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Irdische Güter

von Fritz Lenz (06618 Naumburg)

Predigtdatum : 28.09.2003
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 13. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Matthäus 6,25-34
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Wochenspruch:

Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. (1. Petrus 5,7)

Psalm: 127,1-2

Lesungen

Altes Testament:
1. Mose 2,4b-9 [10-14] 15
Epistel:
1. Petrus 5,5c-11
Evangelium:
Matthäus 6,25-34

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 452
Er weckt mich alle Morgen
Wochenlied:
EG 345
oder EG 369
Auf meinen lieben Gott
Wer nur den lieben Gott lässt walten
Predigtlied:
EG 369
Wer nur den lieben Gott lässt walten
Schlusslied:
EG 170
Komm, Herr, segne uns

Jesus lehrte seine Jünger und sprach: 25 „Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? 26 Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie? 27 Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt? 28 Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. 29 Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. 30 Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird: sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen?
31 Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? 32 Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft. 33 Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. 34 Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.“

Liebe Gemeinde!
Das sind wunderschöne und einladende Worte aus dem Munde Jesu von Nazareth! Aber klingen sie nicht doch befremdlich in unser Leben hinein? – Denn zum menschlichen Leben scheint es ja zu gehören, dass es von der Sorge bewegt wird. Der Mensch ist ein zeitliches Wesen. Seine Gegenwart steht immer vor einer Zukunft und ist deshalb ständig von der Sorge erfüllt: Was wird die Zukunft bringen? –
Und das ist nicht immer die Frage froher Erwartung, sondern oft genug auch die Frage quälender Sorge: Werde ich durchkommen? Wird mein Werk gelingen? Werde ich endlich wieder Arbeit finden? Wird der, um den ich bange, mir erhalten bleiben? Wohl jeder von uns kennt jene Sorge, die der Nacht den Schlaf raubt. Jesus von Nazareth möchte uns helfen, dass wir lernen, mit Sorgen zu leben, mit ihnen richtig umzugehen, damit wir im Strom der Sorgen nicht ertrinken, nicht zerrieben und verschlissen werden. So gibt er einige Ratschläge, die gleichsam vom unscheinbaren Gedanken auf das Allerwichtigste hinführen.
Erster Ratschlag: „Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.“ – Wenn sie durch die Straßen ihres Ortes gehen und auf die Gesichter der Menschen achten, spüren sie: Dieser Strom von Menschen, der ihnen da entgegen kommt, ist auch ein Strom von Sorgen. In ihm begegnen ihnen viele ausdruckslose Gesichter angesichts von vielfältigen Sorgen. In ihm schauen sie erloschene Augen an, die ausgebrannt sind von den Sorgen des Alltags. In ihm bewegen sich verbrauchte Gestalten, die verschlissen wurden von den Sorgen des Lebens. –
Nun ist allerdings klar, kein Mensch kann sich gegen die Sorgen völlig abschotten. Wohl aber kann er sie eingrenzen. Jeder Tag hat nämlich seine eigene Plage und genug Mühsal, die er bringt. Es reicht, wenn uns die gegenwärtigen Sorgen beschäftigen und nicht auch noch die zukünftigen, die wir noch nicht kennen, sondern nur ahnen. Denn sie vergiften so schnell das ganze Leben. Gewiss: Immer wieder stauen sich im Alltag die kleinen Pflichten wie große Berge auf. Man schafft sie nur, wenn man sie in kleine Portionen aufteilt – erst das – und dann dies – das reicht – damit auch wieder Raum entsteht zum Träumen.
