Menü

Gottes Herrlichkeit wird offenbar in dem Menschen Jesus von Nazareth

von Hagen Fleisbach

Predigtdatum : 26.12.2010
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Christfest 2. Feiertag
Textstelle : Johannes 8,12-16
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Ihre E-Mail

Wochenspruch: „Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ (Joh 1, 14 b)
Psalm: 138, 2 – 5

Lesungen
Altes Testament: Jesaja 61, 1 – 3 (4.9) 11.10
Epistel: 1. Johannes 5, 11 – 13
Evangelium: Lukas 2, 41 – 52


Liedvorschläge
Eingangslied: EG 39, 1 – 7 Kommt und lasst uns Christus ehren
Wochenlied: EG 72, 1 – 6 O Jesu Christe, wahres Licht
Predigtlied: EG 70, 1 – 2 + 4 + 7 Wie schön leuchtet der Morgenstern
Schlusslied: EG 38, 3 Wunderbarer Gnadenthron

Hinführung:

Gottes Herrlichkeit wird offenbar in dem Menschen Jesus von Nazareth. Das soll an diesem Sonntag gepredigt werden.

Die hier erzählten Szenen des Johannesevangeliums handeln vom Finden und Sehen. Zuerst findet Jesus Philippus, dann findet Philippus Nathanael. Philippus lädt Nathanael ein: Komm mit und sieh, wen wir gefunden haben! Gemeint ist: Wir haben den von den Schriften angekündigten Propheten und König Israels, den Messias gefunden. Aber Nathanael erwartet aus Nazareth nichts Gutes. Trotzdem lässt er sich überreden mitzukommen. Jesus sieht in ihm einen rechten Israeliten ohne Falsch. Da erkennt Nathanael, dass Jesus ihn kennt, und sieht in ihm den Sohn Gottes und König von Israel. Doch Jesus weist ihn auf die Zukunft, in der er noch Größeres sehen wird: den offenen Himmel und die Engel Gottes, die wie in Jakobs Traum über dem Menschensohn hinauf- und hinabsteigen.

In drei Teilen will ich in der Predigt die Hörerinnen und Hörer anregen, Jesus selber zu sehen und in ihm den Menschen zu entdecken, der sie Gottes Herrlichkeit schauen lässt.

1. Wen oder was sehe ich in einem anderen Menschen? Wen oder was sehen andere in mir? Negative Meinungen oder Vorurteile können das eigene, unbefangene Sehen verhindern. In solchen Fällen gilt: Komm und sieh selbst!

2. Das Überraschende für Nathanael ist: Jesus, den er zum ersten Mal sieht, kennt ihn bereits. Er sieht in ihm, was andere so noch nicht gesehen haben, und Nathanael erkennt sich darin wieder.

3. Jesus eröffnet einen Ausblick, wie an ihm Gottes Herrlichkeit sichtbar wird. Er greift zurück auf die alte Erzählung von Jakobs Traum. Wer den Himmel offen sieht, wird sehen, wie Himmel und Erde sich berühren und Gottes Engel in die Tiefe steigen. Er sieht den Menschen, mit dem Gott sich verbündet hat.


Predigt

Liebe Gemeinde,

„Komm und sieh!“

Dazu ist heute jeder von uns eingeladen. Komm und sieh selbst, wer Jesus ist!

Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Ja, es scheint, als hätten wir diese Einladung gar nicht nötig. Wir wissen doch schon Bescheid über Jesus. Wir haben doch gerade das Fest seiner Geburt gefeiert und die alte Geschichte gehört: „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird. Euch ist heute der Heiland geboren!“ Wir haben den Stall mit Maria und Josef und dem neugeborenen Jesuskind vor uns gesehen und dazu gesungen: „Ich steh an deiner Krippen hier, o Jesu, du mein Leben“, oder: „Welt ging verloren, Christ ist geboren: Freue, freue dich, o Christenheit!“
Das alles gehört zum Weihnachtsfest, wie wir es kennen. Aber auch wenn wir es viele Jahre schon so erlebt haben, ist damit noch nicht gesagt, dass wir zu Jesus wirklich eine persönliche Beziehung gefunden haben. Wir haben wohl manches über ihn gehört und gelesen. Doch wer könnte sagen: Ich kenne Jesus! Und er kennt mich!?
Nicht wahr, das wird sich keiner getrauen. Nehmen wir also an, es würde jemand zu uns kommen, so wie Philippus zu Nathanael kam, und sagen: Stell dir vor, ich gehöre jetzt zu einem Kreis von Leuten, die mit Jesus von Nazareth unterwegs sind! Wir haben in ihm endlich den Mann gefunden, den wir gesucht haben. Er ist derjenige, den die heiligen Schriften ankündigen als Propheten und König Israels. Er ist der Messias, der unserem Volk und unserem Land den ersehnten Frieden bringt.

