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Leben aus Gottes Gnade

von Alexander Schwartz (Klein Schwechten)

Predigtdatum : 15.08.2021
Lesereihe : III
Predigttag im Kirchenjahr : 11. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Epheser 2,4-10
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Wochenspruch: Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. (1. Petrus 5,5)

Psalm: 145,1-2.14.17-21

Lesungen

Reihe I: Hiob 23
Reihe II: Lukas 18,9-14
Reihe III: Epheser 2,4-10
Reihe IV: 2. Samuel 12,1-10.13-15a
Reihe V: Lukas 7,36-50
Reihe VI: Galater 2,16-21

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 440 All Morgen ist ganz frisch und neu
Wochenlied: EG 584 Meine engen Grenzen
Predigtlied: EG 342,1.6. Es ist das Heil uns kommen her
Schlusslied: EG 347,4-6 Ach bleibt mit deinem Segen

Predigttext: Epheser 2,4-10

4 Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat,
5 auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht – aus Gnade seid ihr gerettet –;
6 und er hat uns mit auferweckt und mit eingesetzt im Himmel in Christus Jesus,
7 damit er in den kommenden Zeiten erzeige den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte gegen uns in Christus Jesus.
8 Denn aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es,
9 nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme.
10 Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.

Predigt

I.

Wilhelm ist Kirchenältester. Er macht sich so seine eigenen Gedanken. Über das Leben und den Glauben. Er nimmt es ernst mit dem Glauben.

Eines ärgert ihn schon seit einiger Zeit. Der junge Pfarrer hat im Gemeinderaum so ein merkwürdiges Plakat aufgehängt: „Sonnensymbole in der Bibel“ Da sind auch archäologische Fundstücke abgebildet: Amulette, Skarabäus-Käfer, die Uräus-Schlange. Und eine geflügelte Sonne. Alles sieht etwas ägyptisch aus. Was soll das? Er muss den Pfarrer mal darauf ansprechen.

Dann ist der junge Pfarrer einmal bei ihm zu Besuch. Sie sitzen in der großen Wohnküche, am Ende eines langen Tisches. Sie trinken Tee und tauschen Harmlosigkeiten aus. Schließlich lässt Wilhelm die Katze aus dem Sack: „Ich halte nichts von Glücksbringern. Wir sollen uns kein Bild machen und es anbeten.“, erzählt Wilhelm. Schon bei der Hochzeit eines seiner Kinder wollte jemand ein Huf-Eisen überreichen. So etwas ärgert ihn. „Sollen die Menschen sich doch mehr Gott zuwenden, wenn sie die Sehnsucht nach einem Glücksbringer haben.“

Sie kommen über Amulette, Kleeblätter und Glücksschweinchen ins Gespräch. Wilhelm lehnt das rundweg ab: Das gehört nicht zu uns. Der Pfarrer findet solche Sachen eher nebensächlich. Er kann aber ein Stück weit erklären, was es mit dem Plakat im Gemeinderaum auf sich hat.

Dann aber sind sie bei dem, was Wilhelm eigentlich im Kern anzufechten scheint: Die billige Gnade. „Es ist doch nicht richtig, wenn Menschen sich die Gnade Gottes zusprechen lassen, sie für sich annehmen - und dann ist keine Nachfolge zu sehen, keine Bekehrung, keine Umkehr.“

Sie sprechen eine ganze Weile darüber und bemerken, wie tief sie das Thema hineinnimmt in zentrale Fragen des christlichen Glaubens:
Ist Gottes Anspruch an den Menschen erfüllbar?
Ändert sich nach der Taufe daran etwas?
Muss man um Vergebung bitten, damit einem vergeben werden kann?
Muss man sich hernach bessern, damit die Vergebung nicht zurückgenommen wird?

Schwere Fragen! Es wird ein langer Abend. Der Pfarrer ist richtig gefragt in dem, was er im Studium gelernt hat:
Altes und neues Testament, Augustin, Luther, Calvin, Bonhoeffer, das ist schwere Kost am Abend. Als sie sich verabschieden, schwirrt ihm der Kopf.

II.

Liebe Gemeinde,

die Frage nach der Gnade Gottes und ihren Folgen für uns als seine Gemeinde spielt sehr oft eine Rolle und in vielen Gestalten. Die Frage nach der Gnade Gottes – und was sie uns wert ist! – liegt vielleicht nicht immer obenauf bei uns. Aber im Untergrund so mancher Diskussionen geht es genau darum.

