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Gottes Geist - Gabe des Lebens

von Ingrid Volkhardt-Sandori (35447 Reiskirchen)

Predigtdatum : 15.05.2016
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Exaudi
Textstelle : Apostelgeschichte 2,1-18
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Wochenspruch:
"Es soll nicht durch Heer oder Kraft geschehen, sondern durch meinen Geist, spricht der Herr Zebaoth." (Sacharja 4, 6)
Psalm: 118, 24 – 29 ( EG 747)

Lesungen
Altes Testament: 4. Mose 11, 11 - 12. 14 - 17. 24 - 25
Epistel: Apostelgeschichte 2, 1 - 18
Evangelium: Johannes 14, 23 - 27

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 135, 1 – 5 Schmückt das Fest mit Maien
Wochenlied: EG 125 oder EG 133, 1 – 3 + 8 Komm, Heiliger Geist oder Zieh ein zu deinen Toren
Predigtlied: EG 133, 9 - 11 Zieh ein zu deinen Toren
Schlusslied: EG 503, 13 - 15 Geh aus, mein Herz


Predigttext: Apostelgeschichte 2, 1 - 11
1 Und als der Tag der Pfingsten erfüllt war, waren sie alle einmütig beieinander.
2 Und es geschah schnell ein Brausen vom Himmel wie eines gewaltigen Windes und erfüllte das ganze Haus, da sie saßen.
3 Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt, wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeglichen unter ihnen;
4 und sie wurden alle voll des Heiligen Geistes und fingen an, zu predigen mit anderen Zungen, nach dem der Geist ihnen gab auszusprechen.
5 Es waren aber Juden zu Jerusalem wohnend, die waren gottesfürchtige Männer aus allerlei Volk, das unter dem Himmel ist.
6 Da nun diese Stimme geschah, kam die Menge zusammen und wurden bestürzt; denn es hörte ein jeglicher, dass sie mit seiner Sprache redeten.
7 Sie entsetzten sich aber alle, verwunderten sich und sprachen untereinander: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa?
8 Wie hören wir denn ein jeglicher seine Sprache, darin wir geboren sind?
9 Parther und Meder und Elamiter, und die wir wohnen in Mesopotamien und in Judäa und Kappadozien, Pontus und Asien,
10 Phrygien und Pamphylien, Ägypten und an den Enden von Lybien bei Kyrene und Ausländer von Rom,
11 Juden und Judengenossen, Kreter und Araber: wir hören sie mit unsern Zungen die großen Taten Gottes reden.
Liebe Gemeinde,
in der Bibel steht geschrieben, was damals zu Pfingsten ge-schehen ist, und jeder, der eine Bibel hat, kann diese Ge-schichte nachlesen.

Trotzdem lese ich sie vor, wie in jedem Gottesdienst ein Ab-schnitt aus der Bibel vorgelesen wird.
Text vorlesen.

Wozu wird das eigentlich gemacht?
Wozu wird aus einem Buch vorgelesen, das fast jede Familie zu Hause hat oder ganz leicht kaufen kann? Und wozu im-mer wieder die gleichen Geschichten?
Das machen wir doch sonst auch nicht.
Es steht doch auch niemand morgens im Bus und sagt: Leute, hört mal zu, ich lese euch jetzt das Wichtigste aus der Zeitung vor.

Natürlich lesen viele Eltern ihren Kindern vor, solange die noch nicht selbst lesen können. Und dann müssen die Kin-der manchmal in der Schule vorlesen, damit die Lehrerin sieht, was sie schon können.
Aber einfach so vorlesen? Warum?

Die Geschichte des Pfingstwunders sagt uns etwas davon, was es damit auf sich hat. Hier wird von Menschen erzählt, die etwas gemeinsam erleben. Die einen stehen auf einmal im Mittelpunkt des Geschehens, wo sie gar nicht hinwollten, die anderen wollen unbedingt wissen, was da los ist.

Es gab noch keine Fernsehsender, keine Kameras und Mi-krofone. Die einzige Möglichkeit, die die kleine christliche Gruppe in Jerusalem damals hatten, war: Erzählen, was sie erlebt hatten, und versuchen, sich den Zuhörern irgendwie verständlich zu machen.
Das war schwer genug, Jerusalem war schon damals eine Stadt mit vielen Touristen.
Sie reisten allerdings nicht zu ihrem Vergnügen wie die Ur-lauber heute. Sie wollten etwas ganz anderes: Einmal in ihrem Leben den Heiligen Tempel in Jerusalem besuchen, und das Pfingstfest war der schönste Tag dafür: Der Tempel war geschmückt, und der Gottesdienst war besonders fest-lich.

