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Gottes Gebote - Maßstäbe für unser Leben

von Martin Vorländer (60594 Frankfurt)

Predigtdatum : 25.09.2016
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 16. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Römer 14,17-19
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Wochenspruch:
"Dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe." (1. Johannes 4, 21)

Psalm: 1

Lesungen
Altes Testament: 2. Mose 20, 1 - 17

Epistel: Römer 14, 17 - 19

Evangelium: Markus 12, 28 - 34


Liedvorschläge
Eingangslied: EG 295 Wohl denen, die da wandeln
Wochenlied: EG 397 oder EG 494 Herzlich lieb hab ich dich oder In Gottes Namen fang ich an
Predigtlied: EG 221 oder EG 148, 1+7+8 (Melodie EG 501) Das sollt ihr, Jesu Jünger oder Herzlich tut mich erfreuen die liebe Sommerzeit
Schlusslied: EG 182, 1+2+6 Halleluja


Predigttext Römer 14, 17 - 19
„Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist. Wer darin Christus dient, der ist Gott wohlgefällig und bei den Menschen geachtet. Darum lasst uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und zur Erbauung untereinander.“

Predigt

Liebe Gemeinde,

Mittagessen in der Kantine. Neugierig schauen die Kollegen, wer welches Gericht gewählt hat. „Das ist ja ein richtig schönes großes Stück Fleisch“, kommentiert einer den Teller der Kollegin. Die grinst: „Ich mache Steinzeit-Diät. Viel Fleisch, Fisch, Eier, Nüsse, naturbelassenes Obst und Gemüse – so wie unsere Vorfahren. Alles andere ist tabu. Davon wird man eh nur krank!“

„Mit naturbelassen werden Sie nicht weit kommen“, mischt sich der Kollege ein. „Es wird doch überall mit Pestiziden und Konservierungsstoffen gearbeitet.“ Die Vierte am Tisch meldet sich zu Wort: „Für mich jedenfalls musste kein Tier sterben.“ Sie stößt die Gabel in ihren Salat. „Und was ist mit dem Ei in Ihrem Grünzeug?“, fragt die Anhängerin der Steinzeit-Diät. „Daraus hätte auch ein Küken werden können. Aus dem Kreislauf von Fressen und Gefressen-Werden kommen Sie nicht raus!“ „Können wir bitte einfach essen?“, fragt einer leicht genervt. „Guten Appetit!“

Steinzeit-Diät, vegetarisch, vegan oder gar fruktarisch – also nur essen, was sowieso vom Baum fällt -, alles Bio oder alles Wurst? Essen ist kompliziert geworden. Es geht nicht allein ums Sattwerden. Hinter der Frage, wie ich mich ernähre, steckt eine Philosophie. Im einfachsten Gericht verbirgt sich eine ganze Welt, wenn man bedenkt, woher die Zutaten stammen, wie viel Wissen und Arbeit es braucht, um herzustellen, was am Ende auf den Tisch kommt.

„Der Mensch ist, was er isst“, meint der Philosoph Ludwig Feuerbach. Wir bestehen nicht nur aus Denken und Seele. Wir sind auch Körper – einschließlich des Magens, der gefüllt sein will.

Das Alte und das Neue Testament verstehen Körper, Geist und Seele nicht getrennt, sondern als ein Ganzes. Nahrung ist darum keine Nebensache. Der Mensch braucht Brot und Wort, Nahrung und Sinn. „Unser tägliches Brot gib uns heute“, ist eine Bitte des Vaterunsers. Durch die ganze Bibel hindurch gibt es Gebote, welche Speisen erlaubt und welche verboten sind.

Und selbst in der Bibel streiten die Menschen darüber, was man essen darf und was nicht. Der Apostel Paulus im Predigttext für den heutigen Sonntag lässt uns Zeuge sein, wie es in der christlichen Gemeinde in Rom um die Wurst ging. Genauer gesagt ums Fleisch. Ich lese aus dem Römerbrief im 14. Kapitel:

„Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem heiligen Geist. Wer darin Christus dient, der ist Gott wohlgefällig und bei den Menschen geachtet. Darum lasst uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und zur Erbauung untereinander.“ (Römer 14, 17 - 19)

Was war da unter den Christen in Rom los? Paulus schreibt am Anfang des Kapitels, worüber sich die Gemeinde streitet: „Der eine glaubt, er dürfe alles essen; wer aber schwach ist, der isst kein Fleisch.“ (Römer 14, 2)

Stein des Anstoßes war das Götzenopferfleisch. Darf eine Christin und ein Christ an einem Essen teilnehmen, bei dem es geweihtes Fleisch aus dem heidnischen Tempel gibt? Beim Kult der griechisch-römischen Welt im 1. Jahrhundert nach Christus opferten die Priester den Göttern nur einen Teil des geschlachteten Tieres.

