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Mitten unter uns

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Predigtdatum : 11.11.2001
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres
Textstelle : Lukas 18,1-8
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Wochenspruch:

Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade; siehe, jetzt ist der Tag des Heils.
(2. Kor. 6,2b)

Psalm: 90,1-14 (15-17) (EG 735) oder Psalm 139

Lesungen

Altes Testament:
Hiob 14,1-6
Epistel:
Römer 14,7-9
Evangelium:
Lukas 17,20-24 (25-30)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 147
Wachet auf, ruft uns die Stimme
Wochenlied:
EG 152
oder EG 518
Wir warten dein, o Gottes Sohn
Mitten wir im Leben sind
Predigtlied:
EG 401
Liebe, die du mich zum Bilde
Schlusslied:
EG 241,1+8
Wach auf, du Geist der ersten Zeugen

Liebe Gemeinde,
darf ich heute einmal mit ein paar Fragen an Sie herantreten? Fragen zum Thema ‘Beten’?
Denn darum geht es heute. Was wir vom Beten erwarten können und sollen.
Und damit wir überprüfen können, ob die Begegnung mit dem Predigt-Wort für den heutigen Sonntag eine Veränderung unseres Blickwinkels gebracht hat, müssen wir diesen sozusagen zu Beginn noch ausmessen.
Deshalb - und lasse jeweils etwas Zeit danach - ein paar Probefragen zum Thema Beten.
Worum geht es beim Beten? Man könnte ja sagen: „Es geht darum, dass wir Gott unsere Bitten sagen und er sich unserer Anliegen annimmt.“
Oder man könnte sagen: „Es geht gar nicht primär um die Erfüllung unserer Wünsche, es geht darum, dass wir ruhig und vertrauensvoll werden.“
Was denken Sie?
Es ist doch so. Im Gebet geht es um viele Bitten: Schon das Vaterunser mit seinen sieben Bitten, schon das Für-’bitten’-gebet im Gottesdienst machen das klar.
Um so mehr müssen wir doch fragen: Warum erfüllt Gott viele Bitten und Wünsche offensichtlich nicht?
Ich gebe Ihnen einmal drei mögliche Antworten zur Auswahl:
1. Weil sich diese Menschen in guten Zeiten auch nicht an Gott gewendet haben?
2. Weil sich die Wünsche verschiedener Menschen kreuzen (Die Sonne für den Urlauber, der Regen für den Landwirt, oder denken Sie an Israel und die Gebete vieler Juden und Araber gegeneinander um die Alleinherrschaft im Land)?
3. Weil Gott nicht alle unsere Wünsche, sondern seine Versprechen, seine Verheißungen erfüllt (so Bonhoeffer)? Anders gesagt: Die Erfüllung von vielen Anliegen wäre für uns gar nicht gut. Das sind die zu kurz gegriffenen Wünsche nach augenblicklicher Befriedigung und Gott hat den weiteren Blickwinkel und übersieht das.
Was denken Sie darüber?
Sie spüren die Absicht der Fragen? Wenn viele Wünsche in die falsche Richtung gehen, dann sollte Gebet eher etwas sein, dass das Herz und das Bitten des Beters verändert. Verstehen Sie, wie ich das meine?
Dann muss man fragen: Hat das Beten eher eine innerpsychologische Wirkung - ich werde ruhiger, gelassener und mein eigener Blickwinkel verändert sich - oder passiert mit dem Beten ‘wirklich’ etwas - verändert das Gebet auch Situationen und andere Menschen? Wirkt das Gebet objektiv oder nur subjektiv? Reißt es Mauern nieder, oder lässt es die Menschen hinter den Mauern die Mauern nur nicht mehr sehen, lässt es quasi „Wilden Wein“ darüber wachsen?
Wie denken Sie darüber?
Schwierig zu sagen. Versuchen Sie doch gerade einmal Ihrem Nachbarn zu sagen, was Sie davon halten. Fragen Sie ihn, was er oder sie denkt. Dann können Sie ihre persönliche „Selbstfragung“ miteinander austauschen!
(evtl. Möglichkeit zum Austausch in den Reihen für 2 Minuten)
Wir hören nun als Predigttext Worte von Jesus über das Gebet (Lukas 18,1-8)
1 Jesus sagte seinen Jüngern ein Gleichnis darüber, dass sie allezeit beten und nicht nachlassen sollten, 2 und sprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. 3 Es war aber eine Witwe in derselben Stadt, die kam zu ihm und sprach: Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher! 4 Und er wollte lange nicht. Danach aber dachte er bei sich selbst: Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor keinem Menschen scheue,
5 will ich doch dieser Witwe, weil sie mir so viel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage.
