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Predigtmeditation zu Jakobus 1, 12-18

von Martin Pausch (Kirchenverwaltung der EKHN)

Predigtdatum : 09.03.2014
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Aschermittwoch
Textstelle : Jakobus 1,12-18
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„12 Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, die Gott verheißen hat denen, die ihn lieb haben. 13 Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand. 14 Sondern ein jeder, der versucht wird, wird von seinen eigenen Begierden gereizt und gelockt. 15 Danach, wenn die Begierde empfangen hat, gebiert sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert den Tod. 16 Irrt euch nicht! 17 Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichts, bei dem keine Veränderung ist noch Wechsel des Lichts und der Finsternis.“
Ich war immer ein Fan von Jesus und Paulus. Ein Fan des Jakobusbriefes war ich dagegen nie. Mit Martin Luther hielt ich ihn lange für eine „stroherne Epistel“, moralistisch eng und daher weit vom Zentrum des Evangeliums entfernt. Der an der Gerechtigkeitsfrage orientierte Verfasser des Jakobusbriefes, der vermutlich in Syrien und Antiochia lebte, schrieb ein eloquentes Griechisch und lebte wohl um 100 nach Christus und somit in einer Zeit, in der römische Kaiser wie Nero (54-68 nach Christus) und Domitian (81-96 nach Christus) durchaus schon grausame, wenn auch regional begrenzte Christenverfolgungen durchgeführt hatten. Im Anschluss an Martin Dibelius ist der Jakobusbrief seiner Gattung nach als "Paränese" (Mahnung, Ermahnung) anzusprechen. Genauer handelt es sich wohl um einen weisheitlichen Text mit zahlreichen paränetischen Elementen, der sich mit dem Matthäusevangelium, aber auch mit der Jesus-Tradition (etwa der Bergpredigt) berührt.
Wenn ich den vorliegenden Textabschnitt vor dem Hintergrund der historischen Situation, in welcher der Verfasser wahrscheinlich lebte und in bonam partem zu verstehen versuche, dann sind mir daran drei Gedanken wichtig. Ich möchte mich dem Text im Folgenden daher in drei Schritten nähern.
Erster Gedanke: Wir alle stehen in der Versuchung. Jeden Tag unseres Lebens. Und jeder Mensch hat seinen Preis, sagt man. Das heißt: Jeder und jede von uns ist käuflich, bestechlich, kann der Versuchung erliegen. Ist das aber wirklich so? Was reizt, was lockt, was verführt mich wirklich? Ist es große Macht, sind es Ruhm, Glanz und Glamour? Oder ist es reichlich Geld und viel Besitz? Oder doch ein aufregendes sexuelles Abenteuer? Was davon für die einen unter uns banal klingt, ist für die anderen vielleicht Erfüllung. Versuchungen gibt es eben. Sie umgeben uns wie große Schlaglöcher, in die wir tappen können, wenn es dunkel ist. Dass sie nicht zum Guten führen, sagt unser Text sehr drastisch aus. Die Begierden führen uns in die Versuchung. Wenn wir ihnen erliegen, „gebären“ sie, so die biologische Metapher des Jakobusbriefes, die Sünde. Die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert den Tod. Ein Schlagloch, das in den tiefsten Abgrund führt, in den des Todes. Und dies mit natürlich-biologischer Notwendigkeit, so meint Jakobus. Er ist ohne Zweifel ein Moralist, dieser Jakobus, das hat Luther an ihm nicht geschätzt. Denn wer zu viel Moral predigt, der verliert leicht die Gnade und den Glauben aus dem Blick. Daher die Rede von der „strohernen Epistel“.
