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Opfer und soziales Handeln

von Elke Burkholz (Messel)

Predigtdatum : 19.11.2008
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Buß- und Bettag
Textstelle : Jesaja 1,10-17
ggf. Homepage, auf der die Predigt verzeichnet ist : http://kirchemessel.de
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Liebe Gemeinde,
heute am Buß- und Bettag versuchen wir das in den Blick zu nehmen, was in unserem Leben nicht so gut läuft. Wir wollen uns von Gott verändern lassen, damit wir besser leben und das Gute tun. Unser Predigttext soll uns dabei helfen.
Allerdings weiß ich noch nicht, ob er das wirklich leisten kann. Denn er ist in eine ganz schön andere Zeit gesprochen. Die hatten damals wirklich andere Probleme als wir heute. Damals spielte Religion nämlich im Alltag der Menschen noch eine bedeutende Rolle. Damals empfahl es sich für die Politiker und Könige sich im Tempel also in der Kirche sehen zu lassen. Und die Leute mit Geld fühlten sich verpflichtet, Opfer zu bringen, das heißt von ihrem Geld etwas Gott und dem Tempel (also heute der Kirche) abzugeben. Der Profet Jesaja beschwert sich darüber, dass sich die Reichen und Mächtigen zwar religiös benehmen aber die Gebote Gottes nicht einhalten und sich nicht um die Sozial Schwächeren kümmern. Ich lese
Jesaja 1,10-17
10Hört das Wort Gottes, ihr Obersten von Sodom!
Lauscht auf die Weisung unserer Gottheit, Volk von Gomorra!
11Was soll ich mit der Menge eurer Schlachtopfer, sagt Gott.
Satt habe ich die Brandopfer der Widder und das Fett der Mastkälber;
und auf das Blut junger Stiere, Lämmer und Böcke habe ich keine Lust!
12Wenn ihr kommt, um mein Gesicht zu sehen:
Wer hat von euch gefordert, meine Vorhöfe zu zertrampeln?
13Hört auf, eine Heuchelgabe zu bringen,
gräulicher Opferrauch ist sie für mich!
An Neumond und Sabbat ruft ihr Zusammenkünfte aus,
ich halte Frevel und Festlichkeit nicht aus!
14Eure Neumondfeste und eure Festversammlungen sind mir verhasst,
sie sind mir zur Last geworden; ich bin's müde, sie zu ertragen.
15Während ihr eure Hände ausbreitet, verberge ich meine Augen vor euch,
auch wenn ihr noch so viel betet, ich höre es nicht.
Eure Hände sind voll Blut.16Wascht euch, reinigt euch!
Schafft eure bösen Taten aus meinen Augen; lasst das Böse!
17Lernt Gutes zu tun! Sucht das Recht!
Kontrolliert die Gewalttäter!
Verhelft dem Waisenkind zum Recht! Prozessiert für die Witwe!
Ehrlich gesagt hätte ich heute diese Probleme von denen Jesaja spricht gerne. Denn heute fühlen sich viele der Reichen und Mächtigen keineswegs verpflichtet sich in der Kirche sehen zu lassen. Und heute spenden viele der Reichen keineswegs ihr Geld der Kirche. Und trotzdem kümmern sie sich nicht um die Sozial Schwachen und trotzdem halten sie sich nicht an die Gebote Gottes. Was ist schon damit gewonnen, dass außer den sozialen Verpflichtungen inzwischen auch die religiösen Verpflichtungen abgeschafft wurden? Jedenfalls ist dadurch nichts besser geworden. Man kann den Reichen und Mächtigen heute nicht gerade vorwerfen, dass sie ihr Geld mit Opfern für Gott und die Kirche verschwenden statt es den Armen zu geben. Heute müsste der Vorwurf eher lauten, dass viele den Hals nicht voll genug bekommen haben und immer mehr Rendite haben wollten und sich auf Börsenspiele eingelassen haben, die uns die Finanzkrise beschwert haben und die die Welt gerade in eine schwere Wirtschaftskrise rutschen lassen. Und wer wird darunter leiden? Wie immer diejenigen, die sowieso schon nicht genug haben. Diejenigen, die durch die Rezession arbeitslos werden. Die Handwerksbetriebe, die keine Kredite mehr von den Banken bekommen. Die Rentnerinnen, deren Rente nicht erhöht werden kann, weil der Staat sein Geld für die Stabilisierung der Wirtschaft braucht. Nichts hat sich dadurch verbessert, dass viele der Reichen und Mächtigen sich nicht mehr um den Glauben kümmern. Aber das war ja wohl nicht das, was Jesaja erreichen wollte. Er hat ja nicht gesagt: Ihr braucht euch nicht um die Gerechtigkeit zu kümmern nur solltet ihr auch noch mit dem Opfern im Tempel aufhören. Er hat vielmehr gesagt: Die Opfer im Tempel bringen euch nichts, wenn ihr euch nicht um die Gerechtigkeit sprich um diejenigen, die wirtschaftlich abgehängt werden, kümmert. Das wird von vielen Leuten bis heute nicht richtig verstanden.