Nun antworten wir nicht etwa: Das ist ja wunderbar! Diesen Mann muss ich mir einmal aus der Nähe ansehen und selber hören, was er zu sagen hat. Nein, wenn wir Nathanael wären, würden wir erwidern: „Was kann aus Nazareth Gutes kommen?“

Nathanael hat schon eine Meinung über Nazareth, und daher hat er auch schon eine Meinung über Jesus. Offenkundig ist das keine gute Meinung. Vielleicht kennt er die Stadt nur vom Hörensagen, vielleicht war er selbst schon dort gewesen. Nazareth lag abseits der Hauptverkehrswege, fern von den politischen und religiösen Zentren. Ein Ort in der Provinz, im Hinterland, ohne nennenswerte Bedeutung. Nathanael rechnet nicht damit, dass aus diesem Nest etwas Gutes kommt.

Und wenn man erst einmal so eine schlechte Meinung über einen Ort hat, dann erwartet man von dort auch nichts Gutes. Nathanael muss Nazareth gar nicht aus eigener Erfahrung kennen. Es genügt völlig, dass er die Stadt sozusagen in eine Schublade einsortiert hat. Für den Messias ungeeignet. Der Mann, der Israel Frieden bringt, wird doch nicht aus so einem unbedeutenden Nest kommen.

Vielleicht hat Nathanael auch schon von Josef gehört. In der kirchlichen Tradition bezeichnen wir Josef als Zimmermann. In Wirklichkeit war er ein Architekt und Baumeister, also Handwerker und Kleinunternehmer. Es ist möglich, dass Nathanael ihn gekannt hat. Aber es passt nicht in seine Vorstellung, dass der Messias aus einer Handwerkerfamilie in Nazareth kommt.

Liebe Gemeinde, es scheint, als könnte es uns nicht so ergehen wie Nathanael. Aber wie ist es, wenn wir von einem Menschen, den wir noch nicht näher kennen, hören: Dieser Mensch kommt aus dem Ort Sowieso (evtl. Namen einfügen), von dem wir aus irgendeinem Grund keine gute Meinung haben? Folglich kann es sein, dass wir kein Interesse haben, diesen Menschen zu sehen, d.h. ihn persönlich kennen zu lernen.

Wir sehen andere Menschen am ehesten unbefangen, wenn wir noch nichts über sie wissen. Haben wir uns erst einmal eine Meinung über sie gebildet, dann wird es schwierig, sie unabhängig davon zu sehen. Und natürlich geht es anderen mit uns genauso. Wen oder was sehen die anderen in uns? Wer sieht uns wirklich so, wie wir sind? Wenn sich andere nicht von einer allgemeinen Meinung leiten lassen, sondern uns offen und unvoreingenommen begegnen, ist das jedes Mal ein Glücksfall.

Das Glück einer echten Begegnung besteht nämlich darin, dass einer den anderen wirklich sieht und vom anderen wirklich gesehen wird. Sehen und Gesehen werden kann zwar bei gesellschaftlichen und öffentlichen Anlässen auch oberflächlich passieren, ohne dass es zu einer Begegnung kommen muss. Aber eine Begegnung, in der einer den anderen nicht „sieht“, nicht als Person erkennt, sodass der andere sich auch erkannt und verstanden fühlt – eine solche Begegnung verdient den Namen nicht. Dann kommt es zwar zu einem unpersönlichen, förmlichen oder eher formlosen Zusammentreffen, aber nicht zu einer Begegnung.

