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Gottes Wort – Samen, der Frucht bringt

von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)

Predigtdatum : 27.01.2008
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Sexagesimae
Textstelle : Apostelgeschichte 16,9-15
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Wochenspruch:

Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht. (Hebräer 3, 15)

Psalm: 119 (EG 748)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 55, (6 – 9) 10 - 12a
Epistel:
Hebräer 4, 12 – 13
Evangelium:
Lukas 8, 4 – 8 (9 – 15)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 497
Ich weiß, mein Gott, dass all mein Tun
Wochenlied:
EG 196
Herr, für dein Wort sei hochgepreist
Predigtlied:
EG 66
Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude
Schlusslied:
EG 572
Gottes Wort ist Licht in der Nacht ( Kanon )

Liebe Gemeinde!
Im Jahr 344 v. Chr. zog der junge König von Mazedonien, Alexander, mit einem glänzenden Heer über den Bosporus. Er trat einen Siegeslauf ohnegleichen an: er eroberte alles, was sich ihm in den Weg stellte: Kleinasien, Persien, Palästina, Ägypten. Sein Weg ging bis nach Indien, an die Enden der damals bekannten Erde. Sein Weg war geboren aus dem Willen nach Macht, aus dem Willen nach Ruhm, aus dem Willen, das Reich und den Geist griechischen Denkens auszubreiten bis in die hintersten Winkel der Erde. Und sein Weg war gekennzeichnet durch Schlachten, durch Tränen, durch Tote. Am Ende seines Weges stand der Kampf um sein Erbe – erbitterte Kämpfe der Diadochen.
400 Jahre später, im Jahr 51 n. Chr. zogen unbeachtet und wenig glanzvoll vier Männer über den Bosporus nach Europa. Sie kamen ohne Heer. Sie kamen ohne Waffen. Sie kamen getrieben von Gott und mit einer einzigen Absicht: das Evangelium von Jesus Christus weiterzutragen, dorthin, wo Gott sie hingerufen hatte. Dieser Schritt nach Europa war nicht geboren aus dem Willen nach Ruhm, auch nicht geboren aus den strategischen Überlegungen einer missionarischen Kadertruppe. Er war geboren aus dem Willen Gottes.
Die Apostelgeschichte erzählt es uns:

9 Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: ein Mann aus Mazedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns! 10 Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, da suchten wir sogleich nach Mazedonien zu reisen, gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen.
11 Da fuhren wir von Troas ab und kamen geradewegs nach Samothrake, am nächsten Tag nach Neapolis 12 und von da nach Philippi, das ist eine Stadt des ersten Bezirks von Mazedonien, eine römische Kolonie. Wir blieben aber einige Tage in dieser Stadt. 13 Am Sabbattag gingen wir hinaus vor die Stadt an den Fluss, wo wir dachten, dass man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen.
14 Und eine gottesfürchtige Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, so dass sie darauf achthatte, was von Paulus geredet wurde. 15 Als sie aber mit ihrem Hause getauft war, bat sie uns und sprach: Wenn ihr anerkennt, dass ich an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt da. Und sie nötigte uns.

