Menü

Sieghafter Glaube

von Stefan Claaß (55122 Mainz)

Predigtdatum : 18.09.2005
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 15. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Markus 9,17-27
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Ihre E-Mail

Wochenspruch:

Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. (1. Johannes 5,4)

Psalm: 25,8-15 (EG 713)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 49,1-6
Epistel:
Römer 10,9-17 [18]
Evangelium:
Matthäus 15,21-28

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 452
Er weckt mich alle Morgen
Wochenlied:
EG 346
Such, wer da will, ein ander Ziel
Predigtlied:
EG 343
oder EG 374
Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ
Ich steh in meines Herren Hand
Schlusslied:
EG 145
Wach auf, wach auf, du deutsches Land

17 Einer aber aus der Menge sagte zu Jesus: Meister, ich habe meinen Sohn hergebracht zu dir, der hat einen sprachlosen Geist. 18 Und wo er ihn erwischt, reißt er ihn; und er hat Schaum vor dem Mund und knirscht mit den Zähnen und wird starr. Und ich habe mit deinen Jüngern geredet, dass sie ihn austreiben sollen, und sie konnten's nicht. 19 Er aber antwortete ihnen und sprach: O du ungläubiges Geschlecht, wie lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch ertragen? Bringt ihn her zu mir! 20 Und sie brachten ihn zu ihm. Und sogleich, als ihn der Geist sah, riss er ihn. Und er fiel auf die Erde, wälzte sich und hatte Schaum vor dem Mund. 21 Und Jesus fragte seinen Vater: Wie lange ist's, dass ihm das widerfährt? Er sprach: Von Kind auf. 22 Und oft hat er ihn ins Feuer und ins Wasser geworfen, dass er ihn umbrächte. Wenn du aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns! 23 Jesus aber sprach zu ihm: Du sagst: Wenn du kannst - alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt. 24 Sogleich schrie der Vater des Kindes: Ich glaube; hilf meinem Unglauben! 25 Als nun Jesus sah, dass das Volk herbeilief, bedrohte er den unreinen Geist und sprach zu ihm: Du sprachloser und tauber Geist, ich gebiete dir: Fahre von ihm aus und fahre nicht mehr in ihn hinein! 26 Da schrie er und riss ihn sehr und fuhr aus. Und der Knabe lag da wie tot, sodass die Menge sagte: Er ist tot. 27 Jesus aber ergriff ihn bei der Hand und richtete ihn auf, und er stand auf.

Hinführung:
Der Abschnitt von der Heilung des Knaben folgt im Evangelium direkt auf die Verklärung Jesu auf dem Berg. Nicht nur geographisch, sondern auch erlebnishaft steigt Jesus wieder in die Niederungen des Alltags. Eine Frage, die ich mir in der Predigtvorbereitung immer stelle, lautet: Worauf antwortet das Evangelium? Welche Fragen der Gemeinde mag der Evangelist im Ohr gehabt haben? In diesem heutigen Fall scheint sie mir so zu lauten: Wie können wir „erfolgreich“ glauben? Was gehört dazu an Vollmacht, an Glauben?
Es fällt auf, daß Markus dem Stichwort des „Glaubens“ so viel Raum gibt. Darum gehe ich den drei Sätzen über das Glauben nach, hier scheint mir die Pointe des Textes zu liegen.
Was ich bewusst auslasse: das Thema der konkreten Krankheit. Dass Epilepsie eine Krankheit ist wie viele andere und nicht durch Dämonen begründet, braucht heutzutage wohl kaum betont zu werden.

