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Hingabe - einer für alle

von Manuela Rimbach-Sator (55276 Oppenheim)

Predigtdatum : 09.03.2008
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Lätare
Textstelle : Hebräer 13,12-14
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Wochenspruch:

Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele (Matthäus 20,28)

Psalm: 43 (EG 724)

Lesungen

Altes Testament:
1. Mose 22,1 – 13
Epistel:
Hebräer 5, 7 – 9
Evangelium:
Markus 10, 35 – 45

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 545
Wir gehen hinauf nach Jerusalem
Wochenlied:
EG 76
O Mensch, bewein dein Sünde groß
Predigtlied:
EG 93
Nun gehören unsre Herzen
Schlusslied:
EG 590
Herr, wir bitten: komm und segne uns

Hinführung zur Predigt:
Ganz konkret geht es um die Kreuzigung Jesu draußen vor den Toren der Stadt. Aber dieser Ort ist auch symbolisch zu begreifen. Der Text verlangt nach einer Konkretion, um zu verstehen, was „draußen vor dem Tor“ heute heißt, und es ist sinnvoll, wenn der/die Prediger/in hier Aktuelles aus seiner / ihrer Gemeinde einträgt. Vor allem heißt es auch für den, der diesen Text predigt: Was bedeutet es mir, dass wir als Christinnen und Christen draußen stehen?
Für eine Lesepredigt muss die Vorlage hier vage bleiben.
*Anmerkung: Im Folgenden erscheint kursiv gedruckt, was auf die hiesige Situation bezogen ist und in der Lesepredigt auszutauschen ist.

12 Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. 13 So lasst uns nun zu ihm hinausgehen aus dem Lager und seine Schmach tragen. 14 Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.