Ungefähr drei bis viermal im Jahr hören mein Mann und ich, dass uns jemand sinngemäß sagt: „ Ich tue das Gute, ich halte mich an die Gebote und helfe den anderen, ich bin damit besser als diejenigen, die jeden Sonntag in die Kirche rennen.“ Ich würde darauf gerne mal antworten, dass ich noch nie jemanden in die Kirche habe rennen sehen außer vielleicht Konfirmandinnen und Konfirmanden, die spät dran sind. Und ich würde darauf auch gerne antworten, dass Leute, die ab und zu in die Kirche gehen – jeden Sonntag schafft sowieso niemand – schon mal was davon gehört haben, dass vielleicht nicht jede Handlung in jeder Sekunde eines langen Lebens immer das Gelbe vom Ei gewesen ist. Von denen, die öfter in die Kirche gehen wissen die meisten genau, dass es was „das Gute tun“ angeht in ihrem Leben noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Diese Einsicht vermisse ich schon bei ziemlich vielen Leuten, die nie in die Kirche gehen.
Sie sehen schon: Es geht in dem Predigttext nicht darum die, die sich um eine Zuwendung zu Gott bemühen und die in die Kirche gehen auch noch schlecht zu machen. Sicher sind wir Kirchgänger nicht unbedingt die besseren Menschen. Diesen Anspruch haben wir aber auch gar nicht. Und ich finde es ungerecht, wenn andere sagen: Du als Christin müsstest doch geduldiger und liebevoller sein. Während sie von sich selbst sagen: Ich bin ja kein Christ, ich darf mich benehmen wie es mir passt. Für dich gelten moralische Regeln und für mich nicht. Ich ärgere mich über die Leute, die so genau wissen wie christliches Benehmen sein müsste und von anderen etwas verlangen, was sie für sich selbst nie gelten lassen würden. Das ist eine ärgerliche Doppelmoral. Es ist nicht gut, wenn sich Leute, die in die Kirche gehen für etwas Besseres halten. Aber ich finde Leute die nicht in die Kirche gehen, haben auch keinen Grund sich deshalb für etwas Besseres zu halten und diejenigen abzuwerten, die in die Kirche gehen.
Wir haben heute andere Zeiten als Jesaja. Damals konnte man sich noch Ansehen erwerben, indem man am Tempel Opfer gebracht hat. Heute wird man für blöd behalten, wenn man in der Kirche bleibt, obwohl man viel verdient und auch viel Kirchensteuern zahlen muss. Und heute trauen sich Leute nicht in die Kirche zu gehen, weil sie sich fragen, was wohl ihre Nachbarin dazu sagen wird, wenn sie kurz vor zehn das Haus verlassen und Richtung Langgasse gehen. Sie fürchten sich vor dem Geschwätz das da lauten könnte: „Die ist wohl fromm geworden, oder die rennt jetzt in die Kirch, die wird es nötig haben.“
Damals hat man Opfer gebracht, damit man vor Gott und den Menschen gut dastand. Heute erntet man für das gleiche Verhalten kein Ansehen sondern Kopfschütteln und Verdächtigungen. Sie merken ich ärgere mich darüber und musste erst mal meinem Ärger Luft machen.
