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Mose richtet die eherne Schlange auf

von Ulrich Schwemer (64646 Heppenheim)

Predigtdatum : 25.02.2024
Lesereihe : VI
Predigttag im Kirchenjahr : Reminiszere
Textstelle : 4. Mose 21,4-9
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Wochenspruch: "Gott erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Süder waren." (Römer 5,8)

Psalm: 25,1-9

Predigtreihen

Reihe I: Johannes 3,14-21
Reihe II: Römer 5,1-5(6-11)
Reihe III: Jesaja 5,1-7
Reihe IV: Matthäus 26,36-46
Reihe V: Markus 12,1-12
Reihe VI: 4. Mose 21,4-9

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 296 Ich heb mein Augen sehnlich auf
Wochenlied: EG 96 Du schöner Lebensbaum des Paradieses
Predigtlied: EG 287 Singet dem Herrn ein neues Lied
Schlusslied: EG 293 Lobt Gott, den Herrn, ihr Heiden all

Predigttext: 4. Mose 21,4-9

4 Da brachen sie auf von dem Berge Hor in Richtung auf das Schilfmeer, um das Land der Edomiter zu umgehen. Und das Volk wurde verdrossen auf dem Wege 5 und redete wider Gott und wider Mose: Warum habt ihr uns aus Ägypten geführt, dass wir sterben in der Wüste? Denn es ist kein Brot noch Wasser hier, und uns ekelt vor dieser mageren Speise. 6 Da sandte der HERR feurige Schlangen unter das Volk; die bissen das Volk, dass viele aus Israel starben. 7 Da kamen sie zu Mose und sprachen: Wir haben gesündigt, dass wir wider den HERRN und wider dich geredet haben. Bitte den HERRN, dass er die Schlangen von uns nehme. Und Mose bat für das Volk. 8 Da sprach der HERR zu Mose: Mache dir eine eherne Schlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben. 9 Da machte Mose eine eherne Schlange und richtete sie hoch auf. Und wenn jemanden eine Schlange biss, so sah er die eherne Schlange an und blieb leben.

Vorbemerkung

Das Wort „verdrossen“ (V 4) ist ein wenig aus der Mode gekommen. „Unverdrossen“ ist geläufiger und erschließt den Sinn dieses altertümlichen Wortes besser: Ein Mensch, der unverdrossen ist, hat noch Kraft, lässt sich nicht unterkriegen, geht seinen Weg, auch wenn der aussichtslos zu sein scheint. Das krasse Gegenteil drückt das Wort „verdrossen“ in Kap. 21 des vierten Buches Mose aus: Das Volk ist zermürbt vom langen Weg durch die Wüste, frustriert, dass das gelobte Land wieder einen Umweg weiter entfernt liegt, antriebsschwach, überhaupt noch in dieser Richtung weiter zu gehen. Verdrossenheit lässt rückwärts blicken, Erinnerungen beschönigen, Leid und Elend kleinreden.

Um aus dieser Depression herauszukommen, muss der Kopf erhoben werden, der Körper sich straffen, ein Ziel vor Augen kommen. Das ist die Herausforderung, vor der Mose und das Volk Israel in der Geschichte von der ehernen Schlange stehen. Und das ist die Herausforderung, vor der auch wir angesichts so vielfältiger Bedrohungen von Mensch und Natur stehen.

Predigt

Liebe Gemeinde,

Schlangen sind faszinierend und furchterregend zugleich. Selbst wenn sie nicht giftig sind, schrecke ich vor diesen auf dem Boden kriechenden und sich schlängelnden Wesen zurück. Sie sind mir unheimlich. Und doch begegnen sie mir einige Male in der Bibel. Sie haben dort eine auffällige Rolle als Verführerin, als todbringendes Wesen, aber auch als Hoffnungszeichen der Erlösung.

Wahrscheinlich fällt uns als erstes die Geschichte vom Sündenfall ein, in der die Schlange die Verführerin ist, die das Paradies des Menschen zerstört.

Weniger vertraut wird uns die Geschichte von der „Ehernen Schlange“ im Predigttext (4. Mose 21) sein. Aber auch sie hat Eingang ins Neue Testament gefunden, nämlich beim Evangelisten Johannes und beim Apostel Paulus.

