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Jesus auf dem Weg Gottes

von Uwe Wiegand (64287 Darmstadt)

Predigtdatum : 28.03.2010
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Judika
Textstelle : Philipper 2,5-11
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Wochenspruch:

„Der Menschensohn muss erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“ (Johannes 3, 14 b.15)

Psalm: 69, 2 – 4, 8 – 10, 21 b – 22, 30

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 50, 4 – 9
Epistel:
Philipper 2, 5 – 11
Evangelium:
Johannes 12, 11 – 19

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 91
Herr, stärke mich, dein Leiden
Wochenlied:
EG 87
Du großer Schmerzensmann
Predigtlied:
EG 123
Jesus Christus herrscht als König
Schlusslied:
EG 79
Wir danken dir, Herr Jesu Christ

Hinführung zu Philipper 2, 5 – 11:

Bei diesem Text handelt es sich um ein Traditionsstück, das Paulus im Philipperbrief einfügt und geringfügig ergänzt (V5 und 8c). Die zwei Strophen des Liedes beschreiben den Weg Jesu als Erniedrigung und Erhöhung. Den Christushymnus zitiert Paulus im Zusammenhang von Ermahnungen zur Einheit im Glauben und zur Gemeinschaft in Christus. Auch um diesem Kontext gerecht zu werden wähle ich als zentralen Predigtgedanken das Stichwort des "Gehorsams" aus Vers 8. Zugleich entsteht damit eine Brücke zum Predigttext des vorangehenden Sonntages (Hebräer 5, 7 - 9), der ebenfalls vom Gehorsam Christi spricht. Vor allem an Orten, an denen regelmäßige Gottesdienstbesucher den Kern der Predigthörer ausmachen, bietet es sich an diese Brücke zu schlagen. Da der Predigttext vermutlich dem urchristlichen Gottesdienst entstammt, ist es passend ihn im liturgischen Teil, z. B. als Gebet im Wechsel aufzugreifen (vgl. EG 760). Zugleich bietet sich damit die Möglichkeit die Lesung während der Predigt in einer anderen Übersetzung zu halten. Inhaltlich liegt mir daran, den Gehorsam als Teil des Glaubens zu verkünden, zugleich aber auch kritisch zu reflektieren, wohin blinder Gehorsam führen kann. Der Gehorsam gegen Gott gibt uns Maßstäbe für den angemessenen Gehorsam untereinander. Dabei greife ich auf, dass in vielen Lebenszusammenhängen das aufeinander Hören unverzichtbar ist.

