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Israel, das Totenfeld, wird durch Gottes Odem lebendig

von Folker Blischke (06536 Südharz)

Predigtdatum : 19.05.2024
Lesereihe : VI
Predigttag im Kirchenjahr : Pfingstsonntag
Textstelle : Hesekiel 37,1-14
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Wochenspruch: "Es soll nicht durch Heer oder Kraft geschehen, sondern durch meinen Geist, spricht der Herr Zebaoth." (Sacharja 4,6)

Psalm: 118,24-29 (EG 747)

Predigtreihen

Reihe I: Johannes 14,15-19(20-23a)23b-27
Reihe II: Apostelgeschichte 2,1-21
Reihe III: 1. Mose 11,1-9
Reihe IV: Römer 8,1-2(3-9)10 11
Reihe V: 1. Korinther 2,12-16
Reihe VI: Hesekiel 37,1-14

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 501,1-3 Wie lieblich ist der Maien
Wochenlied: EG 136,1.2.7 O komm Du Geist der Wahrheit
Predigtlied: EG 134,1-3 Komm, o komm Du Geist
Schlusslied: EG 503,13-15 Geh aus mein Herz

Predigttext: Hesekiel 37,1-10

1 Des HERRN Hand kam über mich, und er führte mich hinaus im Geist des HERRN und stellte mich mitten auf ein weites Feld; das lag voller Totengebeine. 2 Und er führte mich überall hindurch. Und siehe, es lagen sehr viele Gebeine über das Feld hin, und siehe, sie waren ganz verdorrt. 3 Und er sprach zu mir: Du Menschenkind, meinst du wohl, dass diese Gebeine wieder lebendig werden? Und ich sprach: HERR, mein Gott, du weißt es. 4 Und er sprach zu mir: Weissage über diese Gebeine und sprich zu ihnen: Ihr verdorrten Gebeine, höret des HERRN Wort! 5 So spricht Gott der HERR zu diesen Gebeinen: Siehe, ich will Geist in euch bringen, dass ihr wieder lebendig werdet. 6 Ich will euch Sehnen geben und lasse Fleisch über euch wachsen und überziehe euch mit Haut und will euch Geist geben, dass ihr wieder lebendig werdet; und ihr sollt erfahren, dass ich der HERR bin. 7 Und ich weissagte, wie mir befohlen war. Und siehe, da rauschte es, als ich weissagte, und siehe, es regte sich und die Gebeine rückten zusammen, Gebein zu Gebein. 8 Und ich sah, und siehe, es wuchsen Sehnen und Fleisch darauf und sie wurden mit Haut überzogen; es war aber noch kein Geist in ihnen. 9 Und er sprach zu mir: Weissage zum Geist; weissage, du Menschenkind, und sprich zum Geist: So spricht Gott der HERR: Geist, komm herzu von den vier Winden und blase diese Getöteten an, dass sie wieder lebendig werden! 10 Und ich weissagte, wie er mir befohlen hatte. Da kam der Geist in sie, und sie wurden wieder lebendig und stellten sich auf ihre Füße, ein überaus großes Heer.

Vorbemerkung

Hesekiel 37,1-14 ist eine fast apokalyptische Vision einer Lebendigmachung von toten Knochen, die vermutlich historisch in der Zeit des babylonischen Exils zu verorten ist. Im Dialog von Gott und Prophet fügen sich die verstreuten Knochen (1-3) wieder zu Menschen zusammen (4-8), dann kehrt Lebenskraft in sie hinein (9-10). Nach der Vision folgt die Deutung (11-14), die möglicherweise erst nach der Rückkehr aus dem Exil zur Vision getreten ist: Das Volk Israel wird wieder hergestellt werden. Im Blick auf den Anlass einer Pfingstpredigt ist wichtig, dass insgesamt 9x der Begriff „Ruach“ verwendet wird, was Luther aber als „Odem“ und nicht als „Geist“ übersetzt. Das hebräische „Ruach“ bedeutet natürlich auch Atem im Sinne von Leben, Vitalität oder Lebenskraft, meint aber hier ausdrücklich auch „Wind“ sowie „Geist“ (v9-10) als bewegte und bewegende Kraft, die von Gott ausgeht. Für die folgende Lesepredigt schlage ich deshalb vor, abweichend von der Lutherübersetzung statt „Odem“ den Begriff „Geist“ zu verwenden. Als Predigttext kann sich zudem auf 37,1-10 beschränkt werden.

