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Liebe mutet neue Wege zu

von Thomas Waldeck (Griesheim)

Predigtdatum : 24.10.2021
Lesereihe : III
Predigttag im Kirchenjahr : 21. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Matthäus 10,34-39
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Wochenspruch: Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem. (Römer 12,21)

Psalm: 19,8-14

Lesungen

Reihe I: Epheser 6,10-17
Reihe II: Jeremia 29,1.4-7(8-9)10-14
Reihe III: Matthäus 10,34-39
Reihe IV: Johannes 15,9-12(13-17)
Reihe V: 1. Mose 13,1-12(13-18)
Reihe VI: Matthäus 5,38-48

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 277 Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist
Wochenlied: EG 377 Zieh an die Macht
Predigtlied: EG 428 Komm in unsre stolze Welt
Schlusslied: EG 171 Bewahre uns, Gott

Predigttext: Matthäus 10, 34-39

34 Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.
35 Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter.
36 Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein.
37 Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert.
38 Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist meiner nicht wert.
39 Wer sein Leben findet, der wird's verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen,
der wird's finden.

Predigt

Liebe Gemeinde,

wer kennt es nicht – das berühmte Schwert des König Artus, Excalibur? Es wurde der Sage nach von dem Zauberer Merlin geschmiedet und dann von König Uther Pendragon in einen Felsen gestoßen, aus dem es keiner mehr herauszuziehen vermochte. Auf dem Griff des Schwertes ist notiert: „Wer dieses Schwert herauszieht, wird der rechtmäßige König Britanniens sein.“ Viele Ritter versuchen ihr Glück. Während eines Turniers, an dem Artus als Knappe teilnimmt, vermisst sein Stiefbruder sein Schwert und trägt Artus auf, es ihm zu holen. Artus findet es nicht, entdeckt stattdessen das Schwert im Stein, zieht es ohne Mühe heraus und bringt es ihm. Und ein paar Jahre später wird der Junge zum König von Britannien.

Die Artussage gehört nicht nur zur zum Sagenschatz der Geschichte Englands, sie ist bis heute auch eine beliebte Grundlage für viele Fantasy-Spektakel in Büchern oder Filmen. Natürlich ist in diesen Erzählungen das Schwert eine Waffe, aber noch mehr wird sie zu einem Symbol. Das Schwert legitimiert den Träger, wer es erhält, hat Macht und Autorität, ja wird zum König. Es verleiht Macht, geheimnisvolle Kräfte, es hilft, das Böse zu besiegen und lässt den Helden am Schluss siegen.

Im heutigen Predigttext begegnet uns ein ungewöhnlich hartes Jesuswort: „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert!“ Der junge Artus brachte seinem Stiefbruder das Schwert – und das Turnier konnte beginnen. Meint Jesus Ähnliches? Dass wir Christinnen und Christen in einer Welt leben, in der Worte alleine nicht ausreichen? In einer Welt, in der Liebe und Hoffnung allein nichts ausrichten? Ist unsere Welt nicht einem Ritterturnier ähnlich? Die Stärksten werden ihre Belohnung bekommen, die Schwachen werden verlieren und haben das Nachsehen.

Und wir Christinnen und Christen sind keine Zuschauer, sondern sind mitten in diesem Kampf um Anerkennung gefordert. Also kämpfen wir, kämpfen wir für unsere gesellschaftliche Anerkennung, kämpfen wir gegen unsere Gegner, die meinen, Religion sei unnötig. Nehmen wir das Schwert in die Hand! Meint das Jesus mit seinem Wort?

Zu dem Jesus Christus, wie wir ihn aus den Erzählungen der Evangelisten kennen, scheint dieser Satz jedenfalls nicht zu passen. Im Gegenteil: Ist es nicht Jesus, der Petrus auffordert: stecke dein Schwert zurück! Jesus warnt doch gerade vor Gewalt, er redet von Liebe und von Wahrheit, von Hoffnung und Vertrauen. Und davon berichten doch auch die Erzählungen des Neuen Testamentes: Jesus bringt den Menschen die Liebe Gottes nah, er geht zu den Kranken, redet mit den Hilflosen und hilft Menschen in ihrer Not. Wie sollte er Unfrieden bringen und das Schwert? Der Vers aus dem Matthäusevangelium stört unser Bild des liebevollen, tröstenden und heilenden Jesus, den wir in allen Lebenssituationen um Hilfe bitten können.