Als ich mit meinem Mann über diese Fragen geredet habe, hat er gesagt: Du solltest dich nicht so ärgern. Vielleicht ist das ja gar nicht so schlecht, dass die Leute sich von uns, die wir in die Kirche gehen, herausgefordert fühlen. Ist doch gut, dass sie sich uns gegenüber verteidigen, und begründen, warum sie nicht in die Kirche gehen. Vielleicht heißt das ja nur, dass sie selbst bemerken, dass ihnen in ihrem Leben etwas fehlt. Vielleicht wehren sie ja nur eine innere Sehnsucht ab. Und sie trauen sich nicht, zu dieser Sehnsucht zu stehen. Vielleicht würden sie ja gerne dem Glauben und Gott näher kommen, aber sie trauen sich nicht. Und deshalb werten sie Leute ab, die sich zu ihrem Glauben bekennen. Die meisten sind sehr zwiespältig in ihren Gefühlen der Kirche und dem Glauben gegenüber. Ist doch gut, dass die Frage nach Gott kaum jemanden kalt lässt. Dafür lasse ich mich dann auch mal anpampeln und schief ansehen.
Mein Mann ist bei so was halt gelassener und freundlicher als ich. Ich ärgere mich halt eher mal.
Aber ich möchte bei diesem Ärger nicht stehen bleiben. Schließlich ist heute Buß- und Bettag und ich frage mich, ob unser Predigttext uns nicht doch helfen kann, umzukehren und ein besseres Leben zu führen.

Der Text fragt uns nämlich: Wie sieht es mit deinem sozialen Verhalten aus? Was tust du für die Gerechtigkeit in deinem Ort? Hältst du dich an meine Gebote für ein gutes Zusammenleben. Und diese Frage stellen uns nicht diejenigen, die vom christlichen Glauben sowieso nichts halten. Diese Frage stellt uns Gott. Und wir sollten versuchen, Gott darauf eine Antwort zu geben. Vielleicht lautet für jemanden hier die Antwort so: Oh, ich habe lange nicht mehr bei meiner Nachbarin vorbeigeschaut. Sie ist vielleicht einsam. Ich gehe nächste Woche mal wieder hin. Oder vielleicht lautet eine andere Antwort: Vielleicht war ich letzte Woche doch etwas ungeduldig als diese verwirrte junge Frau mit dem Baby an der Kasse so lange gebraucht hat, das nächste Mal wenn so etwas passiert werde ich ihr anbieten, ihr zu helfen den Wagen einzuräumen.
Meine Antwort heute lautet: Ich könnte etwas sozialverträglicher Autofahren. Das kostet weniger Sprit. Und ich muss ja nicht ständig die Geschwindigkeitsbeschränkungen um die knapp 20 Stundenkilometer überschreiten, die gerade niedrig genug sind, dass ich meinen Führerschein nicht verliere. Also etwas Geduld beim Autofahren würde mir und den anderen Verkehrsteilnehmern sicher gut tun.
Ich glaube es lohnt sich über die Frage, die Gott uns in diesem Predigttext stellt ein weniger länger nachzudenken: Wie sieht es mit meinem sozialen Verhalten aus? Was tue ich für die Gerechtigkeit in meinen Lebenszusammenhängen? Wie kann ich für ein gutes und liebevolles Zusammenleben sorgen?
Wenn wir darüber ein bisschen länger nachdenken, dann fallen uns bestimmt noch mehr Antworten ein als die die ich gerade genannt habe.
Und es ist gut darüber nachzudenken.
Aber vor etwas möchte ich Sie zum Schluß noch warnen. Zu welchen Ergebnissen wir auch immer bei unserem Nachdenken kommen werden, und was uns auch immer noch einfallen wird, was wir noch Gutes tun könnten oder Gutes tun müssten. Werten Sie nicht ab, was Sie in Ihrem Leben schon alles Gutes getan haben. Und kommen Sie nicht auf die Idee, Gott würde Sie ablehnen und weniger lieben, weil Sie noch vieles falsch machen oder noch nicht perfekt gut machen. Wir sind auf einem Weg. Es ist gut sich immer mal wieder zu fragen, wie der nächste Schritt nach vorne aussehen könnte, und was in unserem Leben noch besser werden könnte. Aber Sie müssen sich dringend merken: Sie sind geliebt so wie Sie sind. Und Sie müssen nichts tun, um noch mehr geschätzt und geliebt zu werden. Das feiern wir heute im Abendmahl.