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Hingabe – einer für alle

von Karsten Müller (39104 Magdeburg)

Predigtdatum : 10.04.2011
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Lätare
Textstelle : 1. Mose 22,1-13
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Wochenspruch: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele.“ (Matthäus 20, 28)
Psalm: 43 (EG 724)

Lesungen
Altes Testament:1. Mose 22, 1 – 13
Epistel: Hebräer 5, 7 – 9
Evangelium: Markus 10, 35 – 45


Liedvorschläge
Eingangslied: EG 140 Brunn alles Heils
Wochenlied: EG 76 O Mensch, bewein dein Sünde groß
Predigtlied: EG 372 Was Gott tut, das ist wohlgetan
Schlusslied: EG 171 Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott



Die Predigt ist als Homile abgefasst. In einer Homilie wird der Text Stück für Stück ausgelegt und daher nicht am Beginn der Predigt vorgelesen.


Liebe Gemeinde,

die biblischen Texte Geschichten, die wir heute hören, können verschiedene Wirkungen haben: Entweder sie bestärken unseren Glauben, unterstreichen die eigenen Überzeugungen oder sie verstärken die Fragezeichen, die wir an Gott haben, unterfüttern die Zweifel, die in uns nagen.

Man kann bei dem vorhin gehörten Evangelium noch relativ leicht behaupten, dass eben Gottes Gerechtigkeit und Ökonomie anders ist, als unsere oft angewendeten Maßstäbe. Die Epistel hat uns auf das Kreuzesgeschehen aufmerksam gemacht. Obwohl auf fast jedem Altar ein Kreuz steht, haben wir viele Mechanismen entwickelt, das Kreuz in seiner Dramatik, in seiner Tiefe, seiner Undurchsichtigkeit zu verdrängen und schnell von Ostern überstrahlen zu lassen.

Der Lesung aus dem Alten Testament können wir aber nicht ausweichen, weil sie in einer allzu menschlichen, ganz normalen Beziehung sich abspielt. Sie kann jedem Elternteil passieren und sie ist auch so erzählt, dass wir als Hörer den Eindruck haben, wir stünden mitten drin. Es ist eine Geschichte, in der man aber nicht stehen möchte. Sie steht im 1. Buch Mose im 22. Kapitel und sie beginnt mit einer kleinen Hilfe für uns Hörer:

1 Nach diesen Geschichten versuchte Gott Abraham
Wir wissen also: Was jetzt kommt, hat den Hintergrund einer Versuchung. In jedem Vaterunser beten wir: „und führe uns nicht in Versuchung“. Wir können die Geschichte jetzt auch als Erklärung für unser Gebet hören. Von all dem weiß Abraham aber nichts, er hört nur Gottes Ruf:

Und Gott sprach zu ihm: Abraham! Und er antwortete: Hier bin ich. 2 Und er sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde.
Was ist das für ein Gott? Hier gibt es keine Ausreden und auch keine Auswege: Hier kann man nicht Menschen verantwortlich machen für die Grausamkeit in der Welt. Hier hat Gott selbst gesprochen. Er verlangt ein Menschenopfer, da gibt es nichts zu beschönigen. Man kann es höchstens noch als biblischen Beleg dafür nehmen, dass Gott eben schon immer Seiten hatte, die wir nicht verstehen.

3 Da stand Abraham früh am Morgen auf und gürtete seinen Esel und nahm mit sich zwei Knechte und seinen Sohn Isaak und spaltete Holz zum Brandopfer, machte sich auf und ging hin an den Ort, von dem ihm Gott gesagt hatte.
Dieses Handeln wird oft und vielleicht auch zu schnell als Beleg für die große Glaubenstärke Abrahams angeführt. Dabei übersehen wir, dass Abraham auch andere Mittel hatte: Eine einfache Rückfrage hätte nahe gelegen: Gott, wie soll sich deine Verheißung eines großen Volkes erfüllen, wenn ich meinen Sohn opfere. Bedenke, ich bin nicht mehr der allerjüngste, und Sara auch nicht. Mose hat nach dem Goldenen Kalb, als Gott das Volk vernichten wollte, genau so argumentiert: „Warum sollen die Ägypter sagen: Er hat sie zu ihrem Unglück herausgeführt, dass er sie umbrächte im Gebirge und vertilgte sie von dem Erdboden?“ (2. Mose 32, 12). Mose hat Gehör gefunden, aber Abraham schweigt und geht mit Isaak und zwei Knechten, dem Esel und dem Holz los.

