 738)

Lesungen
Altes Testament: Micha 5, 1 - 4 a

Epistel: Titus 3, 4 - 7

Evangelium: Lukas 2, (1 - 14) 15 - 20

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 36, 1 - 6 Fröhlich soll mein Herze springen
Wochenlied: EG 23, 1 - 7 Gelobet seist du, Jesu Christ
Predigtlied: EG 371, 1. 2.4.9 Gib dich zufrieden und sei stille
Schlusslied: EG 54, 1 – 3 Hört der Engel helle Lieder

Hinführung
Wie über einen Text predigen, den kirchlich Verbundene häufig auswendig kennen und den auch wenig Kirchenge-übte im Ohr haben? DIE Weihnachtsgeschichte überhaupt. Ich entscheide mich dafür, dem Text entlangzugehen, ge-nau hinzusehen und immer wieder den Bogen ins Heute zu schlagen. Weil sich die Krippendarstellungen und die Ver-mischung mit der Erzählung von Matthäus so in den Köpfen festgesetzt hat, beziehe ich diese Bilder und Passagen lieber ein, anstatt gegen sie „anzupredigen“. Wichtiger ist mir, deutlich zu machen, dass DIE Weihnachtsgeschichte keine heile Welt beschreibt. Wir kennen die Sehnsüchte, die sich gerade mit diesem Fest verbinden: Besinnlichkeit, Fest der Liebe, Friede (weltweit und hoffentlich unter dem hei-mischen Christbaum) usw. usw. ... Wir wissen aber auch, wie oft gerade diese Überfrachtung das Fest verdirbt, und wie sehr alle die leiden, die nicht dem idyllischen Ideal ent-sprechen, weil sie die Brüche ihres Lebens in diesen Tagen besonders spüren.

Predigt

Liebe Gemeinde,
es gibt Orte in unserem Leben, die uns seit Kindertagen vertraut sind. Nicht immer halten wir uns dort auf. Und doch kehren wir gerne dorthin zurück. Solche Orte sind be-stimmte Ausflugsziele oder Urlaubsorte oder der Wohnort der Eltern oder Großeltern. Wenn wir wieder einmal dort hinkommen, gehen wir herum, stellen fest, was an Neuem dazu gekommen ist und freuen uns an alten Bekannten.

Je nachdem, in welcher Verfassung wir dabei sind, verän-dert sich unsere Wahrnehmung. Als Kind erscheinen einem Räume größer und weiter. Was in der Erinnerung riesig und fast unendlich war, wirkt für Erwachsenenaugen plötzlich recht überschaubar.

An anderem gehen wir lange achtlos vorüber, nehmen es kaum wahr. Doch dann wird es plötzlich wichtig und wert-voll, weil wir anders gestimmt sind, weil wir die Welt mit anderen Augen sehen.

Im übertragenen Sinn ist unser Predigttext so ein altbe-kannter, vertrauter Ort. Er weckt Erinnerungen und Gefühle und bekommt bei jedem Hören eine andere Färbung durch die Stimmung in der wir gerade sind.

Ich lade Sie ein, einen kleinen Spaziergang durch die Weihnachtsgeschichte des Lukas zu unternehmen. Vielleicht ist es eine erneute Begegnung mit einer guten alten Be-kannten, vielleicht ergibt sich der eine oder andere neue Blickwinkel:


Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zurzeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt

Es beginnt ganz oben. Wie könnte es anders sein: Am An-fang steht die Bürokratie. Auch schon vor 2000 Jahren. Und – daran hat sich seither auch nichts geändert, es geht um Steuern. Die Steuerlisten müssen aktualisiert werden, schließlich gilt es, die Armee einer Weltmacht zu finan-zieren. Leere Staatskassen sind keine moderne Erfindung. Und wie das so ist, wenn irgendwo ganz weit oben Ver-fügungen erlassen werden - es kann keine Rücksicht auf Einzelschicksale genommen werden.