Darauf zielt wohl auch ein Wort Papst Johannes XXIII.: „Das Vertrauen auf Gott, der auf uns schaut, der uns beschützt, der uns liebt, muss uns zum Halt dienen angesichts der Prüfungen des Lebens. Denken wir an das Heute und überlassen wir uns dem Herrn, was den morgigen Tag angeht. Es genügt von einem Tag zum anderen zu leben, Arm in Arm mit Gott zu gehen, ohne ihm vorauseilen zu wollen. Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen, das ist die beste Philosophie.“-
Zweiter Ratschlag: „Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt?“ – Jetzt kommt es darauf an, das ganze Leben in den Blick zu bekommen. Sagen sie sich immer wieder einmal: Ich kann durch Sorgen meinem Leben oder auch dem Leben anderer Menschen keine Minute hinzufügen. Aber sie können viele Menschen in ihrem Leben und im Leben ihrer Mitmenschen durch Sorgen verdunkeln. Der Tod ist unvermeidlich. Er kommt für sie und für die, die ihnen lieb sind. Doch dieser Gedanke muss ihr Leben nicht verdunkeln. Im Gegenteil, er weist nur darauf hin: ihr Leben findet heute statt, hier und jetzt und nicht erst morgen oder in dreißig Jahren. Wer nicht heute bewusst beginnt, der wird am Ende griesgrämig dastehen und das Leben bedauern und betrauern, um das man ihn betrogen hat. So lernen sie, immer wieder aufzuschauen, gelassen und dankbar zu werden.
Neulich las ich Worte Rosa Luxemburgs, die jene heitere Gelassenheit verkörpern. Eingekerkert, inmitten einer Unzahl von Verhören schrieb sie am 16. Juli 1917 aus dem Gefängnis: „...dass ich allein soviel Schönheit genießen soll. Ich möchte laut über die Mauer hinausrufen: O bitte, beachten sie doch diesen herrlichen Tag! Vergessen sie nicht, wenn sie noch so beschäftigt sind, wenn sie auch nur in dringendem Tagewerk über den Hof eilen, vergessen sie nicht, den Kopf zu heben und einen Blick auf diese riesigen silbernen Wolken zu werfen und auf den stillen blauen Ozean, in dem sie schwimmen. Beachten sie doch die Luft, die von leidenschaftlichem Atem der letzten Lindenblüten schwer ist und den Glanz der Herrlichkeit, die auf diesem Tag liegen, denn dieser Tag kommt nie wieder! Er ist ihnen geschenkt wie eine aufgeblühte Rose, die zu ihren Füßen liegt und darauf wartet, dass sie sie aufheben und an ihre Lippen drücken.“ – Das ist im schönsten Sinne Geist Jesu von Nazareth, Geist der Bergpredigt. –
Dritter Ratschlag: „Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?“
Jetzt lenkt Jesu von Nazareth den Blick über unser Leben hinaus auf die Natur, in die wir eingebettet sind. Vögel und Blumen kennen keine Sorgen. So können sie für die Menschen ein Vorbild sein, ein Beispiel für Sorglosigkeit. Doch wie ist das gemeint? Müssen wir ein Leben führen wie Pflanzen und Tiere und die Augen vor der Zukunft mit ihrem Schicksal und ihrer Verantwortung schließen? –
Genau betrachtet wird doch deutlich, dass der Unterschied zwischen Mensch und Tier und Pflanze keineswegs übersehen wird. Selbstverständlich will Jesus aus Nazareth nicht sagen: Ihr müsst es machen wie sie, nämlich nicht säen und nicht ernten und nicht arbeiten. Vielmehr setzt er ja voraus, dass der Mensch dies alles macht. Aber dies vorausgesetzt, will er sagen: Ihr müsst es machen wie sie, nämlich keine Sorgen haben. Denn wenn die Tiere und Pflanzen keine Sorgen um die Zukunft kennen, die doch für die Zukunft keine Vorsorge treffen können, wie könnt denn ihr euch sorgen, die ihr Vorsorge treffen könnt. Gerade weil ihr sät und erntet und arbeitet, gerade deshalb sollt ihr euch nicht sorgen, sondern dürft gelassen in den Tag blicken, weil euer Vater im Himmel weiß, was ihr braucht. Und plötzlich lernen sie dankbar zu sein.
In einem Gedicht „Täglich zu singen“ hat Matthias Claudius einmal den Geist dieser Worte Jesu von Nazareth nachzugestalten versucht:
„Ich danke Gott und freue mich
wie’s Kind zur Weihnachtsgabe,
dass ich bin, bin! Und dass ich dich,
schön menschlich Antlitz habe;
dass ich die Sonne, Berg und Meer
und Laub und Gras kann sehen
und abends unterm Sternenmeer
und lieben Monde gehen,
