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Gott und Alltag

von Theo Günther (36341 Lauterbach)

Predigtdatum : 11.01.1998
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 1. Sonntag nach Epiphanias
Textstelle : Römer 12,1-3.(4-8)
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Wochenspruch:

Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. (Röm 8,14)

Wochenlied:

EG 68 oder 441

Weitere Liedvorschläge:

EG 72; 134; 629; 632

Liebe Gemeinde,

am vergangenen Dienstag, dem Epiphaniastag (oder Tag der Heiligen drei Könige), ist mein Adventskalender zu Ende gegangen. Weihnachten und die Weihnachtszeit sind scheinbar endgültig vorbei. Seit Anfang Dezember hatte er mich nun begleitet. Jeden Tag konnte ich ein Blatt umlegen. Jeden Tag einen Gedankenanstoß, ein Bild, ein Liedvers oder eine Geschichte mitnehmen. Manchmal habe ich sie gelesen oder angesehen und der Tag ging ganz normal weiter. An manchen Tagen aber ging mit der gelesene oder gesehene Gedanke noch nach. Er hat mich begleitet, ist mir immer wieder im Laufe des Tages eingefallen, hat mich beschäftigt.

Jetzt ist das erstmal wieder vorbei. Schade. Die Advents- und Weihnachtszeit hat trotz allem Trubel und Rummel doch auch dieses Jahr wieder ihre schönen Seiten gehabt. -- Sie ist eben eine besondere Zeit. Eine herausgehobene Zeit, in der ich mich auch besonders und herausgehoben mit Gott beschäftige. Jeden Tag ein bißchen. Der Adventskalender hat mir dabei sehr geholfen. Schade, daß das jetzt vorbei ist. Ich muß befürchten der „Alltag ohne Gott“ schleicht sich wieder stärker ein, als mir lieb ist. Mit Gott beschäftige ich mich im Gottesdienst - und ansonsten gehe ich nach den Tagesthemen ins Bett.

Ob das so sein muß?

Ein Pfarrer hat mir einmal davon erzählt, wie er eine Woche lang ein sogenanntes „Einzelexerzitium“ in einem katholischen Kloster mitgemacht hat. Er berichtet, daß die Gruppe die ganze Woche geschwiegen hat. Die Tage waren gefüllt mit Gebetszeiten und Konzentrationsübungen. Gesprochen wurde nur durch die Leiterin und während einer täglichen halben Stunde persönlichem Vier-Augen-Gespräch zwischen Teilnehmer und Leiterin.

Der Pfarrer erzählt, wie schön und bereichernd es war, der Hektik und üblichen und notwendigen Verrichtungen des Alltags zu entfliehen, sich auf Gott und die Beziehung zu ihm zu konzentrieren, ganz bei sich und ganz bei Gott sein zu können. Auch das war so eine besondere Zeit, die leider vorbei ging - wie meine Adventszeit.

Gott und Alltag zusammenbringen -- das fordert Paulus in dem für heute vorgeschlagenen Predigttext aus dem Brief an die Römer im 12. Kapitel, die Verse 1-3:

1 Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, daß ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. 2 Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene. 3 Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, daß niemand mehr von sich halte, als sich's gebührt zu halten, sondern daß er maßvoll von sich halte, ein jeder, wie Gott das Maß des Glaubens ausgeteilt hat.

Gott sollen wir im Alltag dienen, fordert Paulus. Wir sollen uns „hingeben“, „opfern“, uns „nicht der Welt gleichstellen“. Das ganze Leben soll ein Gottesdienst sein, so legt es die Überschrift der Lutherbibel nahe: „Das Leben als Gottesdienst“. --> Geht das? Geht das ohne klösterliche Abgeschiedenheit, wie der Pfarrer von seinem Einzelexerzitium berichtete?

Paulus kennt kein Kloster und kein klösterliches Leben. Die Abgeschiedenheit christlicher Klöster hat sich erst viel später entwickelt, um es sich zu erleichtern, solchen Worten wie hier zu entsprechen. Paulus selbst aber spricht nicht vom Kloster. Er selber steht mitten im Leben: als Missionar, der seinen Lebensunterhalt mit seiner Hände Arbeit als Zeltmacher verdient.

Wenn er vom alltäglichen Leben als Gottesdienst spricht, dann redet er von etwas anderem, als von der Weltabgeschiedenheit klösterlichen Lebens. Paulus redet von „Hingabe“. Er redet davon, daß ich mein Leben mit Hingabe , also leidenschaftlich lebe. Und er gibt den Hinweis, daß mir das am besten gelingt, wenn ich meiner Gottesgabe, meiner Be-gabung folge. Ich soll herausfinden, welches Glied am Leib Christi ich bin und dieses Glied dann zum Wohl des Ganzen handeln lassen.

3 Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, daß niemand mehr von sich halte, als sich's gebührt zu halten, sondern daß er maßvoll von sich halte, ein jeder, wie Gott das Maß des Glaubens ausgeteilt hat.

4 Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, 5 so sind wir viele ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern Glied, 6 und haben verschiedene Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist. Ist jemand prophetische Rede gegeben, so übe er sie dem Glauben gemäß. 7 Ist jemand ein Amt gegeben, so diene er. Ist jemand Lehre gegeben, so lehre er. 8 Ist jemand Ermahnung gegeben, so ermahne er. Gibt jemand, so gebe er mit lauterem Sinn. Steht jemand der Gemeinde vor, so sei er sorgfältig. Übt jemand Barmherzigkeit, so tue er's gern.

