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Recht ströme wie Wasser

von Friedhelm Jakob (Ludwigshafen)

Predigtdatum : 11.02.2024
Lesereihe : VI
Predigttag im Kirchenjahr : Estomihi
Textstelle : Amos 5,21-24
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Wochenspruch: "Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn." (Lukas 18,31)

Psalm: 31,2-6.8-9.16-17
Empfehlung zur Predigt: Psalm 1

Predigtreihen

Reihe I: Lukas 10,38-42
Reihe II: Lukas 18,31-43
Reihe III: Jesaja 58,1-9a
Reihe IV: Markus 8,31-38
Reihe V: 1. Korinther 13,1-13
Reihe VI: Amos 5,21-24

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 197 Herr, öffne mir die Herzenstür
Wochenlied: EG 428 Komm in unsre stolze Welt
Predigtlied: EG 413,1.3-5 Ein wahrer Glaube Gotts Zorn stillt
Schlusslied: EG 420 Brich mit den Hungrigen dein Brot

Predigttext: Amos 5,21-24

21 Ich hasse und verachte eure Feste und mag eure Versammlungen nicht riechen – 22 es sei denn, ihr bringt mir rechte Brandopfer dar –, und an euren Speisopfern habe ich kein Gefallen, und euer fettes Schlachtopfer sehe ich nicht an. 23 Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören! 24 Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.

Predigt

Liebe Gemeinde!  Schwestern und Brüder!

„Hallo, na alles gut…?“ Immer häufiger werde ich so begrüßt. „Alles gut?“ Ich antworte stets: „Keineswegs alles gut!“ Wenn wirklich alles gut wäre, dann wären wir ja im Paradies. Und das sind wir doch wahrlich nicht.

Im Paradies – das waren die Menschen hier auf Erden wohl nie. Auch nicht vor 2750 Jahren, als Amos in Israel auftaucht. Ein Bauer, der Maulbeerbäume kultivierte und Vieh züchtete, ein Mann aus der Mitte des Volkes. Aber nun bekam er einen ganz anderen Auftrag. Er soll im Staate Israel Wort Gottes im ureigensten Sinn verkündigen. Und er tut es – wahrlich gewaltig legt er los: (Text 5,21-23 nochmals eindrücklich lesen!)

„Holladibolla!“ entfährt es mir. Ein Blattschuss des ersten Schrift-Propheten im Alten Testament. Ich stelle mir seine Zuhörer vor. Ganz klein sind sie wohl geworden, haben sich weggeduckt. Ob sie aus vornehmer Höflichkeit überhaupt geblieben sind?

Unwillkürlich frage ich mich: Wen will Amos mit seiner herben Scheltrede treffen? Und was bedeutet das für uns heute? Wohlgemerkt: für uns das kleine Häuflein der treuen Gottesdienstbesucher? Können wir mit der Kritik von einst heute umgehen?“

Letzteres wollte ich genauer wissen, mich also keineswegs mit einer akademischen Antwort meinerseits zufriedengeben. Also befragte ich einfach drei reale Gottesdienstbesucher in meinem Umfeld. (Hier kann ein jeder und eine jede gerne eine eigene Befragung durchführen; durchaus auch der Phantasie Raum geben)

Konfirmand: Mir gefällt das, was Amos sagt. Das ist bei uns doch alles sehr steif. Es wäre doch fetzig, wenn der Pfarrer mal ein Lied von Apache 207 einspielen würde – ein echter Ludwigshafener. Dann kämen wir Konfis viel lieber. Dann wäre wirklich mal was los. Vielleicht würden dann sogar so ältere Herrschaften auch ein bisschen in Schwung kommen.

Älteres treues Gemeindeglied: Wer weiß schon, wie damals die Gemeinde ausgesehen hat und wie sie gelebt hat. Ich will das schon ernst nehmen. Aber da ich kurz hintereinander meinen Mann und meine Tochter durch Tod verloren habe, ist mir der Gottesdienst einfach ganz wichtig. Auch wenn ich nicht immer der Predigt folge, so erlebe ich doch die Gebete und die Lieder als Hilfen zum Leben. Ich gehe dann immer bestärkt zuerst auf den Friedhof und dann nach Hause. Dann ist Sonntag für mich.

Iranischer Christ: Mich hat der Amos erschreckt. Ich komme ja aus einem Land, in dem Christsein alles andere als akzeptiert war. Man musste bei uns mit allem rechnen. Wenn wir in unserer kleinen Gemeinde zusammen waren, durften wir gar nicht so richtig von Herzen singen. Überhaupt waren unsere Zusammenkünfte durchaus gefährlich. Umso schöner war es, wenn der Pfarrer am Ende uns gesegnet hat. Gottesdienst war für uns ein Stück Freiheit.

Drei ganz unterschiedliche Sichtweisen auf Gottesdienst heute. Ein bisschen Kritik hörte man ja schon auch heraus. Nein, nein nicht alles ist gut… Das sollte man auch hier und heute ernst nehmen. Aber die harsche Kritik von Amos hat eher wenig Resonanz. Also weg damit, ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten? Keineswegs!

Fragen wir nach der eigentlichen Kritik des Amos. Was ist sein Antrieb für solch harte Worte; was ist seine Stoßrichtung?
(Lesen Vers 24)

Recht und Gerechtigkeit – sie sind wie Lebenselixier. Das fordert der Prophet als das, was seine Kritik ausmacht. Es geht damals vielen Menschen recht gut, aber eben bei weitem nicht allen. Sonntagsfeier und Werktagsleben klaffen für Amos weit, viel zu weit auseinander.

