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Lohn und Gnade

von Norbert Hott (35510 Butzbach)

Predigtdatum : 23.01.2005
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Septuagesimae
Textstelle : Lukas 17,7-10
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Wochenspruch:

Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit. (Daniel 9,18)
Psalm: 31,20-25 (EG 716)

Lesungen

Altes Testament:
Jeremia 9,22-23
Epistel:
1. Korinther 9,24-27
Evangelium:
Matthäus 20,1-16a

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 277
oder EG 495
Herr, deine Güte reicht, so weit
O Gott, du frommer Gott
Wochenlied:
EG 342
oder EG 409
Es ist das Heil uns kommen her
Gott liebt diese Welt
Predigtlied:
EG 262
Sonne der Gerechtigkeit
Schlusslied:
EG 171
Bewahre uns, Gott

7 Wer unter euch hat einen Knecht, der pflügt oder das Vieh weidet, und sagt ihm, wenn der vom Feld heimkommt: Komm gleich her und setz dich zu Tisch? 8 Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Bereite mir das Abendessen, schürze dich und diene mir, bis ich gegessen und getrunken habe; danach sollst du auch essen und trinken? 9 Dankt er etwa dem Knecht, dass er getan hat, was befohlen war? 10 So auch ihr! Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.

Hinführung:
Das Gleichnis aus Lk. 17,7-10 gehört zum Sondergut des Lukasevangeliums, d. h. es ist nur im Lukasevangelium und nicht in den anderen Evangelien überliefert. Der Bauer, von dem im Gleichnis die Rede ist, kann sich offenbar nur einen Knecht leisten, der für Feldarbeit und Hausarbeit gleichermaßen zuständig ist. Er tut seine Pflicht und Schuldigkeit. Ähnlich hat sich später Paulus als Sklave Jesu Christi verstanden.
In einer Zeit, in der es vielen Menschen eher um Wellness und Selbstverwirklichung als um Dienen und Pflichterfüllung geht, ist es nötig, auch diesen Aspekt der biblischen Botschaft zu bedenken, ohne dies als Grundlage unseres Leben sehen zu wollen.
Der Wochenspruch für den Sonntag Septuagesimae weist uns darauf hin, dass wir letztlich aus Gottes Barmherzigkeit und nicht aus unserer Gerechtigkeit leben.