Wenn es heißt „Also die Kirchenältesten sehe ich aber nicht regelmäßig im Gottesdienst!“, dann steht im Hintergrund die Frage, wie sich deren religiöse Überzeugung in ihrem Leben niederschlägt. Wird damit aber nicht der Anspruch gestellt, religiöse Überzeugung habe messbar und sichtbar zu sein. Wie ist das vereinbar damit, dass Jesus am Kreuz ein für allemal alle Maßstäbe für uns erfüllt hat?

Die andere Seite der Medaille macht folgendes Beispiel sichtbar: Ein kleineres Dorf bangt um seine innig geliebte Kirche. Das nötige Geld für die Sanierung kommt einfach nicht zusammen. Dann steht auch noch die Frage im Raum, ob sich so eine teure Sanierung für eine kleinere Gemeinde denn lohnt. Da habe ich schnell Gemeindeglieder vor Augen, die so etwas sagen würden wie: „Unser lieber Herrgott hat uns doch die Barmherzigkeit gelehrt und gerade die unterscheidet uns von der unbarmherzigen, berechnenden Welt. Man kann doch nicht die Gnade predigen und dann innerhalb der Kirche zu den Kleinsten ungnädig sein und ausgerechnet von Gemeinden, die sowieso schon weniger werden, noch erwarten, dass sich ihre Kirche irgendwie lohnen muss, sonst gibt‘s keine Fördermittel.“

Regelmäßig begegnet auch die Vorstellung, dass der häufige Gang zum Gottesdienst und ehrenamtliches Engagement eine gehobene Position begründen. Das wird dann gern an den Pfarrer durchgereicht: „Aber Herr Pfarrer, wenn Sie in einer vollen Woche nicht alle Geburtstagskinder besuchen können, verstehen wir das doch. Aber ausgerechnet Frau Müller-Meyer-Schulze! Das ist doch so eine treue Seele!“ Da zeigt sich ein ganz lebendiges Denken davon, sich mit bestimmten Werken etwas bei Gottes Bodenpersonal verdienen zu können. Es ist nicht mehr der Taler, der im Kasten klingt und der gekaufte Ablassbrief, durch den die Seele aus dem Feuer springt. Aber fünfhundert Jahre nach der Reformation gibt es Teureres als den Ablass. Nämlich Anerkennung, Wertschätzung und Gesehen-Werden.

Auch von Außenstehenden wird von der Kirche erwartet, dass sie die Stimme der Gnade ist. Die Kirche soll sich schützend und barmherzig vor jede Existenz stellen. Das hat sich zuletzt bei der Debatte um Sterbehilfe gezeigt:
Eine Reihe von kirchlichen Persönlichkeiten, darunter Margot Käßmann, hat die Entscheidung befürwortet, dass assistierter Suizid in medizinischen und Pflegeeinrichtungen erlaubt wird. In den Augen dieser kirchlichen Befürworter stärkt die Entscheidung die Freiheit des Einzelnen, über sein Leben zu bestimmen. Als gerechtfertigter Sünder, der nach Gottes Bild geschaffen ist, ist seine Würde unantastbar. Selbstbestimmtes Sterben in Würde zu ermöglichen, sei also schlechthin evangelisch.

Diese Position hat nicht nur Kritik aus den eigenen Reihen der Kirche hervorgerufen. Gerade säkulare, oft kirchenkritische Stimmen werfen Margot Käßmann und den anderen vor, dass sie die Unantastbarkeit des Lebens aufgäben. Auch wenn dieselben kirchenkritischen Stimmen genau diese Unantastbarkeit des Lebens immer wieder abgelehnt haben.

Offensichtlich baut ein Teil auch der nicht-kirchlichen Öffentlichkeit darauf, dass die Kirche ihre Stimme erhebt, um bedingungslos jedes Leben als von Gott gewollt und bejaht zu verteidigen. Zu verteidigen gegen Pränataldiagnostik und Sterbehilfe. Denn immer wenn der Mensch in das Leben eingreift, tut er dies mit Maßstäben, die er aufstellt. Menschliche Maßstäbe und Urteile sind nun aber fehlbar und die Würde und Unantastbarkeit des Lebens liege eben genau darin, von menschlichen Maßstäben ausgenommen zu sein – so die Kritiker von Käßmanns Äußerungen.

III.

Gehen wir mit all diesen Beobachtungen jetzt einmal nach Ephesus, in die Zeit der ersten christlichen Gemeinde dort. Wir gehen in eine Gemeindeversammlung. Wir sind unterwegs im Abendlicht durch die engen Gassen der Altstadt. Wir treten ein in ein großes Haus mit geräumigem Innenhof. Murmelnd und brabbelnd hat sich die Gemeinde versammelt. Augen werfen Blicke des Misstrauens zu den einen und der Anerkennung zu den anderen.

