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Hoffnung und Geduld

von Cornelia Synek (61440 Oberursel)

Predigtdatum : 04.01.2009
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 2. Sonntag nach dem Christfest
Textstelle : Lukas 2,41-52
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Wochenspruch:

Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit (Joh 1,14b).

Psalm: 138

Lesungen

Altes Testament:

Jesaja 61, 1-3(4.9.)11.10

Epistel:

1. Johannes 5, 11-13

Evangelium:

Lukas 2,41-52

Liedvorschläge

Eingangslied:

EG 39

Kommt und lasst uns Christus ehren

Wochenlied:

EG 51 oder EG 72

Also liebt Gott die arge Welt oder: O Jesu Christe, wahres Licht

Predigtlied:

EG 38

Wunderbarer Gnadenthron

Schlusslied:

EG 410

Christus, das Licht der Welt

41 Und seine Eltern gingen alle Jahre nach Jerusalem zum Passafest. 42 Und als er zwölf Jahre alt war, gingen sie hinauf nach dem Brauch des Festes. 43 Und als die Tage vorüber waren und sie wieder nach Hause gingen, blieb der Knabe Jesus in Jerusalem, und seine Eltern wußten's nicht. 44 Sie meinten aber, er wäre unter den Gefährten, und kamen eine Tagereise weit und suchten ihn unter den Verwandten und Bekannten. 45 Und da sie ihn nicht fanden, gingen sie wieder nach Jerusalem und suchten ihn.

46 Und es begab sich nach drei Tagen, da fanden sie ihn im Tempel sitzen, mitten unter den Lehrern, wie er ihnen zuhörte und sie fragte. 47 Und alle, die ihm zuhörten, verwunderten sich über seinen Verstand und seine Antworten. 48 Und als sie ihn sahen, entsetzten sie sich. Und seine Mutter sprach zu ihm: Mein Sohn, warum hast du uns das getan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht. 49 Und er sprach zu ihnen: Warum habt ihr mich gesucht? Wißt ihr nicht, daß ich sein muß in dem, was meines Vaters ist? 50 Und sie verstanden das Wort nicht, das er zu ihnen sagte. 51 Und er ging mit ihnen hinab und kam nach Nazareth und war ihnen untertan. Und seine Mutter behielt alle diese Worte in ihrem Herzen. 52 Und Jesus nahm zu an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott und den Menschen.

„Jesus nahm zu an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott und den Menschen“ – so formuliert es der Evangelist Lukas im Abstand der Zeit. Besorgte Eltern, die tagelang ihr Kind suchen, reden da anders. Kaum aus den Windeln, wird er aufmüpfig, patzig, redet altklug und lässt die Eltern als die Dummen oder die Nichtverstehenden dastehen. Warum sagt er nicht Bescheid, dass er erst einmal für drei Tage im Haus seines Vaters bleibt?

Wie jeder heranwachsende Jugendliche, so benimmt sich Jesus in dieser Geschichte: er denkt an das, was er will, er denkt nicht an die Folgen seines Handelns. Es ist eine Geschichte der Menschlichkeit des Sohnes Gottes, es ist eine schöne und mutmachende Geschichte. Denn Jesus war der Wirklichkeit dieser Welt nicht entrückt, das zeigt sein Leben von Anfang an – vom Baby in den Windeln bis hin zum sterbenden Mann. Es ist ein Lebensweg, liebe Gemeinde, der wie Ihrer und meiner dieser Welt ausgesetzt war, ein Weg, in dem auch wir unsere Spuren entdecken können.

Jesus war nicht der immerwährend Sanfte, er gab Widerworte, er warf die Händler aus dem Tempel. Er war nicht kritiklos, denn er führte scharfe Reden gegen die Selbstgerechten und Selbstsicheren. Er war nicht unkritisierbar, einen Fresser und Weinsäufer nannte man ihn. Er hat sehr menschlich um seinen Weg gerungen: „Lass` diesen Kelch an mir vorübergehen“ und sein Aufschrei am Kreuz war die zutiefst menschliche Frage „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

Er lebte wie wir, versucht wie wir, aber er lebte dieses Leben vor Gott, er brachte die menschlichen Schwachheiten und Schwächen in Beziehung zu Gott und nicht nur in die Beziehung zu unseren moralischen Standards. Jesus nahm zu an Weisheit, Alter und Freude bei Gott und den Menschen. Das heißt doch auch: der menschgewordene Gott kommt nicht allwissend und alterslos in diese Welt. So weitreichend ist diese Menschwerdung Gottes, dass sie – wie bei jedem von uns – auf Wachstum angelegt ist. Das hoffen wir doch als Eltern, dass unsere Kinder mit dem Älterwerden, dem Erwachsenwerden zunehmen an Weisheit und dass sie es lernen, ein Verhältnis zu Gott und zu ihren Mitmenschen aufzubauen und dass sie ein eigenes Profil entwickeln. Sehr schön, sehr anschaulich sehe ich dies verwirklicht in der Geschichte, die Lukas von dem 12-jährigen Jesus im Tempel erzählt.

