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Gott kommt zur Welt

von Christoph Eichert (Halle)

Predigtdatum : 24.12.2019
Lesereihe : II
Predigttag im Kirchenjahr : Heiligabend (Christvesper)
Textstelle : Hesekiel 37,24-28
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Wochenspruch: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. (Lukas 2,10b.11)

Psalm: 96,1-3.7-13 (EG 738)

Predigtreihen

Reihe I: Jesaja 9,1-6
Reihe II: Hesekiel 37,24-28
Reihe III: Jesaja 11,1-10
Reihe IV: Micha 5,1-4a
Reihe V: Lukas 2,1-20
Reihe VI: Galater 4,4-7

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 11, 1-4 Wie soll ich dich empfangen
Wochenlied: EG 46, 1-3 Herbei, o ihr Gläub‘gen
Predigtlied: EG 27, 1-6 Lobt Gott, ihr Christen alle gleich
Schlusslied: EG 44, 1-3 O du fröhliche

Predigttext Hesekiel 37, 24 – 28

Die Wiedervereinigung Israels und Judas

24 Und mein Knecht David soll ihr König sein und der einzige Hirte für sie alle. Und sie sollen wandeln in meinen Rechten und meine Gebote halten und danach tun.
25 Und sie sollen wieder in dem Lande wohnen, das ich meinem Knecht Jakob gegeben habe, in dem eure Väter gewohnt haben. Sie und ihre Kinder und Kindeskinder sollen darin wohnen für immer, und mein Knecht David soll für immer ihr Fürst sein.

26 Und ich will mit ihnen einen Bund des Friedens schließen, der soll ein ewiger Bund mit ihnen sein. Und ich will sie erhalten und mehren, und mein Heiligtum soll unter ihnen sein für immer.
27 Meine Wohnung soll unter ihnen sein, und ich will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein,
28 damit auch die Völker erfahren, dass ich der HERR bin, der Israel heilig macht, wenn mein Heiligtum für immer unter ihnen sein wird.

 

Liebe Gemeinde,

 „Mitbewohner gesucht“, das ist manchmal am schwarzen Brett in Hochschul- und Universitätsräumen zu lesen. Es hat ja auch viel für sich, in einer Wohngemeinschaft zu leben, gerade während des Studiums: Natürlich ist es billiger, sich mit anderen eine Wohnung zu teilen. Es ist aber auch interessanter. Man ist nicht so allein. Man kann Neues entdecken durch die Lebensweise der anderen. Das Leben wird bunter und reicher. Ganz nach dem Motto: Lieber zu fünft in einer chaotischen Küche seinen Frühstückskaffee trinken und dabei über Gott und die Welt diskutieren, als allein, in aller Stille, die abgespülte Tasse in den Schrank zurückstellen. Zudem ist das Bedürfnis, sich zurückzuziehen, in jungen Jahren weniger ausgeprägt als in der Generation 40 plus.

„Mitbewohner gesucht“ – das ist auf der anderen Seite aber auch ein Wagnis. Wenn ein Neuer kommt, muss er zu den anderen in der WG passen, sonst sind Konflikte vorpro-grammiert. Deshalb gibt es oft eine Art Casting: Ein Interessent stellt sich vor, die anderen beraten. Das geht so lange, bis sie sich einig sind und den Richtigen gefunden haben.

Und was hat das alles mit dem Heiligen Abend zu tun? Heute stellt sich bei uns allen ein Mitbewohner vor. Er klopft an unsere Tür. Er will dazugehören. Und meint allen Ernstes, eine Bereicherung für unser Leben zu sein. In Bethlehem wollten sie von dem neuen Erdenbürger wenig wissen. „Kein Raum in der Herberge!“, heißt es lakonisch in der Weihnachtsgeschichte des Lukas. Im Krippenspiel ist es der Wirt, der dem heiligen Paar um ein Haar die Tür vor der Nase zuschlägt: „Tut mir leid, das Haus ist voll. Ihr müsst sehen, ob ihr woanders unterkommt.“ Um dann, zögernd, doch noch einen Platz im Stall anzubieten.