Predigt

Gott, Jesus, Maria und der Heilige Geist beraten sich, wo sie die Sommerferien verbringen sollen. Gott Vater schlägt vor: "Jerusalem wäre gut". Darauf antwortet Jesus: "Nein, lieber nicht, da habe ich sehr schlechte Erfahrungen gemacht! Aber wie wäre es mit Bethlehem?". Antwortet Maria: "Da gibt es weit und breit keine Wohnungen." Darauf wieder Gott: "Na, dann besuchen wir doch mal Rom". Antwortet der Heilige Geist: "Das ist eine super Idee, da war ich noch nie!”

Der Witz klingt erst einmal gemein, aber er beschreibt ganz gut auch unsere evangelische Realität. Denn wenn wir heute am Pfingstfest über den Heiligen Geist und sein Wirken in unserer Kirche, da fragt man sich: Wie passt die Pfingstgeschichte damals in Jerusalem mit unserem Alltag zusammen? Statt einer kraftvollen Kirche erleben wir oft eine kleine Schar. Statt dem Erleben von der Kraft des heiligen Geistes blicken wir sorgenvoll in die Zukunft.  Statt einem großen Zuwachs an Nachfolgern Jesu werden die Gemeindegliederzahlen niedriger.

Wir als Kirche und als Gemeinde sind oft weder stürmisch noch feurig. Aber mit diesem Gefühl fängt eigentlich auch das Pfingstfest an. Denn damals im Jerusalem erlebten die Jüngerinnen und Jünger, wie sie nach der Himmelfahrt Jesu ratlos und unsicher waren. Wie sollte es mit ihrem Glauben ohne Jesus weitergehen? Ihre kleine erste Gemeinde fühlte sich eher halbtot als voller Leben an. Wo war der Wind des Lebens?

Pfingsten – das ist ein Fest der Hoffnung für jede und jeden, der Sehnsucht nach dem Leben hat. Sehnsucht nach Leben in unserer Kirche. Sehnsucht nach echtem Leben im eigenen Alltag. Eine Hoffnung, die wir heute hier in … (Name des Ortes einsetzen) mit den Jüngern damals in Jerusalem und mit dem Volk Israel über alle Jahrhunderte teilen. Der heutige Predigttext aus dem Buch des Propheten Hesekiels beschreibt diese große Pfingsthoffnung im 37. Kapitel so:

(Predigttext verlesen)

Was der Prophet Hesekiel hier beschreibt, klingt erst einmal wie ein erstklassiger Horrorfilm: Eine große Ebene, die von ausgeblichenen Knochen bedeckt ist. Alles liegt durcheinander. Schädel und Oberschenkel, Rippen, Fingerknochen und Rückenwirbel. Vor längerer Zeit hat hier vielleicht eine große Schlacht getobt, die Gefallenen blieben liegen und der Zahn der Zeit hat die Knochen verwittert und verstreut. Das ultimative Bild von Tod und Ende. Doch dann wird Hesekiel gefragt: „Meinst Du, dass diese Knochen wieder lebendig werden können?“

Eine Pfingstfrage auch an uns: „Meinst Du, dass meine Kirche wieder voller Leben wird? Glaubst Du, dass Gottes Kraft dich neu begeistert?“ Was wir mit den Augen sehen können, wirkt alles andere als lebendig. Seit 70 Jahren sinken die Zahlen der Gemeindeglieder in unserem Land. Etwas stärker im Osten, etwas weniger im Westen, aber überall sinken sie. Gibt es die große Erneuerung unserer Kirche? Was meinen Sie?

Als Hesekiel die Frage von Gott hört, schaut er über die ausgeblichenen Knochen. „Nach menschlichen Maßstäben niemals“, ist seine Antwort, „es ist aus mit ihnen.“ Aber, das ist ihm wichtig, Gott allein weiß es. Und genau das gleiche können wir eigentlich über unsere Gemeinde hier sagen: „Ich kann es mir nicht vorstellen, wie plötzlich alles lebendig wird, aber für alle Zukunft gilt: Wir sind in Gottes Hand.“ Das ist unsere Pfingsthoffnung angesichts von fehlendem Leben. Gott kann es machen. Sein Geist kann Leben schenken. So wie es dann Hesekiel in seiner Vision ganz anschaulich erlebt, als Gott dann die Knochen direkt anredet: „Geist, komm herzu von den vier Winden und blase diese Getöteten an, dass sie wieder lebendig werden.“

