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Licht in der Finsternis

von Katja Albrecht (39108 Magdeburg)

Predigtdatum : 26.12.2009
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Christfest 2. Feiertag
Textstelle : Hebräer 1,1-3.(4-6)
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Wochenspruch:

„Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit.“ (Joh 1, 14)

Psalm: 96

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 11, 1 – 9
Epistel:
Hebräer 1, 1 – 3. (4 – 6)
Evangelium:
Johannes 1, 1 – 5. (6 – 8). 9 – 14

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 36
Fröhlich soll mein Herze springen
Wochenlied:
EG 23
Gelobet seist du, Jesu Christ
Predigtlied:
EG 39
Kommt und lasst uns Christus ehren
Schlusslied:
EG 35
Nun singet und seid froh

Weihnachten ist unerschütterlich

„Seit über 2000 Jahren hält Weihnachten aus. Und durch. Darf ich mal die Belastungen aufzählen? Wütende und missmutige Menschen, die durch die Straßen irren, weil sie noch keine Geschenke haben. Streitsüchtige Schwiegermütter, die sich in den Teig der Vanillekipferln einmischen. Rechthaberische Ehemänner, die auf der Suche nach dem Christbaumständer den Sinn des Lebens in Frage stellen… Weihnachten hält schlechten Geschmack aus. Unfassbar, was in diesen wenigen Stunde auf der ganzen Welt so alles ausgepackt wird – aus unfassbar geschmacklosem Papier. Weihnachten hält atemberaubende Duftkombinationen aus… Weihrauch legt sich über Zimt und Bratapfelduft… und die Geschenkidee eines Raumsprays fügt sich harmonisch in den Duft aus der Karpfenküche… Weihnachten hat den höchsten Cholesterinspiegel der Welt. Mediziner würden der ‚Heiligen Weihnacht’ nur ein sehr kurzes Dasein prognostizieren, bei den Mengen von Gänsen und Würsten…

Alle Jahre wieder: Wie viele Witze muss Weihnachten ertragen, wie viel Protest, Streit und Frust, seelische Zusammenbrüche, ideologische Entwürfe, vereinzelte Klagen aus der Nachbarschaft und die traditionelle Klage aus dem Einzelhandel.

Aber keine kommt daran vorbei, niemand kann sich freimachen von Weihnachten. Auch der nicht, der zornig sagt: ‚Ich? Ich mache Weihnachten gar nichts, null, nichts.’ Also auch der macht an diesem Abend nichts, weil Weinnachten ist.

Und der Vorstandsvorsitzende, der vor ein paar Jahren noch mit leuchtenden Augen unterm Christbaum sein erstes ferngesteuertes Auto an sich drückte, steht heute wieder da – trotz schlechter Jahresbilanz, schütterem Haar und Lesebrille. Und singt laut und falsch: ‚Leise rieselt der Schnee.’ Wunderbar: Weihnachten ist unerschütterlich…’ (aus: Iris Berben, Eilige Nacht, Etwas andere Weihnachtsgeschichten. Ausgewählt von Iris Berben, Kreuz Verlag, Stuttgart 2004, S. 9f)


Ruhe nach dem Sturm?

Der zweite Weihnachtstag ist in vielen Häusern und in vielen Gemeinden die „Ruhe nach dem Sturm“. Die Aufregung der Festvorbereitung ist verflogen, ein großer Teil der festlichen Familienpflichten sind bereits erledigt. Nun die Weihnachtsfreude durchhalten. Heute noch einmal mit Ruhe, sich der Weihnachtsbotschaft aussetzen, sie feiern. Wunderbares, unerschütterliches Weihnachtsfest. Oder heute noch einmal der Versuch, die noch nicht aufgekommene Weihnachtsfreude doch noch zu finden?

Tatsächlich noch einmal in Ruhe hinschauen. Den eigenen Gefühlen, den freudigen und den widersprüchlichen auf den Grund gehen an diesem unerschütterlichen Weihnachtsfest – dazu ist heute Gelegenheit.

