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Gottes gute Ordnungen

von Gundula Guist (Usingen)

Predigtdatum : 18.10.2015
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 19. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Markus 10,2-9.(10-16)
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Wochenspruch:
"Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott." (Micha 6, 8)

Psalm: 119, 101 - 108


Lesungen
Altes Testament: 1. Mose 8, 18 - 22

Epistel: 2. Korinther 3, 3 - 6 (nach Vorschlag der Revision der Perikopenordnung)
Evangelium: Markus 10, 2 - 9 (10 - 16)

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 455,1-3 Morgenlicht leuchtet
Wochenlied: EG 295,1-4 Wohl denen, die da wandeln
Predigtlied: EG 414,1-4 Lass nicht oh Herr in allen Dingen
Schlusslied: EG 240,1-3 Du hast uns Herr in dir verbunden


Vorwort
Die Predigt beschränkt sich auf die Verse Mk 10, 2 - 9. Es geht weniger um Ehescheidung und Ehekrisen und deren Bewältigung, sondern darum, warum Jesus so unverrückbar an der Ehe, als eine gute Ordnung, festhält. Deshalb nimmt die Predigt ihren Ausgangspunkt bei Gottes guter Schöpfung.

Wem es möglich ist, der kann mit dem Bild von Chagall predigen. Ein Ausdruck in schwarz/weiß dürfte auch genü-gen.

Der Predigttext bietet eine kürzere und eine längere Version. Wer die längere Version wählt, muss auf alle Fälle die geänderte Epistel (2. Kor 3, 3 - 6) nehmen oder die letzten Sätze der Predigt abändern.


Liebe Gemeinde,

stellen Sie sich vor, Sie sollten das Paradies malen: mit Farbkasten und Pinsel auf eine schöne große Leinwand. Das mag jetzt bei einigen schon lange her sein, dass sie zu Pinsel und Farbe gegriffen haben - anderen ist das vielleicht vertraut, sie malen als Hobby. Oder halt in der Schule, da muss man das ja auch hin und wieder.

Stellen Sie sich also vor, Sie haben Farbkasten, Pinsel und Leinwand und Sie wollen eine paradiesische Welt malen:
Sie wählen eine Leinwand quer oder längs, quadratisch oder rund.
Sie nehmen einen Pinsel, dick oder dünn.
Sie wählen eine Farbe: hell oder dunkel.
Sie malen.
Erst das eine, dann das nächste.
Was gehört für Sie mit hinein ins Paradies, in diese perfekte Welt?

PAUSE
Das Paradies, das ist die Schöpfung, wie Gott sie ur-sprünglich gemeint hat. Wo alles in Ordnung war, alles gut, alles friedlich. Wo sogar - wenn man die Schöpfungsberichte genau liest - die Tiere sich gegenseitig nicht auffraßen.

Wie sieht es aus, ihr Bild vom Paradies? Nur Farben? Oder gibt es auch Gestirne, Bäume, Pflanzen, Tiere, Menschen?

Marc Chagall, der große französische Maler, hat gern bunt und mit vielen Farben gemalt. Ein Bild nannte er "die Schöpfung". Man hätte es auch: "das Paradies" nennen können. (wer möchte und die Möglichkeit zur Vervielfäl-tigung hat, kann hier das Bild austeilen) Dieses Bild ist überraschenderweise gar nicht so bunt: auf einem Un-tergrund verschiedener Blautöne zeichnete Chagall mit Schwarz die Umrisse von Sonne und Mond, 2 Engeln, Bäumen, Sträuchern und unten im Bild von einem Mann und einer Frau. Es mutet eher wie ein Traum an, wo die Fische knapp unter den Vögeln fliegen.

Vielleicht wollte der Maler damit ausdrücken: So ist unsere Welt nicht, so hätte sie mal sein sollen, aber so ist sie nicht, unsere Welt. Das Paradies ist nur noch ein Traum, - und dennoch ist er wert geträumt zu werden; er ist es wert, im-mer wieder gemalt zu werden; er ist es wert, die Sehnsucht danach aufrecht zu erhalten.

Adam und Eva im Paradies wissen noch nicht, was auf sie zukommen wird. Die ganze Sache mit der Frucht vom Baum und der Vertreibung, mit den Mühen des Alltags, dem Kinderkriegen und Erziehen, der anstrengenden Arbeit, dem Älterwerden - alles das ist ihnen noch unbekannt. Nackt und unschuldig, wie sie sind, schauen sie sich in die Augen. Raum und Zeit scheinen unendlich zu sein.