Liebe Gemeinde!
0.1 Von Herren und Sklaven
Jesus erzählt eine Geschichte, ein Gleichnis von einem Sklaven im alten Israel. Ein Sklave muss seine Arbeit tun und wird dafür nicht gelobt. Er hat zu pflügen, das Vieh zu weiden und das Feld zu bestellen. Danach muss er seinem Herrn das Abendbrot zubereiten und dann  wenn alles erledigt ist  kann er selber essen. Dank und Anerkennung gibt es nicht für sein Tun, denn der Sklave tut lediglich seine Pflicht.
Wenn wir dieses Gleichnis mit unseren heutigen Maßstäben betrachten, wird es in uns viel Ärger auslösen. Heißt Jesus damit nicht die Unrechtsverhältnisse seiner Zeit stillschweigend gut? Ja, was vielleicht noch viel schlimmer ist: wird mit dieser Geschichte nicht sogar das Verhältnis von Gott zu uns Menschen als Verhältnis eines Herrn zu seinem Sklaven beschrieben?
Will Jesus damit sagen: Gott schuldet uns keinen Dank. Wir Menschen haben vieles zu tun. Gott wird uns dafür weder entlohnen noch loben. Wenn wir alles getan haben, was Gott von uns möchte, sollen wir sprechen: „Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.“
Will Jesus uns sagen: Vor Gott sind wir nichts als Sklaven? Wenn wir die Arbeit tun, die er für uns vorgesehen hat, tun wir nichts als unsere Pflicht und Schuldigkeit. So ähnlich steht auf manchem Grabstein oder auf Todesanzeigen: „Müh und Arbeit war dein Leben, Ruhe hat dir Gott gegeben.“
0.2 Vom Sinn der menschlichen Arbeit
Zu Pflicht und Schuldigkeit sind wir verdammt  so empfinden viele Menschen ihr Leben. Sie tun tagaus tagein ihre schweißtreibende und mühevolle Arbeit als reine Pflichterfüllung. Arbeit ist für viele Menschen die beständige Wiederholung immer gleicher Abläufe. Jeder und jede macht da eigene Erfahrungen. Es gibt Arbeiten, die wir gerne tun, die uns Spaß machen, deren Sinn uns unmittelbar einleuchtet. Und es gibt andere Arbeiten, die wir auch tun müssen, die uns aber überhaupt nicht gefallen, die uns sinnlos erscheinen. Jeder und jede von uns kann eigene Erfahrungen beisteuern.
Erinnern wir uns etwa an Arbeiten, die im Haushalt immer wieder anfallen und getan werden müssen: Das Geschirr muss gespült werden, Staub muss gewischt werden, Schreibtische müssen aufgeräumt werden, Ablagen müssen gemacht werden und immer wieder auf den neuesten Stand gebracht werden. Das sind Arbeiten, die viele Male in einer Woche, in einem Monat oder in einem Jahr getan werden müssen - je nachdem. Solche regelmäßigen Tätigkeiten können einen schon anöden.
Ähnlich werden die empfinden, die irgendwo an einer Maschine stehen und tagaus tagein die gleichen Handgriffe tun müssen. „Welchen Sinn macht das alles?“, so fragt manch einer und manch eine. Nur wer in seiner Arbeit einen Sinn sieht und nicht nur arbeitet, um zu überleben, wird die Arbeit gerne tun und viel lieber tun als die, die ihre Arbeit nur als Pflichterfüllung sehen.
1.0 Die Gestalt des Sisyphus
Sicher kennen Sie die Gestalt des Sisyphus. Eine alte griechische Sage erzählt von ihm. Sisyphus war dazu verdammt worden, einen riesigen Stein den Berg empor zu rollen. Aber immer dann, wenn er das Ziel fast erreicht hatte, rollte die Last wieder den Berg hinunter, und die ganze Mühe begann von neuem. Immer wieder nahm er einen neuen Anlauf. Manche Menschen finden sich in der Gestalt des Sisyphus wieder, erkennen in ihm ihr eignes Lebensschicksal vorgezeichnet. Sie arbeiten und schuften, ohne wirklich weiterzukommen, ohne einen Erfolg zu sehen. So vergeht ihr Leben zwischen Geburt und Tod - ohne Sinn.
1.1 Endliche und vergängliche Menschen
Wenn wir über unser Leben nachdenken, wird uns bewusst, dass wir endliche und vergängliche Menschen sind. Zu dieser Erkenntnis gesellt sich vielleicht die andere Lebenseinsicht, dass all unser Tun vergeblich ist.
1.2 Zur Pflicht und Schuldigkeit verdammt
Sisyphus empfand sein Tun als Pflicht, als Muss. Vielleicht fragen wir uns, warum er seine Arbeit nicht einfach hinschmiss? Was hinderte ihn daran, seinem Leben ein Ende zu setzen? Wie einfach wäre es doch, sich von der abstürzenden Last mit in die Tiefe reißen zu lassen! Doch Sisyphus wuchtete den Stein bergauf  immer wieder. Er war fixiert auf sein Tun und völlig fixiert auf seine Pflicht. Er arbeitete und schuftete, als ob ihm niemand dabei helfen könnte, als ob er nicht zu ersetzen wäre. Sein Leben war geprägt durch seine mühevolle Lebensaufgabe, die scheinbar nicht enden wollte.
2.1 Unsere Lebensaufgaben
Viele Menschen erfahren Ähnliches in ihrem Leben. Sie arbeiten und erbringen Leistungen, die wenig Anerkennung finden. Arbeiten, die keinen unmittelbar sichtbaren Erfolg erkennen lassen.