Predigt

Liebe Gemeinde,

finden Sie, dass Menschen gehorchen sollten? Können Sie verstehen, wenn Eltern oder Lehrer Gehorsam erwarten? Akzeptieren Sie den Vorgesetzten, der mit dem Gehorsam seiner Mitarbeiter rechnet? Gehorsam ist ein Begriff, der vielen nicht mehr zeitgemäß erscheint. Einem anderen zu gehorchen weckt vor allem bei jüngeren Menschen eher Kopfschütteln als Zustimmung. Bestenfalls gilt Gehorsam als altmodische Tugend - wenn man überhaupt noch etwas Positives damit verbindet. Bei kritischen Zeitgenossen ist er sogar als äußerst negativ verschrien. "Blinder Gehorsam" oder "Kadavergehorsam" passen nicht zu einem Menschenbild, das von mündigen Bürgern und freien, selbstbestimmten Personen ausgeht. Wer heute zum Gehorsam aufruft, dürfte eher Protest und Auflehnung ernten. Gehorsam hat jedoch schon im Predigttext vergangener Woche eine große Rolle gespielt. Es hieß im Hebräerbrief, dass Jesus an dem, was er litt, Gehorsam gelernt hat und dafür von Gott erhört wurde. Auch in unserem heutigen Text findet sich an zentraler Stelle das Wort Gehorsam. Paulus legt der Gemeinde in Philippi ans Herz, so zu leben, wie es der Gemeinschaft in Jesus Christus entspricht. Den Weg, den Jesus gegangen ist, entfaltet der Apostel mit den Worten eines alten Liedes, das vermutlich viele der Christenmenschen damals gut kannten. Vielleicht haben sie in ihren Gottesdiensten gesungen, was wir schon als Eingangspsalm in diesem Gottesdienst gebetet haben. Ich lese uns jetzt den Christushymnus des Philipperbriefes in der umschreibenden Übersetzung der Gute-Nachricht-Bibel. Den Wortlaut der Lutherübersetzung können sie im Gesangbuch unter Nr. 760 finden.
Phil. 2,5-11
5 Habt im Umgang miteinander stets vor Augen, was für einen Maßstab Jesus Christus gesetzt hat:
6 Er war in allem Gott gleich,
und doch hielt er nicht gierig daran fest,
so wie Gott zu sein.
7 Er gab alle seine Vorrechte auf
und wurde einem Sklaven gleich.
Er wurde ein Mensch in dieser Welt
und teilte das Leben der Menschen.
8 Im Gehorsam gegen Gott
erniedrigte er sich so tief,
dass er sogar den Tod auf sich nahm,
ja, den Verbrechertod am Kreuz.
9 Darum hat Gott ihn auch erhöht
und ihm den Rang und Namen verliehen,
der ihn hoch über alle stellt.
10 Vor Jesus müssen alle auf die Knie fallen -
alle, die im Himmel sind,
auf der Erde und unter der Erde;
11 alle müssen feierlich bekennen:
»Jesus Christus ist der Herr!«
Und so wird Gott, der Vater, geehrt.

Der Gehorsam Jesu steht in der Mitte dieses alten Liedes. Er ist die Schnittstelle zwischen der Erniedrigung und Erhöhung Jesu. Wie schon im Predigttext vor einer Woche ist Jesus auch hier das Vorbild im Gehorsam. Das Besondere aber ist, dass dieses Lied bei Gott beginnt und bei Gott endet. Dazwischen aber liegt der ganz besondere Weg Jesu, der nicht erst mit der Geburt beginnt. Bei Gott selbst ist sein Anfang. Er wurde nicht erst zum Gottessohn, sondern er war Gott gleich, von Anfang an. Er war von Gott nicht zu unterscheiden und deshalb an höchster Stelle, auf dem absoluten Gipfel. Diesen Platz aber wollte er nicht behalten. Er hat ihn nicht festgehalten wie ein Räuber sich an seine Beute klammert oder auch wie wir die Früchte unseres Lebens horten. Er hat den Thron über allen verlassen und sich den Menschen zur Seite gestellt.

