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Mut für den Weg durch das Jahr empfangen

von Karsten Müller (39104 Magdeburg)

Predigtdatum : 01.01.2008
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Neujahrstag
Textstelle : Philipper 4,10-13.(14-20)
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Wochenspruch:



Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater durch ihn (Kolosser 3,17).



Psalm: 8 (EG 705)



Lesungen



Altes Testament:

Josua 1, 1 – 9

Epistel:

Jakobus 4, 13 – 15

Evangelium:

Lukas 4,16 – 213



Liedvorschläge



Eingangslied:

EG 62

Jesus soll die Losung sein

Wochenlied:

EG 65

Von guten Mächten

Predigtlied:

EG 347

Ach bleib mit deiner Gnade

Schlusslied:

EG 44

O du fröhliche





10 Ich bin aber hoch erfreut in dem Herrn, dass ihr wieder eifrig geworden seid, für mich zu sorgen; ihr wart zwar immer darauf bedacht, aber die Zeit hat's nicht zugelassen. 11 Ich sage das nicht, weil ich Mangel leide; denn ich habe gelernt, mir genügen zu lassen, wie's mir auch geht. 12 Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; mir ist alles und jedes vertraut: beides, satt sein und hungern, beides, Überfluss haben und Mangel leiden; 13 ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht.

14 Doch ihr habt wohl daran getan, dass ihr euch meiner Bedrängnis angenommen habt. 15 Denn ihr Philipper wisst, dass am Anfang meiner Predigt des Evangeliums, als ich auszog aus Mazedonien, keine Gemeinde mit mir Gemeinschaft gehabt hat im Geben und Nehmen als ihr allein. 16 Denn auch nach Thessalonich habt ihr etwas gesandt für meinen Bedarf, einmal und danach noch einmal. 17 Nicht, dass ich das Geschenk suche, sondern ich suche die Frucht, damit sie euch reichlich angerechnet wird.

18 Ich habe aber alles erhalten und habe Überfluss. Ich habe in Fülle, nachdem ich durch Epaphroditus empfangen habe, was von euch gekommen ist: ein lieblicher Geruch, ein angenehmes Opfer, Gott gefällig. 19 Mein Gott aber wird all eurem Mangel abhelfen nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesus.

20 Gott aber, unserm Vater, sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.



Liebe Gemeinde,

der Neujahrstag ist ein merkwürdiges Datum. Auf der einen Seite beginnen wir ein neues Jahr und müssen uns erst daran gewöhnen, ab heute die Zahl „2008“ in das Datum einzusetzen. Damit hängt zusammen, dass das Gestrige weiter in die Vergangenheit rutscht, als das von der Zeit her geboten ist. Am 1. Januar liegt der gestrige Tag im letzten Jahr. Von diesem letzten Jahr trennen uns nur ein paar Stunden und wir wissen ja im tiefsten Grunde auch, dass die Zeit so fortschreiten wird, wie bisher, trotz mancher guter Vorsätze, die heute gefasst werden.

Die biblischen Texte, die wir im Gottesdienst am Neujahrstag hören, setzen andere Akzente:

Egal, wie tief die Einschnitte unsres Lebens sind, welche Übergänge wir erleben, erdulden oder auch erleiden: Wichtig ist für uns, dass Gott seine Hand im Spiel hat, dass er uns bei der Hand nimmt, dass wir nicht allein sind in dem, was wir tun oder lassen. Von uns hängt manches ab, aber alles von dem, was der Herr will.

Das hat Josua erfahren, als er die Nachfolge des Mose antreten musste. Jesus hat es erfahren auf seinem Lebensweg von Galiläa nach Golgatha. Die ersten Christen, die am Beginn des Weges der Nachfolge im Glauben an den auferstandenen Christus standen haben es auch erfahren. Paulus hat ganz tief die Erfahrung gemacht, dass ein ganzes Leben herumgedreht wird, wenn Gott es will. Von daher erklärt sich sicher so ein Satz, wie wir ihn eben aus dem Philipperbrief gehört haben: „ ... ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht.“ (4,13)

Sagen wir das auch so? Geht unser Blick nicht vielmehr oft auf unser eigenes Vermögen und Können? Ist unsere Rede nicht: Wir vermögen etwas durch unsere Kraft, durch unsere Fähigkeiten!? Natürlich ist das so – aber es ist eben nicht alles.