2.2 Hilfe ist nötig
Was etwa in vielen Krankenhäusern - wie selbstverständlich - getan wird oder bei der Stadtreinigung, der Müllabfuhr ist bitter nötig. Und es wird getan, auch wenn angemessener Lohn oder gar Anerkennung fehlen. Ohne Menschen, die diese schweren und ungeliebten Arbeiten verrichten, ginge es uns schlecht. Wieso meinen wir, ein Anrecht zu haben auf ein Krankenhausbett oder die Rentenversorgung? Etwa weil wir’s ja bezahlt haben? Ohne andere Menschen, die sich für uns und das Gemeinwohl einsetzen und dafür arbeiten, sähen wir ganz schön alt aus!
2.3 Mehr tun als die Pflicht
Für unser Miteinander brauchen wir Menschen, die mehr tun als ihre Pflicht. Menschen, die nicht nur mit bezahlten Überstunden rechnen und auf ihrer freien Zeit bestehen. Es gibt Töchter und Söhne, die haben jahrelang ihre bettlägerigen Eltern gepflegt. Und wenn dann solch eine altgewordene Mutter verstorben ist, dann gaben die Tochter oder der Sohn als Grund ihres Tuns an: „Ich habe doch nur getan, was man tun muss. Es war für mich selbstverständlich“
3.0 Tun, was wir zu tun schuldig sind
Hier, liebe Gemeinde, sind wir wieder in die Nähe von Jesu Gleichnis zurückgekehrt. „Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren“, heißt es in V. 10.
3.1 Z. B. Natan Söderblom
Auf der Grabplatte des schwedischen Erzbischofs Nathan Söderblom im Chor des Doms zu Uppsala ist eine schlichte Inschrift zu sehen: Nathan Söderblom 18661931 steht dort  und die Bibelstellenangabe: Lukas 17, Vers 10:
„Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.“
Es wird auf der Grabplatte Söderbloms mit keinem Wort daran erinnert, dass der schwedische Erzbischof ein bekannter Vorkämpfer der kirchlichen Einheit war. Es fehlt sein Titel oder der Hinweis auf seine bemerkenswerte wissenschaftliche Arbeit. Vermutlich hat er selbst es so bestimmt.
Sein Name ist auf der Grabplatte zu lesen, weil Gott uns mit Namen ruft. Und die Lebensdaten gehören dazu, denn Gott ruft uns ins Dasein und setzt unserer Lebenszeit ein Ende.
Dann aber steht da dieses sperrige Wort Jesu: „Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.“
So hat Nathan Söderblom wohl sein Leben verstanden. Dieser Satz war für ihn Antrieb und Maxime.
3.2 Gott mutet uns zu zu dienen
Vielleicht können wir diesen Satz aus Lk. 17 im Kontext der Lebensgeschichte eines Menschen besser verstehen. Indem Menschen nach diesem Wort leben, tun sie nichts als das, was Gott uns zumutet. Gott mutet uns zu zu dienen. Doch wer will heute noch dienen?
3.3 Wilhelm Löhes Grundsatz
Wilhelm Löhe, der Gründer der Diakonissenanstalt Neuendettelsau, hat im vorigen Jahrhundert zu seinen Diakonissen gesagt: „Was will ich? Dienen will ich. Wem will ich dienen? Dem Herrn in seinen Elenden und Armen. Und was ist mein Lohn? Ich diene weder um Lohn noch um Dank, sondern aus Dank und Liebe. Mein Lohn ist, dass ich darf.“ Diese Sätze Wilhelm Löhes sind keine einfachen Sätze. In ihnen wird im Grund noch mehr gefordert als in Lk. 17.
Der Weg des Dienens ist der Weg der Liebe, der Weg der Dankbarkeit. Dieser Weg ist vorgezeichnet im Weg Jesu. Darum können wir  nur einige Kapitel vorher im Lukasevangelium  lesen: „Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet. Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich schürzen und wird sie zu Tisch bitten und kommen und ihnen dienen“ (Lk. 12, 37).
4.0 Der Weg Jesu ist der Weg des Dienens
Worin liegt der Sinn unseres Dienens, der Sinn, Liebe zu üben, wenn nicht darin, dass Jesus Christus uns gedient hat? Dass Jesus den Weg des Dienens ging, daran darf am Sonntag Septuagesimae, dem Dritten Sonntag vor der Passionszeit erinnert werden. Dieser Sonntag richtet unseren Blick auf die vor uns liegende Passionszeit, auf Karfreitag und Ostern und damit auf den Weg des Leidens und des Dienens, den Weg, den Jesus ging. Unsere Welt wäre ärmer und trostloser ohne die Menschen, die in der Nachfolge Jesu bereit sind zu selbstlosem Einsatz für andere, zur Liebe, die zur Tat wird.
Diesen Weg zu gehen sind wir eingeladen. Nur so kann unsere Welt verändert werden, besser werden, menschlicher werden und friedvoller werden, wie Gott sie geschaffen und gemeint hat.
In diesem Sinn können wir den Vers 10 aus Lk. 17 verstehen: „Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.“ Amen.

Verfasser: Pfr. Norbert Hott, Pohlgönser Str. 17, 35510 Butzbach

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