Im Alten Testament wird immer wieder erzählt, wie Gott sich in Liebe seinem Volk zuwendet. Er macht sich beinahe lächerlich, weil er trotz allem nicht davon lassen kann, die Israeliten zu lieben. Auch nach härtesten Gerichtsworten findet er wieder einen neuen Anfang, wie ein Ehepartner, der die Untreue des anderen verzeiht, wie ein Elternteil, der trotz allem nicht von seinen Kindern lassen kann. In Jesus geht die Liebe Gottes zu den Menschen noch einen Schritt weiter. Gott teilt unser Schicksal, er wird ein Mensch aus Fleisch und Blut, verletzlich und gefährdet. Es gibt nichts mehr, was ihn von uns unterscheidet. Als Mensch verzichtet er auf Würde und Ansehen: "Knechtsgestalt" übersetzt Luther, was Paulus mit dem Dasein eines Sklaven beschrieben hat. Selbst als er von seinen Freunden und den Einwohnern Jerusalems bewundert wird, selbst als sie ihn als Nachkommen des Königs Davids begrüßen, benutzt er den Esel, das Reittier der armen Leute. Seinen Jüngern dient er bis dahin, dass er ihnen wie ein Sklave die Füße gewaschen hat. Doch selbst das ist nicht der tiefste Punkt. Vielmehr wird er als Verbrecher verhaftet und verurteilt, schließlich hingerichtet mit der grausamsten Methode, die das römische Reich für Aufrührer bereithält.
"Gehorsam" sagt dazu der alte Hymnus. Im Hören auf Gott ist Jesus diesen Weg gegangen. An dieser Stelle müsste das Lied eigentlich verstummen. An dieser Stelle ist nach menschlichem Ermessen alles vorbei. Hier endet der Weg der Märtyrer, selbst wenn sie zu späteren Zeiten verehrt werden. Unser Lied endet aber nicht, vielmehr hebt es zu seiner zweiten Strophe an. Es besingt nun den entgegengesetzten Weg. War Jesus von der Gottgleichheit in den Tod geführt worden, wird er nun von Gott erhöht über alle Menschen. Auch hier gibt es keine Zwischenstufe zwischen der absoluten Katastrophe und dem vollkommenen Triumph. Der Niedrigste wird zum Herren - als ob ein Sklave zum Kaiser ausgerufen würde, als ob ein hingerichteter Verbrecher auf einmal zum lebendigen Präsidenten, zum Herrn über Leben und Tod ernannt würde.

Dabei hinken alle Vergleiche, denn er ist der Herr, dem auch diese anderen Herren dienen müssen. Seine Herrschaft ist mit deren Herrschaft nicht zu vergleichen, gerade weil sie aus der Niedrigkeit der Sklaverei, weil sie aus dem Tod heraus geboren wurde. Er braucht keine Gewalt und keine Machtmittel, denn seine Liebe und sein konsequenter Gehorsam gegen Gott begründen diese Herrschaft. Gehorsam war Jesus, er hat auf Gott gehört und ist den Weg seines Willens gegangen. Erhöht hat ihn Gott. Dessen Wille zum Leben hat ihn nicht teilnahmslos zusehen lassen, sondern hat den Hingerichteten zum Herrn gemacht. Indem Paulus uns dieses Lied übermittelt, lädt er ein, darin einzustimmen und den Namen Jesu zu preisen. Zugleich aber geht es um eine Richtschnur für alle, die in seit der Taufe in seinem Namen leben.

"Habt seinen Maßstab vor Augen" oder auch, wie es in der Lutherübersetzung heißt, "Seid so unter euch gesinnt, wie es der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht". Wenn aber Jesus gehorsam war: Welche Art Gehorsam können wir leisten? Wie können wir heute noch von Gehorsam reden, wo er doch als Sekundärtugend belächelt oder als fataler Irrweg verdammt wird? Ich meine, dass unser Text einen Zugang zum Gehorsam öffnet, der auch heute noch gangbar ist. Man kann sogar sagen, dass unser Glaube ohne recht verstandenen Gehorsam gar nicht auskommt. Gehorsam, wie ihn uns Paulus ans Herz legt, gilt alleine Gott. Nur wer auf Gott hört, nur wer sich von ihm etwas sagen lässt, nur wer bereit ist, seine Autorität über sich gelten zu lassen, kann auch glauben. An Gott zu glauben bedeutet im biblischen Sinne ja nicht nur, anzunehmen, dass es ihn gibt. Es bedeutet vielmehr, ihn als Herrn des Lebens anzunehmen und sich die entscheidenden Dinge von ihm sagen zu lassen.

Glaube kann in der Bibel sogar mit Gehorsam gleich gesetzt werden. Das Volk Israel wird in seinem Ungehorsam immer wieder kritisiert. Dagegen stehen die wenigen Menschen, die Gott auch in schweren Zeiten gehorsam sind. Die Glaubenden werden immer wieder als Kinder angeredet und damit der elterlichen Autorität Gottes unterstellt. Dieser Gehorsam begründet aber gerade nicht den blinden Gehorsam unter den Menschen. Vielmehr werden Menschen, die allein Gott im Letzten gehorsam sind, anmaßender Autorität misstrauen.

