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Im Danken Gott finden - aktualisierte Fassung unter Berücksichtigung der Corona-Pandemie

von Hans-Jörg Wahl (Usingen)

Predigtdatum : 13.09.2020
Lesereihe : II
Predigttag im Kirchenjahr : 14. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Lukas 19,1-10
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Wochenspruch: Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat. (Psalm 103,2)

Psalm: 146

Predigtreihen

Reihe I: 1. Mose 28,10-19a(19b-22)
Reihe II: Lukas 19,1-10
Reihe III: 1. Thessalonicher 5,14-24
Reihe IV: Jesaja 12,1-6
Reihe V: Lukas 17,11-19
Reihe VI: Römer 8,14-17

Liedvorschläge

Eingangslied: EG+ 97, 1-4 Solang wir Atem holen
Wochenlied: EG  303, 1+3+8 Lobe den Herren, o meine Seele
Predigtlied: EG+ 75, 1-3 Wo Menschen sich vergessen
Schlusslied: EG  590, 1-3 Herr, wir bitten, komm und segne uns

Predigttext Lukas 19,1-10

Zachäus

1 Und er ging nach Jericho hinein und zog hindurch.
2 Und siehe, da war ein Mann mit Namen Zachäus, der war ein Oberer der Zöllner und war reich.
3 Und er begehrte, Jesus zu sehen, wer er wäre, und konnte es nicht wegen der Menge; denn er war klein von Gestalt.
4 Und er lief voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um ihn zu sehen; denn dort sollte er durchkommen.
5 Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren.
6 Und er stieg eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden.
7 Da sie das sahen, murrten sie alle und sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt.
8 Zachäus aber trat herzu und sprach zu dem Herrn: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück.
9 Jesus aber sprach zu ihm: Heute ist diesem Hause Heil wi-derfahren, denn auch er ist ein Sohn Abrahams.
10 Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.

Liebe Gemeinde,

begeben Sie sich mit mir in ein Dorf in Galiläa zur Zeit Jesu:

Man kennt sich.
Man meint genau zu wissen wie man ist.
Genau wie die anderen meinen zu wissen, wie man ist.
Man – das sind die Frauen und Männer im Dorf;
das sind auch die diejenigen, die Geschichten aus dem Dorf gehört haben,
und meinen es genau zu wissen.

So ist es auch bei Z.
Man kennt ihn.
Man kennt seinen Wohlstand.
Man sieht es ihm an.
Sein Kleid, sein Haus, sein Boot.
Richtige Freunde sieht man jedoch bei ihm nicht.
Mit seinem Beruf macht man sich keine Freunde.
Keine Freunde, die man eigentlich gerne hätte.
Von echten Freundinnen ganz zu schweigen.
Aber jemand muss den Job doch machen.
Wenn nicht er, dann macht es jemand anderes.

Er ist ein Oberzöllner.
Er lebt von den Beträgen, die er auf die römisch festgelegten Steuern zusätzlich drauf schlägt.
Jede Mehreinnahme in seinem Zuständigkeitsgebiet wanderte in seine Tasche.
Die anderen müssen es ihm oder seinen Mitarbeitern bezahlen, sonst drohen Strafen.

Immerhin ist er jetzt jemand.
Als Kind war er ein niemand.
Obwohl er ein schlaues Bürschchen war.
Aber der Körper des Bürschchens war zu schmächtig.
Gegen die Burschen hatte er keine Chancen.
Und sie nutzten jede Chance, ihm das zu zeigen.

So begann er ein Leben auf Abstand.
Er wuchs mit dem Selbstbild auf, dass ihn niemand gern hat.
Er lernte alleine zu leben.
Er fand einen Beruf wie er gut alleine leben konnte.

Er hatte schon viel von Jesus, dem Rabbi aus Nazareth, gehört.
Er zieht von Dorf zu Dorf und findet immer mehr Anhänger.
Auch viele Frauen hören ihm zu und unterstützen ihn.
Er hilft vielen Menschen.
Auch den Aussätzigen, Ausgestoßenen und Kranken.
Er heilte sogar den Knecht des Hauptmanns von Kapernaum (Lk 7).
Obwohl er eine römische Uniform trägt.
So wie er als Zöllner für die Römer arbeitet.