Am Anfang des Schrittes nach Europa stand kein einstimmiger Beschluss nach langer Diskussion. Am Anfang dieses Schrittes stand ein Traum. Was ist das für eine Grundlage für das Handeln von Menschen! Wenn wir uns das vorstellen: da erzählt einer, dass er auf einen Traum hin nun in unserer Kirchengemeinde eine Gruppe gründen wolle. Da erzählt einer, dass er auf einen Traum hin nun nicht mehr hier bei uns, sondern in Japan arbeiten wolle. Können wir uns das vorstellen? Ich denke, dass uns das sehr schwer fällt.
Es sitzt tief in uns fest: Träume sind Schäume – darauf kann ich nicht bauen. Aber: es war kein Traum, wie wir ihn wohl jede Nacht träumen, den Paulus gesehen hatte. Im griechischen Text steht ein Wort, das die Schreiber des Neuen Testaments auch verwenden, wenn sie von den Erscheinungen des Auferstanden reden. Das macht deutlich: In diesem Gesicht geschieht ein Einbruch Gottes in unsere Welt. In diesem Gesicht meldet sich Gott aus seiner Verborgenheit in der normalen Welt des Paulus, in der auch wir leben zu Wort.
Das ist etwas Wichtiges: Wir können und sollen damit rechnen, dass in unseren gewohnten Lebensvollzügen sich Gott zu Wort melden kann. Er kann durch Träume zu uns sprechen, er kann durch Geschehnisse unseres Alltags zu uns sprechen. Er kann durch Menschen zu uns sprechen. Unsere Welt, ist nicht abgeschlossen gegen das Sprechen Gottes: Er kann an allen möglichen Stellen aus seiner unsichtbaren Welt in unsere Sichtbarkeit hineinwirken.
Für Paulus und seine Freunde war es klar: dieses Gesicht, dieser Traum ist Botschaft Gottes für uns. Und darum leisten sie diesem Traum Gehorsam weil sie hinter dem Traumgesicht den Herren wissen. Sie vertrauen sich der Führung Gottes an auch wenn Gott sie durch solch seltsame Wegweisung wie einen Traum führt.
Das ist das Stichwort auch für uns: Führung Gottes. Jeder von uns darf damit rechnen, dass Gott ihn führen will. Jeder von uns darf damit rechnen, dass Gott ihm den Platz zeigen will, an dem er ihn braucht. Dem einen zeigt er durch eine Stellenausschreibung, dem anderen zeigt er es durch einen Freund, der sagt: ich brauche einen Mitarbeiter. Dem dritten zeigt er es durch eine Versetzung und dem vierten vielleicht durch die Nachrichten im Fernsehen, die ihn nicht ruhen lassen. Gott will jeden von uns an seinen Platz führen darauf dürfen wir uns verlassen. Gott braucht Menschen, die sich von ihm führen lassen. Er braucht sie, damit der Lauf des Evangeliums in die Welt nicht stecken bleibt.
Wir wollen uns noch einmal den Traum ansehen, durch den Gott Paulus und seine Freunde nach Europa ruft: Paulus hat kein Gottesgesicht. Er sieht nicht wie vor Damaskus ein überirdisches Licht. Er sieht einen Menschen – einen, den er wohl an der Tracht als einen Griechen, als einen Mazedonier erkennt. Er sieht einen Menschen und er hört einen Hilfeschrei: Komm herüber und hilf uns!
Das ist nichts Besonderes – auch damals nicht: zu allen Zeiten schreien Menschen um Hilfe. Da schreien Menschen um Hilfe, weil sie kein Brot haben; da schreien Menschen um Hilfe, weil sie keine Zukunft haben; da schreien Menschen um Hilfe, weil sie keinen Menschen haben. Menschen schreien um Hilfe, weil sie geschlagen werden, weil sie gefoltert werden, weil sie niedergetreten werden in den Staub und den Dreck. Nein, es ist nichts besonderes, dass Menschen um Hilfe rufen.
Aber Paulus und seine Freunde sind gewiss: in diesem Ruf um Hilfe liegt ein Auftrag Gottes an uns! Wir sind es, die diesem Hilferuf Antwort geben sollen. Wir sind es, die in die Not, die hier um Hilfe schreien lässt, das Evangelium hineintragen sollen. Wir können uns nicht vor diesem Hilfeschrei die Ohren zuhalten und so tun, als ginge es uns nichts an: wir waren gewiss, Gott hatte uns gerufen, ihnen das Evangelium zu sagen.
Das ist für Paulus und seine Freunde unzweifelhaft: wir müssen helfen mit dem Besten, was wir haben und das ist die Botschaft von Jesus Christus. Das ist die Botschaft, dass Gott sich über die Leiden dieser Welt erbarmt hat in seinem Sohn, dass er sich über die Schuld dieser Welt erbarmt hat in seinem Sohn, dass er sich über alles Elend dieser Welt erbarmt hat in seinem Sohn. Das ist die Botschaft, dass diese Welt immer auch in ihrem größten Elend und in der größten Katastrophe Welt in der Hand des barmherzigen Gottes bleibt und jeder einzelne in seinem Leid, in seiner Schuld, in seiner Todesangst und in seinen schmerzenden Fragen eine Zuflucht hat bei dem gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus.