Joel versucht, sich mit den Armen rudernd Gehör zu verschaffen. Nur langsam bringt er die Versammlung zur Ruhe. „Ich denke, alle wissen, warum wir uns zusammengefunden haben.“, spricht er etwas unsicher. Er räuspert sich und fährt fort: „Nun die Streitfrage ist die: Wie können und sollen wir unserem Herrn Christus Jesus gefällig leben und ihm dienen? Viele von uns sind als Heiden auf die Welt gekommen und haben erst vor Kurzem die Frohe Botschaft vom wahren Gott und seinem Sohn gehört. Bis dahin waren sie sich sicher, was ihre Götzen von ihnen verlangen: Gewisse Opfer und Spiele zur festgelegten Zeit und treuer Gehorsam für den Kaiser. Nun, da sie den alten Göttern abgeschworen haben, unterwiesen und getauft sind, versammeln sie sich mit uns, die wir nach dem Gesetz des Mose leben nach dem Brauch unseres Volkes Israel. Wir nun heiligen den Sabbat.“

„Schalom Schabbat!“, tönt ein Zwischenruf. „Wir halten uns fern von Fleisch, das in den Tempeln geopfert wurde, auch wenn man es für wenige Denare auf jedem Markt haben kann. Wir geben reichlich Almosen. Kurz: Wir leben ein Leben, wie es Gott der Herr für seine Erwählten vorgesehen hat. Von unseren Geschwistern aus den Heidenvölkern gibt es nun aber manche, denen es am Ehrgeiz im Dienst an Christus Jesus fehlt.“

Betretenes Schweigen im Raum. Einige tauschen verunsicherte Blicke aus. „Pssst, meint er mich?“, flüstert jemand.

„Wir haben darum darüber beraten, einige von den Griechen unter uns von der Gemeinde auszuschließen und alle Glieder am Leib Christi zu ermahnen, mit diesen trägen Herzen nicht mehr zu verkehren.“

Wieder lautes Gemurmel. In viele Gesichter ist Entsetzen gefahren und Verletzung. Andere schauen voll Genugtuung, schürzen die Lippen und nicken sachte.

„Genau als unsere Debatte am Siedepunkt angelangt war, zog der alte Thaddäus eine verstaubte Schriftrolle aus dem Regal. Ein alter, vergessener Brief des großen Apostels Paulus selbst an unsere bescheidene Gemeinde in Ephesos. Nach seinen Worten war unsere gesamte Diskussion null und nichtig, aber hört selbst!“ Bei den letzten Worten zieht Joel besagte Schriftrolle hervor, kneift die Augen zusammen und beginnt vorzutragen: „Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht – aus Gnade seid ihr gerettet –; und er hat uns mit auferweckt und mit eingesetzt im Himmel in Christus Jesus, damit er in den kommenden Zeiten erzeige den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte gegen uns in Christus Jesus. Denn aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme. Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.“

IV.

Liebe Gemeinde,
die Verse aus dem Epheserbrief lenken den Blick weg von uns und hinauf zum Himmel. Sie erinnern uns: Wir verdanken unser Leben, unseren Besitz und unsere Leistung nicht uns selbst. „Gottes Gabe ist es“, dass wir gerettet sind. Aus Gnade leben heißt dankbar leben. Alles Heil, jeder Moment der Erfüllung, jedes große und kleine Glück empfangen wir von ihm und nicht von uns selbst.

Darum können wir auch für alles, was uns gelingt und was wir an Gutem tun in unserem Leben, nur ihm danken. So ein Leben in Dankbarkeit mag ganz unterschiedlich aussehen. Der eine genießt, was er hat und freut sich daran. Die andere ist großzügig und weitherzig und freut sich, dass sie etwas teilen und weitergeben kann. Aber wer dankbar ist, der neidet nicht, sondern kann anderen Schönes und Gutes gönnen.

Amen.

Gebet

Himmlischer Vater,
du lässt die Sonne am Himmel ihre Bahn ziehen
und hast die Sterne an das Firmament gesetzt.
Die Luft, die ich atme, sie ist deine.
Die Erde, auf der ich stehe, hast du ausgebreitet.
Stärke mich in der Dankbarkeit für deine große Gnade.
Öffne meine Augen für jedes noch so kleine Glück.
So lass mich dankbar und großherzig alt werden
und erlöse mich von allem Neid und Missgunst.

Amen.

Verfasser: Pfarrer Alexander Schwartz, Klein Schwechten, Kirchenkreis Stendal


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