Menü

Gottes Wort – Samen, der Frucht bringt

von Angela Rinn (55124 Mainz)

Predigtdatum : 27.02.2011
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Sexagesimae
Textstelle : Markus 4,26-29
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Ihre E-Mail

Wochenspruch: „Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, verstockt eure Herzen nicht.“ (Hebräer 3, 15)
Psalm: 119, 105.114.116 – 117

Lesungen
Altes Testament: Jesaja 55, (6 – 9) 10 – 12 a
Epistel: Hebräer 4, 12 – 13
Evangelium: Lukas 8, 4 – 8 (9 – 15)


Liedvorschläge
Eingangslied: EG 440 All Morgen ist ganz frisch und neu
Wochenlied: EG 71,1.5.6. O König aller Ehren
Predigtlied: EG 70, 1 – 4 Wie schön leuchtet der Morgenstern
Schlusslied: EG 593,1.2.5. Licht, das in die Welt gekommen


Und er sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst - er weiß nicht, wie. Denn von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da.


Liebe Gemeinde,

dieses Gleichnis ist ein winziger, kostbarer Solitär in der Bibel - nur Markus hat ihn aufbewahrt. War das kleine Gleichnis den anderen Evangelisten zu unscheinbar, zu unverständlich oder gar anstößig? So hat nur Markus diese Jesusworte behalten, und Jesusworte werden es wohl gewesen sein, so radikal konnte nur einer reden. Schauen wir uns diesen kleinen Edelstein näher an, durch die Lupe des Juweliers.

Da findet sich ein kleines Wörtchen im Griechischen, das Wort automatä, wir kennen es vom Wort Auto, automatisch. So, von selbst, eben automatisch, meint Jesus, wächst die Saat. Ist er ein Prophet, der etwa die Erfindung der Drillmaschine voraussieht? Doch erschließt uns die Erfindung dieser Maschine vor knapp 150 Jahren, die den Bauern die regelmäßige Aussaat erleichterte, den Sinn dieses Gleichnisses? Ich glaube nicht.

Also ein anderer Zugang. Wann geschieht hier was automatisch? Automatisch wächst die Saat, während der Mann schläft und aufsteht, Tag und Nacht, und er weiß nicht wie. Meint Jesus. Merkwürdig: Da schläft einer die ganze Zeit, dabei weiß doch jeder, dass ein Bauer auch nach der Aussaat noch eine Menge zu tun hat.

Den Seinen gibts der Herr im Schlaf. Schlaf ist lebensnotwendig, Schlafentzug eine Folter. Welche Folter Schlafentzug ist, kann jede junge Mutter und jeder junge Vater bestätigen. Manche frischgebackenen Eltern erzählen, dass sie sich das mit dem Kinderkriegen noch mal genauer überlegt hätten, wenn sie gewusst hätten, wie es ist, jede Nacht mehrmals aus dem Schlaf gerissen zu werden. Wir brauchen den Schlaf, um wieder zu Kräften zu kommen, wir brauchen unsere Träume, um alle Eindrücke, die auf uns zukommen, zu verarbeiten. Doch viele Menschen kennen die Erfahrung, dass man nicht unbedingt einschlafen kann, wenn man will, ja dass es dem Schlaf eher hinderlich ist, wenn man ihn herbeizwingen will. Wir sind also nicht Herren und Herrinnen unseres Schlafs, und da wird es nun tatsächlich sehr interessant. Schlafend sind wir ganz bei uns und wissen doch nicht, was uns geschieht. Schlaflabor hin oder her - keiner kann sagen, was geschieht, wenn er eingeschlafen ist. Selbst der Vorgang des Aufwachens ist geheimnisvoll. Im Schlaf haben wir nicht die Kontrolle über uns selbst. Diese Kontrolle haben wir - so meine ich - sowieso nie ganz, aber im Schlaf wird es exemplarisch ganz deutlich. Im Schlaf gehören wir nur uns und sind uns gleichzeitig entzogen.

Ich ahne: So ist das auch mit meinem Leben vor Gott. Es ist mein Leben, das ich genieße und erleide, und doch gehört mir im Grunde nichts von dem, was ich - scheinbar - besitze und bin. Jeder kluge Mensch ahnt, dass sein Leben reines Geschenk ist.

Während der Bauer schläft, wächst die Saat. Das ist der Stachel im Fleisch für alle, die meinen, es stünde in ihrer Macht, die Welt zu gestalten. Gleichzeitig ist es Trost für alle, die verzweifeln wollen, weil trotz all ihrer Arbeit und Mühe noch vieles unfertig und traurig ist. Sieh doch, es hängt nicht an Dir, es geschieht, während du schläfst. Provozierend sorglos geht es zu bei Jesus.

Der Samen ist gesät, die Frucht wird wachsen. Jesus wusste sicherlich, dass auch nach der Saat viel Arbeit ansteht. Und über die Entwicklungsstufen der Pflanze war er sicherlich informiert. Trotzdem sagt er, dass der Bauer nichts tut, während die Saat wächst. Und dass er nicht weiß, wie es zugeht. Das ist verblüffend - Ich soll also staunen, aufmerken, hinschauen. Wie es einem kostbaren Solitär auch zusteht.

Weil der Mensch nichts tut, wird das Wachsen der Saat auf jeden Fall geschehen. Weder gute Werke noch Fehler des Bauern werden das Geschehen beeinflussen. Der Anfang ist gemacht, der Anstoß gegeben, die Ereignisse nehmen ihren Lauf. Wo einer nicht weiß, wie es zugeht, steht er staunend dabei und wundert sich.