und dass mir dann zu Mute ist,
als wenn wir Kinder kamen
und sahen, was der heil’ge Christ
bescheret hatte, Amen!
Ich danke Gott mit Saitenspiel,
dass ich kein König worden;
Ich wär’ geschmeichelt worden viel
und wär’ vielleicht verdorben.
Auch bet’ ich ihn von Herzen an,
dass ich auf dieser Erde
nicht bin ein großer reicher Mann
und auch wohl keiner werde.
Denn Ehr’ und Reichtum treibt und bläht,
hat mancherlei Gefahren,
und vielen hat’s das Herz verdreht,
die weiland wacker waren.
Und all das Geld und all das Gut
gewährt zwar viele Sachen;
Gesundheit, Schlaf und guten Mut
kann’s aber doch nicht machen.
Und die sind doch, bei Ja und Nein!
Ein rechter Lohn und Segen.
Drum will ich mich nicht groß kastei’n
des vielen Geldes wegen,
Gott gebe mir nur jeden Tag,
soviel ich brauch zum Leben.
Er gibt’s dem Sperling auf dem Dach,
wie sollt er’s mir nicht geben.“ –
Vierter Ratschlag: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen! –
Das ist nun wohl der wichtigste Ratschlag. Er führt über den Tag und über das einzelne Leben und über die Natur hinaus und öffnet die umfassendste Perspektive. Er öffnet den Blick für das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit. Und die Sorge um dieses Reich soll uns beherrschen. Gottes Kommen und Wille muss uns über alles gehen! –
Es ist ja bereits im menschlichen Lebenskreis so, dass die Fragen nach Essen und Trinken und Kleidung zu Fragen zweiten Ranges werden für den, dem ein höheres Lebensziel aufgegangen ist. Etwa für den, der von einer großen Aufgabe, einem Werk, dessen Größe für ihn so überragend und selbstverständlich ist, dass er alles dafür opfert: Behaglichkeit und Sicherheit des Lebens, ja unter Umständen das Leben selbst. Wenn wir das schon aus unserem menschlichen Lebenskreis kennen, sollten wir dann nicht begreifen, dass dies erst recht für unser Verhältnis zu Gott gilt? –
Noch einmal: Mit diesem vierten Ratschlag öffnet Jesus von Nazareth uns Menschen den Blick für das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, das heißt jene Gerechtigkeit, die von den Bürgern dieses Reiches erwartet wird und nach der es sie hungert und dürstet.
Es hat einmal jemand gesagt: „Alles Leben ist ein Experiment, um Gott zu entsprechen, aber nur im Menschen wird dieses Experiment bewusst!“ – Nur er kann nämlich über alle anderen Sorgen hinaus von dieser einen Sorge erfasst werden, danach, dass Gottes Wille geschehe im Himmel und auf Erden. Weil uns diese Sorge packt und umtreibt, sind wir mehr wert als alle Vögel unter dem Himmel, als alle Lilien auf dem Felde. Und vor dieser großen Sorge verblassen alle anderen Sorgen.
Noch einmal zurück zu dem Menschenstrom auf den Straßen ihres Ortes. Sie haben ihn natürlich nicht nur als Strom von Sorgen erlebt. Manchmal empfinden sie es ganz stark: In allen diesen Menschen pulsiert derselbe Wille zum Leben. Er ist oft verborgen, verschüttet und beschädigt. Aber er füllt auch immer wieder leere Gesichter mit neuem Geist. Er lässt verlöschende Augen auch immer wieder neu aufleuchten. Er gibt verbrauchten Gestalten auch immer wieder neue Energie.
Und dann spüren sie, dass sie gegen alle Sorgen mit einer großen Kraft verbunden sind. Sie spüren in sich und um sich herum. Sie pulsiert in ihrem Leben, aber auch im Leben, das sie umgibt. Doch sie ist mehr als dieses Leben. Sie ist in allem lebendig, in den kleinen Partikeln und im ganzen Kosmos, in den Vögeln und Lilien und eben auch in ihnen. Wenn sie diese Kraft spüren, dann sind sie glücklich. Und darum wünsche ich ihnen allen, dass sie diese Kraft spüren, eine Gegenkraft gegen alle Sorgen.
Diese Kraft ist der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft. Er bewahre ihre Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Verfasser: Pfr. i. R. Fritz Lenz, R.-Luxemburg-Str. 20, 06618 Naumburg

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