4 Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah die Stätte von ferne
5 und sprach zu seinen Knechten: Bleibt ihr hier mit dem Esel. Ich und der Knabe wollen dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, wollen wir wieder zu euch kommen.
Es scheint in Abraham die Gewissheit zu geben, dass die Geschichte gut ausgeht. Er redet jedenfalls davon, dass er und der Junge wieder zurückkommen. Aber was hätte er auch sagen sollen: Ich gehe auf den Berg, um meinen Sohn zu opfern? Die einzigen, die in dieser Geschichte wissen, glauben, hoffen, dass es gut ausgeht, sind wir. Wir wissen, dass es eine Prüfung ist, Abraham weiß das nicht. Und im wirklichen Leben wissen wir es oft auch nicht.

6 Und Abraham nahm das Holz zum Brandopfer und legte es auf seinen Sohn Isaak. Er aber nahm das Feuer und das Messer in seine Hand; und gingen die beiden miteinander.
Was sie wohl gedacht haben, die beiden, als sie so gingen. Vielleicht hat Abraham gedacht: Das ist die Strafe für meine Sünden. Und da kommt bei dem glaubensgerechten Abraham neben den unzweifel-baren Leistungen einiges zusammen: Zweimal hat er seine Frau aus Angst um sein Leben fremden Königen preisgegeben. Er hat der Verheißung eines Sohnes nachhelfen wollen und mit seiner Magd ein Kind gezeugt. Das war damals üblich, wenn die eigene Frau keine Kinder bekam. Aber nachdem Sara Isaak geboren hatte, hat er Hagar mitsamt ihrem Sohn Ismael im wahrsten Sinn des Wortes in die Wüste geschickt. Vielleicht denkt sich Abraham, was wir auch manchmal denken: Bekomme ich jetzt dafür die Quittung? Auch Isaak macht sich seine Gedanken. Aber er schweigt nicht. Wie Kinder nun mal sind, fragt er, was zu fragen ist:

7 Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham: Mein Vater! Abraham antwortete: Hier bin ich, mein Sohn. Und er sprach: Siehe, hier ist Feuer und Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer?
8 Abraham antwortete: Mein Sohn, Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer. Und gingen die beiden miteinander.
Man möchte sich das nicht vorstellen und erst recht möchte man nicht in eine solche Lage kommen. Man kann natürlich Abrahams Antwort als tiefes Glaubenszeugnis deuten, aber vor dem Hintergrund dessen, was Gott von ihm will, wirkt sie wie eine Ausrede, eine fromme Ausrede: Gott wird es schon richten. Vielleicht ist das auch die Hoffung, an die er sich klammert. Ein festes Glaubensfundament sieht anders aus. Von einem Gebet Abrahams wird in der ganzen Geschichte nichts überliefert.

9 Und als sie an die Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute Abraham dort einen Altar und legte das Holz darauf und band seinen Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben auf das Holz
10 und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen Sohn schlachtete.
Wir sind mit Abraham und Isaak auf dem Berg angekommen. Es gibt keinen Ausweg, äußerlich nicht, weil kein Tier da ist – und innerlich wohl auch nicht, denn Abraham versucht nicht, durch ein Gespräch, ein Gebet etwa, die Situation zu lösen. Er fesselt seinen Jungen und ist gewillt, ihn zu opfern. Ist das tiefer Glaube oder Kadavergehorsam? Wo bleibt hier der Gedanke, dass Gott ein Gott des Lebens ist? Man kann sich auf diesem Berg von Gott verabschieden. Man kann davonlaufen, kopfschüttelnd und mit der fragwürdigen Überzeugung, dass das alles doch keinen Zweck hat. Aber was ist dann gewonnen?
Abraham läuft jedenfalls nicht davon.

