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Hingabe - einer für alle

von Andre Wiethölter (Bad Kösen)

Predigtdatum : 25.03.2007
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Lätare
Textstelle : Johannes 11,47-53
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Wochenspruch:

Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele
(Matthäus 20,28)
Psalm:
43 (EG 724)


Lesungen

Altes Testament:
1. Mose 22,1 – 13
Epistel:
Hebräer 5, 7 – 9
Evangelium:
Markus 10, 35 – 45




Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 545
Wir gehen hinauf nach Jerusalem
Wochenlied:
EG 76
O Mensch, bewein dein Sünde groß
Predigtlied:
EG 93
Nun gehören unsre Herzen
Schlusslied:
EG 590
Herr, wir bitten: komm und segne uns



Liebe Gemeinde,
die dunkle Jahreszeit ist bald vorüber. Die Tage werden länger. Es wird heller um uns herum. Ostern lässt nicht mehr lange auf sich warten. Manche Leute hängen bereits Ostereier in die Bäume in ihren Gärten. Sie wollen Ostern mit seiner christlichen Freudenbotschaft nicht abwarten. Jeder sehnt sich nun einmal in dieser Zeit nach Farbe und dem Erwachen der Natur. Aber vielleicht sind sich jene Leute auch gar nicht so recht bewusst, dass es eine Passionszeit gibt? Eine Fastenzeit. Eine Zeit der Einkehr.

Für uns, die wir mit den Stationen des Kirchenjahres bewusst zu leben versuchen, steht erst einmal ein anderer, hoher Feiertag ins Haus: Karfreitag. In nicht ganz zwei Wochen haben wir diesen Tag. Einen Tag, an dem in vielen Kirchen schwarze Antependien an Altar und Kanzel hängen. Einen Tag, an dem wir in besonderer Weise des Leidensweges Jesu Christi gedenken. Bis zum Karfreitag hin stimmen wir uns mit Passionsliedern, Gebeten, Predigten und Bibeltexten auf eben diesen Tag ein. Wir versuchen damit, die dunkle Seite des Lebens zu deuten, vielleicht auch ein wenig zu verstehen. Wir versuchen, im Lichte Gottes und der Leidensgeschichte seines Sohnes unsere Welt zu deuten. Vielleicht auch ein wenig zu begreifen ?
So hören wir an diesem Sonntag Judica ein Predigtwort aus dem Johannesevangelium, dem 11. Kapitel:

47 Die Hohenpriester und die Pharisäer versammelten den Hohen Rat und sprachen: Was tun wir? Dieser Mensch tut viele Zeichen. 48 Lassen wir ihn so, dann werden sie alle an ihn glauben, und dann kommen die Römer und nehmen uns Land und Leute. 49 Einer aber von ihnen, Kaiphas, der in dem Jahr Hoherpriester war, sprach zu ihnen: Ihr wisst nichts; 50 ihr bedenkt auch nicht: Es ist besser für euch, ein Mensch sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk verderbe. 51 Das sagte er aber nicht von sich aus, sondern weil er in dem Jahr Hoherpriester war, weissagte er. Denn Jesus sollte sterben für das Volk, 52 und nicht für das Volk allein, sondern auch, um die verstreuten Kinder Gottes zusammenzubringen. 53 Von dem Tage an war es für sie beschlossen, dass sie ihn töteten.

Was wir hier hören, liebe Gemeinde, hat zuallererst mit einem politischen Machtkalkül zu tun: Es geht den religiösen Führern des Heiligen Landes darum, wie sie den Frieden im Lande einigermaßen halten können. Wie sie es schaffen, dass die römische Besatzungsmacht keine Handhabe hat, gegen das Volk der Juden vorzugehen. Was könnte nicht alles passieren, wenn die Juden diesem Jesus aus Nazareth nachlaufen und auf ihn hören? Vielleicht kommt die ganze ohnehin schon wackelige politische Ordnung der Besatzungsmacht durcheinander? Wer weiß? Insofern ist die Überlegung „Es ist besser für euch, ein Mensch sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk verderbe.“ gar nicht so verantwortungslos, abwegig und dumm. Im Gegenteil: es ist ein Abwägen der Positionen, um Schaden zu begrenzen. Es geht darum, das Übel zu begrenzen. Und das kann vielleicht auch uns einleuchten. Der Friede des Landes ist höchstes Gut. „Lassen wir ihn (Jesus) so, dann werden sie alle an ihn glauben, und dann kommen die Römer und nehmen uns Land und Leute.“