Liebe Gemeinde,
macht, dass ihr rauskommt!
Drinnen habt ihr nichts verloren!
Schert euch zum Teufel!
Würde mir ein barocker Predigtstil einigermaßen zu Gesicht stehen, so müsste ich die Auslegung des Predigttextes aus dem Hebräerbrief so beginnen.
Es sind ziemlich unheilige Töne, die es heute anzuschlagen gilt.
Aber bevor Sie mich jetzt all zu wörtlich nehmen und den Rest des Gottesdienstes draußen im schönen Frühlingswetter weiterfeiern wollen, will ich mit Ihnen näher betrachten, was uns da so hinaustreibt vor die Tür, ins Pro-fane, also vor das Fanum, das Heilige.
Das Heilige ist das Besondere, das nicht allgemein Verfügbare. Etwas, was nicht jedermann in die Finger kriegen soll.
In diesem Sinn kann man sagen: „Meine Haarbürste ist mir heilig.“ Und heftige Kampfszenen spielen sich im Badezimmer ab, wenn der kleine Bruder sich an der Haarbürste der großen Schwester vergreift.
Unser Alltag ist voll von solchen Dingen, denen wir eine eigene Bedeutung geben. Fatal wird es, wenn andere diese Bedeutung nicht akzeptieren, nicht kennen oder nicht verstehen. Darauf beruhen viele Missverständnisse in den Familien und heftige Auseinandersetzungen zwischen den Kulturen und Nationen.
In der Religion gibt es viele Dinge, die etwas Besonderes sind; oft gibt es eine große Zahl von Menschen, die dieses Besondere anerkennen, wertschätzen und feiern.
Vielen Menschen ist unsere Katharinenkirche* heilig, weil sie darin Hochzeit, Kindtaufe und Konfirmation gefeiert haben. Weil sie sie schon von weitem gesehen haben, beim Heimkommen immer wieder und nach schwierigen Wegstrecken vor allem. Tröstlich oder beruhigend, versöhnlich oder erhaben und einfach vertraut.
„Heilig“, das hat nicht nur etwas mit dem Göttlichen zu tun, sondern auch mit mir selbst. Mit dem, was mir wichtig und wert ist, was für mich eine Bedeutung hat. Aber auch, was sich abhebt, was sich unterscheidet. So wie in dem Wort „besonders“ der Gedanke des (Ab-)Sondern, des Trennens steckt.
Im Hebräischen findet sich dieses Wort (hivdil) wieder in der Schöpfungsgeschichte, wo die Erschaffung als ein Akt der Trennung von Land und Wasser, von Licht und Dunkelheit verstanden wird. Ein Tag wird abgesondert, wird unterschieden von den anderen: Der Sabbat ist heilig.
Es gibt heilige Dinge, heilige Zeiten, heilige Räume, für die besondere Bedingungen gelten: Regeln und Verbote. Und die jüdische Religion lässt sich verstehen als ein einziger Versuch, dieser Trennung von „heilig“ und „unheilig“ gerecht zu werden.
Aus jüdischer Sicht ist das Christentum eine erhebliche Verflachung, wenn Speisevorschriften, Reinheitsgebote und Opferriten nicht mehr gelten, nicht mehr eingehalten werden müssen, um dem heiligen Gott gerecht zu werden.
Die Religion hat im Judentum ihren festen, heiligen Ort im Tempel. Von dort ziehen sich wie konzentrische Kreise die Abgrenzungen und Abstufungen des Heiligen. Auf das Allerheiligste im Innern des Tempels folgt der Vorraum zum Allerheiligsten, sodann die Halle der Priester, die Halle der Israeliten, die Halle der Frauen, der Tempelberg, die Mauern von Jerusalem, alle ummauerten Städte Israels und die Grenzen des Landes, das man das „Heilige Land“ nennt.
„Draußen vor der Stadt“, das ist der gottverlassenste Ort, den man sich denken kann. Dort lauert das Böse, das Unreine, das Unheilvolle. Dorthin jagt man den Teufel und alle finsteren Kräfte. Dort ist Unreinheit, Tod und Vergessen. Dort wird das Opfertier rituell verbrannt.
Dort ist auch der Hinrichtungsort.
Wer dort hingelangt, der ist am Ende angekommen. Am Ende seines Lebens, am Ende seines Wirkens. Am Ende der göttlichen Herrlichkeit.
Dort ist Jesus gekreuzigt worden. Draußen vor dem Tor.
Und wer sich zu ihm bekennt, wer zu diesem Elenden da draußen hält, der wird selbst zu einem solchen Außenseiter; der verlässt die sicheren Mauern des jüdischen Gesetzes, der jüdischen Religion.
Wer sich zu diesem Jesus hält, der muss sich entscheiden zwischen dem, was vertrautes Regelwerk ist und dem, was neu gilt. Reinheitsgebote, heilige Orte, Opferrituale, eine eindeutige Hierarchie. In diesem Wort steckt es wieder Hieros – heilig, archos – die Herrschaft.
Dieser Jesus stellt die Hierarchia auf den Kopf. Was zuvor heilig war, hat seine Bedeutung verloren. Mit Jesus Christus und seinem Opfertod definiert sich „drinnen“ und „draußen“ neu. Was „heilig“ ist und was nicht, das müssen wir neu lernen.