Der Rest wurde gemeinsam verspeist entweder im Tempel oder bei privaten Einladungen zu Hause. Man konnte das Fleisch der Opfertiere auch auf dem Markt kaufen. Für die Götter nur das Beste – das Kultopferfleisch hatte Top-Qualität. Außerdem gab es kostenlose Festessen im Tempelbezirk. Ärmere Menschen hatten sonst kaum Gelegenheit, mal etwas Anderes als Brot und dünne Suppe zwischen die Zähne zu bekommen.

Für Christen war das ein Dilemma: Gehe ich zu der Einladung meines Geschäftspartners, der bestimmt das gute Götzenopferfleisch auftischt? Woher stammt die leckere Lammlende, die mein Händler auf dem Markt anbietet? Esse ich gar kein Fleisch mehr, weil ich es mir nicht leisten kann und mich nicht zu den Festessen im heidnischen Tempel traue?

In der Gemeinde in Rom gab es dazu zwei Meinungen. Paulus nennt sie die Partei der Starken und die Partei der Schwachen. Die Starken strotzen vor christlichem Selbstbewusstsein. Ihre Position: Es gibt nur einen Gott, dessen Sohn Jesus Christus ist. Jupiter, Venus oder Mars – nichts als Götzen. Es gibt sie gar nicht. Darum können wir uns ge-fahrlos das Götzenopferfleisch schmecken lassen.

Diese von Paulus sogenannten Starken bekamen zwei Probleme. Zum einen: Der heidnische Nachbar wunderte sich über sie. Wie kann jemand, der an Christus glaubt, Fleisch essen, das dem Saturn geweiht ist?

Zum anderen sorgt das demonstrative Essen von Götzenopferfleisch für Streit in der christlichen Gemeinde. Es gibt dort nämlich die Partei, die Paulus die Schwachen nennt. Schwach, weil sie Angst vor Götzenopferfleisch haben. Sie fürchten: Wenn ich davon esse, dann nehme ich die böse Macht der fremden Götter in mir auf.

Wenn die Schwachen sehen, dass die anderen einfach davon essen, packt sie das Grausen. Das verstößt gegen ihr Gewissen und verletzt ihren Glauben. Wer Götzenopferfleisch isst, trägt die bösen Geister in sich und in die Gemeinde Jesu Christi hinein. Götzenopferfleisch essen und Abendmahl feiern, das schließt sich aus.

Es wäre leicht, diese Angst als Aberglaube abzutun. Fleisch ist doch nur Fleisch. Aber auch wir heute machen uns Gedanken: Was esse ich eigentlich? Welche Kette hängt an dem Kotelett, das ich mir einverleibe? Wie wurde das Tier gezüchtet, gehalten, transportiert und geschlachtet, bis sein Fleisch in meiner Küche landet?

Die Bibel bewahrt das uralte Wissen: Essen verbindet. Es verbindet mit denen, die geben und herstellen, was ich auf dem Teller habe. Essen verbindet mit denen, die mit mir am Tisch sitzen. Es gibt in der Bibel von Anfang an Erlaubtes und Verbotenes. Im Paradies lebt das erste Menschenpaar vegetarisch. Adam und Eva dürfen von allen Bäumen im Garten Eden essen, nur nicht vom Baum der Erkenntnis – was sie dann doch tun.

Nach der Sintflut erlaubt Gott der Menschheit, Fleisch zu essen. „Alles, was sich regt und lebt, das sei eure Speise; wie das grüne Kraut habe ich’s euch alles gegeben“, spricht Gott zu Noah und seinen Nachkommen. (1. Mose 9,3) Das Blut der Tiere allerdings bleibt tabu. Das Blut gilt im Alten Orient als Sitz des Lebens. Daher kommt das Schächten im Judentum und später im Islam. Erst soll alles Blut aus dem Tier geflossen sein, ehe man sein Fleisch verwendet.

In der Tora, also in den fünf Büchern Mose, gibt es genaue Speisegebote, welche Tiere zu essen erlaubt und welche verboten sind. Es geht um ein reines Leben nach Gottes Gebot. Von Gott erlaubt, das heißt im Judentum „koscher“, im Islam „halal“.

Gelten die Speisegebote des Alten Testaments auch in der Kirche Jesu Christi? Die Apostel meinten: Ja. Die zwölf Jünger Jesu hatten sich extra mit Paulus in Jerusalem getroffen. Sie stritten darüber, wie weit die Freiheit eines Christenmenschen geht. Ein Ergebnis dieses apostolischen Krisengipfels war, so heißt es in der Bibel: „Dass ihr euch enthaltet vom Götzenopfer und vom Blut und vom Erstickten.“ (Apostelgeschichte 15, 29)

Eindeutiger Beschluss, klare Worte, die Paulus eigentlich der Gemeinde in Rom hätte schreiben müssen. Der Streit ums Essen wäre schnell entschieden: Götzenopferfleisch geht gar nicht. Die sogenannte Partei der Schwachen hat Recht.