Können wir in diesem Sinn sagen, dass wir Jesus kennen? Dass wir ihm persönlich begegnet sind? Oder hält uns eine allgemeine Meinung davon ab? Sicher meinen wir nicht, aus Nazareth könnte nichts Gutes kommen. Aber Nazareth steht auch für den Ort, aus dem die nächsten leiblichen Verwandten Jesu kommen. Nazareth steht auch für den Ort in unserer Nachbarschaft, der nichts Bedeutendes vorzuweisen hat oder von dem die Leute sagen: Da ist doch nichts Besonderes los, da lohnt es sich gar nicht, hinzugehen. Nazareth steht, kurz gesagt, für die gewöhnliche Welt. Was sollte von dort Gutes kommen? Vielleicht hindert uns gerade die Meinung, die wir von der gewöhnlichen Welt haben, eine persönliche Beziehung zu Jesus zu finden.

„Komm und sieh!“, heißt es dann einfach. Und Nathanael lässt sich überreden. Er hat zwar keine gute Meinung von Nazareth. Aber vielleicht denkt er: Schau’n wir mal! Es könnte ja sein, dass an dem, was mir da über Jesus erzählt wurde, doch etwas dran ist. Das ist jedenfalls das Gute an Nathanael, dass er nicht ein- für allemal bei seiner schlechten Meinung bleibt. Er ist bereit, selber herauszufinden, ob es wahr ist.

Wie gut, wenn wir uns auch wie Nathanael einladen lassen! Wenn wir selber sehen wollen, wer Jesus ist! Es reicht ja nicht aus, sich über Jesus irgendwann einmal eine Meinung gebildet zu haben. Das macht uns nicht zu Christen. Wenn wir Christen sein und als solche angesprochen werden wollen, dann liegt uns daran, herauszufinden, wer er ist. Dann sind wir daran interessiert, ihm persönlich zu begegnen.

Wie Jesus einen Menschen sieht

Jetzt geschieht etwas Überraschendes. Szenenwechsel. Jesus sieht Nathanael kommen und sagt von ihm: „Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein Falsch ist!“

Wer also zu Jesus kommt, wird von ihm gesehen. Das Erste ist nicht, dass ich Jesus sehe. Das Erste ist, dass er mich sieht. Im Johannesevangelium können wir an anderer Stelle den erstaunlichen Satz lesen: Jesus „bedurfte nicht, dass ihm jemand Zeugnis gab vom Menschen; denn er wusste, was im Menschen war“ (Joh 2, 25). Demnach weiß er von jedem Menschen, was in ihm steckt.

Nathanael fragt überrascht: „Woher kennst du mich?“ Die Antwort Jesu klingt für uns zunächst einigermaßen rätselhaft: „Als du unter dem Feigenbaum warst, sah ich dich“. Was mag daran so auffällig gewesen sein?

Die Rabbinen, die Lehrer Israels, wählten gern den Platz unter einem Baum, um dort die heiligen Schriften zu studieren und zu lehren. War Nathanael also deswegen ein echter Israelit, weil er in den Schriften forschte und dadurch zu Jesus kam? Das ist eine schöne Erklärung, aber im Evangelium steht nichts davon, dass Nathanael unter einem Feigenbaum die heiligen Schriften las.

Was hat Jesus Besonderes in ihm gesehen? Im ersten Buch der Könige wird das Königreich Salomos in leuchtenden Farben geschildert. Salomo war ein reicher und mächtiger Herrscher, und sein Königreich reichte weit. Aber das Beste, was der Geschichtsschreiber zu berichten weiß, ist dies: Salomo hatte Frieden mit allen seinen Nachbarn, „sodass Juda und Israel sicher wohnten, jeder unter seinem Weinstock und Feigenbaum ...“ (1 Kön 5, 5).
Hat Jesus den Feigenbaum als ein Zeichen des Friedens im jüdischen Volk und zwischen den Völkern gesehen? Hat er in Nathanael die Zukunft Israels, die Erfüllung der messianischen Hoffnung auf Frieden gesehen? Nathanael unter dem Feigenbaum – da ist der Friede, auf den Israel hoffte, schon Wirklichkeit geworden. Und daher sieht Jesus in ihm einen Israeliten ohne Falsch, einen Israeliten, wie er sein kann, wenn unter den Völkern Friede ist. Die Sehnsucht eines ganzen Volkes sieht Jesus erfüllt.