Und auch in unserem Predigttext klopft der neue, göttliche Mitbewohner kräftig an die Tür. „Ich will unter euch wohnen und euer Gott sein“, sagt er dem Volk Israel. Und dann zählt er auf, was er so drauf hat, was er einbringen will in die Wohngemeinschaft: Einen Friedensbund will er mitbringen. Eine Art Hausordnung. Einen WG-Vertrag, mit dem es allen richtig gut gehen soll. Ein gerechter König soll regieren, ein neuer David, der ursprüngliche war ja Israels Glanzkönig schlechthin. Und dieser König wäre kein Diktator, wie Könige es eigentlich gerne sind, sondern ein Hirte, ein fürsorglicher Diener an seinem Volk. Und das Volk Israel, zu großen Teilen verschleppt in Kriegsgefangenschaft, würde wieder im eigenen Land wohnen dürfen. Und der Tempel, das Heiligtum Gottes, der Wohnsitz Gottes, würde wiederaufgebaut werden. Und Gott würde wieder einziehen in seinen Tempel und damit nahe bei seinem Volk sein. Und die Israeliten würden seine Gebote halten, weil sie helfen zu einem guten, friedlichen Leben.

„Wollt ihr?“, fragt der Prophet Hesekiel die in Feindesland verschleppten Israeliten. „Wollt ihr ihn haben als Mitbe-wohner? Soll Gott auf’s Neue unter euch wohnen?“ – Wir hören die Frage. Das Angebot. Die Vorstellungsrede Gottes. Wie das göttliche Casting ausgegangen ist, berichtet Hesekiel nicht mehr.

Gut 500 Jahre später, in Bethlehem, plaudert die Bibel mehr aus dem Nähkästchen, und wir erfahren einiges über die Antwort der Menschen: Die Wohlhabenden und Etablierten haben sich schwer mit dem Angebot getan, auch später, als das göttliche Kind erwachsen war und als Wanderprediger durch die Lande zog. Die Pharisäer, die Tempelpriester, das religiöse Establishment also, sahen in ihm einen Eindringling, der Unordnung stiftet und alles, was gilt, durcheinan-derbringt. Die herrschenden Römer befürchteten ebenfalls Chaos und einen Verlust ihrer Macht. Schon König Herodes, so weiß das Matthäusevangelium, trachtet dem eben gebo-renen Säugling nach dem Leben.

Aber die Hirten sind überwältigt von diesem Gast, der Frieden mitbringt und Glanz für ihr Leben. So berichtet es Lukas, der Evangelist der Armen. Und die Weisen im Morgenland werden magisch angezogen von dem, der ihnen Sinn und Leben in Fülle verspricht. Davon erzählt Matthäus, der Evangelist der Suchenden. Im Krippenspiel sind sie dann alle vereint.

Es ist ein Teilerfolg Gottes, von dem die Bibel berichtet. Ver-schlossene Türen und schlimmste Angriffe auf der einen Seite, weit geöffnete Herzen auf der anderen. Leicht hat Gott es bis heute nicht als Mitbewohner in unserer großen Erden-WG.

Und damit sind wir bei uns angekommen, am Heiligen Abend 2019. „Wollt ihr?“, fragt Hesekiel auch uns. „Wollt ihr ihn haben, diesen besonderen Gast? Soll er einziehen bei euch?“ – „Es kommt darauf an, ob er zu uns passt“, könnten wir vorsichtig prüfend antworten. „Was kann er denn so? Und was bringt er mit? Wie würde es aussehen, ein Leben mit ihm?“ Diese kritischen Fragen sind durchaus berechtigt, auch wenn der Prophet sich darüber ein wenig ärgern würde. Aber so eine Entscheidung ist folgenschwer. Da kann man nicht einfach mal so, nur weil Heiligabend ist, drüber hinwegsehen. Also überlegen wir ruhig ein wenig.

Gott unter uns – das könnte heißen, dass wir weicher und offener werden, als es sonst im Alltag der Fall ist. Er kommt ja in Gestalt eines Neugeborenen. Da wird man ganz von selbst zarter und sensibler und spürt, was so ein Kind braucht. Und wenn wir Gott in einem hilfsbedürftigen Kind entdecken, dann sicher auch in anderen Menschen, die auf unsere Feinfühligkeit und unser Mitgefühl angewiesen sind. – Das wäre ein neuer Ton, ein neuer Glanz, eine neue Offenheit, die sich einschleicht unter uns, in dieser Heiligen Nacht und hoffentlich noch in vielen Tagen und Nächten. Die rauen Hirten haben diesen neuen Ton gehört aus dem Mund von Engeln. Sie haben weiche Knie davon bekommen und ein warmes Herz. Und sind nach Bethlehem geeilt und haben eingeschlagen in diesen Friedensbund.