Lukas nimmt uns da mit hinein. Mit einem Schritt wechselt er von den Verwaltungsbüros zu den Menschen, die betrof-fen sind. Vom Kaiser in Rom, der sich in Inschriften als ‚Ret-ter der Welt’ feiern ließ, zu den kleinen Leuten im hintersten Winkel seines Herrschaftsgebiets.

Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger.

Was in Rom ein Verwaltungsakt ist, zwingt im fernen Pa-lästina Menschen zu Strapazen, obwohl sie doch ganz an-dere Sorgen hätten. Das Paar, das sich auf den Weg ma-chen muss, ist noch nicht verheiratet, erst verlobt. Dennoch ist die Frau hochschwanger. Lukas hält diese Tatsache nur fest.

Der Evangelist Matthäus malt die Konflikte deutlicher aus. Er erzählt, wie Josef auf die Nachricht reagiert, dass seine Verlobte schwanger sei. Josef denkt an Flucht. Laut Mat-thäus braucht es einen Engel, um ihn zum Bleiben zu be-wegen.

Auch das ist 2000 Jahre später nicht unbedingt anders. Als ich mal einen Schüler fragte, was er machen würde, wenn seine Freundin ihm eröffnete, sie sei schwanger, da genügte ihm ein Wort: „Abhauen!“ Bei näherem Zusehen ist die Hei-lige Familie also gar nicht so heilig, sondern eher ziemlich normal. Gott braucht keine Heiligen, um etwas zu bewegen. Für Gott sind ganz normale Menschen gut genug.

Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.

Am Ziel in Bethlehem angekommen, warten neue Schwie-rigkeiten. Auch sie deutet Lukas nur an. Die Geburt ge-schieht in einer Notunterkunft, denn so Lukas lapidar: „sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.“

Krippen der verschiedensten Art haben diesen Satz ausge-malt. Die Version für unter den Christbaum im Wohnzim-mer ist meist ziemlich behaglich, mit possierlichen Figuren und einem stattlichen Stall. Wenn wir uns aber bewusst ma-chen, dass es sich um eine Notunterkunft handelte, werden andere Bilder in uns wach. Bilder aus den Medien von Not-unterkünften und Elendsquartieren unserer Tage. Oder Bil-der aus der eigenen Vergangenheit, Erinnerungen an Flucht und Vertreibung.

Unter uns leben Menschen, die hier Schutz gesucht haben vor Krieg, Hunger oder Verfolgung. Für manche ist das Dach über dem Kopf, das sie zugewiesen bekommen haben, kaum komfortabler als der Stall in Bethlehem.

Als das Kind geboren ist, weitet Lukas den Blick.
Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde.

Zum einen sind da die Hirten. Sie gelten als notwendiges, aber lästiges Übel. Keiner traut ihnen so recht über den Weg. Angesehen sind sie nicht. Rau und ungehobelt hausen sie mit ihren Tieren außerhalb der Ortschaften. Alles Mögliche wird ihnen unterstellt. Ehrlichkeit gehört nicht da-zu. Kein ländliches Idyll. Ausgerechnet über ihnen geht der Himmel auf.

Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem En-gel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Er-den bei den Menschen seines Wohlgefallens.

Die Machthaber im fernen Rom meinen, sie stünden ganz oben. Der Kaiser lässt sich als Gott verehren. Aber dort draußen, am Rande der zivilisierten Welt, erfahren die Hir-ten, wer wirklich ganz oben ist. In ihre Dunkelheit strahlt plötzlich der Glanz des Himmels.

Verständlich, dass sie sich fürchten. Mit Wölfen und Dieben werden sie fertig. Gegen die können sie sich wehren. Aber wie sollten ausgerechnet sie darauf gefasst sein, dass Gott sie zu seinen Zeugen und Boten macht? Für wen passt das schon zusammen? Proleten wie sie und dann die Klarheit des Herrn.