So geht es wohl vielen Liebenden, wenn die Liebe frisch und jung ist. Man fühlt sich wie im Paradies. Zeit und Raum sind unwichtig, nur die Zweisamkeit ist das, was zählt.
Alles, was die sehen, die schon ein paar Jahre Zweisamkeit verlebt haben, das sieht man nicht. All die Mühen und Aus-einandersetzungen, die Entscheidungen und Herausfor-derungen, die Freude und das Leid, das kommen wird - nichts von dem ist wichtig am Anfang - das Paradies ist einem näher als die Wirklichkeit.

Kehren wir zurück zur Leinwand, Pinsel und Farbe. Was würden Sie malen, wenn das Thema anders hieße: z. B. "die Welt heute" oder "nach dem Sündenfall" oder "aus der Traum". Würden Sie dann malen wollen, oder vielleicht lie-ber eine Fotokollage anfertigen, von zerschundener Schöp-fung, verdunkelten Sternen, Krieg, Streit, Hunger und Vertreibung? Wie würden Sie Adam und Eva malen in diesem Bild?

PAUSE

Halten Sie sich ihre beiden Bilder im Geist nebeneinander: das Schöpfungstraumbild und die Realitätskollage. Wenn sie jetzt Jesus fragen würden, für welches der beiden Bilder er sich entscheiden würde, um es zu behalten, für welches der beiden Bilder würde er sich wohl entscheiden?

Ich meine, Jesus würde antworten: "Das vom Paradies, das Bild möchte ich behalten. Wie die Welt ist, dass weiß ich, wenn ich nur die Augen und Ohren aufmache. Aber der Traum und die Sehnsucht nach dem, wie es mal gemeint war, das darf nicht verloren gehen. Sonst kämpft niemand mehr darum."

Jesus hält diese Sicht auf das Leben durch. Man könnte sagen, er malt geradezu mit Freuden Idealbilder: Als er zur Nächstenliebe Stellung nehmen soll, erweitert er sie auf Feindesliebe; als er zum Sorgen befragt wird, hält er es mit der Sorglosigkeit; als er zum Ehebruch seine Meinung äu-ßern soll, erweitert er ihn auf den puren Gedanken an je-mand anderen. Oder wie in unserem Text: "Was Gott zu-sammengefügt hat, dass soll der Mensch nicht scheiden."
Ja, Jesus war ein Idealist: ein Träumer des Guten, des Vollkommenen, des Paradieses. Kein Jota will er davon preisgeben. - Und dennoch vergibt er dem Verbrecher, der mit ihm gekreuzigt wird; predigt vom barmherzigen Gott, schützt die Ehebrecherin davor gesteinigt zu werden. Jesus war ein Träumer und ein Realist zugleich: Ehen werden im Himmel geschlossen, denn die Vereinigung von Mann und Frau ist für Gott heilig - und dennoch gehen sie zu Bruch, damals wie heute. Das aber berechtigt niemand zu Häme, übler Nachrede oder gar körperlichen Angriffen. Wer gebrochen ist, bekommt einen neuen Anfang geschenkt.

Vom Prinzip her aber ist Liebe und Ehe angelegt auf le-benslänglich. So ist sie gedacht. Natürlich, die Liebe ver-ändert sich im Laufe der Zeit. Die Schmetterlinge im Bauch werden seltener und anders, es gesellen sich Themen wie Verantwortung, Treue, Zuverlässigkeit, Barmherzigkeit, Ver-gebung, Freude und geliebte Gewohnheit an die Seite der Liebe. Verbindlichkeit und Verbundenheit - das drückt eine Ehe aus.

Natürlich gibt es sie, die Gründe, sich zu trennen. Aber ich habe noch niemanden erlebt, der dies mit einem frohen Herzen und ohne Verletzungen getan hat. Man kann nicht „einfach“ auseinandergehen. Man kann zwar auseinander-gehen, aber nicht einfach. Und es ist jedes Mal ein Schei-tern, ein geplatzter Traum, und es gibt jedes Mal min-destens 2 verwundete Menschen.

Um nach so einem Scheitern wieder neuen Mut zum Lieben zu fassen, braucht es wohl auch wieder diesen Traum: dass das doch wahr sein könnte, zumindest beim nächsten Mal, dass Gott mir einen Menschen zu Seite stellt. Deshalb ist Jesus hier aus so kompromisslos. Der Mensch ist von Gott auf Zweisamkeit angelegt, die ihn von seinen Eltern trennt und in eine Liebesbeziehung zu einem anderen Menschen führt. Und wenn die Liebe und die Ehe hunderttausendfach scheitert - der Traum vom Paradies kann nicht geträumt werden ohne Mann und Frau. In die Sehnsucht nach einem Leben, wie es in Gottes Namen sein soll, gehört die dauerhafte Beziehung von Mann und Frau, gehört die Ehe mit hinein. Das darf nicht aufgegeben werden.