Und noch schlimmer: „Sie treten den Kopf der Armen in den Staub und drängen die Elenden vom Weg.“ (Amos 2,7). Oder: „Ihr unterdrückt die Armen und nehmt von ihnen hohe Abgaben“ (5,11) In seinen Worten spiegelt sich die Enttäuschung Gottes.

Amos kritisiert also die Diskrepanz zwischen frommer, erbaulicher Feier und dem, was sich im täglichen Verhalten der Menschen widerspiegelt. Amos hat eher nichts gegen engagierte Gottesdienste. Gottesdienste, die den Menschen, jeden Menschen als Ebenbild Gottes betrachten und ihm Würde geben. Auch schöne musikalische Begleitung findet sicher auch bei ihm Anklang. Aber wenn feiertags gesungen und werktags getreten wird, dann stimmt etwas nicht. Dann ist das eben kein menschenfreundlicher und auch kein gottwohlgefälliger Gottesdienst, sondern schlicht nur schlechte Show.

Was bedeutet das für das, was wir hier am Sonntag tun; genau hier in unserer Kirche in unserer Stadt in unserer Welt?

Ich gestatte mir ein dreifaches Ja zum Gottesdienst!

  • Erstes Ja zum Gottesdienst! Wir dürfen den sonntäglichen Gottesdienst feiern als Kraftquelle für unser Leben, so wie die ältere Dame mir sagte. In ihm erneuern wir immer ganz persönlich unser Verhältnis zu Gott im Hören und Singen, im Beten und Segen Empfangen.
  • Zweites Ja zum Gottesdienst, in dem wir Recht und Gerechtigkeit, aber auch Unrecht und Ungerechtigkeit in der Welt zur Sprache bringen. Daraus wird dann ein gottgefälligen Menschendienst…: Der Gottesdienst ist somit Blick nach innen und Öffnung nach außen…
  • Drittes Ja zum Gottesdienst, der nicht an der Kirchentür endet! Denn zum sonntäglichen Gottesdienst gehört unabdingbar der gottgefällige Werktagsdienst. Indem aus dem Hören ein aktives Handeln wird, wirkt der Gottesdienst hinein in unsere Welt.

(die folgenden Ideen können selbst arrangiert werden; ich selbst wurde dazu angeregt durch eine mir bekannte Gemeinde in Berlin-Kreuzberg.)

Entscheidend ist der Maßstab, den Amos hier anlegt: Er redet von Recht und Gerechtigkeit, die – welch schönes Bild – fließen sollen. Ich würde heute und als Christ gerne erweitern mit Liebe und Zuversicht.

Nach Gottes Maßstäben agieren am Arbeitsplatz: Arbeit ist Teil meines Lebens. Sie ist nicht allein Broterwerb, sie ist auch ein Stück weit Selbstverwirklichung im Rahmen vorgegebener Strukturen. Wichtig ist, dass man seine Arbeit – wenn vielleicht nicht immer – aber doch im Grundsatz gerne macht. Dass man Rücksicht nimmt auf die Kollegin. Dass man nicht die Ellenbogen gegen Kollegen ausfährt, sondern solidarisch ist auch bei der Frage der Arbeitsplatzbedingungen.

Nach Gottes Maßstäben agieren auf dem Sportplatz. Fair darf hier nicht nur ein Wort sein, sondern muss gelebte Wirklichkeit sein. Sportsmann und Sportsfrau wollen siegen, aber bitte nicht um jeden Preis. Und bitte im Gegner den Partner sehen, dann darf man auch gegeneinander kämpfen.

Nach Gottes Maßstäben agieren im Elternbeirat. Lehrerinnen und Schüler sind kongeniale Partner. Nicht immer ticken sie gleich. Aber die Rolle gegenseitig verstehen und dabei fördern und fordern ohne je jemanden ins Abseits zu stellen. Jedem sind Fehler möglich, aber niemanden darauf festnageln.

Nach Gottes Maßstäben agieren in der Politik. Politisches Arbeiten erfordert den Wettstreit der besten Möglichkeiten. Aber bitte mit Augenmaß. Und bei allem politischen Handeln das Mögliche und Notwendige im Blick behalten. Und bitteschön: Gottes Liebe gilt allen Menschen. Das ist sozusagen Hilfsgedanke für alles Handeln weltweit nach Recht und Gerechtigkeit.

Amos heute? Was würde er denken? Was gar sagen? Sein Angriff auf die Formen unserer Gottesdienste treffen dabei eher weniger. Zu demütig laufen sie ab; zu wenig gesellschaftliche Bewegung. Und trotzdem trifft seine grundsätzliche Kritik.

Auch bei uns fällt die Gesellschaft immer mehr auseinander.  Reiche werden statistisch messbar immer reicher und Arme immer ärmer. Und das alles trotz Mindestlohn und Grundsicherung. Wir wandern tatsächlich auf einem schmalen Grat: höchst explosiv. Und vieles wird vereinnahmt von jenen, die glauben schnelle und einfache Lösungen parat zu haben. Ich bin sicher, Amos würde kraftvoll die Stimme erheben für eine Gesellschaft, in der alle Recht bekommen und alle gerecht nach je eigenen Bedürfnissen behandelt werden.

Wo Amos allerdings auftritt? Ich befürchte, dass ihn da viele versuchen würden mundtot zu machen. Deswegen war und bleibt mir der harte Prophet ganz persönlich nahe und so wertvoll.

A m e n

Verfasser: Pfarrer i. R. Friedhelm Jakob, Ludwigshafen


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