Doch Paulus begeht einen Rechtsbruch und beruft sich dabei auf Jesus. Jesus, der jüdische Rabbi und Gottessohn, fragte wie so oft nach dem inneren Sinn der Gebote Gottes, auch der Speisegebote. Er sagte: „Es gibt nichts, was von außen in den Menschen hineingeht, das ihn unrein machen könnte; sondern was aus dem Menschen herauskommt, das ist’s, was den Menschen unrein macht.“ (Markus 7, 15)

Paulus folgert daraus, „dass nichts unrein ist an sich selbst“. (Römer 14, 14) Keine Speise ist verboten, auch nicht das Götzenopferfleisch. Jetzt könnte die Partei der Starken in der Gemeinde in Rom triumphieren: Wir haben Recht! Ihr glaubensschwachen Bedenkenträger verletzt die christliche Freiheit.

Doch Paulus verweist die Starken wie die Schwachen auf die Plätze. Der Glaube an Christus und seine Freiheit sind nicht dazu da, sie gegen andere einzusetzen. „Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken“, schreibt Paulus. Soll heißen: Seid nicht verbissen beim Essen! Das Himmelreich besteht nicht aus Speisegeboten.

Es geht vielmehr um „Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem heiligen Geist“. Paulus meint hier zunächst nicht die Gerechtigkeit im globalen Maßstab oder den Weltfrieden. Es geht ihm konkret um Gerechtigkeit und Frieden in der Gemeinde.

Ich werde dem anderen nicht gerecht, wenn ich ihm meine Wahrheit aufzwinge. Ich verletze seinen inneren Frieden, wenn ich rücksichtslos meine Freiheit auslebe. Christus befreit aus Zwängen und Ängsten. Und durch den Glauben an ihn bin ich so frei, anderen zuliebe auf etwas zu verzichten.

Das ist für Paulus der Maßstab der Freiheit: die Liebe, die Jesus Christus vorgelebt hat. Konkret an die Christen damals in Rom geschrieben: Ihr Starken, belastet nicht das Gewissen der anderen, indem ihr demonstrativ Götzenopferfleisch esst. Auch wenn ihr deren Angst unbegründet findet, sie ist trotzdem da.

Und ihr Schwachen, fordert nicht, dass sich alle nach euch richten. Für beide gilt: Macht euch nicht zum Richter über den Glauben der anderen. Was ihr esst oder nicht esst, davon hängt nicht der Himmel ab. Davon hängt auch nicht euer Seelenheil ab.

(Die im Folgenden kursiv gedruckten drei Absätze können Sie auch weglassen oder Sie haben ein eigenes Beispiel)

Wer sind die Starken und die Schwachen in der Kirche heute? Eine deutschsprachige evangelische Gemeinde teilt sich das Gemeindehaus mit Protestanten aus Korea. Die beiden Gemeinden haben das Gebäude renoviert und wollen es wieder einweihen. Für die Deutschen gehört ein Glas Sekt zur Feier des Tages dazu. Daran nehmen die Koreaner Anstoß.

Für sie ist Alkohol Teufelszeug. Nicht nur, dass sie selbst keinen trinken. Sie wollen auch nicht dabei sein, wenn andere es tun. Wer sind die Schwachen? Die Deutschen, die sich vom Alkohol verführen lassen? Oder fehlt es den Koreanern an christlicher Freiheit, weil sie einen Schluck Sekt für den Abfall vom Glauben halten?

Nach vielen Gesprächen verständigen sich die beiden Gemeinden. Es wird Sekt geben für die, die anstoßen wollen. Die einen respektieren oder ertragen zumindest die Einstellung der anderen. Wichtiger ist die Freude über das, was man gemeinsam geschafft hat.

Kein Mensch kann einen anderen nötigen, so und nicht anders zu glauben oder so und nicht anders zu handeln. Wenn das nicht einmal der Apostel Paulus tut, dann darf das erst recht kein Moralapostel unserer Tage, der ums vermeintlich einzig richtige Essen einen Kult veranstaltet.

Keine Wahrheit, auch keine Glaubenswahrheit, ist dafür da, sie mit Gewalt gegen andere durchzusetzen. Christliche Glaubensstärke schließt Andersgläubige mit ein. Das schützt vor Fundamentalismus in den eigenen Reihen und bei anderen.

Der Glaube an Christus schenkt die Freiheit, den anderen zu ertragen mit seinen Stärken und Schwächen. Der Appell des Paulus ermuntert bis heute: „Lasst uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und zur Erbauung untereinander!“ Amen

Verfasser: Pfarrer Martin Vorländer
Rechneigraben 10, 60311 Frankfurt

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