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Gott schützt uns in der Nacktheit

von Ralf Friedrich (Dieburg)

Predigtdatum : 16.11.2008
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres
Textstelle : 2. Korinther 5,1-10
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Morgenlied: EG430
Wochenlied: EG149 1 - 4
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
Amen
Liebe Gemeinde,
wann haben Sie Ihren Körper zum letzten Mal nackt im Spiegel betrachtet? Wie geht es Ihnen dabei? Ich selbst schrecke davor immer häufiger zurück. Mein Bauch wächst, ich weiß auch nicht wieso nur der Bauch und nicht die Brustmuskeln, die Haut ist nicht mehr so glatt wie in der Jugend.
Jeder von uns hat sicher ein anderes Verhältnis zu seinem oder ihrem Körper. In der Kindheit setzen sich Menschen in der Regel häufiger mit Ihrem Körper auseinander. Sie entdecken ihn. In der Pubertät wird dann eher der Körper des anderen Geschlechts entdeckt. Ein wichtiger Prozess in der Entwicklung der jungen Menschen. Zum Beispiel gehen meine Töchter einfach ins Bad, wenn ich unter der Dusche stehe, aber wehe das passiert andersrum.
Später schaut man vielleicht in den Spiegel und sieht seinen Körper wie er vor einigen Jahren war und heute schon lange nicht mehr ist. Dabei kann auch ein alter Körper richtig schön sein. Von Nacktheit und vom bekleidet sein handelt auch unser heutiger Predigttext:
5 1 Denn wir wissen: wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel.
2 Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden,
3 weil wir dann bekleidet und nicht nackt befunden werden.
4 Denn solange wir in dieser Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert, weil wir lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden wollen, damit das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben.
5 Der uns aber dazu bereitet hat, das ist Gott, der uns als Unterpfand den Geist gegeben hat.
6 So sind wir denn allezeit getrost und wissen: solange wir im Leibe wohnen, weilen wir fern von dem Herrn;
7 denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen.
8 Wir sind aber getrost und haben vielmehr Lust, den Leib zu verlassen und daheim zu sein bei dem Herrn.
9 Darum setzen wir auch unsre Ehre darein, ob wir daheim sind oder in der Fremde, dass wir ihm Wohlgefallen.
10 Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse.
Amen
Wie geht es uns mit Nacktheit? Nacktheit wird in unserer Gesellschaft sehr unterschiedlich wahrgenommen. Abhängig vom Kontext empfinden wir Nacktheit als schön oder schockierend.
Denken wir doch nur einmal an ein nacktes Baby, welches von uns gerade in einem warmen, duftenden Bad gewaschen wurde und welches lächelnd und glücklich auf einem weichen Frottehandtuch vor uns liegt. Die Haut samtweich und süße, kleine Speckröllchen. So ein nackter Mensch ruft bei uns meistens wohlige Gefühle hervor.
Oder erinnern wir uns doch daran, wie es war, als wir zum ersten Mal von einem Geliebten Menschen nackt gesehen wurden. Vielleicht war da bei uns ein Gefühl der Unsicherheit, der Verletzlichkeit und auch der Zärtlichkeit und der Hingabe. Auch in so einem Fall ist für einen Teil der Menschen Nacktheit etwas schönes.
Es gibt auch Moment, in denen ein Mensch anderen Geschlechts, der sich langsam, im Rhythmus entspannender Musik vor uns auszieht häufig unser Interesse weckt. Wir bleiben meistens angezogen und beobachten den Tanz mit einer inneren Spannung. Die Rollen sind ungleich verteilt. Der- oder diejenige, die nackt ist, ist einer Position der Schutzlosigkeit, der oder die Angezogene in einer Position der Stärke. Kleider machen Leute! Kleider geben Macht! Ihr können wir schon sehr unterschiedliche Meinungen zur Nacktheit haben.
Doch Nacktheit kann uns auch richtig schockieren! Ich erinnere mich an die Bilder aus dem Gefängnis Abu-Grai im Irak vor einigen Jahren. US-Soldaten und Soldatinnen führen nackte Gefangene an Hundebändern durch den kalten Betonflur. Das blanke Entsetzen, die Entwürdigung ist den Gefangenen ins Gesicht geschrieben, dazu das zynische Lachen der Wärter und Wärterinnen.
Oder ein anderes Beispiel aus unserer eigenen Geschichte: Die Berge von ausgemergelten Leichen in den Konzentrationslagern Dachau, Buchenwald und Bergen-Belsen bei der Befreiung durch die Alliierten oder die nackten Familien vor den Maschinengewehren der SS-Sondereinsatzkommandos in Mittel- und Osteuropa. Bei solchen Bildern regt sich bei mir ein tiefes Ekelgefühl und ich frage mich: Wo ist Gott in solchen Momenten? Und meine Antwort ist: Er ist ganz dicht bei den Leidenden, bei den Gequälten, bei den Gefolterten und er kleidet sie!