Wenn ich weiterlese im vorgeschlagenen Predigttext, wird der Sinn des Jesuswortes deutlicher: „Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein.“

Als der Evangelist Matthäus diese Worte Jesu aufschreibt, liegen Tod und Auferstehung Jesu länger als 40 Jahre zurück. Mütter und Väter erleben, wie Kinder sich gegen ihre jüdischen Eltern auflehnen, weil sie sich für die Botschaft Jesu bekennen. Und die, die sich zu einer christlichen Gemeinde zusammenschließen, erfahren nicht nur Ablehnung, sondern werden wegen ihres Glaubens verfolgt. Wer sich zu diesem Jesus von Nazareth bekennt, verliert seine soziale Anerkennung, wird ausgegrenzt und verfolgt.

Jesus spricht zu seinen Jüngern, er will sie auf das vorbereiten, was sie erwartet, wenn sie seine Botschaft weitertragen: Ihr sollt nicht das Schwert in die Hand nehmen, aber die Schwerter, also die Schärfe und der Widerstand der Menschen um Euch herum, werden Euch bedrohen und sie werden euch bekämpfen. Wenn ihr mir nachfolgt, dann wird diese Nachfolge kein Spaziergang sein, sondern es wird eine Entscheidung sein, die Euch den Hass und die Feindseligkeit vieler Menschen eintragen wird. Und das geht bis hinein in eure Familien: eure Mütter und Väter werden Euch bedrohen, eure Nachbarn werden Euch verleumden und der Hass der Menschen wird euch verfolgen.

Die Geschichte nach Jesus hat seinen Worten Recht gegeben, es ist eine Geschichte der Verfolgung von Christinnen und Christen durch das römische Reich. Das Christsein wurde zum staatlich sanktionierten Verbrechen, nach den Christinnen und Christen wurde gefahndet. Als der römische Kaiser Decius alle Bürgerinnen und Bürger verpflichtete, den römischen Göttern zu opfern, waren Christinnen und Christen besonders gefährdet: Jede Bürgerin und jeder Bürger hatte vor einer Kommission zu erscheinen und öffentlich zu opfern. Dafür erhielten sie oder er die sogenannte Opferbescheinigung. Wer sich weigerte, konnte mit dem Tod bestraft werden. Christinnen und Christen, die nur an den einen Gott, den Vater Jesu Christi glauben, konnten sich dieser Opferpflicht nur durch Flucht entziehen und wurden durch die römischen Behörden verfolgt.

Christlicher Glaube ist keine Privatsache, christlicher Glaube lebt von der Authentizität, dass ich das sage, was ich tue und das tue, was ich sage. Wer Gottes Liebe, die allen Menschen gilt, verkündigt, wird sich mit denen auseinanderzusetzen haben, die die Menschenrechte mit Füßen treten. Wer von einer gerechten Welt redet und dafür kämpft, wird sich mit denen auseinanderzusetzen haben, die ungerechte Arbeitsbedingungen beibehalten wollen. Wer sagt, dass wir Verantwortung gegenüber allen haben, die Hilfe nötig haben, wird sich mit denen auseinanderzusetzen haben, die nur den Erfolg und die Leistungen von Menschen würdigen. Wer von der Bewahrung der Schöpfung redet, wird sich mit denen auseinanderzusetzen haben, die den Klimawandel leugnen und meinen, die Natur sei ihr Besitz.

Greta Thunberg ist eine solche Ansagerin für den Klimawechsel geworden. Konsequent und eindeutig macht sie die Politik für ihr Versagen im Blick auf den Klimawechsel aufmerksam. Statt zur Schule zu gehen, demonstriert Greta Thunberg vor dem schwedischen Parlament für mehr Klimaschutz. Sie sprach mit dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama, dem Papst und vor Politikerinnen und Politikern der UNO. Auch auf internationaler Bühne nahm sie kein Blatt vor den Mund. Deutlich – und spürbar emotional – sind ihre Vorwürfe, die sie an die Politik richtet. Friday for Future wird zu einer weltweiten Bewegung. Und Greta Thunberg wird verlacht, angefeindet und beleidigt. Kurz nach ihrer Rede vor den Vereinten Nationen, meldete sich Greta Thunberg auf Twitter. Sie schrieb: „Wie ihr vielleicht bemerkt habt, sind die Hater so aktiv wie eh und je – greifen mich, mein Aussehen, meine Kleidung, mein Verhalten und meine Besonderheiten an. Sie denken sich jede erdenkliche Lüge und Verschwörungstheorie aus.“