6 Da sprach der Herr: Hört, was der ungerechte Richter sagt! 7 Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er's bei ihnen lange hinziehen? 8 Ich sage euch: Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze. Doch wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden?
Da sagte mir jemand, als wir in einem kleinen Kreis über diesen Bibeltext sprachen: Das hat für mich mit Gebet eigentlich gar nichts zu tun. Bei Gebet geht es doch um Ruhe und Stille, und dass ich Vertrauen fassen kann.
Und was macht Jesus? Er vergleicht das Gebet zu Gott mit dem drängenden Klagen einer Witwe, die von einem Richter Recht haben will.
Dieser Richter wird alles andere als vertrauenswürdig beschrieben. Mir ist nicht erkenntlich geworden, ob er bestechlich ist, er kommt mir eher willkürlich vor. Er sieht sich selbst, sein Wohlbefinden als Gesetz, das es zu beachten gilt. Nur deshalb gibt er dem Drängen der Frau nach. Nicht weil er ihr Recht anerkennt, sondern nur, weil sie ihm auf den Wecker geht.
Kurzum, diesem Richter ist nicht zu trauen.
Wenn man das drängende Klagen der Witwe zu ihm als Gebet beschreibt, fällt allerdings sofort auf:
Diese Witwe klagt nicht im Sinn von Betrauern. Sie klagt nicht hinterher, um ihr Herz über geschehenes Leid auszuschütten, damit es ihr leichter ums Herz wird. So empfinde ich oft das Klagegebet bei uns. Nein, diese Witwe klagt, weil sie etwas ein-klagen will. Es geht ihr nicht um die Leichtigkeit des Herzens, es geht ihr ums Recht, das sie bekommen will. Sie hat ein Ziel. Ein objektives Ziel. Da ist vielleicht ein Gläubiger mit überzogenen Forderungen gegen sie. Oder sie hat noch Geld von jemand zu bekommen und der sagt: Was kann mir die Witwe denn tun? Deshalb braucht sie den Rechtsspruch vom Richter. Ihr geht es nicht um ein gutes Verhältnis zu ihm. Sie hat etwas Konkretes im Sinn. Sie muss nötigen, weil sie in Not ist. Sie muss bedrängen, weil sie bedrängt wird. Sie muss nerven, weil sie keine Nerven mehr hat. Diese Frau hat ein Ziel.
Wir haben am Anfang gefragt, ob Beten nur eine psychologische Dimension hat, ob es einem selber hilft, oder ob es objektiv die Situation verändert. Hier muss man sagen: Um eine psychologische Dimension allein geht es doch gar nicht: Eher um eine juristische Sache: Das Drängen der Frau heißt: Schaffe mir Recht! Und das wird man sehr gut überprüfen können.
Ich bin mir ziemlich sicher. So von Gott zu reden, werden viele als unverschämt empfinden. Ihn mit einem willkürlichen Richter zu vergleichen!
Liebe Gemeinde, es geht um beides: Dass wir Gott vertrauen können, Luther hat übersetzt, ihn lieben von ganzem Herzen, was auch kommt. Und dass wir von ihm etwas erwarten, dass er uns Recht schafft, dass er Situationen und Menschen, die uns zu Unrecht bedrängen, verändert und uns selbst auch.
In Gesangbuchliedern finde ich ebenfalls beides wieder. Da gibt es ein Lied von Paul Gerhardt, dessen Titel kam mir sofort in den Sinn, als ich über diesen Gegensatz nachdachte: Das ist das Lied: „Gib dich zufrieden und sei stille“ (EG 371). Dieser Satz wäre ein Programm dafür, Gott zu vertrauen, was auch kommt, „Liebes oder Leides“.
Ein anderes Lied, das die Zielgerichtetheit unseres Betens ausdrücken kann ist das Lied „Wir warten dein, o Gottes Sohn“ (EG 152). Dieses Wochenlied für heute zeigt, was es bedeutet, sich zu sehnen, wenn die Sehnen sich anspannen auf einen Moment der Hilfe, der doch bitte bald kommen soll.
Ein Lied, das, wie der heutige Sonntag, Endzeitcharakter hat. Drittletzter Sonntag im Kirchenjahr. Seit dem Anschlag auf New York und Washington haben viele Menschen solche apokalyptischen Gedanken und Gefühle. Dass doch bald etwas geschehen muss, dass sich Menschen verändern müssen. Tief in ihrem Herzen. Dass sich auch politische Situationen verändern müssen, damit es nicht weiter zur Spirale der Gewalt kommt.
Mit dieser Geschichte will Jesus uns Mut machen, vom Gebet mehr zu erwarten. Es verändert nicht nur unsere Psyche – die hoffentlich auch. Aber mehr noch: Gott wird Recht schaffen in Kürze.
Und Gott ist mehr als dieser Richter. Am Ende sagt Jesus, wenn der Menschensohn kommt, sucht er nach Menschen mit Glauben, mit Vertrauen.
Solche Menschen mit Vertrauen, dass Gott da ist, lasst uns heute schon sein! Amen.

Verfasser: Pfarrer Andreas Klein, Goethestr. 7, 64367 Mühltal

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