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Mitten unter uns

von Reinhard Simon (39307 Genthin)

Predigtdatum : 08.11.2009
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres
Textstelle : Lukas 17,20-24.(25-30)
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Wochenspruch:
Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade; siehe, jetzt ist der Tag des Heils.
(2. Kor. 6,2b)
Psalm: 90,1-14 (15-17) (EG 735) oder Psalm 139

Lesungen

Altes Testament:
Hiob 14,1-6
Epistel:
Römer 14,7-9
Evangelium:
Lukas 17,20-24 (25-30)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 181, 6
Laudate omnes gentes
Wochenlied:
EG 152
Wir warten dein, o Gottes Sohn
Predigtlied:
EG 428
oder EG 425
Komm in unsre stolze Welt
Gib uns Frieden jeden Tag
Schlusslied:
EG 320
Nun lasst uns Gott dem Herren

Als Jesus aber von den Pharisäern gefragt wurde: Wann kommt das Reich Gottes?, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man's beobachten kann; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es! Oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch. Er sprach aber zu den Jüngern: Es wird die Zeit kommen, in der ihr begehren werdet, zu sehen einen der Tage des Menschensohns, und werdet ihn nicht sehen. Und sie werden zu euch sagen: Siehe, da! Oder: Siehe, hier! Geht nicht hin und lauft ihnen nicht nach! Denn wie der Blitz aufblitzt und leuchtet von einem Ende des Himmels bis zum andern, so wird der Menschensohn an seinem Tage sein. (Zuvor aber muss er viel leiden und verworfen werden von diesem Geschlecht. Und wie es geschah zu den Zeiten Noahs, so wird's auch geschehen in den Tagen des Menschensohns: Sie aßen, sie tranken, sie heirateten, sie ließen sich heiraten bis zu dem Tag, an dem Noah in die Arche ging und die Sintflut kam und brachte sie alle um.
Ebenso, wie es geschah zu den Zeiten Lots: Sie aßen, sie tranken, sie kauften, sie verkauften, sie pflanzten, sie bauten; an dem Tage aber, als Lot aus Sodom ging, da regnete es Feuer und Schwefel vom Himmel und brachte sie alle um. Auf diese Weise wird's auch gehen an dem Tage, wenn der Menschensohn wird offenbar werden.)

Liebe Schwestern und Brüder,
Wo wohnt Gott? Hat er eine Mama und Kinder und kann er sterben? Solch verblüffenden Fragen stellen einem Kinder, und man weiß im ersten Augenblick oft gar nicht zu antworten. Es sind kühne Fragen, an denen das Leben hängt.

Jesus wird im Evangelium gefragt: „Wann kommt das Reich Gottes?“ Eine große, kühne Frage. Wann werden sich die Hoffnungen der Menschen erfüllen? Wann hat jeder Mensch eine Chance zum Leben? Wann kommt die Zeit, dass niemand mehr seine Wohnung aus Angst verschließen muss? Wann der Tag der Heimkehr der Flüchtlinge, des Wegfalls aller Grenzzäune, einer sinnerfüllten Tätigkeit, das Ende der Sorge um die Kinder und der Tag der Heilung, da alle Tränen abgewischt sein werden? …

Als Jesus in die Weltgeschichte eintrat, hatte er ein Anliegen, das er in die Worte fasste: „Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen.“ Dies ist der Brennpunkt seiner Verkündigung und seines Wirkens. Und da liegt die Frage der Menschen, die auf ihn blicken, auf der Hand: „Wann kommt das Reich Gottes?“ In dieser Frage mag eine brennende Erwartung liegen. Und sie betrifft das Herzensanliegen Jesu.

Jesus antwortet mit einem Rätselwort: „Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man’s beobachten kann … (Aber) siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch“. Eine doppelte Antwort! Und sie birgt etwas Überraschendes in sich: „Das Reich Gottes steht mitten unter euch.“ Das bedeutet zuerst und vor allem: Es steht vor euch in Jesus selbst. Es macht sich fest in dieser konkreten Person, dem königlichen Menschen, dem Heiland, auf dem die Hoffnungen Gottes und der Menschen ruhen. Ihr, die ihr so fragt, öffnet eure Augen: Der, den ihr sucht, steht vor euch! Was er tut, sind die Zeichen der Wirk-lichkeit werdenden Königsherrschaft Gottes – in der Gestalt von einfachen Menschen, die Christus um sich sammelt.

Und darin finden sich die Zeichen: Gottes Zeit ist festliche Zeit. Menschsein kommt zur Erfüllung. Sie ist Zeit der Gastfreund-schaft: Wie oft wird von ihr im Evangelium berichtet! Sie ist Zeit der Mahlgemeinschaft. Im Heiligen Abendmahl lädt uns der auferstandene Christus ein, in die Königsherrschaft Gottes einzutreten und sie zu feiern: den Sieg der Hingabe der Liebe über die Mächte des Bösen, den Sieg der Auferstehung über die Gewalt des Todes, den Sieg des Glaubens über allen Zynismus.