Die ganze Stadt war auf den Beinen, um mit den Gästen aus aller Welt zu feiern - ein Kauderwelsch aus allen be-kannten Sprachen klang durch die Straßen - und mittendrin ein paar Jerusalemer Christinnen und Christen, denen kaum nach Feiern zumute war. Sie waren ja noch gar nicht über den Tod Jesu hinweggekommen, sie trafen sich immer noch heimlich, damit sie nicht auch erwischt und vielleicht getötet wurden.

Sie erleben etwas, das man mit Worten kaum beschreiben kann. Der Bibeltext versucht es, aber es bleiben viele Frau-gen offen. Schade, dass wir mit den Hauptpersonen des Geschehens nicht mehr selbst sprechen können - wenn sie es uns direkt erzählen würden, könnten wir es sicher besser verstehen.

Sicher ist, dass am Ende aus einer kleinen verängstigten Gruppe eine Gemeinde geworden ist, die mit ihrer Begeisterung andere ansteckte. Auf einmal wollten viele Christinnen und Christen werden, auf einmal war es toll, sich zu Jesus zu bekennen. Die kleine Gemeinde wurde seit diesem Tag immer größer, sie musste sich organisieren, sie fing später an, eigene Gotteshäuser zu bauen, und so entstanden aus diesen paar begeisterten Menschen alle christlichen Kirchen der Welt. Das kann passieren, wenn Menschen einander begegnen!

Ein Neues Testament gab es damals noch nicht, weder Jesus noch die Pfingstgemeinde haben ihre Worte und Taten aufgeschrieben. Das, was heute in der Bibel steht, ist erst viel später aus der Erinnerung aufgeschrieben worden.

Komisch: Haben die denn nicht gedacht: Das ist wichtig, das muss für die Nachwelt festgehalten werden? Ich glaube, sie haben sich darauf verlassen, dass die wichtigen Ge-schichten immer wieder erzählt werden. Das es immer ge-nug Menschen gibt, die sich erinnern und anderen davon weitersagen: "Hört mal, liebe Leute, als in Jerusalem der Heilige Geist in den Tempel kam, das war so: ..."
Noch lange nachdem die Geschichten der Bibel endlich doch aufgeschrieben wurden, gab es nur wenige Bücher. Noch nicht mal jedes Dorf hatte seine eigene Bibel. Selbstver-ständlich wurden die Bibelgeschichten allen vorgelesen - genauso wie andere wichtige Nachrichten, Gesetze und Briefe. Vorlesen war nötig, und gleichzeitig machte es den Text viel besser: Man las nicht nur eine Botschaft, sondern sah einen Menschen und hörte eine Stimme dazu. Man konnte nachfragen: "Verstehst du das? Weißt du, wie das gemeint ist? Woher hast du das? Erklär mir das doch mal."

Eine Zeitung oder einen Werbeprospekt, der nur im Brief-kasten liegt, kann man nicht mehr fragen. Auch mit der Bibel ist es so: Wenn man sie allein für sich liest, dann muss man mit allem, was man nicht versteht, allein zurecht-kommen. Das ist einer der Gründe, warum die Geschichten aus der Bibel vorgelesen werden. Das ist einer der Gründe, warum es nicht heißt: Wenn du Christ werden willst, dann kaufe eine Bibel und bestelle jede Woche eine christliche Zeitung. Sondern es heißt: Wenn du Christ werden willst, dann gehe in eine Kirche und lass dich taufen, oder: Dann bringe dein Kind zur Taufe in die Kirche, und zwar dann, wenn auch die Gemeinde versammelt ist. Das Lesen und Nachdenken ist auch wichtig, aber am wichtigsten ist, dass die Botschaft der Bibel ein Gesicht und eine Stimme hat, und man soll nachfragen und gemeinsam darüber nachden-ken können. Auch, wenn man ebenso gut alles zu Hause nachlesen könnte.

In den Zeiten, als die Bücher so selten waren, gab es über-haupt noch kein leises Lesen. Ein mittelalterlicher Abt, also das Oberhaupt eines Klosters, schickte einmal ein gelie-henes Buch an das Nachbarkloster zurück. In seinem Brief stand: „Ich konnte Das Buch leider nicht lesen, denn ich war heiser.“ Das leise Lesen musste erst noch erfunden werden!

Heute, da meistens nicht erzählt, sondern nur noch berich-tet wird, muss vielleicht das Erzählen wieder neu erfunden werden, und die Geschichte, die zu Pfingsten in der Kirche erzählt wird, die taugt dazu, denn sie gibt der Kirche ein Gesicht und eine Stimme.
Amen

Verfasserin: Pfarrerin Ingrid Volkhardt-Sandori
Oberdorfstraße 23, 35447 Reiskirchen

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