Beide lesen allerdings die Geschichte von der „Ehernen Schlange“ sehr unterschiedlich.

Paulus bezieht sich im 10. Kapitel des 1. Korintherbriefs auf die todbringenden Bisse der Schlangen. Er schaut auf das murrende Volk Israel, das durch tödliche Schlangenbisse bestraft wird. Für Paulus ist dies das negative Beispiel für die Abkehr der Christen in Korinth von Christus. Er missbilligt ihr Verhalten, ihre Streitigkeiten in der Gemeinde.

Für den Evangelisten Johannes dagegen ist die aufgerichtete „Eherne Schlange“ ein Heilssymbol (Joh 3,14f.). Im nächtlichen Streitgespräch mit dem Pharisäer Nikodemus im 3. Kapitel des Johannesevangeliums ist für ihn die Schlange, die auf einer Stange erhoben ist, ganz positiv besetzt. Sie ist ein Bild für die  Erhöhung des Menschensohns, der dem gläubigen Menschen ewiges Leben verheißt.

Was wird uns im 4. Buch Moses im 21. Kapitel wirklich erzählt, wenn doch der Apostel Paulus und der Evangelist Johannes sie so unterschiedlich auslegen?

Zunächst einmal hören wir, wie so oft, vom Murren des Volkes.

Bis zum heutigen Tag sind  der Auszug aus Ägypten und der Weg durch die Mühen der Wüste ein beispielhaftes Muster für menschlichen Verhaltens.

Der Augenblick der Befreiung oder Erlösung kann Menschen begeistern, sie geraten in ein Hochgefühl angesichts nicht erwarteter Erlösung oder Befreiung. Doch Jede und Jeder weiß: Der Moment kann nicht festgehalten werden, es werden Zeiten kommen, die den Jubel verstummen lassen, die mühselig, ja gefährlich sein können. Zweifel am Ziel greifen um sich.

So erlebt es das Volk Israel mehrfach in der Wüste:

Jeder Errettung folgt eine Zeit der Entbehrung und mit ihr die rückwärts gerichtete Sehnsucht nach einer angeblich besseren Zeit.
Leiden werden ausgeblendet,
Versagen verschwiegen,
Unrecht schöngeredet.

Der Alltag wird als belastend empfunden. In der Übersetzung der Bibel von Martin Luther lesen wir: Sie waren „verdrossen“, heute würden wir vielleicht sagen: Sie waren „frustriert“. Da werden dann alte Gewissheiten wie z.B. die Verheißung des gelobten Landes, die doch der Antrieb für die Flucht aus Ägypten war, über Bord geworfen. Die Gegenwart wird schlecht geredet. So wird das doch so lebensnotwendige und lebenserhaltende Manna, das das Volk in der Wüste gefunden hat, zu einer mageren Speise, vor der man sich ekelt. In der jüdischen Literatur aus den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt wird deshalb das Verhalten der Schlange, die seit dem Paradies Erde fressen muss und dies klaglos tut, gelobt gegenüber dem Volk: Das darbende Volk Israel bekommt immerhin Manna. Aber es ist nicht dankbar, sondern es murrt.

In einem jüdischen Text heißt es:

„Eine BAT KOL (eine göttliche Stimme) kam aus der Erde und ihre Stimme wurde in der Höhe gehört: Kommt, seht, alle Geschöpfe, und kommt, horcht, alle Fleischessöhne! Ich habe die Schlange am Anfang verflucht und habe zu ihr gesagt: der Staub wird deine Nahrung sein. Ich habe mein Volk aus dem Lande Ägypten heraufgeführt und habe ihnen das Manna vom Himmel herabkommen lassen und ich habe ihnen den Brunnen heraufsteigen lassen aus dem Abgrund und habe ihnen Wachteln vom Meer herbeigeführt. Und mein Volk fängt wiederum an, vor mir zu murren wegen des Manna, das eine leichte Kost ist. Es komme die Schlange, die wegen Nahrung nicht gemurrt hat, und herrsche über das Volk, das wegen seiner Nahrung gemurrt hat.“ (Targum Codex Neophyti).