Dort, wo vorher die toten Knochen lagen, kommt Geist hinein. Der Wind weht. Gottes Geist ist da. „Ruach“ heißt das Wort dafür im Hebräischen, Luther übersetzt es mit „Odem“, also mit „Atem“. Gemeint ist Gottes Geist, Gottes Kraft, der neues Leben weckt. Und mit diesem Geist, mit diesem neuen Atem werden die Knochen erfüllt, dass sie sich sortieren, dass sie zu Menschen werden, die dann wieder lebendig sind. Gottes Geist schenkt wieder neu Leben. Er ist, wie es das alte Glaubensbekenntnis von Nizäa sagt, ein Geist, „der lebendig macht“.

Wenn man sich vorstellt, was Hesekiel als Vision sieht, dann merkt man, dass der Heilig Geist viel mit Wind, mit Atem, mit Frische und Lebendigkeit zu tun hat. Und den Wind und den Atem selbst sieht man ja ebenso wenig wie Gottes Geist. Aber seine Wirkung ist zu spüren. Man hört, wenn die Blätter rauschen. Man sieht, wenn der Wind die Wolken treibt. Man fühlt es, wenn neuer Sauerstoff die eigene Lunge füllt. Gottes Geist ist unsichtbar, aber wahrnehmbar.

Der Wind des Geistes, der neue Kraft schafft. Das Pfingstfest wird damit das Fest der Energiewende der Christenheit. Aus dem Wind des Geistes Gottes wird der Strom, der die Kirchen, der uns selbst kräftigt und lebendig macht. Ein Wind, den wir brauchen.

Hesekiel in seiner Vision von den Knochen, die plötzlich voller Leben sind, erlebt genauso wie die Jünger damals in Jerusalem, die nach der Himmelfahrt ängstlich und mutlos waren, wie das Leben gewinnt. Wie Gottes Geist eine Gemeinde und die Menschen lebendig macht.

Wir, die wir heute Pfingsten feiern, feiern diesen Lebenswind. Und wissen zugleich, dass wir selbst und mit aller Mühe und allen Gemeindeaufbauprogrammen diesen Wind nicht selbst schaffen können. Wir versuchen natürlich auch als Kirche und als Gemeinde hier immer mal Wind zu machen: Mit neuen Ideen, interessanten Veranstaltungen, mit Andachten im Internet oder im Kindergarten. Wenn wir das aber nur aus unserer Kraft tun, ist dieser Wind unserer Gemeindearbeit eher wie ein Föhn oder ein Gebläse. Aber alle diese Versuche, selbst Wind zu machen, sind nicht dauerhaft. Nach einer Weile hängt uns die Zunge raus, und wir sind am Ende erschöpfter als je zuvor. Denn wir brauchen in unserem eigenen Leben und für unsere Kirche bei allem Tun den wirklichen Wind des Lebens, der von Gott kommt und der wirkliches Leben gibt. Aus der Flaute der Kirche wird mit dem Pfingstfest der Wind des Lebens.

Die Bibel redet nicht oft vom Heiligen Geist. Aber wenn sie es tut, dann ist von einer gewaltigen Kraft die Rede: Von einem starken Wind, der um das Haus weht, und von Feuerflammen, die auf die Apostel damals auf Jerusalem fallen. Von Gottes neuem Geist, der bei Hesekiel aus verblichenen und verstreuten Knochen Leben hervorbringt. Eine Kraft, die auch wir heute brauchen.

“Ich glaube an den Heiligen Geist”, formulierten die alten Kirchenväter in unserem Glaubenskenntnis, und gleich danach:  “die heilige christliche Kirche”. Beides gehört zusammen. Zu unserer kleinen Kraft hier in unserem Ort schenkt Gott seinen starken Wind des Lebens, der erfrischt und lebendig macht. Wenn wir uns erschöpft und leer fühlen wie die Jünger in Jerusalem. Wenn unsere Kirche halbtot wirkt wie in der Vision von Hesekiel. Gottes Versprechen gilt: „Geist, komm herzu von den vier Winden und erfülle sie, dass sie wieder lebendig werden.“

Amen

Verfasser: Pfarrer Dr. Folker Blischke, Südharz     


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