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Sieghafter Glaube

von Renate Weber (36318 Schwalmtal)

Predigtdatum : 12.10.2003
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 15. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Matthäus 15,21-28
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Wochenspruch:

Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.
(1. Johannes 5,4)

Psalm: 25,8-15 (EG 713)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 49,1-6
Epistel:
Römer 10,9-17 [18]
Evangelium:
Matthäus 15,21-28

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 302
Du, meine Seele, singe
Wochenlied:
EG 293
Lobt Gott, den Herrn, ihr Heiden all
Predigtlied:
EG 413
Ein wahrer Glaube Gotts Zorn stillt
Schlusslied:
EG 157
Lass mich dein sein und bleiben

Liebe Gemeinde,
wer von uns hätte nicht schon Bilder und Abbildungen gesehen, auf denen Jesus dargestellt ist als der gute Hirte, umgeben von einer friedlichen Herde. Oder aber als der segnende Jesus inmitten einer fröhlichen Kinderschar. Oder als der Jesus, der Kranke heilt und Geplagten Trost spendet.
Solche Bilder, die sich ja aus vielen neutestamentlichen Geschichten zusammensetzen, haben in uns die Vorstellung eines immer den Menschen zugewandten, fürsorglichen, ja „lieben“ Jesus und auch eines „lieben“ Gottes entstehen lassen.
Wenn man dagegen den Predigttext zum heutigen Sonntag liest, wird einem schlagartig bewusst, dass das nicht der ganze Jesus ist, dass es da auch noch ganz andere Züge und Verhaltensweisen Jesu gibt, dass man dieses einseitige „liebe“ Jesus- und Gottesbild korrigieren muss:
21 Jesus ging weg von Genezareth und zog sich zurück in die Gegend von Tyrus und Sidon. 22 Und siehe, eine kanaanäische Frau kam aus diesem Gebiet und schrie: Ach Herr, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! Meine Tochter wird von einem bösen Geist übel geplagt. 23 Und er antwortete ihr kein Wort. Da traten seine Jünger zu ihm, baten ihn und sprachen: Lass sie doch gehen, denn sie schreit uns nach. 24 Er antwortete aber und sprach: Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel. 25 Sie aber kam und fiel vor ihm nieder und sprach: Herr, hilf mir! 26 Aber er antwortete und sprach: Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde. 27 Sie sprach: Ja, Herr; aber doch fressen die Hunde von den Brosamen, die vom Tisch ihrer Herren fallen. 28 Da antwortete Jesus und sprach zu ihr: Frau, dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst! Und ihre Tochter wurde gesund zu derselben Stunde.
Beim ersten Hören des Textes ist wohl mancher geschockt. Jesu Verhalten ist nicht nur ungewöhnlich. Es widerspricht nicht nur dem Bild, das wir von ihm haben. Nein, es ist schlechtweg unverständlich, weil er Menschen ausgrenzt und Unterschiede macht, hart und lieblos reagiert.
Warum erzählt Matthäus diese Begebenheit?
Sicherlich zunächst deswegen, weil die ersten Christen damals alle Juden waren, für die es schwer zu verstehen war, dass das Heil der Welt nicht nur dem Hause Israel vorbehalten sein soll. Das Heil, das Jesus bringt, soll allen Menschen gelten!
Am Beispiel dieser heidnischen Frau macht Matthäus deutlich, wie schwer diese Schwelle zu überschreiten war, dass die Frohe Botschaft Jesu den Heiden gleichermaßen wie den Juden gilt.
Ich denke aber, darüber hinaus müssen wir diese Geschichte noch unter einem anderen Aspekt betrachten, der über die geschichtliche Situation von damals weit hinausgeht.
Holen wir einmal das erzählte Geschehen wie mit einer Fernglas immer näher zu uns heran. Lassen wir diese Frau und ihr Verhalten schrittweise an uns herankommen!
Sie schreit Jesus nach, sie fleht um Hilfe für ihre geplagte Tochter.
Lassen wir sie noch näher herankommen:
* Sie wird abgewiesen, aber sie lässt nicht locker.
* Sie schreit: Hilf mir!
* Sie wird gedemütigt und sogar mit einem Hund verglichen.
Selbst das nimmt sie an: „Ja, ich bin vielleicht im Vergleich zu andern nur wie ein Hund unter dem Tisch seines Herrn. Aber auch ein Hund bekommt noch etwas vom Tisch ab, wird satt von den Brosamen, die abfallen.“
