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Hingabe – einer für Alle

von Ulrike Wegner (63128 Dietzenbach)

Predigtdatum : 21.03.2010
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Lätare
Textstelle : Hebräer 5,7-9
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Wochenspruch:

„Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele.“ (Matthäus 20, 28)

Psalm: 43 (EG 724)

Lesungen

Altes Testament:
1. Mose 22,1 – 13
Epistel:
Hebräer 5, 7 – 9
Evangelium:
Markus 10, 35 – 45

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 452,1.2.5
Er weckt mich alle Morgen
Wochenlied:
EG 76
O Mensch, bewein dein Sünde groß
Predigtlied:
EG 83
Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld
Schlusslied:
EG 586
Herr, der du einst gekommen bist

Liebe Gemeinde,

in der Passionszeit gedenken wir der Passion, des Leidens Christi. Es ist aber auch die Zeit, in der viele Menschen sich die Zeit nehmen, die eigene Situation, das eigene Leben zu überdenken. Manche fasten, um ganz bewusst die Dinge einmal wegzulassen, die im Alltag eine Flucht vor den täglichen Problemen ermöglichen. Ganz bewusst sollen die eigenen Ängste und Unvollkommenheiten durchdacht und vielleicht eine Lösungsmöglichkeit gefunden werden. Es ist die Zeit der Vorbereitung auf ein neues „Heilsein“, auf einen neuen Anfang.
Und dazu möchte ich auch Sie in diesem Gottesdienst einladen. Rufen Sie sich einmal die Situationen in Ihrem Leben ins Gedächtnis, in denen Sie selbst verzweifelt waren, getrauert haben und sich die Frage nach dem „Warum“ des Leides gestellt haben. Und überlegen Sie sich, wem Sie sich in dieser Zeit anvertraut haben, dem Ehepartner, den Eltern oder Kindern, Freunden, vielleicht dem Pfarrer oder einem Therapeuten.

Bevor wir aber hier weiterarbeiten, wollen wir zunächst den Predigttext hören und sehen, ob uns in diesem Text eine Hilfe an die Hand gegeben ist für unsere Fragen.

Den Text finden wir im Brief des Paulus an die Hebräer. Er steht im 5. Kapitel in den Versen 7 bis 9:

7 Christus hat in den Tagen seines irdischen Lebens Bitten und Flehen mit lautem Schreien und mit Tränen dem dargebracht, der ihn vom Tod erretten konnte; und er ist auch erhört worden, weil er Gott in Ehren hielt. 8 So hat er, obwohl er Gottes Sohn war, doch an dem, was er litt, Gehorsam gelernt. 9 Und als er vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber des ewigen Heils geworden.

Mir sind beim Lesen des Textes mehrere Stichworte aufgefallen, um die es in der heutigen Predigt gehen soll:


1. Lautes Schreien und Tränen
2. Bitten und Flehen
3. Gehorsam
4. Ewiges Heil

Da hören wir zunächst von Jesus. Vielleicht geht es Ihnen wie mir: mir kommt dieser Mensch Jesus, wie er dort beschrieben ist, sehr nahe. Denn nirgendwo wird die Menschlichkeit einer Person so sichtbar wie in ihrem Leiden. Ein Übermensch, ein Held, der alles Unheil von sich fernhalten kann, leidet nicht. Ein solcher Mensch kann uns nie so nahe kommen, weil er die menschlichen Ängste nicht kennen kann, jedenfalls nicht aus eigenem Erleben. Jesus aber, so hören wir, war ein Mensch wie Sie und ich. Und er hatte Angst, Todesangst. Er litt sehr.

Ausdruck dieses Leidens war lautes Schreien und Tränen. Jesus hat sich offenbar seiner Tränen und seines Gefühls in der Zeit seiner Not nicht geschämt.

Und wie war oder ist das bei uns? Fressen wir unseren Kummer in uns hinein? Vielleicht weil wir uns schämen, unsere Schwäche nicht preisgeben oder anderen mit unserer Depression nicht zur Last fallen wollen? Oder folgen wir hier dem Beispiel Jesu? Jeder wird das für sich beantworten können. Jesus jedenfalls ließ keine Ausrede gelten, auch nicht vor sich selbst: Er ließ seinen Gefühlen freien Lauf.
So können wir zum 1. Stichpunkt unserer Betrachtung - lautes Schreien und Tränen - als Ergebnis zusammenfassen: Jesus kann uns ein Vorbild im Umgang mit Gefühlen sein.