Jakobus aber war nicht nur Moralist, sondern ein großer Praktiker vor dem Herrn. Kein begnadeter Gelehrter, kein akademischer Philosoph, sondern einer, der den schwierigen Glaubensalltag seiner Zeit mit ganz praktischer Lebensweisheit füllen wollte. Der Alltag des Glaubens aber beinhaltet nun einmal Versuchungen. Ihnen mit Weisheit zu begegnen, ihnen durch Klugheit aus dem Wege zu gehen, sie mit Einsicht zu bändigen, das ist seine Absicht. Denn Versuchungen sind tödlich, man darf nicht in sie hineintappen. Wer ihnen aber widersteht, der findet das Leben, so Jakobus. Der wird „die Krone des Lebens empfangen“, das ist sein Bild für das Bestehen der Anfechtungen dieser Welt. Eine wunderschön ausgemalte Hoffnung für das kleine Häuflein der Christenmenschen am Ende des ersten Jahrhunderts nach Christus. Eine vergleichsweise winzige jüdische Sekte waren sie damals ja noch, die Christenmenschen, verstreut im ganzen Mittelmeerraum, so unbedeutend, hilflos und schutzbedürftig wie ein Flüchtlingsboot der Gegenwart auf dem Weg nach Lampedusa. Sie träumten von der Krone des Lebens und bezogen ihre Motivation aus Seligpreisungen. Unser Text beginnt mit einer solchen, formal ganz denjenigen ähnlich, die Jesus etwa siebzig Jahre vorher in der Bergpredigt formuliert hatte. „Selig der Mann …“, so lautet der Textanfang. Jakobus wusste noch nichts von einer inklusiven Sprache. Wenn wir deshalb heute übersetzen: „Selig der Mann und die Frau“ oder: „Selig der Mensch“, so übersetzen wir in seinem Sinne. Denn nicht nur Männer werden versucht und können sich bewähren – oder versagen. Daher gilt: „Selig der Mensch, der die Anfechtung erduldet.“
Ein zweiter Gedanke: Politiker und Politikerinnen haben ihre spezifischen Versuchungen zu bestehen. Das ist gar kein Geheimnis. Wer im Medium der Macht zu Hause ist, in seinen Haushalten über Millionen und Milliarden Euro gebietet und jeden Tag berufsbedingt viele hundert Menschen treffen kann, für den sind die Versuchungen von Macht, Ruhm, Geld oder Sex nahezu allgegenwärtig. Man denke an die schnelle Doktorarbeit aus der Dose. Oder an die hohe Rendite, wenn man anschließend zu einem großen Unternehmen wechselt. Oder an die vielen Frauen (oder Männer), die man sexuell erobern kann, die vielleicht auch von der Droge Macht angezogen werden. Das ist nicht erst seit gestern so. Ich erinnere beispielsweise an einen Sympathieträger aus der Pionierzeit der Reformation, an Landgraf Philipp von Hessen (1504-1567). Er war an sich ein ganz frommer Mann, ohne den das Unternehmen „Reformation“ sicher nicht geglückt wäre. Aber die schönen Frauen hatten es ihm angetan. Sie waren seine spezifische Versuchung. Das führte über Prostituierte und Konkubinen bis hin zum Schlamassel seiner Doppelehe, die Luther und Melanchthon sogar gutachtlich billigen mussten. Das war kein Ruhmesblatt der Reformationsgeschichte, aber vielleicht ein Lehrstück in Sachen Versuchung.
Von den Politikern und Politikerinnen der Gegenwart und ihren Versuchungen lesen wir täglich in den Tageszeitungen oder bekommen sie in Fernseh-Brennpunkten oder via Internet ausgebreitet. Dabei tun wir gut daran, gerade die alltäglichen Versuchungen der ganz normalen, durchschnittlichen Politikvertreter und –vertreterinnen in den Blick zu nehmen. Lassen wir hier also die Verbrecher auf den Thronen einmal außen vor; von Machiavellis Muster-Politiker Cesare Borgia und seinesgleichen muss hier keine Rede sein. Sprechen wir aber über diejenigen Politikern und Politikerinnen, die auch wir selbst sein könnten und die wir selbst vielleicht auch manchmal sind. Denn wir alle können versucht werden, haben unseren Preis. Nur von einem Menschen, nur von Jesus, heißt es in der Bibel, er sei „versucht in allem wie wir, aber ohne Sünde“ (Hebräer 4,15). Wir anderen aber tappen immer mal wieder in Schlaglöcher und stürzen von Schlamassel zu Schlamassel.
Darin sind Politiker und Politikerinnen keine Ausnahme. Sie sind vielmehr versucht in allem wie wir und deshalb auch nicht besser als wir. Aber eben auch nicht schlechter – wenn wir, wie gesagt, jetzt einmal die Hitlers, Neros und Cesare Borgias aus dem Spiel lassen. Das Themenjahr „Reformation und Politik“ der Reformationsdekade stellt uns 2014 die ganz besondere Verantwortung der Politikvertreter vor Augen – und damit zugleich unser aller Verantwortung als Christenmenschen in der Politik. Als gläubige Bürgerinnen und Bürger in einem demokratischen Staat. Wir müssen uns nur an den Spuk der NS-Diktatur oder, zeitlich naheliegender noch, an die SED-Herrschaft im einen Teil Deutschlands erinnern, um uns klarzumachen, dass es nicht selbstverständlich ist, in einem Staat zu leben, der den Charakter einer freiheitlichen Demokratie hat. Es ist vielmehr ein Geschenk für uns, weil dieser Staat den Kirchen und Christenmenschen einen großen Freiheitsspielraum gewährt und weil er für uns damit zugleich „Angebot und Aufgabe“ ist, wie es die Demokratie-Denkschrift der EKD im Jahr 1985 treffend formuliert hat. Leider haben Christenmenschen und Kirchen lange Zeit gebraucht, um die große Nähe und innere Affinität zu sehen und in vollem Umfang zu würdigen, die zwischen Christentum und freiheitlicher Demokratie besteht. Gerade deshalb kommt es heute darauf an, den politischen Versuchungen nicht zu erliegen, die von extremistischen Parteien und Gruppierungen ausgehen, die ihren Anhängern das Paradies auf Erden versprechen und bereit sind, dafür nicht nur notfalls über Leichen zu gehen. Der neue Rechtsextremismus etwa darf deshalb in unserer Gesellschaft und erst recht in unserer Kirche keine Chance bekommen!