„Ruhe nach dem Sturm“ – so mutet der Predigttext gar nicht an. Er enthält vielmehr den Auftakt, das Schwungnehmen zum ganz großen Wurf. Allein in diesen ersten Versen des Hebräerbriefes geht es vom Anbeginn der Welt bis hin zu einer neuen Weltordnung. Unerschütterlich ist Gott am Werk. Und erschüttert damit die Grundfesten des Lebens, in dem sich die Menschen einrichten. Das Herkommen, das Wesen und die Taten Jesu werden hier besungen und in atemberaubender Dichte nebeneinander gestellt.

Um dies alles, ruft dieses Lied, um dies alles geht es auch am Weihnachtsfest. „Seht auf dieses Kind“, ruft der anonyme Verfasser des Hebräerbriefes den Menschen in seiner Umgebung zu. „Und auch wenn ihr es nicht glauben wollt: Hier ist Gott am Werk. Hier läutet Gott das Ende unserer Zeit ein. Denn dieser, der ganz menschlich daher kommt, dieser, der „nur“ ein Mensch ist, der ist es doch, der als Mensch auch Sohn Gottes ist. Der Gottes Wort in dieser Zeit ausrichtet und uns Menschen nahe bringt, der seinen besonderen Platz in Gottes Plan hat. Dieser hier ist es doch! Und wenn ihr ihn hört und mit ihm lebt, dann werdet ihr merken, dass Gottes Plan für die Welt auch etwas mit euch zu tun hat. In diesem Menschen seht ihr Gottes Herrlichkeit aufstrahlen. Durch ihn fällt Licht in die Dunkelheiten des Lebens und der Welt. Durch ihn werdet ihr neu sehen lernen, dass auch ihr Ebenbilder dieses Gottes seid. Ebenbilder, nach seinem Bild geschaffen und mit unendlichen Möglichkeiten ausgestattet. Er wird euch helfen, ganz Mensch zu sein. Er bietet auch das unerschütterliche Vertrauen in das Leben und in das Leben mit Gott an. Er lebt es vor. Mit dem Kind in der Krippe zeigt sich Gottes großer Plan. Mit dem Kind in der Krippe bekommt er seine Erdung.“

Das alles weiß der Verfasser des Hebräerbriefes, weil sein Blick vom Ende der Geschichte Jesu Christi auf der Erde ausgeht. Er weiß schon, wie es einmal enden wird, mit diesem Kind.

Erschütterungen

All dieses Welttheater scheint aber ungeheuer groß, zu groß, wenn gleichzeitig der Blick auf das Kind in der Krippe fällt. Beim Blick auf das Kind in der Krippe – da ist der Anfang jedes irdischen Lebens mit im Blick. Da ist die Geschichte dieser irdischen Eltern wie so vieler irdischer Eltern. Sorge, Aufregung, Stress auf dem Weg hin zur Geburt. Und dann die Geburt und die ersten Tage in so provisorischer Umgebung. Unter gesundheitsgefährdenden Umständen – für Mutter und Kind. Bittere Wahrheit für Millionen Kinder und ihre Mütter.

Gott, ganz Mensch in diesem Säugling. Gott, ganz Leid und Elend in diesem Menschen Jesus.

Können wir es uns am zweiten Weihnachtstag wirklich schon leisten, den Blick wieder weg zu wenden von dieser Krippe? Den Blick wieder zu lösen vom Kreuz des gefährdeten, des im Keim erstickten Lebens auf dieser Erde. Können wir es uns leisten, aus der Fülle unserer Feste gleich den Blick auf die Fülle des himmlischen Lebens und Wirkens Christi zu lenken?

Sollen wir alles, aber auch wirklich alles, was es mit dieser Geburt auf sich hat, verstehen, sortieren und einordnen?