Mit dem Reich Gottes ist es so, sagt Jesus, und er erzählt unser Gleichnis. Ein kleiner Solitär, den wir uns in einem Ring fassen lassen und stets am Finger tragen sollten. Schön ist er, dieser Edelstein, und funkelt überraschend, weil es nicht möglich ist, klare Zuordnungen zu treffen. Es ist nicht möglich, zu sagen: der Bauer ist Gott, oder: der Bauer ist Mensch. Es ist nicht möglich zu sagen: der Same ist unser Glauben, der Same ist das Evangelium. Unser Edelstein ist wundervoll, weil er uns funkelnd immer neue Perspektiven eröffnet, schillert in den Deutungen:

Wenn wir etwa den Bauern mit Gott identifizieren, dann klappt das vielleicht einen kurzen Moment. Gut, Gott hat der Welt seine gute Botschaft verkündet, er hat Glauben gesät. Aber dann merken wir, dass wir Menschen uns in der Figur des Bauern wiederfinden. Wir sind es doch, die so unwissend sind wie der Bauer, wir sehen höchstens staunend auf das, was Glauben ermöglicht, aber wie er entsteht und wächst - das wissen wir nicht. Wir wissen ja auch nichts über das, was die Welt im innersten zusammenhält. Wir können Verbindungen herstellen, Geschichte erforschen und interpretieren - aber die Grundmechanismen bleiben uns verborgen. Es geschieht wie im Schlaf, und erfahren wir nicht gerade dann die Wirklichkeit Gottes, wenn wir uns - wie im Schlaf - selbst vergessen und einfach leben, vor Gott, lobend, dankend, staunend über das, was er uns schenkt? Aber wir sind wieder nicht mehr der Bauer, wenn es um das Einbringen der Ernte geht, wir können uns wohl kaum mit dem identifizieren, der die Sichel schickt, sobald die Ernte da ist. Und sind wir nicht wie Samenkörner, die wachsen und sich im Licht Gottes entfalten? Aber wem ist die Erde zu vergleichen? So blitzt die Perspektive hin und her.

Eines steht jedenfalls fest: Offenbar kommt es insgesamt auf meine Einstellung, auf mein Warten nicht an, wenn es um das Reich Gottes geht. Dieses Reich kommt, unabhängig davon, ob wir schlafen oder wachen. Es kommt so gewiss wie die Ernte im Gleichnis eines Tages da ist.

Und wie es aussieht, dieses Reich...?
Der Edelstein funkelt.
Einen Ring schenkt mir ein lieber Mensch.

Vielleicht ist es ja die Liebe, die mir viel davon erschließt, wie dieses Reich aussieht. In der Liebe erfahren wir einen Abglanz dieses Reichs, und jeder von uns ist schon einmal geliebt worden in seinem Leben, gleichgültig davon, wie es gerade jetzt im Leben aussieht, denn ein Mensch ohne Liebeserfahrung muss sterben, wir können nur leben, überleben wenn wir wenigstens ein bisschen Liebe erfahren haben.

Der Stein glänzt, ein Strahl fällt in unser Herz und weckt eine Sehnsucht, wie ein Samenkorn, das aufgehen mag.

Deshalb sind Sie heute gekommen. Denn jeder Mensch, der in einen Gottesdienst kommt, trägt in sich diese Sehnsucht, sucht nach dieser Liebe, dieser Wahrheit, sucht nach Gott und damit nach seinem Reich. Selbst eine Konfirmandin oder ein Konfirmand, der oder die zunächst sagen würde - ich bin nur hier, damit ich meine 20 Pflichtgottesdienste zusammenbekomme, hat sich doch dafür entschieden, ein Jahr lang nach Gott zu suchen. Das macht nur jemand, der eine Sehnsucht danach hat, etwas Sinnvolles zu tun, Wahrheit zu finden, sich selbst besser zu erkennen. So ist jeder von uns ein Mensch, der auf der Suche nach dem Reich Gottes ist. Nach dem Funkeln des Steins.

Und gleichzeitig ist jeder von uns ein Zeichen dafür, dass das Reich Gottes wächst. Mitten in einer Gesellschaft, die in beispielsloser Weise Rücksichtslosigkeit und Egozentrik kultiviert, in der Menschen regelmäßig funktionalisiert werden, in der nur noch nachgefragt wird, was mir der oder die "bringt", und wenns nichts mehr bringt, kann man den Menschen auch entsorgen wie Abfall. Mitten in dieser Gesellschaft gibt es Menschen, die so nicht leben wollen, die sich auseinandersetzen wollen mit anderen und mit sich selbst und mit Gott.

Die Saat wächst.
Wir wissen nicht, wie.
Wir sehen nur, dass es so ist. Gleichzeitig sind wir mit allen Fasern unseres Lebens an diesem Wachsen, diesem automatischen Wachsen, beteiligt.

Ein kleiner Stein funkelt. Gut, dass Markus ihn aufbewahrt hat - für uns. Ich merke: er ist ein Trost in allen großen und kleinen Konflikten, die mich traurig machen und kränken wollen, in allen Sorgen, die mich befallen mögen. Gleichzeitig ein tüchtiger Dämpfer, wenn ich mir einbilden will, Welt- und Gottesreich existieren und gedeihen nur, weil es mich gibt und ich so tüchtig bin.

Und dann: Ein Schlaf. Erholsam, tief. Ein Schlaf, nach dem die Welt anders aussieht, klarer auch. Warum, wissen wir am Morgen nicht, aber dass es so ist, spüren wir wohl.

Amen

Verfasserin: Pfarrerin Dr. Angela Rinn, Eleonorenstraße 31, 55124 Mainz

Herausgegeben vom

Logo Zentrum Verkündigung

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de

in Kooperation mit dem

Logo Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland

Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97

Logo MÖD – Missionarisch Ökumenischer Dienst
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de