Liebe Gemeinde!
„Viele Menschen fragen, was ist schuld daran?
Warum kommt das Glück nicht zu mir?
Fangen mit dem Leben viel zu wenig an,
dabei steht das Glück schon vor der Tür!
Viele Menschen suchen, jeden Tag auf´s neu,
jemand, der sein Herz ihnen gibt,
und wenn sie schon glauben, er kommt nie vorbei,
finden sie den einen, der sie liebt.
Wunder gibt es immer wieder,
heute oder morgen können sie gescheh’n,
Wunder gibt es immer wieder,
wenn sie dir begegnen, musst du sie auch seh’n.“
So sang einst Katja Ebstein. Aber es war offensichtlich nicht nur ihre persönliche Hoffnung, sonst wäre dieses Lied nicht zu einem Hit geworden, der immer wieder gespielt wird.
Wunder geschehen immer wieder - warum bei uns nicht?
Stellen Sie sich einmal vor, eine Geschichte wie im heutigen Evangelium würde sich häufiger in unseren Kirchen ereignen. Kranke werden gebracht, es wird gebetet, Hände richten geheilte Menschen auf - was gäbe das für ein Echo! Die Kirchen wären voll, die Krankenhäuser leer, und die Diskussion um eine Gesundheitsreform nähme eine völlig neue Wendung.
Es mag sein, dass beim Zuhören ab und zu solche Phantasien einsetzen. Wesentlich stärker als bei uns war das der Fall in den Gemeinden der ersten Jahrzehnte. Vierzig Jahre waren ins Land gegangen seit der Kreuzigung auf Golgatha. Die Botschaft vom Leben Jesu und von seiner Auferstehung hatte sich ausgebreitet, Menschen trafen sich zum gemeinsamen Gebet, zum Hören und Erzählen, zum Brotbrechen und zur Gemeinschaft im Namen Jesu.
Aber auch sie erlebten in ihrer Mitte weiterhin Krankheit und Not. Sie erlebten sie mit und ohne Heilung. Wir können es nicht - wir können nicht verlässlich heilen im Namen Jesu, stellten sie fest.
Die Ersten wandten sich enttäuscht von der Gemeinde ab. Deren Gott, der Vater Jesu Christi, sei wohl doch nicht so mächtig, wie es geheißen hatte. Unter den Christen kam immer wieder die Debatte auf: Warum geschehen solche Wunder, wie sie uns erzählt werden, nicht auch jetzt noch: hier in unserer Mitte?
Vielleicht hat der Evangelist Markus eine solche Gemeindediskussion im Ohr gehabt, als er sich hinsetzte, um die Szene niederzuschreiben, die wir vorhin gehört haben. Ja, mag er sich gedacht haben, diese ganze Situation ist gar nicht so verschieden von damals, als der Vater mit seinem kranken Sohn zu Jesus kam.
Markus lässt sich nieder und beschreibt, wie Jesus mit seinen Jüngern Petrus, Jakobus und Johannes vom Berg der Verklärung zurückkommt. Die Jünger stehen und streiten mit den Schriftgelehrten, um sie herum eine Volksmenge. Die Erfahrung des Scheiterns haben sie schon gemacht mit diesem kranken Jungen: „Warum konnten wir ihn nicht austreiben?“, fragen sie Jesus später. Alle Fragen und Gefühle der späteren Gemeinde sind in dieser Szene auch schon da, denkt der Evangelist Markus: skeptische Menschen neben hoffnungsvollen, die Jünger in ihrem Versagen neben dem Vater, der alle seine Hoffnung auf Jesus selbst setzt.
Und dann?
Jesus wird unwillig. „O du ungläubiges Geschlecht, wie lange soll ich noch bei euch sein?“ Und damit meint er eben nicht nur die Skeptiker und Gegner, sondern ausnahmslos alle, auch die Jünger, auch das Volk, auch den Vater des kranken Jungen. Mit ihm fängt er das Gespräch an: „Wie lange geht das schon so?“ Der Vater erzählt die Krankengeschichte und bittet: „Wenn du kannst, dann hilf uns!“
Und Jesus antwortet: „Du sagst: Wenn du kannst - alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“
Was für eine Antwort! Darauf der Vater: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“
Ja, denkt sich Markus, das ist die Pointe der Geschichte: die drei Schritte von den ungläubigen Zeitgenossen zu dem Gläubigen, der alles kann und zu dem Glauben als Bruder des Unglaubens.
Liebe Gemeinde, lassen Sie uns auf diese drei Pointen im Evangelium des Markus etwas genauer schauen.