Die Psalmen stellen wiederholt denjenigen als den rechten Beter dar, in dessen Mund oder auf dessen Lippen kein Falsch ist. Auf diesem Hintergrund erscheint Nathanael auch als der Erste des geretteten Gottesvolkes, an dem einst kein Trug mehr sein wird. Jesus sieht in ihm dieses Volk der Endzeit, aus dem Gottlosigkeit und Trug vertrieben sind (Zeph 1,9; 3,13). Es wird die Psalmen neu beten lernen.
Ein Israelit ohne Falsch – das ist einer, der es ernst meint mit Gott.
Das trifft Nathanael persönlich. Du kennst mich, sagt er. Er erkennt sich wieder in den Augen Jesu. Er erkennt, dass er das ist und sein kann, was Jesus in ihm sieht: ein wahrer Israelit.

Liebe Gemeinde, wenn jemand von uns zu Jesus kommt, um ihn selber kennen zu lernen, dann wird Jesus diesen Menschen sehen. Er wird mehr in dir sehen, als du selbst gewusst hast. Er sieht, wer du bist und wer du sein kannst: ein wahrhaftiger Mensch. Er gibt dir eine Vision von dir und deinem Leben. Er sieht dich als Einzelnen und sieht, dass du die Möglichkeit hast, an deinem Ort die Lebenshoffnung zu erfüllen, die nicht nur Israel bewegt, sondern alle Völker im Verhältnis zu ihren Nachbarn. Die Hoffnung, in Frieden beieinander wohnen zu können.

Jesus sieht in Nathanael einen Hoffnungsträger. Soviel traut er diesem einen Menschen zu – und nicht allein ihm, sondern jedem, der zu ihm kommt! Jeder Einzelne kann das Schicksal der Welt zum Guten und zum Bösen beeinflussen. Jeder kann an seinem Ort zum Frieden aller beitragen.

Davon ist Nathanael so getroffen, dass er bekennt: „Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel!“ Jetzt erkennt er auf einmal, mit wem er es zu tun hat. Nathanael versteht: Ein Mann, der mich so sieht, der mit einem Blick mein Wesen und meine Möglichkeiten erfasst und solche Hoffnung in mich setzt, ist kein gewöhnlicher Mensch. Er erfüllt die höchsten Erwartungen, die man in Israel einem Menschen entgegenbringen konnte. Erwartungen eines von Gott gesandten Heilsbringers.

Doch Jesus zeigt sich von Nathanaels Bekenntnis unbeeindruckt. Es ist, als würde er abwinken und dem anderen sagen: Warte nur! Verglichen mit dem, was du jetzt einsiehst, kommt noch etwas viel Größeres auf dich zu. Und dann eröffnet er ihm einen Ausblick in die Zukunft. Um genau zu sein, nicht nur zu diesem einen, sondern zum ganzen Kreis seiner Jünger gewandt sagt Jesus: „Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren über dem Menschensohn“.

Eine Vision vom Menschen

Wenn wir Jesus begegnen, wenn er uns sieht und wir von ihm gesehen werden, dann beginnt unser Weg mit ihm. Dann bekommen wir – das verspricht er uns – etwas Großes zu sehen.

Im Gespräch mit Nathanael greift Jesus zurück auf die Geschichte Jakobs, eines der Stammväter Israels. Auf der Flucht vor seinem Bruder Esau, dem er mit einem Betrug den väterlichen Segen abgelistet hatte, kam Jakob an einen Ort, wo er sich nachts schlafen legte. Da träumte er von einer Himmelsleiter, auf der Engel auf- und niederstiegen. Und Gott, der Ewige, sprach zu ihm große, verheißungsvolle Worte: „... durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden. Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst ...“ (1 Mose 28, 14f).

Als Jakob wieder aufwachte, erkannte er, dass er an einem heiligen Ort war. Er nannte den Ort Beth-El, das heißt: Haus Gottes.

Jesus verspricht Nathanael und allen seinen Jüngern: Ihr werdet sehen, was Jakob in seinem Traum sah. Ihr werdet den Himmel offen sehen. Da berühren sich Himmel und Erde, da werden Gottes Engel auf- und niedersteigen. Und darunter werdet ihr einen Menschen sehen, der in unaufhörlicher Gemeinschaft mit Gott lebt, den Menschensohn.