Der Glaube, dass wir zuerst auf Gott hören, macht kritisch gegenüber anderen Ansprüchen, die auf uns erhoben werden. Gerade meine Generation ist damit aufgewachsen, dass Autoritäten grundsätzlich in Frage gestellt wurden. Der Staat, die Eltern und Großeltern, das Kapital, die Politik, die Kirche und auch Gott... Alles kam auf den Prüfstand und beinahe alles wurde vom Sockel gestoßen. Erst mühsam wurde in den letzten Jahren wieder entdeckt, dass Autoritäten nicht grundsätzlich falsch sein müssen und dass gerade auch junge Menschen Maßstäbe und Vorbilder brauchen.

Gehorsam ist immer noch ein verpöntes Wort und wird in der Pädagogik kaum verwendet. Wenn ich aber seinen Kern im Aufeinander Hören sehe, wenn ich bedenke, dass Gehorsam seinen Ursprung in der gegenseitigen Wahrnehmung hat, gewinnt er auch wieder Sinn.

Wir können vom Gehorsam Jesu lernen aufeinander zu hören und einander wahrzunehmen

- als Eltern und Kinder
- als Alte und Junge
- als Mitarbeiter und Vorgesetzte
- als Ärzte und Patienten
- als Pfarrer und Gemeinde
- als Politiker und Bevölkerung
- als Frauen und Männer...

Gehorsam bedeutet dann nicht, dass die einen einfach bestimmen und die Anderen Folge leisten. Es bedeutet, dass es Erfahrungen gibt, auf die wir zurückgreifen können und sollten. Es bedeutet, dass wir ernst nehmen, was andere für uns tun und was sie sagen, auch beherzigen.

Keiner und keine ist damit selbst aus der Verantwortung genommen. Gott will keinen Kadavergehorsam und es wäre schlimm, wenn wir uns, wie das schon geschehen ist, auf das Gehorchen allein verlassen und Führern blind ins Unheil folgen. Gehorsam bedeutet aber, sich im Letzten verantwortlich zu wissen vor dem, dem wir unser Leben verdanken. Er bedeutet, dass auch Wegweisungen, die ich anderen gebe, letztlich vor seiner Autorität bestehen müssen und nicht eigenmächtig getroffen werden sollen. Deshalb muss immer auch ein kritischer und fragender Geist den Gehorsam begleiten, damit er nicht missbraucht werden kann und uns nicht zu Marionetten falscher Autoritäten macht.

Vielleicht meint auch mancher, die Sache mit dem Gehorsam sei erledigt, weil kein Mensch ihn mehr verlangt. Trotzdem aber wird erwartet, dass wir unsere Rolle spielen, als Staatsbürger und Konsumenten, als Berufstätige oder Pensionäre, als Patienten und Kunden... Immer wieder wird unser Verhalten bereits eingeplant und wird Bestimmtes von uns erwartet, auch wenn das niemand mehr Gehorsam nennt.

Hier hilft ein kritischer Geist, der weiß, wem allein er Gehorsam schuldet. Wir leben als Christenmenschen aus dem Hören auf Gott. Er hat den Menschen der Bibel und auch uns immer wieder gezeigt, dass er uns hört. Wir sind ihm alles andere als gleichgültig, sondern seine geliebten Geschöpfe. Darin kann unser Leben bestehen, das wir immer wieder auf ihn hören und ihm gehorsam sind.

Gehorsam ist nichts anderes als auf ihn hörender und zugleich von ihm gehörter Glaube. Solcher Glaube befreit von falschen Autoritäten und hilft uns, einzustimmen in das Lied derer, die "bekennen, dass Jesus Christus der Herr sei, zur Ehre Gottes, des Vaters."

Amen.

Verfasser: Pfarrer Uwe Wiegand, Flotowstraße 29 A, 64287 Darmstadt

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