Die Frauen und Männer erzählen, dass Jesus bald in sein Dorf kommt.
Es bildet sich schon eine Menschentraube, um ihn zu empfangen.
Diesen ungewöhnlichen Rabbi möchte er wenigstens einmal sehen.
Sich einfach unter die Leute zu mischen kann er sich nicht leisten.
Sie würden ihn verjagen oder in eine Falle locken.
Vielleicht würden sie ihn wie früher verprügeln oder sogar lynchen.
Z. will Jesus, den Rabbi aus Nazareth, wenigsten aus der Ferne sehen.
Er steigt auf einen Baum.
Aber er bleibt nicht unbemerkt.
Man kennt sich.
Man kennt ihn.
Böse Blicke, die ihn auf dem Baum erblickt haben, begegnen ihm.
Es sind die Blicke seiner Mitmenschen, die ihm Geld am Zoll aushändigen mussten.
Die Blicke drücken aus:
„Wie kann er es denn nur wagen, in die Nähe von Jesus zu kommen.
Dieser Verräter, Ausbeuter und Sünder.
Am besten er falle vom Baum und breche sich seine Knochen.“

Dann beginnen die Jubelrufe.
Der Rabbi ist im Dorf angekommen.
Jetzt läuft er auf der Hauptstraße.
Z. bleibt nicht unbemerkt.
Der Rabbi aus Nazareth spricht ihn an.
„Zachäus, steig eilend herunter, denn ich muss heute in deinem Haus einkehren.“
Zachäus zuckt es durch den ganzen Körper.
Kurz kommt ihm in den Sinn:
„Woher kennt er meinen Namen?“
Aber Zachäus vergeudet keine Zeit.
Als ob ihn irgendetwas leiten würde, steigt er sofort vom Baum herunter.
Er spürt so viel Anspannung und Lebensfreude wie schon lange nicht.

Ohne darüber je nachgedacht zu haben spricht Zachäus zu Jesus:
„Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemand betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück.“

Denn ihm kam es jetzt so vor, als würde er von Goldstücken überschüttet werden.
Unbezahlbar war für ihn das Gefühl, dass jemand sich mit ihm an einen Tisch setzt.
Überwältigend war für ihn die Erfahrung, dass jemand ihn nett findet, dass sich jemand für ihn Zeit nimmt.

Nicht auf einem Baum, sondern in der Küche sitzt eine allein erziehende Mutter.
Sie erzählt von Erfahrungen aus der Coronazeit.
Sie ringt gerade nach Worten, nachdem ihre Tränen und ihr Schluchzen sie zu einer Pause zwangen.
Sie konnte gerade noch den Satz beenden:
„Und ich konnte nur noch denken, dass außer meiner Tochter mich keiner mehr haben möchte.
Dass ich vom Leben völlig abgeschnitten bin.“
Denn nach dem Lockdown brachen bei ihr alle Kontakte ab.
Ihre beste Freundin war gerade nach Berlin gezogen.
Ihre ortsansässige Freundinnen und ihre Schwägerin nahmen die Kontaktsperren sehr ernst.
Nicht einmal ein Spaziergang mit Sicherheitsabstand war möglich.
Auch die Eltern der Freundinnen ihrer Tochter lehnten Begegnungen ab.
Dazu kam der verlorene Arbeitsplatz seit Anfang des Jahres.
Immerhin konnte sie den ganzen Tag das Homeschooling ihrer Tochter begleiten.
Keine einfache Aufgabe, wenn die Schülerin ohne Klassenlehrerin und Mitschülerinnen das Lernen verweigert.

Ängste kamen auf, die an die Depressionen vor ein paar Jahren erinnerten.
Wie aus heiterem Himmel kam der Anruf einer Freundin, die sich lange nicht mehr gemeldet hatte.
Endlich jemand, der sich für sie interessierte.
Die Freundin hörte zu und rief durch den Hörer:
„Du musst an diesem Wochenende mich besuchen.
Ich lege jetzt auf und kaufe für ein schönes Wochenende ein.“

So begann eine Rettungsgeschichte aus der Einsamkeit.
Unbezahlbar war für sie das Gefühl, dass jemand sich mit ihr an einen Tisch setzt. Überwältigend war für sie die Erfahrung, dass jemand sich für sie interessiert, dass sich jemand für sie Zeit nimmt.

Verfasser: Pfarrer Dr. Hans-Jörg Wahl, Franz-Liszt-Straße 19, 61250 Usingen  


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