11 Da rief ihn der Engel des HERRN vom Himmel und sprach: Abraham! Abraham! Er antwortete: Hier bin ich.
12 Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts; denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen.
Prüfung bestanden. Die Spannung löst sich auf. Vor dem Engel Gottes ist nun Abrahams Gottesfurcht erwiesen, von Glaubensstärke ist nicht die Rede. Natürlich ist man schnell mit der Behauptung zur Hand, dass zum tiefen Glauben die Gottesfurcht wie die Gottesliebe und das Gottvertrauen gehören. Aber wir wissen auch, wie eng das beieinander liegt: Das Handeln im Vertrauen auf Gottes Zuwendung, auch wenn sie noch so verborgen ist, und das Handeln, das Gottes Willen als Rechtfertigung für eigene Ratlosigkeit missbraucht.

Prüfung bestanden, aber eine Sektflasche möchte man nicht öffnen auf dem Berg. Wie wohl Isaak seinen Vater gesehen hat? Was hat er mit ihm auf dem Weg vom Berg besprochen? Es gibt Situationen, die alle Beteiligten als Beschädigte verlassen, auch wenn sie sich noch so richtig verhalten haben, wenn sie noch so angemessen handelten. Hier auf dem Berg Morija ist das zweifellos so. Auch Gott kommt nicht ohne Beschädigung heraus, denn Menschen wenden sich bis heute von einem Gott ab, der solche Prüfungen abhält. Abraham wendet sich nicht ab.

13 Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder hinter sich in der Hecke mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes Statt. 14 Und Abraham nannte die Stätte »Der HERR sieht«. Daher man noch heute sagt: Auf dem Berge, da der HERR sieht.
Nun geschieht tatsächlich, was Abraham seinem Sohn vorhin auf dessen Frage nach dem Opfertier geantwortet hatte: Gott ersieht sich den Widder zum Opfer. Der Berg ist zu einer Stätte der unmittelbaren Gottesnähe geworden, die einen in ihrer Tiefe erschaudern lassen kann. Wenn uns nicht klar ist, warum Menschen bei einer Gottesbegegnung oft aufgefordert werden: Fürchtet euch nicht! – hier kann man es lernen. Man kann auch neu lernen, dass Gottes Handeln und das Handeln des Menschen in einer engen Beziehung stehen. Das jedenfalls wird deutlich, als der Engel Abraham noch einmal anruft:

15 Und der Engel des HERRN rief Abraham abermals vom Himmel her
16 und sprach: Ich habe bei mir selbst geschworen, spricht der HERR: Weil du solches getan hast und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont,
17 will ich dein Geschlecht segnen und mehren wie die Sterne am Himmel und wie den Sand am Ufer des Meeres, und deine Nachkommen sollen die Tore ihrer Feinde besitzen;
18 und durch dein Geschlecht sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden, weil du meiner Stimme gehorcht hast.
Ist nun alles zum Guten gewendet? Es scheint so, allerdings ist merkwürdig, dass Isaak im letzten Satz der Geschichte fehlt:
19 So kehrte Abraham zurück zu seinen Knechten. Und sie machten sich auf und zogen miteinander nach Beerscheba, und Abraham blieb daselbst.
Vielleicht hat Isaak erst einmal Abstand gebraucht von diesem Vater, vielleicht sogar von dessen Gott. Fast zwei Kapitel lang schweigt die Bibel von ihm. Erst dann geht die Geschichte Isaaks weiter und der gerettete Sohn gründet eine Familie und bekommt Kinder und bringt Gottes Verheißung ein Stück voran.
Amen.

Verfasser: Provinzialpfarrer Karsten Müller, Zinzendorfplatz 3, 99192 Neudietendorf

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