Aus diesen politischen Überlegungen heraus entspringt nun das willkürliche Todesurteil gegen Jesus. „Von dem Tage an war es für sie beschlossen, dass sie ihn töteten.“ Da wird weder Rat noch Gericht gehalten. Da werden keine Instanzen angerufen. Da wird gewissermaßen „aus der kalten Hüfte heraus“ beschlossen und geurteilt. Verurteilt!

Lesen wir nun aber in den Schriften und Glaubenszeugnissen des „Zweiten Testaments“, also in den Schriften des sogenannten „Neuen Testaments“, dann fällt uns sehr schnell auf: Der Weg Jesu hin ans Kreuz auf Golgatha war ein vorgezeichneter Weg. Ein von Gott vorgezeichneter Weg. Immer wieder hören wir diese Botschaft von diesem Weg ins Leiden und Sterben: Gott gibt seinen Sohn dahin. Er gibt ihn hin in den Tod, damit die Welt in Jesus, dem Gekreuzigten, von Sünde und Tod erlöst wird. So ist es auch das einhellige Bekenntnis des Apostels Paulus. Und so hat die Tradition den Opfergedanken bis in diese Tage hinein getragen.

Nun aber, liebe Gemeinde, wollen wir fragen: Was ist das für eine Botschaft? Gefällt sie uns? Oder fragen wir uns vielleicht, was das für ein Gott ist, der seinen einzigen Sohn dahin gibt, opfert, damit andere leben? Ist das nicht ein grausamer Gott? So können wir fragen. Und manche Menschen tun dies auch so.

Nicht ganz zu Unrecht. Denn wir wollen keine Opfer, damit Frieden werde. Wir wollen stattdessen den Frieden, die Ruhe, die Versöhnung, die Harmonie, die Liebe. Und überhaupt: wenn das so stimmen würde mit diesem Opfertod Jesu, dann fragen wir uns: Was hat sich denn mit diesem großen Opfer geändert in unserer Welt? Hat sich etwas geändert? Werden nicht nach wie vor täglich Opfer gebracht, damit andere reich und satt und vermögend werden? Ist die Opferpraxis der reichen Industrienationen nicht schon längst salonfähig geworden in unserer Welt? Dreht sich die Spirale von Gewalt und Untergang nicht immer weiter? Was ist mit den Tausenden täglich verhungerten Kindern? Was ist mit Bürgerkriegen und Mafia – und Terroropfern in aller Welt? Wo ist da die erlöste Welt Gottes? So ähnlich können wir fragen. Und wenn wir so fragen, dann eben deshalb, weil wir verstehen wollen. Wir wollen Gott verstehen, ihm von Herzen und mit Verstand vertrauen können.

Die Frage bleibt: Was setzt Gott für ein Zeichen mit diesem Tod Jesu? Was will er mit und von uns Menschen mit diesem Zeichen?

Versuchen wir zwei Antworten:
Zum einen will Gott mit diesem Kreuzesgeschehen die Sünde entmachten. Ja, er will den Graben zwischen Mensch und Gott überwunden wissen. Das Wort Sünde kommt ja von dem Wort „Sund“. Ein Sund ist eine Landzunge, die ein Wasser, ein Teil des Meeres, in zwei Teile zerteilt. So ist es mit der Sünde: sie bringt Gott und Mensch auseinander. Sie teilt, was zusammen gehört. Und deshalb ist es wichtig, hier einen Balken, eine Brücke darüber zu spannen. So überwinden Menschen diesen Sund, diesen Graben, das Trennende, eben die Sünde.
Das ganze Leben Jesu nun war eben diesem Bedürfnis gewidmet: den Graben zwischen Gott und den Menschen zu überwinden. Das Trennende so zu verwandeln, dass zusammenkommt, was zusammengehört: der Friede Gottes und der in die Sünde verstrickte Mensch.