Die Voraussetzung für einen guten Dialog oder auch für einen konstruktiven Streit ist genau dies, dass man seine eigene Überzeugung, die eigene Gestalt des Lebens nicht verbirgt. Miteinander reden können nur Menschen, die ihre eigene Geschichte, die ihr Gesicht, ihre Sprache kenntlich machen und somit füreinander identifizierbar sind.

Sehr eindrücklich wird das hier von Jesus berichtet. Alle, die ihm zuhörten, wunderten sich über seinen Verstand, und die Eltern müssen lernen, das Kind loszulassen.

Jesus ist lebensstiftend seinen Weg als Mensch gegangen, und in seiner Lebensgeschichte wird offenbar, dass er mehr ist als ein Mensch.

„Fürchte dich nicht“. Der 12-jährige ist noch nicht in der Lage, seine Eltern in ihrer Angst so anzureden, aber später, da begegnet uns dieser Satz häufig.

Immer wieder redet der menschgewordene Gott seine Menschen mit diesem Satz an, und ich sehe darin einen wesentlichen Teil des Zuspruchs, den auch wir Christen in unserer Zeit den Menschen ausrichten können.

In diesem Zusammenhang denke ich an die Geschichte des 8-jährigen Francesco. Bei einem Erdbeben in Süditalien wurde er verschüttet. 43 Stunden lang lag er 2 Meter tief im Schutt begraben. Er schwankte zwischen Hoffnung: Waren da nicht Geräusche über mir? Und Verzweiflung: Es ist alles um mich herum still! Ich habe mich getäuscht. Wie lang kann eine Stunde in solcher Situation dauern! Und dann wieder ferne Geräusche, sie werden lauter, sie kommen näher, Hundgebell, Männerstimmen und dann die Stimme seiner Mutter. Schutt wird abgetragen und Francesco weiß: ich bin gefunden worden, bald werde ich frei sein. Zwar liegt er noch eingeklemmt in dem kleinen Hohlraum, aber wie viel leichter fällt ihm auf einmal das Warten. Jetzt hat er feste Hoffnung, jetzt hat er Geduld.

Für mich ist diese Geschichte ein tragfähiges Bild christlichen Lebens:

In Jesus Christus hat Gott uns eine feste Hoffnung gegeben, er fing – wie wir – seinen Lebensweg in Windeln an, auf die Liebe und Fürsorge der Eltern völlig angewiesen, er wuchs auf, nahm zu an Weisheit, er lernte, und später, als die Menschen sich im Jordan taufen ließen, da stieg er mit ihnen in das Wasser. Sie wussten nicht, wer er ist, aber sie sahen: Das ist einer von uns. Und so begann er, er suchte die Nähe der Sünder, er kehrte in ihre Häuser ein und aß und trank mit ihnen. Denn das, was er ihnen sagen wollte, das kann man nur sagen, wenn man am gleichen Tisch sitzt. Und als man die Frau zu ihm brachte, die man beim Ehebruch ertappt hatte, da weigerte er sich, aus der Wahrheit einen Stein zu machen, mit dem man auf sie werfen konnte.

Das ist für mich Mitte unseres Glaubens. Gott wird Mensch, und unser Glaube ist nicht nur Wissen um das, was Menschen vor Hunderten von Jahren erlebt haben; die Geschichten der Bibel sind Vorbildgeschichten, in denen wir unsere eigene Biografie entdecken können, unser Glaube ist lebendige Erfahrung.

Christen sind Menschen, die fragen und antworten, die Widerworte geben und Kompromisse suchen. Es sind Menschen, die mit offenen Augen und wachen Sinnen durch die Welt gehen, die auf der Suche sind nach Weisheit und nach Gnade bei Gott und den Menschen.

Verfasserin: Pfarrerin Cornelia Synek, Dornbachstr. 45, 61440 Oberursel


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