Ein dritter Gedanke: Es ist nicht Gott, der uns versucht. Sondern er gibt uns die Kraft zum Leben. Nicht Gott führt in Versuchung, das sagt Jakobus ganz deutlich. Aber warum muss er das so stark betonen? Auf den Gedanken kommt man normalerweise doch gar nicht. Andererseits lernen wir mit den Worten des
Vaterunsers zu beten: „… und führe uns nicht in Versuchung“. Könnte Gott uns etwa doch in Versuchung führen? Wie mag es die arme, damals ja politisch höchst einflusslose Urchristenheit empfunden haben, wenn der jeweils amtierende römische Kaiser sie für den Brand Roms verantwortlich machte und/oder ihre politische Verfolgung anordnete, weil sie ihn nicht als Gott verehrte? Hatte Gott das nicht zumindest zugelassen? Hatte Gott sie vielleicht sogar bewusst in diese schwierige Situation geschickt, um sie zu prüfen und zu läutern? Wollte Gott womöglich wissen, ob sie Schwierigkeiten durchstehen, nicht nur Schönwetter-Christen sind, sich in dunklen Zeiten bewähren, ihm auch in Leid und Not treu bleiben? Wenn ja, dann wäre er es gewesen, der sie in Versuchung gebracht hätte – in gewisser Weise. Welche Versuchungen waren damals, zur Zeit des Jakobus, zu bestehen? Etwa die, dem Kaiser ein Opfer zu bringen und ihn als Gott zu verehren – und sei es auch nur zum Schein. Oder die, andere Christenmenschen zu verraten, um sein eigenes Leben zu retten. Oder aber die vielen anderen alltäglichen Versuchungen, die das Leben jedem Menschen schicken kann, auch heute noch: die Versuchung, für Geld und Gewinn fast alles zu tun, vom Betrug bis zum Totschlag, die Versuchung der Treuelosigkeit und des Ehebruchs oder die Versuchung, sich durch eine Machtposition den Charakter verbiegen zu lassen.
Jakobus sagt dazu: Redet euch doch nicht heraus! Ihr könnt eurer Verantwortung nicht entfliehen. Nicht Gott hat euch diese Versuchung geschickt, sondern das Leben hat euch damit konfrontiert. Gott aber will, dass ihr die Versuchungen besteht und euch in ihnen bewährt. Ihr sollt leben und ihr könnt sogar die Krone des Lebens erhalten. Mit dieser Krone ist nicht immer und in jedem Falle das Martyrium gemeint. Denn auch mitten im Leben kann man die Krone des Lebens tragen, nämlich dann, wenn man siegreich aus einer Anfechtung hervorgeht. Was damals möglich war, ist es heute erst recht, in der freiheitlichen Demokratie, in der wir Gott sei Dank leben. Weit von den Lebensumständen des Jakobus entfernt, umgeben uns die Versuchungen unserer Zeit. Sie fordern und quälen uns. Jede Zeit, jede Gesellschaft hat ihre eigenen, spezifischen Versuchungen. Keine von ihnen sollte man unterschätzen. Vielleicht muntern uns Seligpreisungen auf, wie Jesus und Jakobus sie formuliert haben. Peter Janssens hat ein schönes Lied dazu verfasst. Sein Text und seine Melodie sind schlicht und eindringlich zugleich:
„1. Selig seid ihr, wenn ihr einfach lebt. Selig seid ihr, wenn ihr Lasten tragt. 2. Selig seid ihr, wenn ihr lieben lernt. Selig seid ihr, wenn ihr Güte wagt. 3. Selig seid ihr, wenn ihr Leiden merkt. Selig seid ihr, wenn ihr ehrlich bleibt. 4. Selig seid ihr, wenn ihr Frieden macht. Selig seid ihr, wenn ihr Unrecht spürt.“ (EKHN-EG 599)
Ein Lied, so ganz im Geiste des Jakobus. Seligpreisungen sind Muntermacher und ein gutes Gegengift gegen Versuchungen. Und helfen kann uns, meint Jakobus, vor allem auch der Blick auf Gott selbst, den Vater allen Lichts, „… bei dem keine Veränderung ist noch ein Wechsel des Lichts und der Finsternis“. Von ihm kommt ja alle gute Gabe, aber sicherlich keine Versuchung. Sondern Leben, Licht und Liebe kommen von ihm. Es sind hilfreiche Gedanken, die sich hier bei Jakobus finden. In einer fast lyrischen Sprache. Wenn das so weitergeht, werde ich vielleicht doch noch ein Fan des Jakobusbriefes …

Dr. Eberhard Martin Pausch, Beauftragter der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau für die Reformationsdekade

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