Für die Hirten wird nichts anders durch diese Nacht. Ihr An-sehen steigt nicht deshalb. Ihre Arbeitsbedingungen bleiben so hart wie eh und je. Die Nächte werden nicht wärmer und nicht heller. Räuber und wilde Tiere deswegen nicht sanfter.

Und doch wird alles anders mit dieser Nacht.

Die Hirten erfahren, dass sie für Gott wichtig sind. Ihnen, ausgerechnet ihnen, vertraut Gott die Botschaft vom Frie-den auf Erden an. Von ganz unten soll die Gute Nachricht in die Welt sickern - durch sie. Gott gibt ihnen mehr Würde, als ihre Mitmenschen ihnen je zugestanden haben.

Deshalb ist nichts mehr wie es war. Seit Bethlehem können gerade die mit Gottes Engel rechnen, die im Dunkel sind. Die im Abseits, die auf der Schattenseite des Lebens. Ganz besonders ihnen gilt der Gruß des Engels: „Fürchtet Euch nicht!“ Weihnachten wird es nicht nur für die, denen es gut geht. Nicht nur für die, die zufrieden sind und sicher leben.

Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Beth-lehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. Und sie kamen eilend und fan-den beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.

Weihnachten wird es zuerst für die weit draußen, für die im Dunkel. Sie sind zum Stall eingeladen. Zu dem Kind in der Krippe. Zu dem Gott, der sich so klein, so schutzlos macht.
Dieses Kind verwandelt ihre Dunkelheit. Es verwandelt sie selbst. Sie gehen zurück in ihren Alltag. Der hat sich nicht verändert. Aber ihre Augen haben Gottes Heil gesehen. Sie haben guten Grund in den Lobgesang der Engel einzustim-men:

Ehre sei Gott in der Höhe
und Friede auf Erden
bei den Menschen seines Wohlgefallens.
Amen


Gebet zum Eingang
Gott,
jetzt ist wieder Weihnachten.
Die Lichter am Christbaum brennen.
Dir bringen wir alles,
was noch nicht fertig geworden ist,
und alles, was uns fertig macht.
Wir bitten dich,
stecke uns an mit deinem Licht.
Lass es hell werden in uns und in den Menschen,
die mit uns die Geburt Jesu feiern.
Stecke uns an mit deinem Lied,
damit wir einstimmen
in den Gesang der Engel
und das Brummen der Hirten.
Schenke uns die Kraft und den Mut,
deinen Spuren zu folgen,
nicht nur zur Weihnachtszeit.
Amen
Fürbittengebet
Gott,
du Licht der Welt.
Lass dein Licht in uns scheinen, wenn wir weitergehen.
Wir bitten dich heute für die Menschen,
die enttäuscht sind und müde,
weil ihre Sehnsucht nach Weihnachten nicht erfüllt wird,
weil Hektik oder Streit keinen Raum mehr lassen.
Berühre du sie, wenn sie es am wenigsten erwarten.
Wir bitten dich für alle,
die Weihnachten in diesem Jahr besonders schmerzt,
weil sie jemanden verloren haben, der ihnen wichtig war.
Lass dein Licht auch und gerade in ihre Dunkelheit strahlen,
lass sie erfahren, dass du ihnen nahe bist.
Wir bitten dich für die, die nichts zu feiern haben,
weil sie ums Überleben kämpfen.
Du übersiehst keine und keinen von ihnen.
Hilf uns, dass auch wir niemanden übersehen,
dass wir tun, was uns an unserem Platz möglich ist.
Schenke den Verantwortlichen Einsicht
und leite sie auf den Weg des Friedens.
Steh uns bei, dass wir die Güter dieser Erde gerecht teilen.
Amen E.D.



Verfasserin: Pfarrerin Elke Dangelmaier-Vinçon
Schorndorfer Straße 76, 71638 Ludwigsburg



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