Schluss 1, wenn die Predigt nicht so lang sein soll:
So wie es Jesus sagt:
von Beginn der Schöpfung an hat Gott sie geschaffen als Mann und Frau. 7 Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird an seiner Frau hängen, 8 und die zwei werden "ein" Fleisch sein. So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern "ein" Fleisch. 9 Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.

Schluss 2, wenn die Predigt länger sein darf und noch ein Beispiel bieten soll:
Eine kleine Ehegeschichte zum Schluss:
Der Pfarrer/die Pfarrerin wird von einem älteren Ehepaar zum Gespräch gebeten. "Man wolle überlegen, ob das mit der goldenen Hochzeit denn schon dran sei", hieß es kurz im Telefonat, in dem der Termin vereinbart wurde. Erst als das Gespräch beendet war, fiel dem Pfarrer/der Pfarrerin auf, dass das eine doch etwas eigenartige Anmeldung für eine goldene Hochzeit gewesen war. Was heißt denn, "schon dran sei"? Goldene Hochzeit feiert man nach 50 Jahren. Vielleicht fielen ja die standesamtliche und die kirchliche Trauung mehr als gewöhnlich zeitlich auseinander. Nun, das Rätsel würde sich sicher beim persönlichen Gespräch lösen lassen.

Zunächst war nichts auffällig: Standesamtliche und kirch-liche Trauung auf zwei aufeinanderfolgenden Tagen. Ganz klassisch also. Und das war auch vor nunmehr fast 50 Jahren gewesen.

Aber dann begann die Ehefrau: "Ja, wissen Sie, Herr/Frau Pfarrer. Es gab da so eine Zeit zwischendurch, da waren wir nicht verheiratet. Da waren wir geschieden, bevor wir dann wieder geheiratet haben. Dann allerdings nur standesamt-lich."
"Oh, sie haben sich zerstritten und wieder versöhnt. Ja, da kann man sich natürlich fragen, ob diese Zeit dann zur Ehezeit dazu zählt oder nicht. Das würde ich im Got-tesdienst auf alle Fälle nicht unerwähnt lassen, und streng genommen könnten sie dann noch nicht ihre Goldene Hochzeit feiern. Dann müsste man das Datum eigentlich ändern. Aber ob Gott so kleinlich ist. Mmm, ich weiß nicht." reagierte der überraschte Pfarrer die überraschte Pfarrerin.

"Nein, so ganz so war es nicht", widersprach der Ehemann. "Wir haben uns ja absichtlich scheiden lassen. - Wissen Sie, wir haben doch in der Ostzone gewohnt, in der DDR. Als wir heirateten stand die Mauer noch nicht, aber uns war bald klar, dass wir in diesem System keine Kinder groß ziehen wollten. Republikflucht war aber damals schon verboten, und wenn einer ging, dann wurde der andere eingesperrt und das Vermögen kassierte der Staat ein. Davor hatten wir Angst. So haben wir Ehekrach gespielt mit allem drum und dran und haben uns scheiden lassen. Nur unsere Eltern wussten Bescheid und 2 gute Freunde. Dann bin ich nach Westberlin gezogen - also habe Republikflucht begangen."

"Und ich", ergänzte die Ehefrau "ich bin immer mit vollen Taschen in den Westen gefahren. Das durfte man ja damals noch, wenn man am Abend zurück kam. Monatelang habe ich das gemacht, mit der Bahn, mit dem Auto - bis wir alles drüben hatten, was uns wichtig war. Irgendwann bin ich dann einfach auch da geblieben."

Der Ehemann lachte: "Na ja, und dann sind wir von Berlin aus weiter nach Westen gezogen und haben wir einfach so weitergelebt und uns unser Leben aufgebaut. Geschieden wie wir waren in wilder Ehe."

"Bis was Kleines unterwegs war. Da ist es uns dann wieder eingefallen, dass wir ja gar nicht mehr verheiratet waren. Und dann haben wir halt noch einmal geheiratet.", setzte die Ehefrau fort.
"Wissen Sie was", der Ehemann lächelte verschmitzt "ei-gentlich waren die unverheirateten Jahre mit die besten in unserer Ehe!" Auch die Ehefrau lächelte: "Also für uns ge-hören diese Jahre auf alle Fälle dazu."

Mag sein, dass der Pfarrer/die Pfarrerin auf diese Geschichte hin in dieser Feier zur goldenen Hochzeit auch den Text erwähnt hat, den wir in der Lesung gehört haben:

"Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig."
(2. Kor 3,6b)
Amen.

Verfasserin: Pfarrerin Gundula Guist
Kirchgasse 10, 61250 Usingen


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