Paulus wirft Fragen bei mir auf:

* Lebe ich leidenschaftlich / hingebungsvoll? Oder lebe ich mehr „so dahin“, getrieben von den Forderungen und Anforderungen, die die Welt und meine Umgebung an mich stellen?

* Kenne ich meine Begabung? Weiß oder spüre ich, wo in mir etwas besonders zum Klingen kommt, wo ich besonders lebendig werde und mir die Arbeit leichtfällt? Nutze ich diese Begabung? Oder lasse ich sie verkümmern, um anderes, vermeintlich wichtigeres zu erfüllen?

* Wofür lebe ich eigentlich? Bin ich bei mir? Oder lasse ich mich mehr leben, als daß ich selbst lebe? Lasse ich Gott in mir lebendig werden? Gebe ich ihm Raum in mir, in meinem Tun, in meinem Reden, in meinem Denken? Habe ich in meinem Leben und in meinem Alltag Zeit eingeplant, um der Stimme Gottes Raum zu geben?

Eine der ältesten Mönchsregeln lautet: „ora et labora“, „bete und arbeite“. Ich denke, wir können von dieser Regel viel für den alltäglichen Gottesdienst lernen, den Paulus der Gemeinde in Rom ans Herz legt. Nicht, daß wir alle klösterlich leben sollen <----> aber all unser Tun, Reden und Denken ist immer wieder danach zu hinterfragen, ob es vor Gott „gut, wohlgefällig und vollkommen“ ist (V. 2).

Es ist wohl erforderlich, bewußt Zeit / Zeiträume in unserem Alltag zu schaffen, die das „Alltägliche“ (Profane) mit dem Grund (Gott) verbinden. Im Gegensatz zu „toten“ Opfern des bloßen Kultus kommt es Paulus darauf an, Gott und Alltag - Alltag und Gott miteinander zu verbinden. Für ihn darf es nicht sein, daß Gott in eine schöne, wertvolle Nische hineingestellt wird, aber ansonsten keine Rolle spielt. Für uns Christen heißt das heute noch, daß wir Gott nicht in den Gottesdienst am Sonntagmorgen, oder allgemeiner in das Kirchengebäude und das evtl. vorhandene Gemeindehaus abstellen dürfen. Gott gehört mitten in unseren Alltag hinein. Bei meinem Tun, Reden und Denken will und soll er eine Rolle spielen.

Den Alltag als Gottesdienst feiern heißt:

* Elemente des Gottesdienstes in den Alltag bringen; und

* Alltägliches in den Gottesdienst bringen.

Gott braucht Raum und Zeit in meinem Alltag. Ich denke dabei an so alte Bräuche wie das Tischgebet: Ich halte kurz inne, werde mir bewußt, daß ich genug zu Essen habe, gehen mit meinen Gedanken zu denen, die nicht genug haben. Ich erkenne und erkenne an, daß nichts selbstverständlich ist und werde dankbar für das, was mir gegeben ist.

Oder ich denke an die Praxis des Nachtgebetes. Von alten Menschen wird immer wieder erzählt, daß sie es tun und junge Eltern tun es oft am Bett ihres kleinen Kindes. Es kann helfen, den Tag zurückzulegen in Gottes Hand - ich werde mir klar darüber, was dieser Tag gebracht hat an Gutem und an Schlechtem, wofür ich danken kann und wo ich Fehler begangen habe und vielleicht schuldig geworden bin. Ich lebe damit bewußter bei mir selbst und bei Gott. Ich erneuere sozusagen meinen Sinn (V 2).

Auch der Gottesdienstbesuch kann so eine erneuernde Zeit sein, die Gott in meinen Alltag kommen läßt.

Wir Menschen, wir Christen brauchen so etwas wie „Auszeiten“, die mich vom Täter zum Hörer werden lassen und wieder zurück. Wir brauchen Zeiten in unserem Alltag, da wir in uns hineinlauschen / hineinhören, was Gott mit mir vorhat, was Gott in mir bewegen will -- und vom Hören, vom Stille-sein kehre ich dann zurück ins Tun des Gehörten.

Wir Menschen brauchen eine Verknüpfung von Alltag und Sonntag, von Tun und Hören, von Arbeiten und Beten, von „ora et labora“. Je mehr es uns wohl gelingt, diese beiden Seiten des Lebens zusammenzubringen, desto mehr machen wir dann auch die heilsame Erfahrung der Ganzheit, die heilsame Erfahrung mit mir, der Welt und Gott übereinzustimmen.

Die Adventszeit und der Adventskalender der vergangenen sechs Wochen haben mir geholfen, dieser Erfahrung wieder einmal etwas näher gekommen zu sein - und ich will nicht aufgeben, auch weiterhin nach der Verbindung von Gott und alltäglichem Leben in den Beschäftigungen und Notwendigkeiten meiner Zeit zu suchen. Und ich wünsche mir und Ihnen, daß wir alle immer wieder die nötigen Auszeiten dafür finden. Amen.

Pfr. Theo Günther, Sielweg 4, 36304 Alsfeld-Leusel


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