Aus dem Briefabschnitt im Philipperbrief wird auch deutlich, dass Paulus in der Gemeinschaft der Menschen lebte, die durch ihn zum Glauben an Christus gekommen waren. Diese Gemeinschaft hat ihn getragen, sie hat auch für ihn gesorgt. Es war nicht immer alles konfliktfrei, es gab auch zwischen den Gemeinden und dem Apostel und auch unter den Aposteln Auseinandersetzungen und Streit. Das ist auch gar nicht zu beschönigen und es ist wohl so gewesen, wie es auch heute noch unter uns ist. Aber es macht deutlich, dass wir Menschen eine Gemeinschaft brauchen, die uns trägt, manchmal auch eine Gemeinschaft, an der wir uns reiben müssen, die uns beschwert.

Aber diese Gemeinschaft ist kein Selbstzweck. Im Brief des Paulus liest sich das ein bisschen merkwürdig: Er bedankt sich, relativiert aber gleichzeitig den Dank. Es klingt ein wenig anders als: „Danke, es wäre aber nicht nötig gewesen.“ Paulus schreibt, er sei erfreut über die Sorge der Philipper, aber dann lesen wir: „Ich sage das nicht, weil ich Mangel leide; denn ich habe gelernt, mir genügen zu lassen, wie's mir auch geht.“ (4,11) Was meint Paulus hier? Kann er sich nicht einfach freuen, dass Menschen aus der Gemeinde sich um ihn sorgen und versuchen, ihn zu versorgen? Geht es hier um das Herunterspielen des Materiellen, weil wir ja als Christen doch anderes für wichtig halten sollen?

Es geht bei Paulus immer wieder darum, das wirklich, das letztlich Tragende nicht aus den Augen zu verlieren. Für Paulus war es ja im wörtlichen Sinn eine lebenswendende Erfahrung, dieser letztlich tragenden Kraft zu begegnen. Diese Begegnung vor Damaskus war mit der Entdeckung verbunden, dass er bisher seinem Leben eine falsche Richtung gegeben hatte. Nicht, dass Paulus vorher nicht fromm gewesen wäre, ganz im Gegenteil. Aber er vertraute nicht auf die Kraft seiner Frömmigkeit, sondern er wollte seinem Glauben mit Verfolgung und Gewalt zum Durchbruch verhelfen. Mitten in diesem Vorhaben steht er plötzlich vor der Frage: „Saul, Saul, was verfolgst du mich?“ (Apg. 9,4) Mit dieser Frage steht ein ganzes Leben in Frage. Die Suche nach einer Antwort bringt Paulus wieder Boden unter die Füße und Licht in die Augen.

Welche Frage stellt Christus uns? Vielleicht: Worauf verlässt du dich? Worauf verlasst ihr euch als Gemeinde von Christen? Die Beantwortung dieser Frage wirft in der Regel schnell Gegensätze auf: Auf der einen Seite steht das Bekenntnis: Ganz klar: Der Glaube ist das, worauf wir uns verlassen, Christus ist das Haupt der Gemeinde, ihm wollen wir nachfolgen. Aber auf der anderen Seite heißt es: Wie soll das gehen, wenn wir immer weniger Christen werden? Wie können wir unsere Aufgaben erfüllen, wenn immer weniger Geld in der Kasse ist?

Es ist unbestritten, dass ein Leben in abgesicherten materiellen Verhältnissen uns Freiheit zur Gestaltung gibt. Hand aufs Herz: Wer möchte seinen Wohlstand missen? Das gilt auch für uns Christen als Gemeinde: Man kann sich besser auf den Inhalt einer Aufgabe konzentrieren, wenn man nicht dauernd über ihre in Frage stehende Finanzierung nachdenken muss.

Aus der Reaktion des Paulus auf die Hilfsaktion der Christen in Philippi für ihn wird aber deutlich: Sie geschieht auf der Grundlage des Glaubens, aber sie kann nie selbst diese Grundlage sein. Das darf man nicht verwechseln.

Dieser Verwechslung will Paulus keinen Vorschub leisten. Er will sich über seine Lebensgrundlage ganz im Klaren sein, darum hat seine Briefpassage diese Aussage in Sinn von „Danke, aber ...“. Es ist auch nicht ganz leicht, diese Grenze zwischen der Grundlage und dem, was sich auf dieser Grundlage aufbaut, immer klar zu ziehen.

Die Jahreswende ist auch Anlass zum Ziehen von Bilanzen. Was habe ich geschafft, was ist im letzten Jahr gelungen, was nicht. Wo bin ich mit mir zufrieden, was hinterlässt bei mir das Gefühl, nicht richtig gehandelt zu haben? Vordergründig erscheint es oft so, dass vieles, was im letzten Jahr geschehen ist, auf eigener Leistung basiert. Aber ist das wirklich so? Fragt man sich nicht auch oft in der Rückschau: Woher habe ich eigentlich die Kraft genommen, ein bestimmtes Vorhaben anzufassen? Wie war das, als ich meinen Nachbarn besucht habe, dem ich lieber aus dem Weg gegangen wäre? Wie habe ich es geschafft, eine Veränderung zu gestalten, die ich vor einem Jahr noch gar nicht geahnt habe?