Gott unter uns – das könnte heißen, dass wir auch gnädiger sind mit uns selbst. Es ist schon in Ordnung, wie wir sind. Wir dürfen Schwächen haben. Wir dürfen Fehler machen. Wir müssen nicht vollkommen sein. Wenn selbst Gott ein Kind wird, dann müssen wir nicht den Helden spielen. Und wenn er unter uns wohnt, dann gewiss auch sein großes Ja und seine Liebe zu uns und allen seinen Geschöpfen. Schlagen wir ein in diesen Friedensbund. Schließen wir auch Frieden mit uns selbst.

Gott unter uns – das ist ein verborgener Glanz, der auf-scheint, der aufbricht, der zu finden ist mitten in diesem Leben und in dieser Welt. Sehen wir ihn? Spüren wir ihn? „Wer Ohren hat zu hören, der höre“, hat Jesus als Er-wachsener gesagt. Wer Augen hat zu sehen, der sehe! Wer ein Herz hat zu fühlen, der fühle – wo Gott uns nahe kommt und etwas neu wird für uns.

Der Himmel, dieser große Palast, ist verwaist. Gott hat ihn verlassen, um auf Erden zu wohnen. „Wollen wir ihn hier?“, fragt Hesekiel. „Vertrauen wir ihm? Und lassen uns ein auf seinen Frieden?“

Vielleicht gerät dann einiges durcheinander: Das Misstrauen, in dem man sich eingerichtet hat. Die Urteile und Vorurteile, mit denen man lebt. Die Stumpfheit, die einen vor Ver-letzungen schützt, aber auch das Glück und die Freude domestiziert. Und die Rücksichtslosigkeit den Ärmeren und der ganzen bedrohten Schöpfung gegenüber. Da gehen einem die Ohren auf und die Augen und das Herz. „Friede auf Erden“, heißt jetzt das Ziel. „Und den Menschen ein Wohlgefallen!“

Mag sein, dass das alles ein bisschen dauert und nicht von heute auf morgen geschieht. Die Hirten sind ziemlich schnell angekommen. Sie waren auch innerlich nicht weit entfernt vom Kind. Die Weisen aus dem Morgenland haben bis zum 6. Januar gebraucht. Und es ist keine Schande, länger unterwegs zu sein. Weihnachten ist ja nur ein Anfang, alles Weitere wird sich finden. Wollen wir? – Das ist die Weih-nachtsfrage, die zusammen mit allen Geschenken unterm Christbaum liegt. Möge sie uns nicht loslassen in dieser Heiligen Nacht und an den kommenden Festtagen.

AMEN

Tagesgebet

Unser Gott,
heute feiern wir die Geburt Jesu Christi.
Heute feiern wir, dass ein helles Licht
in unsere Mitte und in unser Leben kommt.

Hilf uns jetzt, ruhig zu werden
nach der Unruhe und Hast der vergangenen Stunden.
Lass uns offen werden,
um die Weihnachtsbotschaft wieder neu zu hören
und zu verstehen.
Erfülle uns mit der besonderen Freude,
die von Dir kommt.

AMEN

Fürbittengebet

Gott des Lebens,
Du willst wohnen bei uns und uns nahe sein.
Im Kind in der Krippe kommst Du zu uns.
Im Kleinen, im Unscheinbaren lässt Du Dich finden.
Wir hören die Nachricht von Erlösung und Freude
und bitten Dich:
Öffne uns Augen und Ohren für dieses Geschenk.
Öffne unsere Herzen, damit Du Wohnung in uns nimmst.

Gott des Lebens, wir bitten Dich:
Sei mit allen, die Weihnachten nicht feiern können,
weil sie nichts sehen von Deinem Licht:
Weil sie im Krieg leben.
Weil sie hungern.
Weil sie Angst haben.
Sei bei allen, die heute allein sind.
Sei mit den Kranken, dass sie Deine Nähe spüren.
Sei mit den Sterbenden, dass sie auf Dich vertrauen.
Lass es Weihnachten werden für alle Menschen.

Verfasser: Pfarrer Christoph Eichert, Robert-Blum-Straße 11 a, 06114 Halle


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