Oder sollen wir den Blick auf dieses einzelne, junge, von Gott gewollte Leben in all seiner Gefährdung noch eine Weile aushalten? Und fühlen, erspüren, buchstabieren, zu welchem Blick auf uns selbst uns dieser Blick leitet?

Unerschütterliche Erfahrungen mit dem Weihnachtsfest werden wach, im Gottesdienst, beim Singen der alten Lieder, bei der Lesung der alten Geschichte. Unerschütterliche Erfahrungen, die aus einer tiefen Erschütterung gewachsen sind. Aus der Erschütterung, dass in diesem einen Kind, in dieser Zuwendung durch dieses Kind, auch ich neu geboren werde. Dass auch mit mir Entscheidendes geschieht, wenn ich mich auf diesen Neuanfang Gottes einlasse.

Dass auch ich ein Geschöpf dieses väterlich-mütterlichen Gottes bin – und so klein und verletzlich meinen Weg durch das Leben begonnen habe.

Dass ich reich beschenkt bin von meinem Schöpfer mit Begabungen und Möglichkeiten – und dass ich das durch Geschenke, die ich zu Weihnachten bekomme, von Kindheit an gespürt habe.

Dass ich mein Leben lang Sehnsucht habe nach dieser unerschütterlichen Geborgenheit. Unabhängig davon, ob ich sie jemals selber in der Familie erlebt habe oder schon immer auf der Suche danach bin.

Auch ich habe einen Platz in diesem großen Ganzen, das durch die Geburt des Kindes seinen Anfang genommen hat. Darin bin ich Christi und Gottes Ebenbild. Das ist erschütternd.

Aber gerade am zweiten Weihnachtstag blicken wir von der Krippe aus auch wieder weiter. Und versuchen, das Kind im Blick, auch schon die weiteren Schritte durch das Leben wahrzunehmen. Was hat Gott mit diesem Kind vor?

Jesus, unser menschlicher Bruder. Verbunden mit uns durch die Geburt auf Erden, geboren von einer Frau, Maria. Jesus, unser menschlicher Bruder, verbunden mit uns durch den einen Schöpfer, der alle seine Menschenkinder nach seinem Bild geschaffen hat. Aber in diesem Predigttext auch: Christus, der Erste, der Erbe, der Mitschöpfer, Erhalter der Erde durch das menschlich-göttliche Wort – ganz eng verbunden mit seinem göttlichen Vater.

Mit diesem Jesus Christus unerschütterlich gegen die Mächte, Gewalten und Wahrheiten unserer Zeit angehen und das Wort unter den Wörtern aussprechen. Das sehen wir, wenn wir von der Krippe wieder aufblicken.

Das Wort unter den Worten

„Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.

Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Wahrheit anerkennen.“

Da ist es Menschen gelungen, vor 75 Jahren in Wuppertal-Barmen, in den knappen Thesen der Barmer Theologischen Erklärung das Wort gegen die Wörter zu behaupten. Da ist es Menschen gelungen, in Bedrängnis sich zu konzentrieren auf das Wesentliche. Sich gegenseitig zu stärken und einander beizustehen.

Sie bauen sich ein Fundament. Zum Glück haben sie einen gemeinsamen Baugrund – die Bibel, das eine Wort Gottes, durch viele menschliche Zungen weitergegeben, durch menschliche Hände aufbewahrt ist für die Menschenkinder, die noch kommen sollten.

Sie bauen auf ihrem Grund, obwohl dieser unsicher geworden, angefochten ist. Sie bauen, um sich auf die Zeit der Zerstörung vorzubereiten, die am Horizont sichtbar, deren Donnergrollen in der Ferne hörbar wird.

Sie bauen und überwinden dabei auch Grenzen. Grenzen zwischen theologischen Auffassungen und Konfessionen. Grenzen, die in Friedenszeiten unüberwindlich schienen.
Sie bauen und behutsam entsteht ein Fundament, auf dem auch ein Gebäude entstehen kann. Aber das ist nicht das Ziel. Es sind eher architektonische Leitlinien, die durch dieses Fundament vorgegeben sind.