Ebenso wie heute in unserer Zeit suchen auch in der Antike die Menschen nach Verbindlichkeit, nach Ordnungen, die das Leben gegen Willkür und Ungewissheit schützen und abgrenzen.
Es ist nicht leicht, sich zu einer Religion zu halten, die einen zum Außenseiter macht. Das geht nur, wenn der innere Halt dagegen anhält. Die Gemeinde der Christen wird zum Gegenbild gegen das, was die offizielle Religion, das Judentum als Regelwerk hat. Und sie nennen sich die Herausgerufenen „Ekklesia“, die Kirche.
Unser heutiger Predigttext war einmal eine Predigt für die Menschen, die in der dritten Generation nach Jesus lebten.
Ihr religiöses Leben und Erleben war in vielem ganz anders als unseres heute.
Gerade wir feiern unseren Glauben selten „draußen“. Vor allem hier in Oppenheim in unserer schönen Katharinenkirche* ist das „drinnen“ uns heilig, und wir vergessen leicht, dass es uns Christenleuten gut zu Gesicht steht, ein Gegenentwurf zu sein zu dem, was „drinnen“ gilt.
Daran erinnert uns diese alte Predigt: Christen gehören nach draußen!
Weil Jesus Christus draußen gelitten hat, deswegen darf die Kirche sich nicht nur hinterm warmen Ofen verkriechen, sich einrichten in Bequemlichkeit.
Weil Jesus Christus draußen vor dem Tor sein Opfer brachte, deswegen verfehlt die Kirche sich selbst, wenn sie sich nur drinnen festsetzt, wenn sie selbst nur zur festgemauerten Kulisse erstarrt, wenn sie kein Profil zeigt gegen Unfrieden, Unwürde und Ungerechtigkeit.
Unser Draußen heute sieht anders aus als zu Zeiten, als der Hebräerbrief geschrieben wurde und der kleinen Schar von Christenleuten Mut machte, Heil dort zu finden, wo unheilige Bedingungen herrschten.
Heute könnte es geradezu umgekehrt sein. In unserer Zeit suchen viele Menschen ihr „Heil“ fernab von Glauben und Kirche. Sie suchen es in den Fitness-Studios und den Vereinslokalen, in Börsenberichten und All-inclusive-Urlauben, in der idealen Beziehung und Rundum-Sorglos-Paketen von Krankenkasse und Versicherung.
Aber längst läuft uns die Wellness-Welle aus dem Ruder, weil wir auf dem Altar der Geldwirtschaft unsere Seele mehr als nur angekokelt haben.
Eine gute Gelegenheit für die Christenheit, sich wieder zu Wort zu melden, wieder herauszurufen aus den Sackgassen der Selbstverwirklichung ohne Gott. Eine gute Gelegenheit, auch für uns Christinnen und Christen, nachzusehen, wo wir gelandet sind, ob wir noch draußen stehen, wo uns der Wind um die Nase weht oder ob wir uns gemütlich eingerichtet haben im warmen Nest.
Ob wir noch dagegenhalten mit dem, was uns heilig und wert ist oder ob wir unseren Glauben eingewickelt haben in Geschenkpapier; ein bisschen Kirchensteuer hier, ein bisschen Weihnachtsglitzer da, Jesus hat uns alle lieb. Piep.
Die Kirche gehört nach draußen. Christinnen und Christen finden ihr Heil bei dem Christus, der draußen vor der Stadt geopfert wurde wie der letzte Hund.
Und dass, als er starb, gleichzeitig der Vorhang im Allerheiligsten zerriss, sagt es noch mal: Dieser Opfertod stellt die Verhältnisse auf den Kopf. Damals.
Und heute immer noch. Der Glaube an diesen Jesus Christus ist auch heute noch etwas, das Versager, Gescheiterte, Angefochtene, Zweifler und vermeintlich Gottverlassene besonders gut verstehen, weil er zu ihnen hinaus kommt: hinaus aus den Sicherheiten, hinaus aus den Tempeln der Erhabenheit. Dorthin wo es Zögern gibt und Demütigung und Unwägbarkeiten und Willkür.
Dort hat der Glaube etwas zu melden. Dort ist er glaubwürdig: Wo er den Unwürdigen ihre Würde wiedergibt. Draußen.
Wir wollen es uns immer wieder neu sagen lassen, uns nicht nur bequem einrichten in windgeschützten, neurenovierten Sandstein-Mauern, wollen nicht so tun, als ob uns kein Problem betrifft, und wollen uns erinnern lassen und mutig auf den Weg machen nach draußen, wo die Dinge, wie sie sind, in Frage gestellt werden. Wo die Herrschaftsverhältnisse, wie sie sind, außer Kraft gesetzt werden. Wo die Unterschiede und Grenzen zwischen heilig und profan neu bestimmt werden. Wo nicht der Publikumsgeschmack den Ton angibt, sondern Gott das letzte Wort behält.
Also, ihr Oppenheimer*: Macht, dass Ihr rauskommt!

Liedvorschlag: Lasset uns mit Jesus ziehen EG 384, vor allem Str. 1+2

Verfasserin: Pfarrerin Manuela Rimbach-Sator, Merianstr. 6, 55276 Oppenheim

Herausgegeben vom

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