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Licht in der Finsternis

von Matthias Ansorg (Neudietendorf)

Predigtdatum : 26.12.2014
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Christfest 2. Feiertag
Textstelle : Johannes 1,1-5.(6-8).9-14
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Wochenspruch:
"Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit." (Johannes 1, 14 a)

Psalm: 96


Lesungen
Altes Testament: Jesaja 11, 1 - 9

Epistel: Hebräer 1, 1 - 3 (4 - 6)

Evangelium: Johannes 1, 1 - 5 (6 - 8). 9 - 14

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 37, 1 - 4 Ich steh an deiner Krippe hier
Wochenlied: EG 23, 1 – 4 + 7 Gelobet seist du , Jesu Christ
Predigtlied: EG 56, 1 – 5 Weil Gott in tiefster Nacht erschienen
Schlusslied: EG 44, 1 - 3
O du fröhliche, o du selige


Man könnte sie die philosophische Variante der Weih-nachtsgeschichte nennen, diese ersten Verse des Johan-nesevangeliums. Oder noch treffender die lyrische, denn die Komposition der Wörter am Beginn des vierten Evangeliums erinnert nicht wenig an einen Hymnus, ein Gedicht. Im Ge-gensatz zur so plastisch erzählten Geschichte vom Heiligen Abend ist beim Evangelisten Johannes nichts zu erfahren über Maria und Josef, nichts über Volkszählung und Arme-Leute-Geburt. Es ist auch nicht die Rede von Hirten oder Weisen, nicht von Krippe oder Stern. Von Johannes wird das Kommen Gottes in die Welt besungen – in Bildern und hym-nischen Motiven. Doch gerade in denen entdecken wir An-klänge, die uns schon aus den Geschichten um die Geburt des Jesuskindes nach Matthäus und Lukas bekannt sind: Das Licht scheint in der Finsternis, und die Menschen tun sich schwer damit. Gott kommt in die Welt, in sein Eigen-tum, aber viele dort erkennen ihn nicht. Wo dann aber doch Menschen von dieser besonderen Ankunft eine Ahnung durchschimmert, sind sie berührt und verändert, löst die Begegnung mit dem in diese Welt kommenden Gott Ent-scheidendes in ihnen aus.

Johannes ist es wichtig, das Kommen Jesu in den Zusam-menhang der gesamten Liebes- und Heilsgeschichte Gottes mit dieser Welt zu stellen. „Im Anfang war das Wort.“ Dieser Auftakt des Evangeliums erinnert doch sehr an die erste Zeile im Alten Testament, im ersten Buch Mose: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Ja, der Evangelist geht sogar noch über diesen Anfang hinaus und macht deutlich: Der uns in Jesus begegnet – der Bruder, der Ver-änderer, der Erlöser – der markiert nicht eine Episode der kleinen oder großen Weltgeschichte, heute interessant und morgen vergessen. Der uns in Jesus begegnet, der ist sichtbarer, Mensch gewordener Ausdruck des alles umfas-senden Heilsplanes, den Gott von Anfang an mit seiner Schöpfung und mit jedem einzelnen Menschen hat. Der uns in Jesus begegnet, ist das Licht, das schon vor allem bei Gott war. Und dieses Licht ist nun zu uns, den Menschen, gekommen. „Das Licht scheint in der Finsternis“ – dieser Satz in Vers 5 ist so etwas wie der Knackpunkt des Predigt-abschnitts. Er ist das Scharnier zwischen der beschriebenen Heilsabsicht Gottes und den möglichen Weisen, in denen einzelne Menschen für sich selbst mit dieser Absicht um-gehen. „Das Licht scheint in der Finsternis“ – in diesen sechs Wörtern finden wir den einzigen präsentisch – also in der grammatikalischen Gegenwart – formulierten Satz des gesamten Abschnitts. Und das darf uns aufhorchen und dem Ganzen ein wenig nachgehen lassen.

Licht und Finsternis – wann wird uns dieses Gegensatzpaar greifbarer, erfahrbarer als in der Zeit um Weihnachten. Die Natur verwöhnt uns in diesen Wochen nicht mit Licht. Die Tage sind kurz. Die Helligkeit ist oft getrübt von Wolken oder Nebel. Selten im Jahr ist unsere Sehnsucht nach Licht stärker. Ungezählte Leuchtquellen in der Advents- und Weihnachtszeit sind Ausdruck dieser Sehnsucht. Von der Kerze auf dem Adventskranz oder am Weihnachtsbaum bis zu rundum illuminierten Wohnhäusern und hell erleuchteten Innenstädten reicht die Palette der Versuche, Licht in dieses Dunkel zu bringen. Und Gott sei Dank haben wir diese Möglichkeiten, wenngleich die Geschmäcker bzw. die Wahr-nehmungs- und Verträglichkeitsgrenzen bei den Menschen deutlich variieren.