Kommen wir zum zweiten Stichwort, um das es im heutigen Predigttext geht: Bitten und Flehen. Wie heißt es hier? Jesus hat Bitten und Flehen dem dargebracht, der ihn vom Tod erretten konnte. Und er ist auch erhöht worden, weil er Gott in Ehren hielt. ich erinnere mich dabei an die Stelle in den (synoptischen) Evangelien, wo berichtet wird, dass Jesus in der Nacht vor seiner Gefangennahme im Garten Gethsemane zu Gott gebetet hat: „Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber.“

Jesus wollte sich mit seinem Schicksal nicht so einfach abfinden. Vielleicht war Jesus unsicher geworden darüber, was er tun sollte, und hatte Angst. Sicher war es auch die Furcht vor den körperlichen Qualen, die ihm bevorstanden. Vielleicht war es aber auch mehr: die Angst, von Gott verlassen zu sein, ich denke an die Worte, die Jesus am Kreuz ausgesprochen hat: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

Nach jüdischer Tradition war der Tod am Kreuz die schändlichste aller Todesarten. Die so starben, galten als von Gott verlassen. Denken wir nicht ähnlich? Scheinen nicht die Erfolgreichen und Angesehenen eines Volkes, die Gesunden und Starken viel eher gesegnet als die Verlierer und Verachteten, die Kranken und Schwachen? Ihr Leben macht nach außen wahrlich nicht den Anschein, als sei es von Gott gesegnet.

Trotzdem, Jesus verliert selbst im Augenblick der höchsten Not und des größten Zweifels nicht das Vertrauen auf Gott. Vielmehr: Er hielt Gott (weiterhin) in Ehren. Er wusste, dass nur von dort Trost und Rettung und Erkenntnis kommen kann.

Nun werden Sie vielleicht einwenden, dass Jesus dennoch sterben musste. Das ist richtig. Aber der Tod hatte keine Macht über Jesus bekommen. In manchen Übersetzungen heißt es auch, dass er von Gott erhöht und von seiner Angst befreit wurde. Jedenfalls wissen wir aus den Evangelien, dass Jesus sich schließlich im Vertrauen auf Gottes Willen in seinen Tod gefügt hat. Auch hier können wir von Jesus lernen: Er hat sich nicht sogleich blind seinem Schicksal ergeben. Er hat das Gespräch mit Gott gesucht und um Erkenntnis gerungen. Er hätte damals auch fliehen und damit seine Lage ändern können. (Vielleicht war es ihm auch deshalb so wichtig, dass seine Jünger mit ihm wachen und beten und ihm damit in diesem Prozess der Entscheidung beistehen.)

Denken Sie noch einmal an meine noch offen gebliebene Frage vom Anfang zurück. Wem haben Sie sich in Zeiten der Not anvertrauen können? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich einem Menschen dann vertraue, wenn er mir nahe gekommen ist. Häufig ist dies ein Mensch, der seine eigene Schwäche auch mir gegenüber zeigt und mir damit seine mitmenschliche Verbundenheit zeigt. Dann bin auch ich bereit, mich ihm zu öffnen und ihm meine Sorgen und Nöte mitzuteilen.

Doch schwer ist die Erkenntnis, dass zwar die Begleitung eines Menschen wichtig ist, dass einem aber niemand die eigene Entscheidung auf der Suche nach Gottes Willen abnehmen kann. Auch Jesus wusste, dass allein Gott ihm in seiner Not helfen konnte. Darum wandte er sich im Gebet an ihn. Und weil Gott sich in seinem leidenden Sohn offenbart hat, fällt es vielen leichter, sich im Gebet an Jesus zu wenden, eben weit er uns im Leid so nahe kommt und daher mit-leidet.
Mir fällt das Gebet von Oetinger ein „Herr, schenke mir Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine von dem anderen zu unterscheiden.“ Dieses Ringen um Wahrheit im Vertrauen auf Gottes Hilfe ist es, was uns Jesus vorgelebt hat. Er war sich nach diesem Gebet in Gethsemane sicher, dass sein Tod als Opfer für viele in der Zeit der politischen Unruhen vor dem Passahfest Gottes Wille war. Er wusste, dass er als Unschuldiger wird sterben müssen. Weder der Vorwurf der Juden, ein Gotteslästerer zu sein, noch der Verdacht der Römer, ein Aufrührer des Volkes zu sein, waren gerechtfertigt. Jesus durfte sich aber sicher sein, dass nicht einmal der schändlichste Tod ihn von Gott trennen konnte. So ist er uns ein Vorbild im Vertrauen auf Gott geworden.