Greta Thunberg ist nur ein Beispiel für ein politisches Engagement, viele andere Namen ließen sich nennen. Menschen, die Unbequemes sagen, sind den meist unsachlichen Anfeindungen und den Beleidigungen ihrer Gegnerinnen Gegner ausgesetzt.

Weitsichtig erkennt auch Jesus, dass die Nachfolge seiner Jünger nicht ohne Konsequenzen bleiben wird. Aber er weiß auch, dass es für die Nachfolge keinen anderen Weg gibt, halbgarer christlicher Glaube verträgt sich nicht mit dem Anspruch der Eindeutigkeit von Gottes Liebe, die allen Menschen gilt. 

Wer sich als Christin und Christ äußert und Partei ergreift für die Armen, für die Flüchtlinge, für die Namenlosen, für die Schwachen, der muss damit rechnen, dass er von den Rechtspopulisten, von den Stammtisch-Wortführern und den Ewig-Gestrigen angefeindet, verleumdet und attackiert wird. Aber das ist der Preis, den wir für unseren Glauben zahlen müssen. Die Person Jesu leitet uns an, uns für eine gerechte und friedfertige Welt einzusetzen, Notleidende in den Blick zu nehmen und alle Verhältnisse, die Menschen erniedrigen und demütigen, aufzudecken. Auch wenn uns der Wind um die Ohren bläst, wir, Christinnen und Christen, haben diesen Auftrag, uns in der Welt zu engagieren und zu protestieren, wenn die Schwerter geschärft werden, wenn menschliches Leben und menschliche Würde bedroht sind. Wir können das Gleichnis vom barmherzigen Samariter nicht lesen ohne zugleich über das Schicksal der Flüchtlinge nachzudenken. Wir können die Geschichte vom Turmbau zu Babel nicht predigen ohne zugleich die Hybris und die Anmaßung der Mächtigen zum Thema zu machen. Die biblische Erzählungen sind keine antiken Berichte, die nur als historische Dokumente gelesen werden wollen, es sind Erzählungen, die in unsere Zeit hineinreichen und unsere Grundlage dafür sind, uns in den politischen bzw. gesellschaftlichen Diskurs einzumischen.

Wir sind verpflichtet, an einer besseren Welt mitzubauen, auch wenn dieses Engagement Konsequenzen zeigt und uns von Menschen trennt. Die Aufgabe der Kirche ist und wird bleiben, politisch zu sein, das heißt sich nicht selbstgenügsam zurückzuziehen, sondern protestantische Kirche im Wortsinn zu sein. Wer in der Nachfolge Jesu ist, muss sich zu Wort melden, auch wenn die Botschaft des Kreuzes – so schreibt es Paulus – vielen ein „Ärgernis“ ist.

Wenn uns vorgeworfen wird, dass wir als Gemeinde, als Kirche „zu politisch“ wären, wenn Politikerinnen und Politiker sich wünschen, dass die Kirche sich „heraushalten“ soll, dann bestärkt der heutige Predigttext uns darin, zu verstehen, dass der Widerstand quasi zum „System“ der Nachfolge Jesu gehört. Christliche Verkündigung ist keine Wellness-Veranstaltung, in der ich dafür sorge, dass es mir besser geht. Christlicher Glaube hat zuerst die im Blick, die sonst nicht gehört und gesehen werden. Wenn wir mithelfen, dass Blinde sehen, Lahme gehen und Kranke wieder rein werden, dann sind wir dem Reich Gottes einen Schritt näher. Wenn wir Unbequemes sagen, geraten wir sicherlich in die Schusslinie – aber das ist, wie gesagt, kein „Systemfehler“, sondern die Konsequenz der Nachfolge Jesu.

Amen.

Verfasser: Thomas Waldeck, Griesheim


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