Es gehört zu den Wahrheiten unseres Lebens, dass unsere Lebenskraft nicht aus uns selbst erwächst. Paulus kann bekennen: „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht.“ Ist das auch unser Bekenntnis oder unsere Erkenntnis? Uns stellt sie, wie im Leben des Paulus auch bei uns alles vom Kopf auf die Füße?

Wenn wir uns deutlich machen, dass unsere Kraft nicht allein die Voraussetzung für unser Tun und Lassen ist, dann ist das zunächst eine große Befreiung. Es hängt nicht alles von mir ab. Es gibt Menschen, denen ist diese Tatsache ganz deutlich vor Augen und sie besprechen ihre Vorhaben, Pläne, Zweifel zunächst mit Gott im Gebet. Dabei geht es natürlich nicht um das Abschieben von Verantwortung oder die Delegierung von Handeln. Eher ist das Gegenteil der Fall.

Die Geschichte ist voll von Beispielen der Selbstüberschätzung und Selbstanmaßung von Menschen. Das gilt nicht nur für die in den Geschichtsbüchern aufgeschriebene Geschichte.

Auch in den alltäglichen Lebensbeziehungen kommt es vor, dass wir unsere Kräfte und Fähigkeiten überschätzen und vor allen Dingen schnell den Ursprung dieser Kräfte und Fähigkeiten vergessen.

Wer die Hände in den Schoß legt, um zu beten, um sich auf seinen Ursprung zu besinnen und Gott um Beistand, Rat, Leitung zu bitten, der handelt in hohem Maß verantwortungsvoll.

„Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht.“ Das ist nicht die Mentalität von „Gott mit uns“, die letztlich auch zur Rechtfertigung der menschlichen Selbstüberschätzung dienen kann. Hier geht es um die Einsicht, dass wir in einem großen Schöpfungszusammenhang stehen, in dem wir, jeder und jede an unserem Platz.

Dass diese Einsicht keine Theorie ist, sondern eine Lebenshaltung, die ganz praktische Folgen hat, belegt unser Predigttext eindrücklich. Denn die unmittelbare Folge der grundlegenden Glaubenseinsicht des Paulus ist ganz praktisches Handeln. Im Zusammenhang unseres Textes ist es die Sorge der Gemeinde in Philippi für den Apostel. Sie haben einen Mann namens Epaphroditus zu Paulus geschickt, damit er ihm die Gaben der Gemeinde übergebe. Der Verweis auf die Gemeinde in Thessalonich macht deutlich, dass die Haltung des Sorgens füreinander nicht unbedingt die Folge einer Missionspredigt sein muss.

Erwachsen uns auf dieser Schiene nun doch noch die berühmten guten Vorsätze für das Neue Jahr? Wenn wir die Einsichten aus dem Text zu Vorsätzen für das Neue Jahr machen, dann besteht die Gefahr, dass sie eben deren Schicksal erleiden: in 14 Tagen sind sie so gut wie vergessen.

Es kommt nicht unbedingt darauf an, gute Vorsätze zu fassen. Es ist vielmehr gut, wenn wir uns klar machen, auf welcher Grundlage unser Leben beruht, woher uns Kraft erwächst, in welchem Zusammenhang wir leben. Es geht nicht um Vorsätze, es geht um Grundsätze.

„Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht.“, das kann so ein Grundsatz sein. Das Christuswort, das als Jahreslosung über diesem Jahr steht, ist auch so ein Grundsatz: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben“ (Johannes 14,19).

In dieser Zuversicht können wir das neue Jahr 2008 beginnen: Kraft wächst uns von dem zu, der Himmel und Erde gemacht hat. Die Hoffnung neuen Lebens dürfen wir haben durch den, der am Ostermorgen den Tod, vor dem sich nicht wenige fürchten, besiegt hat. In dieser Gewissheit können wir das Leben gestalten, dürfen wir aufeinander achten und füreinander sorgen.

Wir machen uns oft Gedanken, wie denn Menschen auf die kräftigende, lebendige Botschaft von Christus aufmerksam werden sollen. Vielleicht dadurch, dass sie an uns, an unserem Miteinander oder auch an unserem Umgang mit Konflikten und Streit erkennen, was uns umtreibt, was unsere Grundlage ist. Vielleicht eröffnen sich dadurch für manchen Mitmenschen 2008 neue Einsichten, von denen er oder sie jetzt noch gar nichts weiß.

Amen.



Verfasser: Provinzialpfarrer Karsten Müller, Leibnizstraße 4, 39104 Magdeburg, karsten.mueller@ekmd.de

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