Deshalb können wir unzählige Heilungsgeschichten im „Zweiten Testament“ finden. Es sind Geschichten und Gleichnisse, die vom Anbruch des göttlichen Frieden bereits in dieser gefallenen Welt erzählen. Jesus heilt da ohne Wenn und Aber. Er spricht die Menschen in ihrer Not an. Er sieht ihre Not und heilt durch Zuspruch und Zuwendung, durch Beachtung und Wertschätzung. Die Heilung geschieht nicht durch naturwissenschaftlich zu deutende Wunder, sondern durch Gottvertrauen und durch Selbstvertrauen: „Dein Glaube hat dir geholfen.“ – „Nimm dein Bett und gehe. Deine Sünden sind dir vergeben.“ So hören wir es aus den Heilungsgeschichten Jesu. Jesus appelliert an die dem Menschen innewohnenden, heilenden Kräfte. Diese Kräfte, gepaart mit dem Vertrauen in Gott und die Welt, bewirken die Wiederherstellung lebenswerten Lebens. Insofern ist die gesamte Lebensgeschichte Jesu, und nicht nur die Kreuzesgeschichte Jesu, ein bedingungsloses Eintreten für die Heilung des Einzelnen und die Heilung der Welt. Was einmal „alles in allem“ sein soll „am Ende der Tage“, das bricht bruchstückhaft bereits hier und jetzt an, in dieser Welt.

Was heißt dies nun mit Blick auf das „Opferlamm Gottes“? . Sein ganzes Leben war ein Eintreten für das Heil der Welt, wie sie ist. Nicht erst und allein der Opfertod Jesu ist das Heilswirken Gottes schlechthin.

Aber: wir dürfen fragen, was gewesen wäre, wenn man Jesus nicht gekreuzigt hätte? Hätte die abendländische Geschichte den Verlauf genommen, den sie genommen hat? Hätte jemand von Jesus als dem Christus heute noch gesprochen – ohne die „sperrige Sache“, die „Torheit“ des Kreuzes? Vermutlich eher nicht. Insofern ist es doch so, dass gerade in der Kreuzigung Jesu Entscheidendes für die Botschaft Gottes an die Welt passiert ist. Jesus, der Gottessohn, hat sich geopfert. Und er hat mit diesem Opfer das entscheidende Signal im Namen Gottes gesetzt: Es ist genug mit Opfern in dieser Welt! Diese Erde braucht keine Opfer mehr. Der Sohn Gottes hat die Tiefen menschlichen Daseins durchschritten. Er ist von nichts verschont geblieben, was einem Menschen passieren könnte an Leid und Qual. Schon deshalb dürfen wir ihm glauben.

Die Botschaft ist klar: Es ist genug der Opfer in dieser Welt. Es ist genug der willkürlichen Todesbeschlüsse gegen andere Menschen. Dieser Planet braucht keine Menschen, die einan-der Wolf sind und in Krieg, Anfeindung, Ungerechtigkeit und Neid verharren und bekämpfen. Vielmehr ist Gott ein Gott der Liebe, der im Opfertod Jesu eben diese vernichtende Struktur der Welt und des Menschen überwunden wissen will und bereits in Christus überwunden hat. Eine neue Tür hat sich damit für uns Menschen geöffnet. Eine Tür hin zum Anbruch des Friedensreiches Gottes bereits in dieser Welt! Das gilt für den Haussegen daheim, für jedes Dorf und jede Stadt, die Länder und Kontinente – für uns alle. Die Tür steht offen für jeden und jede von uns. Wir müssen sie „nur“ sehen und an jedem Tag neu durchschreiten.

Wir brauchen keine Opfer mehr. Das Christusopfer ist geschehen: ein für allemal. Es ist genug. Der Mensch darf und soll beginnen, behutsam und mit Bedacht die Liebe zu pflegen. Die Versöhnung zu wagen. Den Frieden Gottes zu beginnen – hier und jetzt – in dieser Welt. Darin liegt der Anbruch der neuen Herrschaft – der Herrschaft Gottes in dieser Welt. Amen.

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 88 Jesu, deine Passion
Predigtlied: EG 79 Wir danken dir, Herr Jesu Christ
Schlusslied: EG 421 Verleih uns Frieden

Pfarrer André Wiethölter, Käthe-Kruse-Str. 01, 06628 Bad Kösen

Herausgegeben vom

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