Gottes Zeit ist zugleich Zeit der Heilung. Der unsere Seele berührt, der uns segnet, der mit den Kranken betet, ihnen die Hände auflegt, der aufrichtet, er ist da. Christus, der Aufer-standene, kommt als Heilender zu uns. Es gibt in fast jeder Gemeinde Menschen, die davon erzählen können, wie sie durch innere Dunkelheiten hindurch gegangen sind, ihre Not auf Gott geworfen haben, wie die Wunden der Angst schließ-lich heilen konnten und das Vertrauen zu Gott zu einer neuen Tiefe gefunden hat. „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir …“ Wie können wir Kranke durch den Glauben begleiten, mit ihnen beten und sie mit der Auflegung unserer Hände die Nähe Gottes spüren lassen?

Gottes Zeit ist auch Zeit der Hingabe. Viele in unserem Land haben das Gefühl, dass der Wind in der Gesellschaft rauer geworden ist. Man kämpft für sich selbst. Einsamkeit ist härter geworden, der Konkurrenzkampf auch und die Gleichgültigkeit anderen, Fremden gegenüber. Die Verunsicherung im eigenen Leben ist für viele sehr viel bedrohlicher geworden, der Boden unter den Füßen wankt.

Aber wie gleichgültig zeigt sich unsere Gesellschaft gegenüber dem Evangelium! Gerade darum sollen wir auch hier hören: „Das Reich Gottes ist mitten unter euch!“ Da können sich die Stärken Jesu Christi und die Stärken des Glaubens entfalten, der Boden unter den Füßen festigt sich. Es gibt eine Alternative dazu, dass sich jeder selbst der Nächste ist und sein Haus vor dem anderen zuschließt. Festlich und Kraft gebend wird der Glaube, wo er es versteht, sich zu öffnen.

„Dass Mitleiden Freude bringt, ist eines der bestgehüteten Geheimnisse der Menschheit“, schrieb ein Christ in sein Tagebuch. Dass vom Mitleiden eine Kraft ausgeht, der wir trauen können, dass sie Gemeinschaft mit einem konkreten anderen Menschen ganz neu entdecken lässt, dafür liegt die Quelle in Christus, der sagt: „Was ihr den Geringsten tut, das tut ihr mir.“ Gottes Zeit ist Zeit der Gerechtigkeit. In diesen Tagen denken wir an den Fall der Mauer vor zwanzig Jahren. Ungleichheit und Ungerechtigkeit hatten ihr Maß voll, und viele spürten es. Ein Staat hatte seine Legitimation vollkommen verloren und war von innen her hohl. Das Erstaunen, das Gefühl der Befreiung und der Freude ist fast schon wieder ein wenig in Vergessenheit geraten.

Wie viel hat sich seither verändert! Wie viel ist inzwischen viel schöner geworden. Fährt man durch manche Landstriche, erstrahlt beinahe jede Kirche in frischem Glanz. Freilich hat viele Menschen auch die volle Wucht der Probleme getroffen, die mit der krassen Ungleichheit der Güter und Chancen in der Welt verbunden ist.

Diese Ungerechtigkeit, die so viele Menschen auf der Welt um jede Lebenschance bringt, ist eine schmerzende Wunde. Sie macht uns auch bewusst, wie sehr wir mit jenem Teil der Menschheit verbunden sind, der von allen Wohlstand ausgeschlossen ist. Gottes Zeit ist Zeit der Gerechtigkeit und also Zeit zu schauen, an welchem Punkt ein Einzelner oder eine Gemeinde gerufen ist, einen konkreten Schritt zur Heilung dieser Wunde zu tun.
Wann kommt das Reich Gottes? Wann wird die Königsherr-schaft Gottes Wirklichkeit? Christus antwortet uns heute: „Siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch!“ Wir sind gerufen, auf Ihn zu schauen, mit dem es kommt, und auf die Zeichen: der Gastfreundschaft, der Heilung, der Hingabe, der Gerechtigkeit.

Und mögen wir den Segen spüren, der darin liegt, dass wir das Reich Gottes nicht herbeizwingen können, dafür aber Ihn, der über allem und in allem ist, voll Zuversicht bitten: Herr, dein Reich komme! Bis er es einst in ganzer Fülle offenbart und Himmel und Erde neu macht. Ihm sei Lob und Ehre in Ewigkeit. Amen.
Gebet vor oder nach der Predigt:
Heiliger Geist, Atem der Liebe Christi, du senkst in den Grund unserer Seele die Sehnsucht nach Gott und das Vertrauen des Glaubens ein. Lass uns mit wachem Herzen hören, wie Christus, der Auferstandene zu uns sagt: Das Reich Gottes ist mitten unter euch. Ich bin da. Amen.

Autor: Pfarrer Dr. Reinhard Simon, Große Schulstraße 3, 39307 Genthin

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