Beschäftigen wir uns nun mit dem dritten Stichwort, dem Gehorsam. Jesus hat, so hören wir, im Leiden Gehorsam gelernt. Er hat nicht wie wir gefragt: „Warum lässt Gott das zu?“ Im Gegensatz zu den meisten von uns wusste Jesus sehr genau, warum er leiden musste. Aber er lernte Gehorsam, d. h. er lernte, auch im Leiden auf Gott zu hören und sich seinem Willen zu unterstellen. Er lernte die Konsequenzen seiner Verkündigung, die für die damaligen Machthaber eine Herausforderung gewesen sein musste, bis ans Kreuz zu tragen.
Wenn wir leiden oder uns gar Unrecht geschieht, lernen wir schnell den Ungehorsam. Dann kommen wir schnell vom rechten Kurs ab. Manchmal machen sich auch andere Gedanken breit: Rachegefühle, Aggressionen oder tiefe Verzweiflung, Resignation und Unglaube.
Auch hier ist Jesus ein Vorbild: ein Vorbild im Hören auf Gott, trotz und gerade wegen des Leids, das ihn getroffen hat.

Unser viertes und letztes Stichwort ist das schwierigste: ewiges Heil. „Als Jesus vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber des ewigen Heils geworden“, heißt es in unserem Predigttext. Hier kann ich den Begriff „Vorbild“ nicht mehr verwenden. Hier ist Jesus mehr als ein Vorbild, das wir nachahmen können. Wenn es um das ewige Heil geht, kann ich auch nicht einen Hauch des Nachahmens erbringen.

Soviel ist gewiss: Ich kann nur staunend über Jesus erzählen: wie er ein Vorbild im Umgang mit Gefühlen war, wie er ein Vorbild im Vertrauen auf Gott war, und wie er trotz und gerade in seinem Leiden ein Vorbild im Hören auf Gott war. Er war und ist ein Vorbild, das nicht die Merkmale aufweist, die Vorbildern so gerne von Menschen zugesprochen werden: Er war kein Held, der über allem steht. Ob er gut ausgesehen hat, weiß ich nicht. Von meinem Vorbild gibt es kein einziges handschriftliches Wort. Aber Jesus hat mehr ausgelöst als alle Vorbilder dieser Welt. Jesus löste eine Bewegung aus, die seinen Namen trägt: Die weltweite Christenheit. Und möglich war dies, weil er für alle, die ihm nachfolgten, zum Urheber des ewigen Heils geworden ist.

Ein Heil im Sinne von Schalom, das mehr bedeutet als nur Friede. Ein Heil in einem umfassenden Sinn. Ein Heil, das innere und äußere Befriedigung und Befriedung und einen Neuanfang verheißt und daher ein Leben, das jeder einzelne Mensch so leben kann, dass er ganz er selbst sein kann, wie Gott ihn oder sie als sein Geschöpf gemeint hat. Daraus ergibt sich: Wer Gottes Schalom erfährt, kann und wird ‘vollkommen’ - heil - sein wie Gott. Wer Jesus als Vorbild ernst nimmt, der darf auch in schlechten Zeiten behaupten, ein von Gott gesegneter Mensch zu sein, der erfährt Gottes ewiges Heil schon jetzt. Da reicht das tiefgründende Vertrauen auf Gottes Nähe und das Licht, das von dem Vorbild seines Sohnes ausgeht, um die Kraft zu haben, mit meiner Last und so zu leben, wie ich wirklich bin, mit all meinen Fehlern und Schwächen, aber auch als Ebenbild Gottes.
Mir ist dabei ein Bild eingefallen, das Bild einer Legende aus der Sahara, das ich Ihnen zum Schluss mit auf den Weg geben möchte: Es heißt „Die Steinpalme“:

Durch eine Oase ging ein finsterer Mann, Ben Sadok mit Namen. Er war so gallig in seinem Charakter, dass er nichts Gesundes und Schönes sehen konnte, ohne es zu verderben.

Am Rande der Oase stand eine junge aufstrebende Palme im besten Wachstum. Die stach dem finsteren Araber in die Augen. Da nahm er einen schweren Stein und legte ihn der jungen Palme mitten auf die Krone. Mit einem bösen Lachen ging er nach dieser „Heldentat“ weiter.

Die junge Palme schüttelte sich und bog sich und versuchte, die schwere Last abzuwerfen. Vergebens. Zu fest saß der Stein in der Krone. Da grub sich der junge Baum tiefer in den Boden, um mehr Halt zu bekommen, und stemmte sich gegen die steinerne Last. Er senkte seine Wurzeln so tief, dass sie die verborgene Wasserader der Oase erreichten, und stemmte den Stein so hoch, dass die Krone über jeden Schatten hinausreichte.

Wasser aus der Tiefe und Sonnenglut aus der Höhe machten eine königliche Palme aus dem jungen Baum. Nach Jahren kam Ben Sadok wieder, um sich an dem Krüppelbaum zu freuen, den er verdorben hatte. Er suchte vergebens. Da senkte die stolzeste Palme ihre Krone, zeigte den Stein und sagte: „Ben Sadok, ich muss dir danken. Deine Last hat mich stark gemacht.“ Amen.

Verfasserin: Ulrike Wegner, Borngasse 24 a, 63128 Dietzenbach

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