Gott will unsere Würde erhalten! Unser Predigttext sagt das ganz deutlich: "so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel." und "weil wir dann bekleidet und nicht nackt befunden werden." Gott weiß, wie verletzlich wir uns fühlen, wenn wir nackt sind. Er hatte ja auch schon Adam und Eva Kleider aus Fell gemacht, bevor sie aus dem Paradies vertrieben wurden. Und deshalb kleidet uns Gott. Er möchte, dass wir unsere Würde erhalten und Er wird uns respektieren. Dieser fürsorgliche Umgang mit uns ist für mich ein Zeichen, dass unser Gott ein liebevoller Gott ist.
Menschen, die einen festen Glauben haben, wissen, dass Gott sie immer kleiden wird. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an die Hinrichtung von Dietrich Bonhoeffer. Bonhoeffer wurde im April 1945 im KZ Flössenbürg hingerichtet, als bereits amerikanische Truppen in der nähe waren. Die SS-Schergen haben ihn nackt erhängt, weil sie noch etwas "Spaß" haben wollten und Bonhoeffer ist würdevoll, aufrechten Hauptes zum Galgen gegangen. Er war in diesem Augenblick von Gott gekleidet und er wusste das auch. Deshalb konnten seine Peiniger ihm nicht seine Würde nehmen.
Und mit diesem Wissen können auch politische Gefangene, Entführte und andere Menschen, denen gerade Gewalt angetan wird, ihre Würde erhalten. Dieses ewige Haus, ist ein wahres Geschenk Gottes an uns und dafür bin ich dankbar!
Was hat uns Gott noch, zusätzlich zu dem ewigen Haus, mit auf den Weg gegeben? Wir lesen bei Paulus: "Gott, der uns als Unterpfand den Geist gegeben hat." Gott weiß, dass wir selbstständig handeln müssen und dazu hat er uns einen Geist gegeben. Dieser Geist soll uns dazu dienen, unter anderem Gut von Böse zu unterscheiden. Gutes Tun, handeln im Sinne des Lebens, des Nächsten und gottgefällig und Böses unterlassen, zum Beispiel indem wir andere Menschen entwürdigen.
Gott möchte, dass wir immer so handeln, egal wo wir gerade sind, ob daheim oder in der Fremde. Bei Paulus klingt das so: "Darum setzen wir auch unsre Ehre darein, ob wir daheim sind oder in der Fremde, dass wir ihm Wohlgefallen." Für Gott ist es wichtig, dass wir ständig unser Handeln in seinem Sinne prüfen und anpassen.
Allerdings verwenden einige Menschen diesen Geist in einer Art-und-Weise vor der es Gott ekelt. Zum Beispiel die Soldaten, die Zivilisten erschießen, die Wärter die Gefangene wie Tiere halten oder Menschen, die andere Menschen jahrelang in ihrem Keller einsperren, wie wir dieses Jahr mal wieder durch die Presse erfahren haben.
Gott weiß um diese dunkle Seite von uns Menschen und Er weiß auch von unserer hellen Seite, also Er weiß, dass wir in unserem Leben gute Taten und schlechte Taten vollbringen werden. Deshalb werden wir vor den Richterstuhl Jesus Christi geführt werden.
Ich stelle mir dieses Gericht jedoch nicht wie ein weltliches Gericht vor, sondern wie ein Gericht, vor dem ich keine Angst und kein schlechtes Gewissen haben muss, sondern ein wirklich gerechtes Gericht, welches ein menschenwürdiges Verfahren garantiert. Ich werde dann bereits in mit der ewigen Wohnung Gottes gekleidet sein. Sicher werde ich schlechte Taten, wie auch gute Taten zu verantworten haben. Vielleicht lerne ich ja auch von schlechten Taten, die mir nicht bewußt waren und ich kann diese dann bereuen. Wir werden alle dieses Gericht erfahren, wenn unsere Zeit dafür gekommen ist.
Und bis dieser Moment kommt, ist es für mich wichtig, mit meinem jetzigen Körper und Geist, Gutes auf dieser Welt zu tun und Schlechtes zu unterlassen. Ich bete für uns alle, dass Gottes Kraft und Segen uns bei diesem Streben dabei unterstützt.
Für diese Taten brauche ich meinen jetzigen Körper. Diese Erkenntnis wirft ein neues Licht auf ihn. Wenn ich mich das nächste Mal nackt im Spiegel sehe, dann werde ich mich vielleicht fragen, welcher Geist wohnt eigentlich in diesem Körper? Und was kann dieser Körper Gutes tun? Vielleicht möchten Sie Ihren Körper ja auch einmal unter diesen Gesichtspunkten genauer nackt betrachten. Sicher gibt es einiges zu entdecken.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen
Predigtlied: EG149, 5 – 7
Liedruf EG789.2
Segenslied: EG65