Das ist die Botschaft, die Paulus und seine Freunde in diese leidgeprüfte Welt hineintragen: so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben. Mit dieser Botschaft geht Paulus zu den Juden, mit dieser Botschaft geht er zu den so hochgebildeten Griechen, mit dieser Botschaft steht er bei Sklaven und vor Königen. Das ist seine Antwort auf den Schrei nach Hilfe, der in dieser Welt nicht stumm wird.
Dieser Schrei ist doch auch bei uns nicht verstummt. Wir brauchen gar keine Traumgesichte, um ihn zu hören – den Schrei derer, die vom Leben bedrängt werden, die von ihren Leiden geplagt werden, die von Zukunftsangst niedergedrückt werden, die von harten Soldatenstiefeln fertig gemacht werden: wir hören den Schrei weltweit in jeder Tagesschau und in jeder Zeitungsausgabe. Wir hören den Schrei in all den vielen Nachrichten, die uns erreichen aus den Lagern in Afghanistan, aus den Gebieten der Westbanks, von den Müttern, die in Israel nach ihren Kindern fragen, die von Raketen getroffen worden sind. Wir hören diesen Schrei aus den Wohnheimen und aus den Hungergebieten der Erde.
Aber wir können ihn ja noch viel näher hören: da, wo in unserer Nachbarschaft ein Kind misshandelt wird, wo in unserer Nachbarschaft eine Frau von ihrem Mann geschlagen und seelisch misshandelt wird da, wo einer seinen Kummer nur noch im Alkohol ersäufen kann oder seine Hoffnungslosigkeit nur noch betäuben kann durch Drogen. Wir leben in einer Zeit und in einer Gesellschaft, die alles hat in der „arme Leute“ eine seltene Sache sind und doch: wie viel innerliche Leere ist bei uns, wie viele Menschen sind ausgebrannt und hoffnungslos. Wie viel Langeweile macht sich breit, Langeweile, die sich durch die bunte Narrenkappe nicht überdecken lässt, Langeweile, die zutiefst am Leben verzweifelt ist.
Was unsere Zeit braucht, das ist nicht immer noch mehr vom selben mehr von der Technik, die kalt ist, mehr von der Arbeit, die ausgebrannt macht, mehr von der Hektik, die nicht mehr zur Besinnung kommen lässt, mehr von den Fernsehbildern, die die Seele voll stopfen mit Gewalt, Sex und Banalitäten. Was wir brauchen in unserer Not, ist anderes: die Hilfe des Evangeliums.
Liebe Gemeinde wir leben mitten in der Wüste – in der Wüste der Seelen. Es gibt in der Wüste kein schlimmeres Verbrechen als den Weg zur Quelle zu verschweigen oder zu verbergen. Es gibt in unserer Zeit kein schlimmeres Verbrechen, als den Schrei nach Hilfe zu hören und sich die Ohren zuzuhalten: was geht mich das an. Wer vom Evangelium angerührt ist, der kann nicht anders: er muss es hineintragen in die Not der Zeit, der muss sich rufen lassen durch den Schrei nach Hilfe – Gott ruft durch solche Schreie!
Gott sei Dank – Paulus und seine Freunde haben sich in Bewegung setzen lassen. Ihr Weg geht von Troas über Neapolis nach Philippi. Ins Herz Mazedoniens werden sie geführt – und zu den Herzen der Menschen. Es fängt klein und unscheinbar an – keine Massenbewegung: eine Frau wird als erste für den Glauben gewonnen: Lydia.
Der erste Christ in Europa ist eine Frau, eine Kauffrau aus Thyatira in Kleinasien, die es nach Philippi verschlagen hat. Dass sie zum Glauben findet, ist nicht der Erfolg der brillanten Redeweise des Paulus, ist nicht der Erfolg seiner guten Anknüpfung, ist nicht der Erfolg seiner strategischen Planung. Das alles hat Paulus gemacht: Er hat überlegt, was sage ich, wie sage ich es, er hat die Leute abgeholt an ihrem Platz und in ihrer Lebenssituation. Aber: Der Glaube hat eine tiefere Wurzel: Gott selbst tut der Lydia das Herz auf. Das ist bis heute so geblieben: wenn ein Mensch zum Glauben kommen soll, da muss Gott ihm das Herz öffnen, da muss Gott selbst ihm die Worte, die die Boten Gottes sagen, so nahe bringen, dass sie durch die harten Schalen des Herzens durchstoßen und treffen, dass sie wirklich zu Herzen gehen.
Davon lebt alle Verkündigung des Evangeliums: dass Gott die Herzen auftut. Und damit dürfen wir rechnen – wenn wir nach Hause gehen, wenn wir an unseren Arbeitsplatz gehen, wenn wir mit Freunden und Verwandten sprechen: Wo wir uns von Gott führen lassen, da wird er Herzen auftun für die gute Nachricht des Evangeliums, da wird er Herzen auftun, damit die Hilfe angenommen wird, die Gott durch uns verkündigen lässt, die Hilfe Jesus Christus.
Uns ist kein glanzvoller Siegeszug verheißen, wenn wir uns wie Paulus von Gott gebrauchen und führen lassen – aber wir werden Anteil gewinnen an der Freude Gottes, mit der er sich freut über den einen, der heim findet zu seinem Vater im Himmel.

Verfasser: Pfarrer Paul-Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 61169 Friedberg

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