Jetzt ist diese Frau so nah bei uns selbst, liebe Gemeinde, dass in uns vieles in Bewegung geraten ist. Wir sind nun nicht mehr nur Zuhörer einer Geschichte und Zuschauer eines vergangenen Geschehens. Jetzt sehen wir uns selbst in dieser Frau wieder mit den Lasten unseres Lebens, vielleicht auch mit unseren Abhängigkeiten. Wie diese Frau spüren wir das, was uns am wahren Leben hindern will!
Wir bewundern diese Frau, wundern uns zugleich aber auch über ihre Penetranz. Wir beneiden sie um ihren Mut, vermissen aber gleichzeitig einen angemessenen Stolz in ihr.
Was hat darüber hinaus das Verhalten Jesu in uns wachgerufen? Da gerät einiges in uns in Wallung: Wo bleibt der fürsorgliche und menschenfreundliche Erbarmer? Jesus erscheint hier hart wie Granit.
Was ist mit unserem Bild von dem segnenden und tröstenden Jesus? An diesem Jesus hier kann man sich die Zähne ausreißen. Von ihm möchte man sich am liebsten enttäuscht abwenden.
Da schwingen ganz unterschiedliche und auch widersprüchliche Gefühle in uns, bis dieses Knäuel nach quälend langem, zähen Ringen endlich, dann aber blitzartig zerschlagen wird durch den erlösenden Satz: „Oh Weib, dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst.“ Und ihre Tochter wurde gesund zur selben Stunde.
Diese Frau ist ans Ziel gekommen. Sie hat loswerden können, was sie geplagt und belastet hat.
Dabei steht diese kanaanäische unbekannte Namenlose aber nicht etwa auf einem Sockel als ein Denkmal des Glaubens. Denn niemand darf sich seines Glaubens rühmen.
Aber in uns ist etwas wachgerufen worden, die Frau hat gewissermaßen unseren Namen bekommen: Es lohnt sich zu kämpfen, nicht aufzugeben. Es lohnt sich, mit Gott hart zu ringen, dabeizubleiben trotz Misserfolgen und Rückschlägen.
Oftmals stellt sich Gott Menschen hart in den Weg:
* einem Jakob, der mit ihm ringt,
* einem Hiob, der mit ihm hadert,
* einem Martin Luther, der mit ihm kämpft.
Wir werden ermutigt, in unserem Verhältnis zu Gott die Flinte nicht zu schnell ins Korn zu werfen.
Auch unser Ziel ist, leben zu können in einem ganz tiefen Sinn. Wir werden ermutigt, gegen all das zu kämpfen, was uns am Leben hindern will: gegen alles Böse und Satanische, gegen Schuld und Unheil. Auch gegen unser Gefühl, Gott höre vielleicht andere, aber uns nicht.
Da sind auch in unserem Leben so viele Warums. Jedem fallen dazu eigene Fragen ein.
* Warum diese unheilbare Krankheit in so jungen Jahren?
* Warum werden den einen behinderte Kinder geboren, die anderen wenden sich von ihren gesunden ab?
* Warum sterben junge Menschen an einem Unfall, aber uralte Menschen siechen dahin und können nicht sterben?
* Warum diese oder jene Last bei mir, bei uns?
Solche Fragen lassen uns in einem Gefühl zurück wie die kanaanäische Frau: Es sieht manchmal so aus, als höre Gott unseren Hilferuf nicht; als stoße er uns zurück. Viele verschlucken all diese Fragen, wenden sich enttäuscht von Gott und Jesus ab, und das hindert sie am Leben.
Die beharrliche Frau in unserer Geschichte macht uns Mut, all unsere Fragen und Lasten immer wieder Gott entgegenzuschreien, ihm Hilfe und Antwort abzutrotzen: wie Jakob, wie Hiob, wie Luther - und wie diese heidnische Frau.
Das mobilisiert Kräfte. Das lässt uns über die Berge unseres Lebens hinausschauen und nicht an ihnen zerschellen. Das lässt uns nach anderen Möglichkeiten Ausschau halten, nach Wegen zusammen mit Gott. Wenn wir um dieses Leben mit Gott so beharrlich wie die kanaanäische Frau kämpfen, werden wir heil werden.
Martin Luther hat der kanaanäischen Frau treffend in den Mund gelegt: „Ich kann jetzt nicht disputieren, ob ich fromm bin oder bös, würdig oder unwürdig. Ich kann jetzt nicht abwarten. Meine Tochter wird vom Teufel übel geplagt, da muss ich Rat und Hilfe dazu haben.“
Lassen Sie uns kämpfen gegen den Tod der Resignation, damit wir mit Gott das Leben gewinnen! Amen.

Verfasserin: Pfrn. Renate Weber (1997)

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