Liebe Gemeinde, in Frustration und Enttäuschung schießt man gern über das Ziel hinaus. Nicht allein gegen Mose richtet sich nun der Vorwurf des Volkes in unserem Predigttext, sondern gleich auch gegen Gott, der die Errettung doch erst möglich gemacht hat.

Resignation wandelt sich zum Zorn.

Und das ist in keinem Fall ein guter Ratgeber, damals nicht, heute nicht. Resignation und Zorn hören auf falsche Versprechungen und öffnen nur scheinbaren Lösungen Tür und Tor. Und diese Versprechungen können so giftig sein, wie die tödlichen Bisse der Schlangen, die einige Israeliten in der Erzählung von der „Ehernen Schlange“ erleiden.

Damals war es die Sehnsucht nach den sprichwörtlichen Fleischtöpfen Ägyptens. Das gilt aber auch für Zeiten und Gegenden, in denen es keine giftigen Schlangen gibt, in denen aber der angeblich gerechte Zorn von Menschen zum Freibrief genommen wird für Unrecht, Gewalt und Missachtung der Menschenrechte.

Wie sollen wir dann aber das Erlösungsbild von der „Ehernen Schlange“ verstehen?

Hilft da dann wirklich schon eine eherne, kupferne Schlange, die an einem Stab aufgerichtet wird? Schnell könnten wir das abtun als altertümlich, überholt und wenig hilfreich. Doch es geht nicht um die Anbetung dieses Bildes. Es heißt nur: Wenn jemand gebissen wird, soll er seinen Blick erheben zu der Schlange. In diesem Sinn deutet schon das Buch „Die Weisheit Salomos“ den Blick über die Schlange hinaus. Dort heißt es: „Denn wer sich zu diesem Zeichen hinwandte, der wurde errettet – nicht durch das, was er anschaute, sondern durch dich, den Heiland aller Menschen“ (Weish 16,7). Wobei wir Christen uns hier klar machen müssen, dass der Schreiber der Weisheit unter „Heiland aller Menschen“ nicht Christus sondern Gott meint.

Nicht die Schlange also ist das Besondere, sondern die veränderte Blickrichtung. Solange ich vor lauter Angst nur auf den Boden starre, nehme ich die Umgebung nicht wahr aus Angst vor einem Schlangenbiss, erstarrt im ängstlichen Warten auf irgendeine Bedrohung.

Hier muss es heißen: „Kopf hoch!“ oder ein bisschen freundlicher: Schaut hinauf zur Schlange und über sie hinaus auf die Gegenwart Gottes selbst. Hieraus erwächst die Kraft, auch den Biss der giftigen Schlange zu überleben. Auch damals schon war damit  mehr als nur der tatsächliche Biss gemeint.

Es ging um die Überwindung der Feindseligkeit untereinander,
die Abwehr der Verdrehung von Wirklichkeit und Gerücht,
die Verhinderung des Zerfalls einer Ordnung, die eine Zukunftsvision hat.

Bis zum heutigen Tag drohen solche Gegenstände wie die „Eherne Schlange“ zum Mittel des Aberglaubens zu werden.

Es besteht die Gefahr, dass der Blick nicht über das aufgerichtete Symbol hinweg schaut,
sich nicht auf Gott richtet, sondern an dieser „Ehernen Schlange“ hängen bleibt,
nicht Gott anbetet, sondern diese Schlange
nicht Gott das Opfer bringt, sondern der Schlange.

Aber es geht nicht um irgendeinen Aberglauben, der dieser ehernen Schlange eine heilende Kraft zuspricht.
Vielmehr geht es um eine Verhaltensänderung,
es geht darum, den gesenkten Kopf zu heben,
der Enttäuschung Hoffnung entgegenzusetzen,
die eigene Frustration zu überwinden.
Den Blick aufzurichten,
über die engen Grenzen dieser Welt hinauszuschauen,
einen neuen Horizont zu entdecken.

Das ist der Weg aus der Depression, in die auch unsere Zeiten uns immer wieder neu hineinzudrängen scheinen.

Gott macht das Fehlverhalten von uns nicht ungeschehen. Aber er lässt uns neue Perspektiven und einen neuen Horizont wahrnehmen.

Deshalb: Kopf hoch!

Amen

Verfasser: Pfarrer i. R. Dr. h. c. Ulrich Schwemer


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