Licht und Finsternis – nicht allein um uns herum müssen wir in diesen Tagen mit Dunkelheit zurechtkommen. Manche Menschen spüren in der Zeit um Weihnachten auch ganz besonders heftig Finsternis, die sich ihrer im Innern bemächtigen will. Viele werden sich in diesen Tagen ihrer Einsamkeit bewusst. Manche erfahren jetzt besonders schmerzhaft die Auswirkungen von gescheiterten Lebens-versuchen, von zerbrochener Nähe, von vergangenem Mit-einander. Man muss nicht erst als alter Mensch in einem Pflegeheim angekommen sein, um zu erleben, was es heißt, niemanden wirklich mehr an seiner Seite zu haben. Man muss nicht als Geschiedener durch die Welt laufen, um zu wissen, was zerbrochene Nähe an Wunden hinterlassen und an Beziehungsängsten auslösen kann. Man muss kein unge-wolltes Einzelkind sein, um zu erfahren, mit wie wenig Zu-wendung und Liebe mancher junge Mensch bereits aus-zukommen hat.

Licht und Finsternis – wie viele Menschen müssen sogar mit Dunkelheiten zurechtkommen, die sie sich selbst zuschrei-ben? Wie viele leiden an ihrem eigenen Verirren und Ver-sagen? Und allzu oft gelingt es ihnen allein nicht, Fehler ein-zugestehen, entstandene Verstrickungen zu lösen, Schuld abzulegen.

Licht. Licht, das ihre Seelen, ihre Herzen, ihr Gemüt auf-hellt, danach sehnen sich so viele. Sie wohnen in unserer Nachbarschaft, arbeiten mit uns im Betrieb, gehen mit unseren Kindern oder Enkeln zur Schule, sind mit uns Glie-der dieser Gemeinde. Und nicht immer sind es die anderen. Manchmal sind es wir selber, denen es so geht.

Wenn Johannes von Finsternis spricht, sieht er die Gottes-ferne von Menschen und dieser Welt im Ganzen. Er sieht die Entfremdung von Gott, aus der die Entfremdung des Ein-zelnen von sich selbst und den Nächsten hervorgeht. Er er-kennt die Gefangenheit so vieler in einer Dunkelheit, aus der sie keinen Ausweg sehen. Und er konfrontiert diese Ein-sicht, diese für die Menschen so schwer zu tragende Rea-lität, mit dem im Grunde umwerfenden, alles verändernden, alles neu machenden Satz: „Das Licht scheint in der Finsternis.“ Jesus, das in die Welt gekommene Licht, ist die Mitte der dem Evangelisten so wichtigen Botschaft, die er darum an den Anfang seines Evangeliums stellt. Jesus ist gekommen, damit Menschen den Bannkreis ihrer Dunkel-heiten verlassen können. Er ist gekommen, damit das Licht der übergroßen Liebe Gottes sie heraus führe aus der sie umgebenden Finsternis.

Wir hören diese Botschaft und kennen sie. Doch was ist mit all denen, die sie nicht kennen und hören. Nicht kennen und hören können, nicht kennen und hören wollen, weil ihnen – aus welchem Grunde auch immer – bislang der Zugang ver-borgen ist. Können wir, die wir heute am Zweiten Weih-nachtsfeiertag im Gottesdienst versammelt sind, etwas von diesem Licht mit hinaus nehmen in unsere Lebenswelt?

Ich bin immer wieder beeindruckt von der Aktion Friedens-licht, die 1986 vom Österreichischen Rundfunk angestoßen wurde. Seither verbreiten Menschen das Licht, das in jedem Jahr in der Vorweihnachtszeit von einem Kind an der Flam-me in der Geburtsgrotte Christi in Bethlehem entzündet wird, in fast ganz Europa. Per Flugzeug und Eisenbahn, in Autos und zu Fuß wird es weitergebracht und erreicht un-gezählte Orte in mittlerweile mehr als 30 europäischen Län-dern. Oft sind es Pfadfinder, die das Licht weitertragen, mittlerweile beteiligen sich aber auch hunderte, ja tausende christliche Gemeinden an der Aktion. So erreicht das Licht aus Bethlehem bis zum 24. Dezember ungezählte Bahnhöfe, Rot-Kreuz-Stellen, Feuerwehren, Krankenhaus- und Pflege-heimstationen, Schulen, Kindergärten und Kirchen.

Das Licht scheint in der Finsternis. Was in der Aktion Frie-denslicht symbolisch geschieht, könnte ein Impuls sein für uns und die Botschaft von dem Licht, das von Weihnachten ausgeht. Nehmen wir dieses Licht in unseren Herzen mit und geben es weiter. Stecken hier und da einen Menschen mit dem an, wovon wir selbst erleuchtet sind. Teilen das Licht und mindern dabei die Finsternis. Im Namen Jesu, der das Licht ist, das inmitten der Finsternis scheint. Amen.


Verfasser: Pfarrer Matthias Ansorg
Zinzendorfplatz 3, 99192 Neudietendorf



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