Wo dieser Mensch auf die Erde kommt, da ist das Haus Gottes, da wohnt Gott selbst unter den Menschen. Da wird es wahr, was Jesus später so ausdrückt: „Wer mich sieht, der sieht den Vater!“ (Joh 14, 9).

Liebe Gemeinde, das ist die Aussicht, mit der wir unterwegs sind, wenn wir wie Nathanael aufbrechen, um Jesus selber zu sehen. Wenn Jesus für uns mehr wird als ein Name ohne Gesicht, wenn wir ihm als Person begegnen und in eine Beziehung zu ihm treten, dann lässt er uns seine Herrlichkeit sehen. Dann sehen wir, wie ein Mensch ununterbrochen in Verbindung mit Gott, dem Vater, lebt.

Was ist denn das Große daran? Wir werden sehen, wo Himmel und Erde sich berühren. Wo der Mensch in Verbindung mit Gott lebt, da ist die Erde ein heiliger Ort und die Pforte des Himmels. Und da wird es wahr werden: „Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen“ (Ps 24, 1).

Wir beginnen dieses neue Jahr mit manchen Hoffnungen und Erwartungen. Wir erhoffen etwas Gutes für uns selbst, für unsere Familien und die Menschen, mit denen wir besonders verbunden sind. Welche Hoffnung kann Jesus in uns wecken?

An Nathanael zeigt sich: Es kommt nicht darauf an, welche Meinung wir über Jesus haben. Wichtig ist, dass wir zu ihm gehen und ihn selber kennen lernen und sehen wollen. Und in der Begegnung mit ihm geschieht etwas. Er sieht uns, bevor wir ihn sehen. Jesus gibt uns eine Vision von uns selbst und unserem Leben, so dass wir sehen, wie wir an unserem Ort in Frieden beieinander wohnen können. Und er gibt uns als das Größte eine Vision vom Menschen. Wir sehen durch ihn, wie die Erde ein heiliger Ort wird. Wo er ist, da ist Gott zuhause.

Wenn wir keine Vision von uns selbst haben, wer wir in Wahrheit sein können, dann verödet unser Leben. Dann müssen wir anderen ständig beweisen, wer wir sind, oder wir brauchen immerzu das Gefühl, von vielen gesehen zu werden.

Wenn wir keine Vision vom Menschen haben, dann zeigt uns die Erde mehr und mehr ein unmenschliches, gleichgültiges Gesicht.
Es gibt viele Menschen, die sich nicht wahrgenommen fühlen. Die denken, sie seien unwichtig. Für die der Himmel verschlossen ist, weil niemand ihnen ein menschliches Gesicht zeigt, sondern nur Interesselosigkeit und Ablehnung.

Nathanael wusste eigentlich nicht, wer er war, bevor er Jesus traf. Er hatte keinen Traum vom Menschen, bis ihm gesagt wurde: „Du wirst noch Größeres sehen“.

Was mag aus ihm geworden sein? Wir erfahren es nicht. Nathanael wird im Evangelium nur dieses eine Mal erwähnt.
Ich stelle mir vor, wie er nach der Begegnung mit Jesus sich selbst und die Welt mit anderen Augen gesehen hat. Und wenn jetzt jemand hier wäre, der so dächte wie Nathanael, würde ich zu ihm sagen:
Du bist mehr als du von dir selbst weißt und die anderen in dir
sehen!
Du hast Möglichkeiten, die nur einer kennt: Jesus.
Er kennt dich, er sieht dich wie kein anderer.
Er sieht in dir einen Hoffnungsträger.
Er traut dir zu: Du kannst etwas zum Frieden der Menschen
beitragen.
Du kannst ohne Falsch sein.
Wenn du mit Jesus unterwegs bist, wirst du sehen:
Der Ort, an dem das Heilige in die Welt kommt, ist eine Person.
Der Mensch, der mit Gott verbunden ist – das ist der heilige Ort.


Verfasser: Pfarrer Dr. habil. Michael Heymel, Schulzengasse 9, 64291 Darmstadt

Herausgegeben vom

Logo Zentrum Verkündigung

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de

in Kooperation mit dem

Logo Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland

Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97

Logo MÖD – Missionarisch Ökumenischer Dienst
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de