1. Da klagt Jesus zuerst über den Unglauben des Volkes und der Jünger. Wie äußert sich dieser Unglaube? Nicht im Wegbleiben jedenfalls - sie sind ja alle da. Nein, Jesus bezeichnet als Unglauben, was ich einmal den „Um-zu-Glauben“ nenne. Die Menschen kommen, um Heilung zu erleben, um Zeichen zu sehen, um Wunder mitzuerleben. Sie kommen mit der Erwartung: Ich will überzeugt werden, daß hier etwas Außergewöhnliches geschieht. Sie kommen, weil sie etwas erwarten: ein Wunder, ein Zeichen, eine Heilung.
Das ist kein Glaube, predigt Jesus. Wahrer Glaube erwartet nicht etwas, sondern jemanden, nämlich Gott persönlich in seinem Wirken.
Darum beginnt er als erstes ein Gespräch mit dem Vater über seinen Sohn und über seine Hoffnung und sein Vertrauen. Jesu Heilungen sind keine Zaubereien, keine Wunder, um etwas zu beweisen, sondern Ausweis einer tiefen Vertrauensbeziehung: Dein Glaube hat dir geholfen, heißt es an anderer Stelle. Heilung beruht auf diesem persönlichen tiefen Vertrauen zu Gott durch Jesus Christus.
2. Die Antwort Jesu klingt verheißungsvoll und gefährlich zugleich: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“ Man könnte das als eine Maßangabe missverstehen. Das ist im Lauf der Begegnung mit diesem Satz auch geschehen. Er wurde umgedreht zu einer Waffe gegen Kranke: Wenn du trotz Gebet nicht gesund geworden bist, dann glaubst du halt nicht richtig.
Was für ein Verhängnis!
Nein, auch hier füllt Jesus das Glauben anders, als wir es gewohnt sind. Es geht ihm nicht um das Ausmaß des Glaubens, wieviel du weit und breit glaubst, sondern es geht ihm darum, dass wahrer Glaube ungeteilt ist. Es geht beim Glauben nicht um Quantität, sondern um Qualität.
Können wir das: ungeteilt glauben, ungeteilt Gott vertrauen?
Nein, das ist uns nicht möglich. Mit der Wendung: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt“ wird eine Eigenschaft Gottes angesprochen, nicht der Menschen. Gott allein ist der, der alles vermag, heißt es bei Markus an anderer Stelle (10,27 und 14,36). Jesus ist hier dieser ungeteilt Glaubende, der an der Macht Gottes teilhat. Dadurch, dass er heilt, ist Gottes Reich schon unter uns angebrochen.
3. Der Vater des Jungen versteht Jesus und ruft: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ Denn das heißt, Mensch zu sein: ich vertraue auf Gott und möchte doch gleichzeitig mein Leben selbst in der Hand behalten. Wir beten: Dein Wille geschehe! und hoffen, dass auch unser Wille dabei eine Rolle spielt. Wir halten Gott unser Leben hin und tragen im Herzen schon eine Wunschvorstellung, wie Gott unsere Fragen und Probleme regeln möge. Wir sind hin- und hergerissen, wir können nicht ungeteilt glauben.
Dabei bleibt es für den Vater des Jungen, für die Jünger, für die Gemeinde des Markus und auch für uns.
Das Evangelium gibt keine sachdienliche Antwort auf die Frage: Wie können auch wir bitteschön solche Wunder vollbringen?
Das Evangelium will uns davor bewahren, zu Jesus zu kommen, nur um etwas zu erreichen. Das Evangelium will uns ermutigen, zu Jesus zu kommen und mit ihm zu reden wie der Vater des Jungen - und auf ihn zu hören.
Der Kirchenvater Augustin hat das einmal sehr knapp und deutlich zum Ausdruck gebracht: Wir sollen Gott nicht lieben wie eine Kuh - weil sie Milch gibt. Wir können Gott lieben, weil Gott es gut mit uns meint!
Ja, das glauben wir, Gott: hilf unserem Unglauben. Lass uns bei dir bleiben in all unserer Zerrissenheit, in unserem Vertrauen und in unserem Fragen, mit unseren Zweifeln und mit aller Zuversicht des Herzens. Amen.

Verfasser: Pfr. Stefan Claaß, Am Fort Gonsenheim 151, 55122 Mainz

Herausgegeben vom

Logo Zentrum Verkündigung

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de

in Kooperation mit dem

Logo Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland

Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97

Logo MÖD – Missionarisch Ökumenischer Dienst
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de