Leitlinien, die zeigen, was möglich ist und was nicht. Leitlinien, ein Bebauungsplan.

Sie können nur weniges von dem Unglück, das sich 1934 bereits abzeichnet, tatsächlich verhindern. Aber sie geben doch vielen Menschen Orientierung und die Überzeugung, dass sie nicht allein sind mit ihrer Empörung und ihrer Hilflosigkeit.

Vor 75 Jahren eine klare und kleine Stimme gegen die Übermacht. Eine klare und kleine Stimme, die Orientierung bot. Eine Stimme, die auch zu anderen Zeiten, auch in anderen Bedrängnissen ein Fundament bildete – von Südafrika bis Korea, von Nordamerika bis Ungarn.

Eine kleine, prophetische, christliche Stimme, die das Wort gegen die Wörter behauptet.

Unerschütterlich

Zu keinem Augenblick ist es deutlicher als bei der Geburt im Stall, wie nahe auch wir diesem himmlischen Christus sind. Jesus, der Christus als Zimmermannssohn aus Nazareth, als Sohn der Maria ist einer von uns. Ein Mensch unter Menschen. Ein Mensch, aller von Menschen gemachten Gefahr ausgesetzt. Ein Mensch, an menschlicher Gewalt zerbrochen.

In dieser Zeit der Jahres-, vielleicht auch Jahrzehnts-Rückblicke, wird es wieder deutlicher als zu anderen Zeiten: Wie viele der Ereignisse und Katastrophen sind von Menschen gemacht. Dafür muss keine höhere Macht bemüht werden. Ein Wirtschaften unter der Leitvorstellung der Gewinnmaximierung allein wird dem menschlichen Vermögen zur Gestaltung eines sozialen Miteinanders nicht gerecht. Ein politisches Programm, das die, die es vertreten, nach wenigen Wochen Lügen straft, kann das Vertrauen in die demokratische Gesellschaftsordnung nicht stärken.

Es gibt wenige Unerschütterliche, die diesen Versuchungen nicht erliegen. Menschen, die einen weiten Blick haben, einen Blick fürs Ganze. Menschen, die ihre eigenen Bedürfnisse hinten anstellen.

Aber ein Kern solch einer Haltung findet sich noch in vielen Menschen. Er ist vielleicht gut versteckt – auch bei Christenmenschen. Aber beim Blick in die Krippe wird er wieder spürbar. Der Kern der Verbundenheit mit anderen, der Kern der Verbundenheit mit dem schöpferischen Gott.

Unerschütterliches Weihnachtsfest. Unerschütterlich, weil in diesem neuen Leben, wie in jedem neuen Leben ein neuer Anfang, eine Verheißung sichtbar ist. Unerschütterlich, weil es uns in unserem eigenen inneren Kern berührt hat und weil davon auch die ganze Welt berührt ist. Der Kern ist die Verheißung, dass das Leben neu beginnt. Die Verheißung, dass auch eine noch so demokratiemüde Bevölkerung, noch so katastrophale Wirtschaftsbilanzen und die schwerste Rezession der deutschen Nachkriegsgeschichte nicht das Ende sind.

All dies gehört zu unserem Leben dazu, hat zu allen Zeiten dazu gehört. Es gehört auch dazu, was wir heute aktuell hören: Gott ist mit und in Jesus Christus am Werk. Durch alle weltanschaulichen und konsumorientierten Verformungen des Weihnachtsfestes hindurch. Durch alle unsere gelungenen oder verzweifelten Feier- und Feststimmungsversuche hindurch. Durch Kleinglauben und Ohnmacht hindurch. Aber auch durch jede Erschütterung hindurch. Amen.

Verfasserin: Kirchenrätin Katja Albrecht, Tismarstraße 7, 39108 Magdeburg

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